-
Die
Erfindung betrifft Impfstämme gegen bakterielle und fungale
Infektionen, welche infolge reduzierter Wuchsintensität
im Vergleich zu dem jeweiligen Wildstamm als abgestuft kleinere
Kolonien wachsen, eine entsprechend verlängerte Generationszeit
besitzen und einen hierzu korrelierenden Attenuierungsgrad aufweisen.
Zugleich wird eine für alle bakteriellen und fungalen Seuchen-
und Krankheitserreger geeignete Methode vorgestellt, die mit geringem
Zeit-, Material- und Personalaufwand potentielle Impfstämme
bereitstellt, welche unter Feldbedingungen stabil sind und auf eine
der Wirtsspeziesempfänglichkeit angepasste Attenuierungshöhe
eingestellt werden können. Hierbei wird das Prinzip der
increased-environment-tolerance(let)-Stoffwechseldrift(Stwd)-Attenuierung
genutzt. Den WHO-Sicherheitsanforderungen, die zwei voneinander
unabhängige virulenzreduzierende Mutationen fordern, wird
mit bereits zwei und optimal drei attenuierenden let-Stwd-Markern
vollauf entsprochen.
-
Es
ist bekannt, dass über eine orientierende visuelle Koloniegrößenbestimmung
im Vergleich zum Wildstamm (Wildstamm = 100%, G (groß) ≈75%,
M (mittel) ≈50%, K (klein) 25%, Z (Zwerg) ≈10%;
Koloniegrößenreduktion/Generationszeitverlängerung
als Attenuierungsäquivalent) der ungefähre Attenuierungsgrad
abgeschätzt werden kann. Durch die Möglichkeit,
das Ausmaß der Virulenzreduktion der jeweiligen Wirtsspeziesempfänglichkeit
anzupassen, lassen sich sowohl unzureichende Virulenzreduktionen
(mit nicht vertretbaren Nebenwirkungen bei Impfungen) als auch Überattenuierungen
vermeiden.
-
Unbeschadet
der Vielzahl von vorhandenen und laufend neu vorgestellten potentiellen
Impfstämmen sowie den fast unbegrenzten Möglichkeiten
der Gentechnik gibt es nicht für alle bakteriellen und
fungalen Seuchen- und Krankheitserreger uneingeschränkt
akzeptierte Lebendvakzinen. Grund hierfür ist u. a. der
beträchtliche Zeit- und Kostenaufwand für solche
Entwicklungen. Hinzu kommt, dass die berechtigt stringenten Anforderungen
an solche Vakzinen Grenzen setzen und somit auch vielversprechende
Entwicklungen noch im Versuchsstadium sind.
-
Einen
Einblick in den hierzu umfangreichen bekannten Stand der Technik
geben insbesondere folgende Veröffentlichungen der letzten
Zeit:
Bohez, L. et al., Vaccine 2008, 26, 372–378; Boyen,
F. et al., Vet. Microbiol. 2008, 130, 1–19; Döring,
G. et al., Vaccine 2008, 26, 1011–1024; Frey,
J., Vaccine 2007, 25, 5598–5606; Grabenstein,
J., Vaccines CID 2008, 46, 129–136; Kweon,
Mi-Na, Curr. Opin. Infect. Dis. 2008, 21, 313–318; Lee,
H. et al., FEMS Immunol. Med. Microbiol. 2007, 51, 310–318; Meeting
report, Vaccine 2007, 25, 7007–7011; Pasetti,
M. et al., Vaccine 2008, 26, 1773–1785; Pec,
Y. et al., Vet. Microbiol. 2007, 125, 100–110; Whitlock,
G. et al., FEMS Microbiol. Lett. 2007, 277, 115–122.
-
Weiterhin
ist die mittels der sogenannten Stoffwechseldrift Antibiotika-„Resistenz”-Attenuierung
mögliche kurzfristige Bereitstellung potentieller Impfstämme
bekannt, welche auch bei Markerkopplungen keine Überattenuierung
aufweisen. Mit Hilfe dieses Prinzips (
Linde, K. et al.,
Vaccine 1990, 8, 278–282), bei welchem „Resistenz” und
Attenuierung offensichtlich eine funktionelle Einheit bilden (
Linde,
K. et al., Vet. Microbiol., 1998, 62, 121–134),
wurden bereits Impfstämme von Salmonellen, Shigellen sowie
Listerien entwickelt und erfolgreich an Mäusen bzw. Meerschweinchen
getestet (
Linde K. et al., Vaccine 1990, 8, 25–29;
Linde,
K. et al., Vaccine 1991, 9, 101–105). Die Praxisrelevanz
wurde in zwei Feldversuchen an Schafen (
Linde, K. et al.,
Vaccine 1992, 10, 337–340,
Linde, K. et
al., Vaccine 1995, 13, 923–926), einer klinischen
Studie an Kindern (
Dentchev, V. et al., Vaccine 1990, 8,
30-34) sowie mittels der für die Veterinärmedizin
zugelassenen Impfstoffe AviPro Salmonella Vac T und AviPro Salmonella
Vac E zur Sanierung von latent mit Salmonellen infizierten Hühnerbeständen
nachgewiesen (
Linde, K. und Mitarb., Tierärztliche
Umschau, 1996, 51, 23–31;
Gantois, I.
et al., Vaccine 2006, 24, 6250–6255). Von besonderer
Bedeutung für diese als Impfstoffe eingesetzten Stoffwechseldrift-Mutanten
ist, dass die in Bouillonkultur-Passagen angereicherten Klone, deren
Generationszeiten zwischen Originalimpfstamm und Wildstamm liegen,
aber trotzdem unvermindert attenuiert sind (siehe
US 5.792.452 ).
-
Inzwischen
bestätigten auch andere Autoren das vereinzelte Vorkommen
von attenuierten „Resistenz”-Klonen unter spontanen
Antibiotika-„Resistenz”-Mutanten (Andersson,
D. and Levine, B., Curr. Opin. Microbiol. 1999, 2, 489–493; Björkmann,
J. and Andersson, D., Drug. Resist. Update 2000, 3, 237–245; Giraud, E.
et al., J. Med. Microbiol. 2003, 52, 697–703; Gustafsson,
I. et al., J. Antimicrob. Chemother. 2003, 52, 258–263).
Ferner wurde kürzlich ein wirksamer Salmonella Dublin Impfstamm
vorgestellt, dessen Virulenzreduktion auf einer Stwd-Antibiotika-„Resistenz”-Attenuierung
beruht (Mizuno, T. et al., Vet. Res. 2007, 38, 773–794).
-
Die
mittels der Stwd-Antibotika-„Resistenz”-Attenuierung
hergestellten Impfstämme/-stoffe, zutreffender zu beschreiben
als Auslese von attenuierten Klonen unter den Spontanmutanten zur
Antibiotika-Resistenz, sind für Human-/Veterinärmediziner
sowie Prüfbehörden durch den Begriff „Resistenz” semantisch
negativ belastet. Die Tatsache, dass
- – bei
der Stwd-„Resistenz” diese Resistenz mit der Attenuierung
offensichtlich eine funktionelle Einheit bildet (Linde,
K. et al., Vet. Microbiol. 1998, 62, 121–134),
- – ein chromosomaler in vivo Gentransfer/-repair mit ≤ 10–10 zu vernachlässigen
ist (Kaper, J. et al., infect. Immun. 1994, 62, 1480–1484)
und
- – darüber hinaus hierbei wiederum attenuierte
Klone entstehen würden,
hatte bisher erfahrungsgemäß auf
bestehende bzw. verfestigte Vorbehalte nur geringen Einfluss.
-
Die
Aufgabe der Erfindung besteht somit darin, dass mittels eines neuen
Verfahrens Zwei- und optimal Dreimarker-Mutanten isoliert werden,
wobei jede einzelne Mutation entsprechend einer gezielten Auswahl
der Klone eine zusätzliche geringe Attenuierung aufweist,
sodass Mehrmarkerstämme ohne Überattenuierung
bereitgestellt werden können.
-
Erfindungsgemäß werden
gemäß Patentansprüche attenuierte Klone
ohne klinisch relevante Resistenzen bereitgestellt. Das Isolierungsverfahren
und die damit hergestellten Impfstämme basieren auf einem neuen
Verständnis der evolutionär vorprogrammierten
Stoffwechseldrift:
- – let(increased
environmental tolerance)-Mutanten als integraler Bestandteil jeder
Mikrobenpopulation sind aus evolutionärer Sicht die ultimative
Voraussetzung für das beiderseitige Überleben
von Erreger und Wirt.
- – Normale Nährböden simulieren einen
hochempfänglichen Wirt, der attenuierte Klone nicht eliminiert
und damit die Isolierung solcher Mutanten ermöglicht.
- – Das Stwd-Prinzip – hier:
let-Mutanten als eine kontinuierlich und spontan entstehende Subpopulation
in Mikrobenkulturen – trifft offensichtlich auf alle Bakterien,
Myceten sowie Viren zu und lässt sich praxisrelevant für
die Herstellung von Lebendimpfstoffen nutzen.
-
Das
Prinzip der Attenuierung mittels Mutationen, im vorliegenden Fall über
let-Mutationen mit reduzierten, eine erhöhte Umwelttoleranz
bedingenden Stoffwechselaktivitäten, wird aus zwei Gründen
favorisiert:
- 1. der zu erwartenden besseren
Immunogenität im Vergleich zu Impfstämmen mit
Deletionen in Virulenzgenen (Meeusen, E. et al., Clin. Microbiol.
Rev. 2007, 20, 489– 510)
- 2. dem wesentlich geringeren Zeit-, Material- und Personalaufwand,
verglichen mit der Isolierung und Testung z. B. Transposon-Insertionsmutanten,
wo mehrere hundert Klone zu prüfen sind und hierbei nur
wenige geeignete Mutanten gefunden werden (Chang, J. et
al., FEMS Immunol. Med. Microbiol. 2008, 53, 26–34)
-
Hinzu
kommt, dass weitere durch Fakten untermauerte Überlegungen
für die vorgestellte Prinziplösung sprechen, wie
z. B.:
- – den Einsichten zu evolutionären
Vorgängen (Bayliss, Ch. and Moxon, E., ASM News
2002, 68, 549–555; Leuski, R. and Traqisano,
M., Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1994, 91, 6808–6814; Levine,
B., Genetics 2000, 154, 985–997; Müller, H., Mikrobiologe
1997, 7, 204–208; Wolf-Watz, H. and Miller,
V., Curr. Opinion in Microbiol. 2003, 6, 3–6).
- – dem nur in vitro möglichen Nachweis von
spontan auftretenden attenuierten Klonen (Giraud, E. et
al., Antimicrob. Agents. Chemother. 1999, 43, 2131–2137; Linde,
K. et al., Vet. Microbiol. 1998, 62, 121–134; Nilsson,
A. et al., Antimicrob. Agents. Chemother. 2003, 47, 2850–2858)
- – der auf beiderseitiges Überleben orientierenden
Erreger-Wirt-Wechselwirkung (Fenner, F. and Racliffe, F., Myxomatosis,
Cambridge, University Press 1965; Myers, K. et
al., J. Hyg. (Camb.) 1954, 52, 337–360)
- – der etwa im Ein-Promille-Bereich liegenden Häufigkeit
von Mutanten mit vermutlich
- – evolutionärem Vorteil (Hofemeister,
J. und Böhme, H., Wissenschaft und Fortschritt 1982, 32,
90–94) und
- – der berechtigten Annahme, dass es weit mehr attenuierende
Mutationsprinzipien gibt als bislang bekannt
-
Dies
führt insgesamt zu einem neuen, mithin dialektisch umfassenderen
Verständnis der biologisch vorprogrammierten Stoffwechseldrift.
Die sich hieraus ergebende kritische Hinterfragung des evolutionär
gesteuerten Prinzips Stoffwechseldrift baut demzufolge auf der Erkenntnis
auf, dass
- 1. die methodisch einfache Antibiotika-„Resistenz”-Attenuierung
nur eine Unterform von retardierenden Stoffwechselabläufen
ist,
- 2. metabolische Driftphänomene ohne „Resistenz” gleichfalls
vorkommen und
- 3. Stwd-Mutanten zwecks Erreichens eines hochempfänglichen
Wirtes – da gegenüber dem Wildstamm in der Minderzahl – eine
sie bevorzugende, an die Stoffwechsel-Retardierung gekoppelte Umwelt-Stress-Toleranz – increased
environmental tolerance: let – besitzen müssten.
-
Diesen Überlegungen
folgend werden Keimsuspensionen von Wildstämmen in z. B.
PBS bei 37° über mehrere Wochen inkubiert und
somit einem Umweltstress ausgesetzt. Erwartungsgemäß wurde
gefunden, dass in Abimpfungen (Verdünnungsimpfstrich/Spatelung
logarithmischer Verdünnungen) aus diesem dying-off-Geschehen
neben den normal großen Kolonien in Promille bis prozentualer
Häufigkeit abgestuft kleinere Kolonien auftreten. Ferner
wird beobachtet, dass, wenn solche Einmarker-(sinngemäß Zwei-
und Dreimarker-)Stwd-Klone wiederum einem dying-off-Prozess unterworfen
werden, erneut – bezogen auf die nunmehrige Ausgangsvariante – abgestuft
kleinere Kolonien auftreten. Etwa 50% dieser Klone erweisen sich
bei weiteren Nähragar-Passagen hinsichtlich ihrer Größenreduktion
als stabil.
-
Bei
jedem auf spontanen Mutationen beruhendem Attenuierungsprinzip wird
automatisch die Frage nach der Stabilität – hier
bezogen auf die let-Marker – gestellt. Eine absolute genetische
Stabilität gibt es nicht. Gefordert wird deshalb unter
Feldbedingungen das Fehlen von Rückmutanten zum Wildtyp.
Für Spontanmutanten wird eine Reversionsrate zur Virulenz
von ≈10–8 angenommen (s.
u.). Daher werden seitens der WHO zwei unabhängig voneinander
attenuierende Mutationen gefordert (WHO 1972, World Health
OrgTec. Rep. Sev. 500, p. 25). Die vorgestellte erfindungsgemäße
Lösung ermöglicht problemlos den Einbau der geforderten zwei,
als Optimum auch von drei virulenzreduzierenden Markern. Dies ergäbe
rein rechnerisch eine Gesamtstabilität von ≈10–16 bzw. ≈10–24,
wodurch die Forderung nach Stabilität unter Feldbedingungen
vollauf als erfüllt gelten kann.
-
In
diesem Kontext ist folgender Hinweis bedeutsam: Die Reversion einer
spontan attenuierten Shigella-Mutante – getestet an Freiwilligen – lag
bei ≈109 oral verabreichten Keimen
(DuPont, H. et al., Symp. Series immunobiol. Standard 1971,
15, 213–218; Karger, Basel/München/NewYork;
Formal, S. et al., ebenda, 73-78). Unter Praxisbedingungen
wäre somit bereits ein Zweimarkerstamm hinreichend stabil,
Dreimarker let-Stwd-Mutanten sind problemlos zu akzeptieren.
-
Die
aufgeführten Prämissen zur Stabilität
gelten so uneingeschränkt jedoch nur für die bakteriellen Ein-,
Zwei- und Dreimarker-let-Mutanten. Diese Stämme zeigten
auch nach 20 Passagen über Nähragar weiterhin
ihre ursprünglichen, unverändert reduzierten Koloniegrößen.
-
Einschränkende
Hinweise sind allerdings zur Stabilität von fungalen let-Mutanten
notwendig. Die ausgewählten Einmarker-Klone von Candida
albicans und Aspergillus fumigatus waren ebenfalls über
20 Passagen hinweg stabil. Für die isolierten Zweimarker-let-Mutanten
von Candida albicans traf dies allerdings nicht durchgängig
zu. Bei den als instabil eingestuften Zweimarker-Klonen erfolgte
nach nur wenigen Passagen eine Aufspaltung in ein Spektrum von Kolonien
mit unterschiedlich reduzierten Größen, welche
in der Regel jedoch kleiner als die Einmarker Ausgangsmutante waren.
In Einzelfällen wurden Kolonien mit der Größe
des Einmarker-Ausgangsstammes sowie selten auch von Wildstammgröße
gefunden.
-
Wieweit
dies bei Klonen von Wildstammgröße mit einer vollen
Virulenzrestitution einhergeht, steht noch zur Prüfung
an (siehe auch
US 5.792.452 ).
-
Weiterhin
steht bei Impfungen das Problem der Unterscheidung zwischen Impfstämmen
und Wild-/Feldstämmen. Das Merkmal „definiert
kleinere Kolonien” dürfte in diesem Zusammenhang
kaum auf uneingeschränkte Akzeptanz stoßen. Als
Kompromiss wäre als Erkennungs- bzw. gleichzeitig Attenuierungs-Marker
eine Stwd-„Resistenz”-Mutation anzubieten, vorzugsweise
ein Antibiotikum betreffend, welches für den Erreger ohne
therapeutische Relevanz sein sollte.
-
Dazu
der Vollständigkeit halber noch zwei Hinweise
- 1. Einerseits fordert das Robert-Koch-Institut den Verzicht
auf Antibiotika-Resistenz-Marker als Erkennungsmerkmal (Aktuell: Hyg.
Med. 1999, 24, 273–274).
- 2. Andererseits besteht – wie bereits ausgeführt – bei
der Stoffwechseldrift offensichtlich eine funktionelle Einheit von „Resistenz” und
Attenuierung, sodass hier der klinisch belastete Resistenzbegriff
im bisherigen Sinne semantisch nicht zutreffend ist.
-
Ausgehend
von diesen Erkenntnissen wird die Aufgabe erfindungsgemäß gelöst
durch Impfstämme, deren Isolierung und deren Verwendung
entsprechend den Patentansprüchen erfolgt. Wesentliches
Merkmal der Erfindung ist, dass mittels eines mit let-Stwd-Mutationen
arbeitenden Verfahrens Zwei- und optimal Dreimarker Mutanten als
potentielle Impfstämme mit einer der Wirtsspeziesempfänglichkeit
angepassten Attenuierungshöhe hergestellt werden können.
-
Die
vorteilhafte Gestaltung des offensichtlich auf alle Mikroben übertragbaren
Verfahrens wird an Ausführungsbeispielen von Aspergillus
fumigatus, Bacillus cereus, Candida albicans, Cryptococcus neoformans, Escherichia
coli O:157, Rhodococcus equi, Salmonella Anatum und Staphylococcus
aureus demonstriert.
-
Dabei
werden die Unterschiede in den Koloniegrößen der
Mutanten zum Wildstamm sowie untereinander visuell eingeschätzt
und in Gruppen mit prozentualen Sprüngen geordnet (siehe
Beispiel 1). Ob zur Optimierung dieses Verfahrens eine automatisierte
Generationszeitbestimmung (GT als Attenuierungsäquivalent: Linde,
K. et al., Vaccine 1990, 8, 272–282; Linde,
K. et al., Vaccine 1991, 9, 101–105) Vorteile
bieten könnte, mag offen bleiben. Denkbar wäre,
dass den let-Klonen sowie den mittels Passagen über Mangelnährböden gewonnenen
Impfstämmen (z. B. BCG) das gleiche Stwd-Prinzip zugrunde
liegen könnte. In diesem Falle würden sich die
let-Verfahrensansprüche u. a. auf
- (1)
das Erkennen des let/Stwd-Prinzips,
- (2) die erfassbare Markerkopplung zwecks Stabilitätsgarantie
und
- (3) die gezielte Einstellung der Attenuierungshöhe
erstrecken.
-
Nachfolgend
werden an den 1 bis 8 let-Mutanten
mit abgestuft reduzierten Koloniegrößen als Ein-,
Zwei- und Dreimarker Mutanten demonstriert. Die jeweilige Kennzeichnung
am let-Marker entspricht der Klon-Nummer. Die Bebrütungszeiten
bzw. –temperaturen betrugen dabei für Bakterien ≈22
h/37°C, für Candida albicans ≈48 h/30°C
und Aspergillus fumigatus sowie Cryptococcus neoformans ≈72
h/30°C.
-
Die
in den ausgewählten Beispielen demonstrierten Koloniegrößenunterschiede
zwischen dem jeweiligen Wildstamm und dessen let-Mutanten bzw. zwischen
den aufeinanderfolgenden größenreduzierten let-Klonen
sind eindeutig und bedürfen daher keines zusätzlichen
Kommentars.
Abb.
01: | Bacillus
cereus let β/let β/let a | Dreimarkerstamm |
Abb.
02: | E.
coli O: 157 let 3/let α/let a | Dreimarkerstamm |
Abb.
03: | Salmonella
Anatum let 2/let β/let a | Dreimarkerstamm |
Abb.
04: | Staphylococcus
aureus let 6/let β/let b | Dreimarkerstamm |
Abb.
05: | Rhodococcus
equi let 5/let α | Zweimarkerstamm |
Abb.
06: | Cryptococcus
neoformans let 1/let α und let β | zwei
Zweimarkerstämme |
Abb.
07: | Candida
albicans let 2/let β | Zweimarkerstamm |
Abb.
08: | Aspergillus
fumigatus let 2/let β/let a | Dreimarkerstamm |
-
Ausführungsbeispiele
-
1. Bearbeitete Mikroben und Material
-
1.1. Wildstämme und Herkunft
-
Aspergillus
fumigatus und Cyptococcus neoformans (Stämme aus Ringversuch
Mykologie 2005/11, Instand e. V.); Bacillus cereus und Candida albicans
(Stämme aus Human-Faeces isoliert); Rhodococcus equi und
Salmonella Anatum (Institut für Bakteriologie und Mykologie
der Veterinärmedizinischen Fakultät, Universität
Leipzig); Escherichia coli O:157: Friedrich-Löffler-Institut,
Wusterhausen; Staphylococcus aureus: ATCC 25923
-
1.2. Nährmedien und Suspensionslösungen
-
- Nähragar mit 0,1% Glukose (NA), Nährbouillon
(NB), Clostridial medium (RCM), Sabouraud 2% Glukose Agar (SaA):
SIFIN
Phosphatgepufferte Kochsalzlösung (PBS) ohne/mit
z. B. 2 μg·ml–1 Brilliantgrün
-
2. Beispiele
-
Beispiel 1:
-
- Isolierung von „increased environmental tolerance” let-Einmarker-Mutanten
aus langsam absterbenden „dying-off”-Keimsuspensionen/Kulturen
- Suspensionen mit etwa mit folgenden Konzentrationen (KBE/ml
sterilisiertem PBS, Aqua dest. oder Leitungswasser):
Bakterien: ≈10–1l
Candida albicans: ≈109
Cryptococcus neoformans ≈109
Aspergillus fumigatus: ≈108-9
wurden z. B. bei 37°C über ≥ drei
Wochen (Aspergillus fumigatus bei 30°C ≥ drei
Monate) dem dying-off-Prozess unterworfen. In mehrtägigen
bis wöchentlichen Abständen erfolgte die Abimpfung
mittels Verdünnungsimpfstrich bzw. durch Spatelung logarithmischer
Verdünnungen auf NA bzw. SaA. Die nach üblicher
Inkubation vereinzelt zwischen den normal großen Kolonien
auftretenden abgestuft kleineren Kolonien bzw. Kolonien mit verkürztem
Mycel wurden isoliert. Alle Klone, welche nach mehrfachen Passagen
ihre reduzierten Koloniegrößen stabil beibehielten
(etwa 50% der Isolate) wurden als let-Stwd-Mutanten klassifiziert.
-
Zur
Größenbeurteilung der let-Stwd-Klone wurde visuell
groborientierend eine Gruppenunterteilung nach Größendifferenz
zum Wildstamm vorgenommen. Dabei wurde der Wildstamm mit 100% angesetzt,
die Gruppen waren dann: G (groß) ≈75%, M (mittel) ≈50%,
K (klein) ≈25%, Z (Zwerg) ≈10%.
-
Für
Candida albicans muss offen bleiben, ob die let-Klone sich direkt
aus der primären Abimpfung oder erst über die
Zwischenform von Petit-like-Kolonien isolieren ließen.
Diese Petit-like Kolonien, deren Größe noch deutlich
unter dem Z-Wert lag, spalteten sich bei nachfolgenden Passagen
in (1) sich rückentwickelte Wildtypkolonien, (2) als in
geringerer Anzahl verbleibende aber instabile Petit-like Formen
und (3) in Einzelfällen als Stwd-Klone mit Koloniegrößen
zwischen Wildstamm und Petit-like Kolonien auf.
-
Für
Aspergillus fumigatus galt vom Prinzip her eine analoge, im Detail
jedoch modifizierte Versuchsanordnung. Die suspendierten Konidien
wurden gewaschen, um ein restliches Mycelwachstum weitgehend zu vermeiden.
Zusätzlich zu Verdünnungsimpfstrichen wurden logarithmische
Verdünnungen ausgespatelt. Die Isolierung der let-Mutanten
von Aspergillus fumigatus erforderte im Vergleich zu Bakterien und
Candida albicans einen größeren Arbeits- und Materialaufwand,
da das Mycelwachstum die Zahl von Einzelkolonien limitiert.
-
Beispiel 2:
-
Beschleunigung der dying-off-Kinetik zwecks
rascherer Isolierung von let-Stwd-Klonen bei Bakterien durch Zusatz
geringer Mengen von Noxen zu PBS bzw. Aqua dest.
-
Die
Durchführung erfolgte entsprechend Beispiel 1, jedoch unter
Zusatz von z. B. ≥ 2 μg ml–1 Brillantgrün
zur Keimsuspension. Die Ausimpfung erfolgte hierbei bereits am 8.
Tag und nachfolgend in verkürzten Zeitintervallen.
-
Beispiel 3:
-
Isolierung der let-Stwd-Mutanten von Sporenbildnern
(z. B. Bacillus cereus)
-
Die
Anzüchtung und der dying-off-Prozess erfolgten in Reagenzglasröhrchen
mit ≥ 10 ml NB, um eine exzessive, die let-Mutanten-Isolierung
störende Versporung zu vermeiden. Die weitere Durchführung
entsprach der der Beispiele 1 und 2.
-
Beispiel 4:
-
Isolierung von let-Stwd-Zweimarker- und
Dreimarker-Mutanten unter Anwendung der Verfahren der Beispiele 1
bis 3
-
Im
ersten Schritt wurden von Wildstämmen die abgestuft kleineren
let-Kolonien isoliert. Ausgehend von solch einem let-Einmarker-Klon,
welcher sich eben noch eindeutig in der Größe
vom Wildstamm unterscheidet, wurde im zweiten Schritt diese Keimsuspension
dem dying-off-Prozess unterworfen und die zum Ausgangsklon erkennbar
abgestuft kleineren Kolonien isoliert. Von einer solchen so ausgewählten
Doppelmarkermutante erfolgte danach in einem analogen dritten Schritt
die Isolierung von let-Dreimarkermutanten.
-
Bei
der Isolierung von Candida albicans Doppelmarker-Mutanten über
die Petit-like Zwischenformen und der hierbei notwendigen Überimpfung
von Petit-like Kolonien gelang in Einzelfällen die Isolierung
von let-„Petit-like”-Klonen, welche über
mehr als 20 Passagen stabil blieben.
-
Beispiel 5:
-
Abtrennung der Impfstämme von
den Wild-/Feldstämmen
-
Die
Abtrennung erfolgte über die Größenzuordnung
der im Vergleich zu den Wildstämmen eindeutig kleineren
Kolonien der Impfstämme.
-
Falls
das unscharfe Kriterium „Kleinere Kolonien” auf
Skepsis stößt, müsste der Einbau einer
attenuierenden Stwd-Antibiotika-„Resistenz”-Mutation
als zusätzliches Erkennungsmerkmal erwogen werden (Siehe:
Funktionelle Einheit von Stwd-Antibiotika-„Resistenz” und
Attenuierung)
-
Beispiel 6:
-
Orientierender Nachweis der Attenuierung
durch let-Stwd-Mutationen im Hühnerembryonentest: Reduzierte Koloniegrößen
als Attenuierungsäquivalent
-
Embryonierte
Hühnereier wurden als Alternative zum Mäusemodell
für den Nachweis einer Attenuierung bei Candida albicans
(Härtl, A. et al., Arzneimittelforschung 1995,
45, 926–928; Gow, NA., Med. Mycol., 2003,
41, 331–338) und Aspergillus fumigatus (Jacobsen,
I. und Brock, M., Vortrag DVG-Tagung „Bakteriologie und
Mykologie, 2008) verwendet.
-
Die
Infektion der Embryonen erfolgte am 10. Bruttag:
- – Salmonella
Anatum und Rhodococcus equi: in 0,5 ml PBS werden in den Dottersack
injiziert, bei
• Salmonella Anatum ≈103 Keime Graphik I
• Rhodococcus
equi ≈105 Keime Graphik II
- – Candida albicans und Aspergillus fumigatus: nach
Anlegen einer künstlichen Luftkammer werden in 0,1 ml PBS
auf die Chorioallantoismembran appliziert, bei:
• Candida
albicans ≈107 Zellen Graphik III
• Aspergillus
fumigatus ≈103 Konidien Graphik
IV
-
Das Überleben
der Embryonen wurde während der folgenden sieben Tage verfolgt.
-
Beispiel 7:
-
Massenkultur, Präparation und
Anwendung der Impfstämme
-
Zur
Herstellung der Lebendimpfstoffe werden die Zwei- und Dreimarker-Impfstämme
in einem geeigneten, an sich bekannten Nährmedium als Flüssigkultur
bis zum Ende der logarithmischen Phase gezüchtet. Die Gewinnung
von Konidien erfolgt auf festen Nährböden. Die
Impfstamm-Suspensionen werden mit einem üblichen Stabilisator
versetzt und lyophilisiert. Die so erhaltenen Impfstoffe werden
entsprechend dem Indikationsgebiet ein- bis zweimal parenteral mit
Keimzahlen um 107 KBE bzw. oral ein bis
zwei log-Stufen höher appliziert.
-
Wahlweise
wäre die Primärimpfung mit einem hochattenuierten,
die folgende Boosterung mit einem moderat attenuierten Impfstamm
zu erwägen.
-
Die
Abbildungen zeigen
-
01–04
-
let-Stoffwechseldrift-Dreimarker-Mutanten
von Bacillus cereus (01), Escherichia coli (02), Salmonella
Anatum (03) und Staphylococcus aureus
(04)
-
05–08
-
let-Stoffwechseldrift-Zweimarker-Mutanten
von Rhodococcus equi (05), Cryptococcus neoformans
(06), Candida albicans (07) sowie
eine Iet-Stoffwechseldrift-Dreimarker-Mutante von Aspergillus fumigatus
(08)
-
9
-
Salmonella
Anatum – orientierender Hühnerembryonentest (Dottersack)
mit Wildstamm und einer Dreimarker let2/letβ/leta-Stoffwechseldrift-Mutante
(Infektionsdosis ≈103 KBE/Hühnerei)
-
10
-
Rhodococcus
equi – orientierender Hühnerembryonentest (Dottersack)
mit Wildstamm und einer Einmarker let5-Stoffwechseldrift-Mutante
(Infektionsdosis ≈105 KBE/Hühnerei)
-
11
-
Candida
albicans – orientierender Hühnerembryonentest
(Chorioallantoismembran) mit Wildstamm und einer Einmarker let2-
und einer Zweimarker let2/letβ-Stoffwechseldrift-Mutante
(Infektionsdosis ≈107 KBE/Hühnerei)
-
12
-
Aspergillus
fumigatus – orientierender Hühnerembryonentest
(Chorioallantoismembran) mit Wildstamm und einer Einmarker let4-Stoffwechseldrift-Mutante
(Infektionsdosis ≈103 KBE/Hühnerei)
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste
der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert
erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information
des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen
Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt
keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- - US 5792452 [0005, 0018]
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- - Bohez, L.
et al., Vaccine 2008, 26, 372–378 [0004]
- - Boyen, F. et al., Vet. Microbiol. 2008, 130, 1–19 [0004]
- - Döring, G. et al., Vaccine 2008, 26, 1011–1024 [0004]
- - Frey, J., Vaccine 2007, 25, 5598–5606 [0004]
- - Grabenstein, J., Vaccines CID 2008, 46, 129–136 [0004]
- - Kweon, Mi-Na, Curr. Opin. Infect. Dis. 2008, 21, 313–318 [0004]
- - Lee, H. et al., FEMS Immunol. Med. Microbiol. 2007, 51, 310–318 [0004]
- - Meeting report, Vaccine 2007, 25, 7007–7011 [0004]
- - Pasetti, M. et al., Vaccine 2008, 26, 1773–1785 [0004]
- - Pec, Y. et al., Vet. Microbiol. 2007, 125, 100–110 [0004]
- - Whitlock, G. et al., FEMS Microbiol. Lett. 2007, 277, 115–122 [0004]
- - Linde, K. et al., Vaccine 1990, 8, 278–282 [0005]
- - Linde, K. et al., Vet. Microbiol., 1998, 62, 121–134 [0005]
- - Linde K. et al., Vaccine 1990, 8, 25–29 [0005]
- - Linde, K. et al., Vaccine 1991, 9, 101–105 [0005]
- - Linde, K. et al., Vaccine 1992, 10, 337–340 [0005]
- - Linde, K. et al., Vaccine 1995, 13, 923–926 [0005]
- - Dentchev, V. et al., Vaccine 1990, 8, 30-34 [0005]
- - Linde, K. und Mitarb., Tierärztliche Umschau, 1996,
51, 23–31 [0005]
- - Gantois, I. et al., Vaccine 2006, 24, 6250–6255 [0005]
- - Andersson, D. and Levine, B., Curr. Opin. Microbiol. 1999,
2, 489–493 [0006]
- - Björkmann, J. and Andersson, D., Drug. Resist. Update
2000, 3, 237–245 [0006]
- - Giraud, E. et al., J. Med. Microbiol. 2003, 52, 697–703 [0006]
- - Gustafsson, I. et al., J. Antimicrob. Chemother. 2003, 52,
258–263 [0006]
- - Mizuno, T. et al., Vet. Res. 2007, 38, 773–794 [0006]
- - Linde, K. et al., Vet. Microbiol. 1998, 62, 121–134 [0007]
- - Kaper, J. et al., infect. Immun. 1994, 62, 1480–1484 [0007]
- - Meeusen, E. et al., Clin. Microbiol. Rev. 2007, 20, 489– 510 [0010]
- - Chang, J. et al., FEMS Immunol. Med. Microbiol. 2008, 53,
26–34 [0010]
- - Bayliss, Ch. and Moxon, E., ASM News 2002, 68, 549–555 [0011]
- - Leuski, R. and Traqisano, M., Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1994,
91, 6808–6814 [0011]
- - Levine, B., Genetics 2000, 154, 985–997; Müller,
H., Mikrobiologe 1997, 7, 204–208 [0011]
- - Wolf-Watz, H. and Miller, V., Curr. Opinion in Microbiol.
2003, 6, 3–6 [0011]
- - Giraud, E. et al., Antimicrob. Agents. Chemother. 1999, 43,
2131–2137 [0011]
- - Linde, K. et al., Vet. Microbiol. 1998, 62, 121–134 [0011]
- - Nilsson, A. et al., Antimicrob. Agents. Chemother. 2003, 47,
2850–2858 [0011]
- - Fenner, F. and Racliffe, F., Myxomatosis, Cambridge, University
Press 1965 [0011]
- - Myers, K. et al., J. Hyg. (Camb.) 1954, 52, 337–360 [0011]
- - Hofemeister, J. und Böhme, H., Wissenschaft und Fortschritt
1982, 32, 90–94 [0011]
- - WHO 1972, World Health OrgTec. Rep. Sev. 500, p. 25 [0014]
- - DuPont, H. et al., Symp. Series immunobiol. Standard 1971,
15, 213–218 [0015]
- - Karger, Basel/München/NewYork; Formal, S. et al.,
ebenda, 73-78 [0015]
- - Hyg. Med. 1999, 24, 273–274 [0020]
- - GT als Attenuierungsäquivalent: Linde, K. et al.,
Vaccine 1990, 8, 272–282 [0023]
- - Linde, K. et al., Vaccine 1991, 9, 101–105 [0023]
- - ATCC 25923 [0026]
- - Härtl, A. et al., Arzneimittelforschung 1995, 45,
926–928 [0036]
- - Gow, NA., Med. Mycol., 2003, 41, 331–338 [0036]
- - Jacobsen, I. und Brock, M., Vortrag DVG-Tagung „Bakteriologie
und Mykologie, 2008 [0036]