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Gegenstand
der vorliegenden Erfindung ist ein Verfahren zur Expressionsverstärkung von
G-Protein gekoppelten Rezeptoren, insbesondere Geruchsrezeptoren,
durch Koexpression von Faltungshelferproteinen aus der Hsp70-Familie
der Hitzeschockproteine in eukaryotischen Zellen.
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G-Protein
vermittelte Signalübertragungswege
sind für
eukaryontische Organismen von fundamentaler Bedeutung. Zu den Liganden
der G-Protein gekoppelten Rezeptoren gehören biogene Amine wie Adrenalin und
Noradrenalin, Histamin, Serotonin, Glutaminsäure, Retinalderivate, Peptide
wie Bradykinin sowie große Glykoproteine
wie das Luteinisierungshormon und das Parathormon. Darüber hinaus
binden die G-Protein gekoppelten olfaktorischen Rezeptoren in der
Nasenschleimhaut des Menschen eine große Vielfalt an Duftstoffen
und ermöglichen
die Wahrnehmung und Unterscheidung von mehr als 10.000 verschiedenen
Duftstoffen.
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Die
Signalübertragung
wird durch Ligandenbindung an den Rezeptor eingeleitet. Eine durch
die extrazelluläre
Ligandenbindung verursachte Konformationsänderung des Rezeptors wird über die
Zellmembran als Signal an die intrazelluläre Seite übertragen, die daraufhin das,
mit dem cytoplasmatischen Teil assoziierte, heterotrimere G-Protein
aktiviert. Das aktivierte G-Protein leitet dann das Signal über intrazelluläre Signalkaskaden
weiter, wobei hierüber
letztlich verschiedene zelluläre
Ereignisse, wie beispielsweise Zellteilung, Differenzierung, Migration
oder Öffnung
von Ionenkanälen,
kontrolliert werden.
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Strukturell
sind alle G-Protein gekoppelten Rezeptoren hoch homolog und bilden
die Familie der 7-Helix-Transmembranrezeptoren,
die auch „Serpentin-Rezeptoren" genannt werden.
Der Name leitet sich von sieben konservierten Sequenzabschnitten
aus jeweils 20–25
hydrophoben Aminosäuren
ab, die die Membran in Form von Helices durchspannen. Untereinander
sind diese Elemente durch mehr oder weniger große intra- und extrazelluläre Schleifen
verbunden, die zwischen den verschiedenen Rezeptoren eine große Divergenz aufweisen
und unter anderem für
die Aktivierung der nachgeschalteten G-Proteine verantwortlich sind.
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Durch
die Sequenzierung der ersten eukaryotischen Genome wurde die schon
seit der Entdeckung der Geruchsrezeptor-Familie im Jahr 1991 existierende Vermutung
(Buck and Axel, 1991) bestätigt,
dass die Geruchsrezeptoren die größte Gen-Familie aller G-Protein gekoppelter
Rezeptoren bilden. So hat der Mensch mindestens 906 Geruchsrezeptor-Gene,
davon 347 mit intakten Leserahmen (Glusman et al., 2001), und Mäuse mindestens
1296 Gene, davon rund 1000 mit offenem Leserahmen (Zhang and Firestein,
2002). Diese Familie von Transmembranrezeptoren ist von besonderem
Interesse für
Biosensorsysteme, mit deren Hilfe für den Menschen relevante Düfte erkannt
und identifiziert werden könnten.
Die „künstliche
Nase" könnte der
zuverlässigen
Qualitätskontrolle
bei Lebensmitteln dienen, Produktmischungen entschlüsseln und
damit für
immer gleiche Geschmacksqualität
sorgen, oder Düfte
erkennen, die Gefahren signalisieren. Ungünstigerweise ist seit der Entdeckung
der Geruchsrezeptoren nur relativ wenig über deren Duft-Selektivität bekannt
geworden, da sich die funktionale Expression der Geruchsrezeptoren
als äußerst schwierig
herausgestellt hat. So sind bisher verschiedenste Versuche, größere Mengen
an Geruchsrezeptoren im heterologen Zellsystem zu exprimieren fehlgeschlagen,
da die Rezeptoren üblicherweise
im endoplasmatischen Retikulum zurückgehalten und nachfolgend
degradiert werden (McClintock et al., 1997). Diese Schwierigkeiten
haben die Identifizierung von Duftstoffen und die pharmakologische
Charakterisierung dieser Rezeptorklasse deutlich verlangsamt.
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Eine
Möglichkeit
die Schwierigkeiten bei der heterologen Expression zum Umgehen ist
die Expression der Geruchsrezeptoren in den Riechneuronen, beispielsweise
durch genetisch modifizierte Adenoviren, mit denen Riechneurone
infiziert und so dazu gebracht werden, Geruchsrezeptoren zu exprimieren.
Diese Strategie wurde allerdings erst für zwei Vertebraten-Geruchsrezeptoren
(OR I7 und MOR23 der Maus) erfolgreich angewendet (Zhao et al.,
1998; Touhara et al., 1999; Araneda et al., 2004) und lässt sich
wegen der damit verbundenen Tierexperimente auch nicht mit hohem
Durchsatz durchführen.
Alternativ kann man die in vivo Geruchsrezeptor-Expression auch in genetisch veränderten
Tieren durchführen,
was zur Identifizierung von Agonisten für die meisten Geruchsrezeptoren
der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) geführt hat (Hallem et al., 2004).
Mit transgenen Mäusen
wurden zwar auch bereits ähnliche
Experimente durchgeführt,
so wurde beispielsweise Lyral als Ligand für den Maus-Geruchsrezeptor M71 identifiziert (Bozza
et al., 2002), die Methode ist aber zur Identifizierung einer großen Anzahl
von Rezeptor-Ligandenpaaren bei Vertebraten auch nicht geeignet.
Eine andere Möglichkeit
zur Geruchsrezeptor-Expression besteht darin, den Rezeptor in geeigneter
Art und Weise zu modifizieren, so dass er in heterologen Zellen
zur Plasmamembran transportiert wird. So wurden die N-Termini von
Geruchsrezeptoren mit einem N-terminalen Fragment von Rhodopsin
verlängert
(Krautwurst et al., 1998; Kajiya et al., 2001), die N-terminalen
Enden wurden mit Signalsequenzen versehen (Wellerdieck et al., 1997;
Wetzel et al., 1999; Gaillard et al., 2002), und die Liganden-bindenden
Teile von Geruchsrezeptoren (TM2–6) wurden zwischen die N-
und C-termini von
solchen Geruchsrezeptoren kloniert, die relativ gut zur Plasmamembran
transportiert werden (Spehr et al., 2003). Andere Berichte über erfolgreiche
Geruchsrezeptor-Expression
in heterologen Zellen wie Insekten-Zelllinien und primären Neuronen
(Nekrasova et al., 1996; Zhang et al., 1997; Speca et al., 1999;
Monastyrskaia et al., 1999) scheinen wohl eher die Ausnahme, denn die
Regel zu sein. Zusammengenommen wurden mit diesen Methoden zwar
schon einige prinzipielle pharmakologische Eigenschaften von Geruchsrezeptoren
entdeckt, wie etwa die Aktivierbarkeit durch in der Regel mehrere
chemisch ähnliche
Substanzen sowie die Tatsache, dass die Anzahl an Düften die
einen bestimmten Rezeptor aktivieren mit steigender Konzentration
der jeweiligen Substanzen ansteigen. Typischerweise haben die Substanzen,
die einen bestimmten Rezeptor aktivieren können, einen bestimmten chemischen
Substituenten gemeinsam, der an der Bindung wesentlich beteiligt
ist. Trotz seit längerer
Zeit bestehender Bemühungen,
aktivierende Duftstoffe für
die große
Anzahl nicht charakterisierter Geruchsrezeptoren zu identifizieren, sind
bisher nur die Ligandenspektren für eine relativ geringe Anzahl
an Rezeptoren aufgeklärt
worden, die zur Verfügung
stehenden Methoden zum Liganden-Screening scheinen also nicht auszureichen.
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Ganz
generell ist die Regulation des Transports von Membranproteinen
ein Weg von Zellen, um wichtige Funktionen zu kontrollieren. Dementsprechend
sind bei der Geruchsrezeptor-Expression auch deutliche Analogien
zu anderen Rezeptor-Proteinen, bei denen Schwierigkeiten mit der Expression
im heterologen Zellsystem bekannt sind, zu erkennen. Während viele
G-Protein gekoppelte Rezeptoren im heterologen Zellsystem funktionell
exprimiert und damit gut untersucht werden konnten, gibt es nämlich auch
hier wichtige Ausnahmen. Eine der Ausnahmen ist der „calcitonin-receptor
like receptor" (CRLR).
Dieser Rezeptor wird nicht zur Plasmamembran von heterologen Zellen
transportiert, solange nicht Proteine der RAMP-Familie koexprimiert werden
(McLatchie et al., 1998; Hilairet et al., 2001; Mallee et al., 2002).
Andere Rezeptoren interagieren mit akzessorischen Proteinen, die
deren Transport modifizieren. So wird der Transport von Opsin durch
Prolyl cis-trans Isomerasen and ähnliche
Ran bindende Proteine modifiziert (Colley et al., 1995; Ferreira
et al., 1996), während
adrenerge Rezeptoren mit EIF2Ba interagieren (Klein et al., 1997).
Diese Interaktionen scheinen jedoch nur modellierenden Charakter
zu haben, da beide Rezeptortypen in vielen heterologen Zellen relativ
normal transportiert werden. Diese Beispiele zeigen aber, dass der
Transport von G-Protein gekoppelten Rezeptoren durchaus von nicht
verwandten, akzessorischen Proteinen abhängen kann. Es gibt Hinweise
aus Caenorhabditis elegans, dass akzessorische Proteine auch den
Transport von Geruchsrezeptoren beeinflussen können (Dwyer et al., 1998).
In Vertebraten können
die im Riechepithel exprimierten Transmembran-Proteine RTP1, RTP2
und REEP1, den Transport von Geruchsrezeptoren zur Plasmamembran
von HEK293 Zellen verbessern und damit auch deren Antwort auf Düfte verstärken (Saito
et al., 2004).
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Außerdem kann
der Transport und die Funktion solcher Rezeptoren auch von der Bindung
verwandter Proteine abhängen.
Dieser Fall, insbesondere die Bildung von Heterodimeren, ist für einige
GPCRs, unter anderem auch Geruchsrezeptoren, beschrieben worden.
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Zum
Beispiel heterodimerisieren die Geruchsrezeptoren von Drosophila
melanogaster mit einem bestimmten, in Insekten gut konservierten
Rezeptortyp (DOR83b) (Neuhaus et al., 2005), wobei diese Heterodimerisierung
in der Fliege für
den Transport der Geruchsrezeptoren zur Plasmamembran der Riechneurone verantwortlich
ist (Larsson et al., 2004). Die Heterodimerisierung hat aber keinen
Einfluss auf den Transport der Rezeptoren im heterologen Zellsystem.
Zusammengenommen zeigen diese Beispiele, dass das Unvermögen von
GPCRs in heterologen Zellen zur Plasmamembran zu gelangen das Fehlen
eines geeigneten akzessorischen Proteins oder einer Rezeptor-Untereinheit
anzeigt. Die bisher gefundenen akzessorischen Proteine im Riechepithel
können
die heterologe Expression teilweise zwar verbessern, die Expression
funktioniert aber noch nicht gut genug um in grösserem Umfang für Ligandenscreenings
geeignet zu sein.
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Die
Probleme beim Transport von Geruchsrezeptoren können im ersten Syntheseschritt
in der Zelle im endoplasmatischen Retikulum, aber auch bei der Faltung
membranständiger
Polypeptide, zu denen die Geruchsrezeptoren zählen, zu stabilen Quartärstrukturen
entstehen. In letzterem Fall spielen wahrscheinlich spezifische
Protein/Protein-Interaktionen,
die die Faltung in eine funktionale Konformation begünstigen,
eine essentielle Rolle.
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Im
ersten Syntheseschritt werden Membranproteine wie alle Proteine
an den Ribosomen beginnend mit dem N-Terminus synthetisiert. Der
N-Terminus enthält
ein sogenanntes Signalpeptid das von einem Partikel zur Signalerkennung
(SRP) gebunden wird, wodurch die weitere Polypeptidsynthese gehemmt
wird. Im folgenden bindet der Komplex aus Ribosom, Polypeptid und
Signalerkennungspartikel an einen Transmembran-SRP-Rezeptor, der in
der Membran des Endoplasmatischen Retikulums (ER) lokalisiert ist
und die Passage des nun weiter synthetisierten Polypeptidstranges
durch die ER-Membran ermöglicht,
welches nun durch die ER-Membran in das ER-Lumen synthetisiert wird.
Dort wird die wachsende Polypeptidkette im folgenden posttranslational
modifiziert und unterstützt
durch ER-luminale Faltungshelferproteine, sogenannte Chaperone,
zu ihrer endgültigen
Tertiärstruktur
gefaltet (Young et al., 2003; Wegele et al., 2004). Transmembranproteine
haben eine Membrananker oder eine „Transfer-Stop"-Sequenz, wodurch
die Passage der wachsenden Polypeptidekette durch die ER-Membran
arretiert wird, so dass der N-Terminus im Lumen des ERs (der späteren extrazellulären Seite)
liegt, während
der C-Terminus auf der cytoplasmatischen Seite bleibt. Nur korrekt
gefaltete und assemblierte Moleküle
können
das ER verlassen und an ihren endgültigen Bestimmungsort in nachgeschalteten
Organellen bzw. der Plasmamembran transportiert werden. Proteine,
welche diesen Qualitätskriterien
nicht genügen,
werden abgebaut.
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In
den letzten Jahren wurden verschiedene Komponenten identifiziert,
die Schlüsselfunktionen
bei der Proteinfaltung erfüllen
und insbesondere bei der Synthese von Proteinen, die die Membran
mehrfach durchspannen eine bedeutende Rolle spielen. Diese spezifischen,
ATP-abhängigen
Helferproteine gehören
zu den Chaperonen, die ursprünglich
als Hitze-Schock Proteine beschrieben (HSPs) wurden, und binden
vor allem hydrophobe Bereiche von noch nicht gefalteten Proteinen
und verhindern deren Aggregation. In der Regel verwenden sie die
Energie der Hydrolyse von ATP, um diesen Vorgang zu ermöglichen.
Proteine der Hsp70 Familie sind dabei oft maßgeblich an der Faltung neu
synthetisierter Proteine beteiligt. Dabei handelt es sich um hochkonservierte,
weitverbreitete Proteine, deren Synthese durch Streß in der
Umgebung, z.B. Hitze, induziert wird und die daher auch als Hitzeschockproteine
(„heat-shock
proteins") bezeichnet
werden. Neben der Faltungshilfe für neu synthetisierten Proteine,
können
die Chaperone der Hsp70 Familie aber entfaltete Proteine auch dem
Ubiquitin-Proteasomen-System für
einen anschließenden
Abbau zuführen.
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Da
die Hsp70 Proteine die vorzeitige Faltung von Proteinen verhindern,
da nur ungefaltete Proteine durch die Membran hindurchtreten können, handelt
es sich bei ihnen um ATP-abhängige Denaturasen
(„unfoldase").
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Zur
Hsp70 Familie gehörende
Proteine kommen auch im olfaktorischen Epithel vor, in Basalzellen,
einzelnen Neuronen und im apikalen Zytoplasma von Stützellen
und werden nach einem Hitzeschock verstärkt exprimiert (Simpson et
al., 2004; Simpson et al., 2005). Die Vorraussetzungen für die korrekte
Faltung von Geruchsrezeptoren scheinen aber nur in wenigen spezialisierten
Zelltypen vorhanden zu sein scheinen, in denen Geruchsrezeptoren
normalerweise auf der Zelloberfläche
exprimiert werden. Neben olfaktorischen Zilien in den Riechneuronen
können
das zum Beispiel reife Spermien sein. Es handelt sich bei den Geruchsrezeptor-spezifischen
Faltungsproteinen also vermutlich nicht um Hsp70 selbst, welches
einen zentralen Teil des ubiquitären
Chaperon-Systems in eukaryotischen Zellen, Eubakterien und vielen
Archeen, bildet und daher nicht auf spezifische Geruchsrezeptoren
exprimierende Zellen beschränkt
ist.
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In
Säugetieren
existieren zwei verschiedene Isoformen im Cytoplasma, eine 73kD
große
Form die konstitutiv exprimiert wird (Hsc70), und eine 72kD große, Stress
induzierbare Form (Hsp70) (Hendrick and Hartl, 1995; Clarke, 1996).
Hsp70 Proteine haben eine lebenswichtige Bedeutung für die Zelle,
und zusätzlich zu
ihrer allgemeinen Rolle bei der Faltung von Proteinen sind sie in
weitere wichtige zelluläre
Prozesse wie den Transport von Proteinen durch Membranen, die Auflösung von
Clathrin-umhüllten
Vesikeln und die Schutzreaktionen von Zellen auf einen Hitzeschock
involviert.
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Aufgabe
der vorliegenden Erfindung war es, Faltungshelferproteine zu identifizieren,
die spezifisch für Riechneurone
sind. Deren Koexpression mit Geruchsrezeptorgenen könnte erstmals
erlauben, größere Mengen
von Geruchsrezeptoren und eventuell auch anderen G-Protein gekoppelten
Rezeptoren zu synthetisieren, die im Folgenden biochemisch gereinigt
und zur Strukturaufklärung
genutzt werden könnten.
Weiterhin wäre eine
Zelllinie die solch ein Chaperon stabil exprimiert, auch zum Ligandenscreening
von menschlichen Geruchsrezeptoren ideal geeignet, und würde somit
die Ligandenidentifikation von allen menschlichen Geruchsrezeptoren
ermöglichen.
Damit wären
auch die Voraussetzungen gegeben, ein Biosensorsystem zu entwickeln,
mit dessen Hilfe für
den Menschen relevante Düfte
erkannt und identifiziert werden können. Diese „künstliche
Nase" könnte der
Qualitätskontrolle
bei Lebensmitteln dienen oder Düfte
erkennen, die Gefahren signalisieren. Eine solche Zelllinie könnte darüber hinaus
auch für
das Ligandenscreening anderer, pharmakologisch relevanter G-Protein
gekoppelter Rezeptoren geeignet sein.
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Ein
weiterer Aspekt liegt im klinisch-medizinischen Bereich. Hier könnte die Überexpression
eines für die
Geruchsrezeptor-Expression
essentiellen Chaperons die Menge an Riechrezeptoren im Riechepithel
erhöhen
und somit die Behandlung von Patienten, die Düfte nur schlecht riechen können oder
die den Geruchssinn vollständig
verloren haben (partielle bzw. totale Anosmie), da sie nur über eine
verminderte Riechrezeptorexpression verfügen, erlauben und damit zu
einer Besserung ihrer Beschwerden führen. Die Behandlung mit beispielsweise
rekombinanten Adenoviren, die sehr effektiv Riechneurone in der
Nase befallen, könnte
damit möglicherweise
zu neuen Behandlungsstrategien im Bereich schwerer Riechstörungen führen. Weiterhin könnten Erkrankungen,
die von charakteristischen Gerüchen
begleitet werden (Diabetes, Nierenerkrankung, gewisse Formen der
Schizophrenie usw.) mit Hilfe von Biosensoren diagnostiziert werden.
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Beschreibung
der Erfindung
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Gegenstand
der Erfindung ist ein Verfahren zur verbesserten Expression von
G-Protein gekoppelten Rezeptoren, welches dadurch gekennzeichnet
ist, dass mindestens ein Chaperon der Hsp70-Familie koexprimiert
wird.
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In
diesem Zusammenhang bezieht sich der Ausdruck „koexprimiert" oder „Koexpression" darauf, dass das
Chaperon der Hsp70-Familie gleichzeitig mit dem G-Protein gekoppelten
Rezeptor, dessen Expression verbessert werden soll, synthetisiert
wird
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In
einer bevorzugten Ausführungsform
der vorliegenden Erfindung ist das koexprimierte Chaperon der Hsp70-Familie eine
Isoform von Hsc70, vorzugsweise Hsc70t (SEQ ID Nr:2), oder funktionale
Fragmente oder Varianten davon.
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Der
Ausdruck „funktionale
Fragmente" bezieht
sich im Zusammenhang dieser Erfindung auf Teile der Aminosäuresequenz
von SEQ ID Nr. 2, bei denen am N- und/oder C-Terminus eine oder
mehrere Aminosäuren deletiert
wurden, die aber funktional, d.h. in der Lage sind als Chaperone
die Faltung anderer Proteine zu unterstützen. „Varianten" bezieht sich auf Proteine, in denen
im Vergleich zu der Aminosäuresequenz
von SEQ ID Nr. 2, eine oder mehrere Aminosäuren durch andere ersetzt worden
sind. Hierbei sind konservative Aminosäure-Substitutionen bevorzugt, d.h. der Austausch
behält
die chemischen Eigenschaften der Aminosäure weitgehend bei. Somit umfasst
die Erfindung auch zu Seq. ID Nr. 2 zu 80%, bevorzugt 90% homologe
Sequenzen.
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Beispiele
für einen
konservativen Aminosäureaustausch
schließen
Substitutionen ein, die vorzugsweise innerhalb einer der folgenden
Gruppen stattfinden:
- – Met, Ile, Leu, Val
- – Phe,
Tyr, Trp
- – Arg,
Lys, His
- – Ala,
Gly
- – Gln,
Asn
- – Ser,
Thr
- – Glu,
Asp.
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Neben
dem Chaperon der Hsp70-Familie können
in weiteren Ausführungsformen
der Erfindung auch weitere Ko-Chaperone koexprimiert werden. Ko-Chaperone;
die im Rahmen der vorliegenden Erfindung bevorzugt sind, sind Chaperone
der Hsp40-Familie.
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In
dem erfindungsgemäßen Verfahren
wird die Koexpression des Chaperons zusammen mit dem gewünschten
GPCR bevorzugt in einem heterologen, eukaryotischen Zellsystem durchgeführt. Als
bevorzugte Zelllinie für
die Koexpression wird im Rahmen dieser Erfindung HEK293, eine Nierenzelllinie
aus einem menschlichen Embryo, verwendet.
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Des
Weiteren schließt
die vorliegende Erfindung die Verwendung von einem Vektor, der eine
Nukleotidsequenz beinhaltet, die für ein Chaperon der Hsp70-Familie
kodiert für
ein erfindungsgemäßes Verfahren zur
gesteigerten/verbesserten Expression eines G-Protein gekoppelten
Rezeptors ein.
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Optional
kann dieser Vektor eine weitere Nukleotidsequenz enthalten, die
für einen
oder mehrerer G-Protein gekoppelte Rezeptoren kodiert.
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Nukleotidsequenzen,
die für
einen oder mehrere G-Protein gekoppelte Rezeptoren kodieren, können aber
auch Bestandteil eines separaten Vektors sein, der zusammen mit
dem ersten Vektor, der eine für
ein Chaperon der Hsp70-Familie kodierende Nukleotidsequenz beinhaltet,
in eine oder mehrere Zellen kotransfiziert wird, so dass beide Proteine
in besagter Zelle koexprimiert werden können.
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In
diesem Zusammenhang bezieht sich der Ausdruck „Kotransfektion" auf das Verfahren
zwei voneinander verschiedene Nukleinsäuren in eine Zelle einzubringen.
Die dabei verwendeten Methoden, von denen einige in Form von Beispielen
im Folgenden genannt werden, sind dem Durchschnittsfachmann bekannt.
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In
einer besonders bevorzugten Ausführungsform
kodiert die verwendete Nukleinsäure,
die für
ein Chaperon der Hsp70-Familie
kodiert, eine Hsc70 Isoform, vorzugsweise Hsc70t. Demnach umfasst
die verwendete Nukleinsäuresequenz
in einer bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung die Nukleotidsequenz von SEQ ID Nr. 1 sowie dazu homologe
Sequenzen mit einer Homologie von mehr als 80%, bevorzugt mehr als
90%. In einer besonders bevorzugten Ausführungsform besitzt die Nukleinsäuresequenz,
die für
ein Chaperon der Hsp70-Familie kodiert, die Nukleotidsequenz von
SEQ ID Nr. 1. Die G-Protein gekoppelten Rezeptoren sind vorzugsweise
Geruchsrezeptoren, besonders bevorzugt Geruchsrezeptoren, die im
Testis bzw. auf Spermien exprimiert werden, Geruchsrezeptoren aus
dem MHC Lokus auf Chromosom 6 oder allgemein schwierig heterolog
zu exprimierende Rezeptoren. Erfindungsgemäß werden als „schwierig
heterolog zu exprimieren" solche
Rezeptoren verstanden, die in dem üblicherweise verwendeten Zellsystem
HEK293 in weniger als 5% der Zellen exprimiert werden. In einer
besonders bevorzugten Ausführungsform
sind die Geruchsrezeptoren humane Geruchsrezeptoren.
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Die
erfindungsgemäße Verwendung
der oben genannten Vektoren, schließt auch solche Vektoren ein, die
neben einer oder mehrerer kodierender Abschnitte, beispielsweise
für ein
Chaperon der Hsp70-Familie oder einen G-Protein gekoppelten Rezeptor,
zusätzlich
eine Promoterregion, eine Ribosomenbindungstelle und/oder eine Terminatorsequenz
beinhalten. Zusätzlich
können
solche Vektoren für
ein Gen kodieren, welches Resistenz gegen einen bestimmten Selektionsmarker,
in der Regel ein Antibiotikum, verleiht, um somit erfolgreich transfizierte
Zellen identifizieren und selektieren zu können.
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Zur
Transfektion von Zellen mit einem der oben beschriebenen Vektoren
können
eine Reihe von Verfahren angewandt werden, die dem Durchschnittsfachmann
bekannt sind. Zu diesen Methoden zählen beispielsweise Elektroporation,
Transfektion mit Lipofectamine, die Calciumphosphatmethode und die
Transfektion mit rekombinanten Viren.
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Die
Koexpression eines gewünschten
Geruchsrezeptors zusammen mit Hsc70t hat eine deutlich erhöhte Expression
des Geruchsrezeptors zur Folge, der im Anschluss an die Expression
beispielsweise isoliert und gereinigt werden kann. Der isolierte
und gereinigte Geruchsrezeptor kann dann für biochemische Untersuchungen,
beispielsweise zur Untersuchung der Ligandenbindung, oder für die Strukturaufklärung verwendet werden.
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In
einer weiteren Ausführungsform
der Erfindung wird eine Zelle stabil mit einem Gen transfiziert,
welches für
ein Chaperon der Hsp70-Familie, vorzugsweise Hsc70t, kodiert. Die
resultierende Zelllinie kann im Folgenden für die Transfektion mit verschiedenen
G-Protein gekoppelten Rezeptoren verwendet werden und bietet dadurch
die Möglichkeit
nach Liganden für
einen bestimmten Rezeptortyp zu screenen. Damit bietet sich die
Möglichkeit
pharmakologisch aktive Substanzen zu identifizieren, die in der
Lage sind die Funktion eines pharmakologisch relevanten GPCR zu
modulieren. Unter „screening" ist in diesem Zusammenhang
jede dem Durchschnittsfachmann bekannte Technik gemeint, die dazu
dient spezifische Interaktionspartner aus einer Bibliothek von chemischen
Verbindungen zu identifizieren und charakterisieren. Insbesondere
fallen unter diese Definition „high-throughput-screening"-Verfahren, die dem
Durchschnittsfachmann bekannt sind.
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Des
Weiteren könnte
eine solche Zelllinie, die einen bestimmten oder eine Reihe von
Geruchsrezeptoren exprimiert auch als Biosensor in verschiedensten
Bereichen Anwendung finden, in denen Duftstoffe eine Rolle spielen.
Unter anderem sind das die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln,
das Aufspüren
von Gefahrstoffen und die Diagnose von Krankheiten. Beispiele für Krankheiten
die mit einem charakteristischen Geruch einhergehen sind beispielsweise
Diabetes, bestimmte Nierenerkrankungen und einige Formen der Schizophrenie.
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Ein
anderer Aspekt der vorliegenden Erfindung bezieht sich auf die Verwendung
des erfindungsgemäßen Verfahrens
im klinisch-medizinischen Bereich. Die Überexpression von Chaperonen
der Hsp70-Familie, insbesondere Hsc70t, könnte beispielsweise die Geruchsrezeptor-Expression
im Riechepithel verbessern. Die Erhöhung des Expressionslevels
von Geruchsrezeptoren könnte
für die
Behandlung von Patienten, die Düfte nur
schlecht riechen können
oder die den Geruchssinn vollständig
verloren haben (partielle bzw. totale Anosmie) und deren Riechstörung auf
einer verminderten Riechrezeptorexpression beruht, verwendet werden
und zu einer Besserung ihrer Beschwerden führen.
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Um
den Expressionslevel von Geruchsrezeptoren zu erhöhen, bietet
sich im klinischen Bereich die Verwendung rekombinanter Adenoviren
an, die sehr effektiv Riechneurone in der Nase befallen. Rekombinante
Adenoviren, die Nukleotidsequenzen beinhalten, die für Chaperone
der Hsp70- Familie,
vorzugsweise Hsc70t, kodieren, könnten
damit zu neuen Behandlungsstrategien im Bereich schwerer Riechstörungen führen.
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Aus
diesem Grund ist die Verwendung einer Nukleinsäuresequenz, die für ein Chaperon
der Hsp70-Familie kodiert, zur Herstellung einer pharmazeutischen
Zusammensetzung zur Behandlung einer Krankheit, die mit verminderter
Geruchswahrnehmung oder Geruchsverlust einhergeht, wobei besagte
Krankheit auf einer fehlenden oder verringerten Expression von Geruchsrezeptoren
beruht, ebenfalls Bestandteil der Erfindung.
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In
einer Ausführungsform
enthält
die pharmazeutische Zusammensetzung zusätzlich einen pharmazeutisch
annehmbaren Trägerstoff
und optional weitere Hilfsstoffe, die dem Durchschnittsfachmann
bekannt sind.
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In
einer bevorzugten Ausführungsform
umfasst die pharmazeutische Zusammensetzung rekombinante Adenoviren,
die die Nukleinsäuresequenz
beinhalten. Besagte rekombinante Adenoviren befallen vorzugsweise
selektiv Neurone des Riechepithels und sind dadurch in der Lage
die Nukleinsäuresequenz,
die für
ein Chaperon der Hsp70-Familie kodiert, selektiv ins Innere der
Riechepithelzellen zu transportieren, wo sie im Folgenden exprimiert
werden kann.
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Die
verwendete Nukleinsäuresequenz,
die für
ein Chaperon der Hsp70-Familie kodiert, umfasst vorzugsweise SEQ
ID Nr. 1. In einer besonderen Ausführungsform hat die verwendete
Nukleinsäuresequenz
die Nukleotidsequenz von SEQ ID Nr. 1.
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Beispiele
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Identifikation und Charakterisierung
von Hsc70t
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Zur
Identifikation des für
die Geruchsrezeptorexpression wesentlichen Chaperons, wurde Mäusen Riechepithel
entnommen, dissoziiert und nach entsprechender enzymatischer Verdauung
massenspektrometrisch mit MudPit (Multidimensional Protein Identification
Technology) untersucht. Dabei konnte in den Proteinpräparationen
ein spezielles Protein der Hsp70-Familie,
Hsc70t (Accession Number NP 005518, SEQ ID Nr:2), identifiziert
werden, welches durch das zugehörige
Gen des Hitzeschock 70kDa Protein 1-ähnlichen Proteins (HSPA1L)
aus Homo sapiens kodiert wird (Accession Number NM 005527; SEQ ID
Nr:1).
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Die
gefundene Variante Hsc70t ist eine Testis-spezifische Variante von
Hsc70 (1), gehört
zu der Hsp70 Familie und kommt nur in post-meiotischen Keimzellen
vor (Tsunekawa et al., 1999; Eddy, 1999). Hsc70t wird im Cytoplasma
von Spermatiden gebildet, während
sie die letzen Schritte der Spermatogenese durchlaufen. Das Hsc70t
Gen ist in der sogenannten Major Histocompatibility Complex (MHC)
Region von Chromosom 17 in Mäusen
bzw. Chromosom 6 in Menschen lokalisiert (Ito et al., 1998). Bemerkenswerterweise gibt
es im gleichen Chromosomenabschnitt auch eine spezielle Klasse von
Geruchsrezeptoren (Ziegler et al., 2002; Amadou et al., 2003). Die
Hsc70t RNA und damit die Expression des Proteins konnte mittels
RT-PCR nicht nur in Testiszellen sondern auch im Riechepithel von
Menschen und Mäusen
nachgewiesen werden (2).
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Koexpression von Hsc70t
mit verschiedenen GFP-markierten Geruchsrezeptoren in HEK293 Zellen
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Aufgrund
der Tatsache, dass Hsc70t spezifisch in reifen Spermien und im Riechepithel
exprimiert wird, in zwei Zelltypen also in denen normalerweise Geruchsrezeptor-Proteine auf der
Zelloberfläche
vorkommen, liegt die Vermutung nahe, dass Hsc70t bei der Faltung
oder dem Transport von Geruchsrezeptoren beteiligt ist. Um diese
Hypothese zu überprüfen, wurde
kodierende Nukleinsäuresequenz
von Hsc70t über
die EcoRI und XbaI Restriktionsschnittstellen in die „multiple
cloning site" (MCS)
des Vektors pcDNA3 (Invitrogen) kloniert und zusammen mit verschiedenen
GFP-markierten Geruchsrezeptoren
in HEK293 Zellen exprimiert. Die Koexpression von Hsc70t führte dazu
das die Expression von Geruchsrezeptoren deutlich verstärkt wurde
(Tabelle 1; 3).
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Tabelle
1: Expression von verschiedenen Geruchsrezeptoren in HEK293 Zellen
mit und ohne Koexpression von Hsc70t; angegeben ist der mikroskopisch
bestimmte Anteil exprimierender Zellen (HS – Homo sapiens, MM – Mus musculus)
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Calcium-Imaging
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Um
zu überprüfen, ob
diese erhöhten
Expressionsraten auch zu einer Zunahme der funktionellen Geruchsrezeptoren
im heterologen Zellsystem führen,
wurden Calcium-Imaging Experimente mit denselben co-transfezierten
HEK293 Zellen durchgeführt.
Hier antworteten deutlich mehr Zellen auf die applizierten Duftstoffe
nach Koexpression von Hsc70t (4). Demzufolge
lässt sich
schlussfolgern, dass die vermehrte Expression der Geruchsrezeptor-Proteine
auch zu einer Erhöhung
der Menge an Geruchsrezeptoren auf der Zelloberfläche führt.
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Es
folgt ein Sequenzprotokoll nach WIPO St. 25.
Dieses kann
von der amtlichen Veröffentlichungsplattform
des DPMA heruntergeladen werden.