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Verfahren zur Herstellung von Vitaminen der Bt2-Gruppe Die Erfindung
betrifft ein Verfahren zur Herstellung neuartiger Vitamine der Bl2-Gruppe durch
Einwirkung alkylierender Agenzien auf den Vitamin-B12 Faktor III.
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Dieser Vitamin-Bla-Faktor findet sich in beträchtlichen Mengen neben
Vitamin B12 im Faulschlamm städtischer Kläranlagen (vgl. dazuW. Friedrich und K.
B ernhauer, Angew. Chem., 65, 627 [1953]) und fällt demzufolge als Nebenprodukt
bei der Erzeugung von Vitamin Bls aus Faulschlamm an. Während das übliche Vitamin
B12 als Basenanteil seines Nucleotids 5, 6-Dimethylbenzimidazol enthält, besitzt
der Faktor III als Basenanteil 5 (6)-Hydroxybenzimidazol (vgl. hierzu W. Friedrich
und K. Bernhauer, Angew. Chem., 67, 619 [1955] ; Z. Naturforschg., llb, 68 [1956]
; F. M. Robinson, I. M. Miller, J. F. McPherson und K. Folkers, J. Am. Chem. Soc.,
77, 5192 [1955]). Der Faktor III kann rationell als 5 (6)-Hydroxybenzimidazolcobalamin
bezeichnet werden.
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Er unterscheidet sich demnach durch den Besitz einer phenolischen
Hydroxylgruppe grundsätzlich vom üblichen Vitamin B12. Dieser besonderen Eigenschaft
bedient sich das beanspruchte Verfahren, indem dabei vom Reaktionsvermögen der phenolischen
Hydroxylgruppe gegenüber Alkylierungsmitteln Gebrauch gemacht wird.
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Erfindungsgemäß läßt man auf den Vitamin-B12-Faktor III in wäßriger
Phase in schwach alkalischem Milieu, wie z. B. in Gegenwart von Alkalicarbonaten,
am besten im Temperaturbereich von 20 bis 60°, ein Dialkylsulfat, wie z. B. Dimethylsulfat
oder Diäthylsulfat, oder einen Benzol-oder Toluol-sulfosäure-alkylester einwirken.
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Die Umsetzung erfolgt unter Rühren oder Schütteln.
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Nach erfolgter Reaktion wird der entstandene Bl2-Faktor zusammen mit
dem Rest an Faktor III aus dem Reaktionsmedium durch Extraktion mit phenolhaltigen
Kohlenwasserstoffen isoliert und von Salzen befreit. Die Trennung von unverändertem
Faktor III wird dann chromatographisch vorgenommen (im Prinzip nach bekannten Methoden
; vgl. dazu W. Friedrich und K. Bernhauer, Z. Naturforschg., 9b, 755 [1954] ; lOb,
6 [1955]).
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Erfindungsgemäß läßt sich die Trennung des Faktors III und des alkylierten
neuen B12 Faktors, wie z. B. des 5 (6)-Methoxybenzimidazol-cobalamins (nachfolgend
kurz als Faktor IIIm bezeichnet), besonders gut durchführen, wenn man eine Chromatographiersäure
aus Zellulose und einen Entwickler verwendet, der aus wasserhaltigem sek.-Butanol
besteht und Ammoniak sowie Cyanidionen enthält. Es findet dabei eine völlig quantitative
Trennung in einem einzigen Arbeitsgang statt.
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Die aus der Chromatographiersäule ablaufenden ammoniakalischen Eluate
werden erfindungsgemäß durch eine kurze Destillation-am besten im Vakuum-vom Ammoniak
befreit. Aus dem so behandelten Eluat erhält man dann den alkylierten Bl2-Faktor
mit Hilfe iiblicher Methoden in kristallisierter Form.
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Die bei der Alkylierung, z. B. mit Dimethylsulfat, erzielbare Ausbeute
ist sehr zufriedenstellend. Der nicht umgesetzte Faktor III läßt sich ohne Schwierigkeiten
wiedergewinnen und zur gleichen Reaktion verwenden.
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Auf diese Weise gelingt eine praktisch quantitative Umsetzung des
Faktors III, da keine weiteren Nebenprodukte erhalten werden.
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Daß mit Hilfe von Dialkylsulfaten unter bestimmten Bedingungen Hydroxylgruppen
organischer Verbindungen unter Bildung von Äthern alkyliert werden können, ist bereits
seit langem bekannt. Es ist aber völlig überraschend, daß es mit Hilfe des geschilderten
Verfahrens gelingt, eine so komplizierte organische Verbindung wie den Faktor III
mit vorzüglicher Ausbeute umzusetzen und noch dazu in so selektiver Weise, wie dies
erfindungsgemäß der Fall ist.
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Wie gezeigt werden konnte, unterliegt nämlich unter den gewählten
Reaktionsbedingungen nur die phenolische Hydroxylgruppe im Basenanteil des Faktors
III der Alkylierung, während die alkoholischen Hydroxylgruppen des Riboseanteils
gar nicht in Reaktion treten, wie sich aus den physiko-chemischen Eigenschaften
des aus dem alkylierten Faktor III erhaltenen Nucleotids ergibt. Ein weiterer Beweis
dafür, daß unter den gewählten Reaktionsbedingungen nur das phenolische Hydroxyl
alkyliert wird, während die alkoholischen unberührt bleiben, ergibt sich daraus,
daß das übliche Vitamin Bl2 bei der gleichartigen Einwirkung von Dimethylsulfat
kein Reaktionsprodukt gibt, da es keine phenolische Hydroxylgruppe besitzt. Daß
der Co-haltige Grundkomplex bei der Alkylierungsreaktion unberührt bleibt, wurde
durch Isolierung von Ätiocobalamin nach Abbau des Faktors III m mit Perchlorsäure
(s. dazu W. Friedrich und K. Bernhauer, Z. Naturforschg., 9b, 686 [1954]) bewiesen
(vgl. Tabelle 1).
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung neuartiger Vitamin-Bl2-Faktoren
bietet die Möglichkeit, die verschiedenartigsten O-Alkyläther des Faktors III herzustellen
und deren biologische Wirksamkeit zu prüfen.
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Dies erscheint deshalb bedeutsam, da so die Aussicht besteht, zu therapeutisch
wertvollen Produkten zu gelangen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird durch folgende Beispiele näher
erläutert.
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Beispiel 1 In eine Mischung von 50 mg Faktor III und 300 g Natriumcarbonat
(Na2COs 1 OH2O) in 250 ml Wasser werden in einem 11 fassenden Gefäß bei 37° unter
lebhaftem Rühren während 4 Stunden in kleinen Portionen 37, 5 ml Dimethylsulfat
eingetragen. Anschließend werden 150 ml Wasser und 125 ml einer wäßrigen Phenollösung,
enthaltend 80°/o Phenol, zugefügt. Man rührt das Ganze eine weitere Stunde bei 37°.
Nach dem Stehenlassen über Nacht bei Zimmertemperatur wird die rotgefärbte Phenolphase
abgetrennt, mit 100 ml o-Dichlorbenzol verdünnt und des öfteren mit Wasser gewaschen,
bis das letzte Waschwasser neutral ist. Durch Zusatz von etwas Butanol und Äther
führt man die Bl2-Vitamine aus der Phenolphase in die wäßrige Phase über, wäscht
die wäßrige Phase mit Butanol und Äther, engt sie im Vakuum auf ein kleines Volumen
ein, nimmt den Rückstand in etwas Kieselgur auf und trocknet dieses im Vakuum über
CaCl2.
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Das getrocknete, mit den B12 Vitaminen beladene Kieselgurprodukt wird
in eine Zellulose-Chromatographiersäule -Durchmesser 6 cm, Höhe 14 cm-eingefüllt.
Man entwickelt zunächst mit einem Entwickler, der aus 775 ml sek.-Butanol, 90 ml
einer 25°/oigen wäßrigen Ammoniaklösung, 135 ml Wasser und 1 ml einer 10°/oigen
Blausaurelösung besteht. Es erscheinen bald zwei violette chromatographische Zonen,
und zwar A. eine untere, kräftige, schnell bewegliche Zone des Faktors IIIm, vom
R-Wert 0, 33 ; B. eine obere schwache, langsam laufende Zone des Faktors III, mit
dem R-Wert 0, 12.
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Nach Elution der Zone A wird zwecks rascherer Auswaschung des Faktors
III mit sek.-Butanol, das 30 °/0 Wasser enthält, eluiert. Die Eluate der Zone A
werden zwecks Beseitigung von Ammoniak im Vakuum auf das halbe Volumen eingeengt,
anschließend mit etwas Äther versetzt und mit Wasser extrahiert. Die wäßrige Lösung
wird in üblicher Weise auf kristallisiertes Produkt verarbeitet. Der FaktorIIIm
kristallisiert in prachtvollen, bis 1 cm langen dunkelroten, feinen Spießen. Ausbeute
an absolut reinem kristallinem Material 29 mg. Aus der Zone B werden 15 mg Faktor
III zurückgewonnen.
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Der in der beschriebenen Weise erhaltene kristallisierte Faktor 111m
ist aktiv gegenüber E. coli, L. leichmannii und Ochromonas malhamensis. Er ist ebenfalls
hoch wirksam gegen perniciöse Anämie. In seinen physikalischen chemischen Eigenschaften
ähnelt er sehr dem Faktor III, so daß er nur durch sein chromatographisches Verhalten
vom Faktor III unterschieden werden kann.
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Beispiel 2 50 mg Faktor III werden, wie im Beispiel 1 beschrieben,
methyliert, jedoch mit dem Unterschied, daß nicht bei 37°, sondern bei 50° gearbeitet
wurde. Die Ausbeute an Faktor 111m war in diesem Fall um einige Prozente niedriger.
Das gewonnene Reaktionsprodukt hatte die gleichen Eigenschaften wie das im Beispiel
1 beschriebene.
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Beispiel 3 In eine Mischung von 50 mg Faktor III und 300 g Natriumcarbonat
(Na2CO3. 1 OH2O) in 250 ml Wasser
werden in einem 11 fassenden Gefäß bei 37° unter
lebhaftem Rühren während 4 Stunden in kleinen Portionen 33, 7 ml Diäthylsulfat eingetragen.
Anschließend werden 150 ml Wasser und 125 ml einer wäßrigen Phenollösung, enthaltend
80°/o Phenol, zugefügt und weiterbehandelt, wie im Beispiel 1 beschrieben. Bei der
Zellulose-Säulenchromatographie (s. Beispiel 1) erscheinen zwei violette chromatographische
Zonen, und zwar A. eine untere, kräftige, schnell bewegliche Zone des Faktors IIIe,
vom R-Wert 0, 4 ; B. eine obere, schwache, langsam laufende Zone des Faktors III
mit dem R-Wert 0, 12.
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Nach Elution und üblicher Verarbeitung (s. Beispiel 1) kristallisiert
der Faktor III e in schonen, 1 cm langen dunkelroten Spießen. Ausbeute an vollkommen
reinem kristallisiertem Produkt 34, 2 mg (68, 4 0/,). Aus der Zone B werden 10 mg
Faktor III zurückgewonnen.
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Der in der beschriebenen Weise erhaltene kristallisierte Faktor III
e ist aktiv gegenüber E. coli, L. leichmannii und Ochromonas malhamensis. Das Absorptionsspektrum
des Faktors IIIe ähnelt dem des Faktors III. In seinem chromatographischen Verhalten
ist der Faktor III e vom Vitamin B12 kaum zu unterscheiden (s. Tabelle 2).
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Da der Faktor III e unter völlig gleichen Bedingungen wie Faktor
III m dargestellt wurde, besitzt er zweifellos die analoge Struktur, er unterscheidet
sich also vom Faktor III m nur dadurch, daß er am Sauerstoffatom der Benzimidazolgruppe
statt eines Methylrestes einen Athylrest besitzt. Dieser Vorstellung entsprechen
auch völlig die physikalischen Daten des Faktors III e (s. Tabelle 2).
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Der Faktor IIIe kann also rationell als 5 (6)-Äthoxybenzimidazol-cobalamin
bezeichnet werden. Dieses Produkt wurde erstmalig von J. Pawelkiewicz und K. Nowakowska
(Acta Biochim. Polon., 2, 259 [1955]) auf biosynthetischem Wege gewonnen. Das von
diesen Verfassern ermittelte Absorptionsspektrum dieses Faktors stimmt mit dem des
in der geschilderten Weise gewonnenen Faktors IIIe vollkommen überein.
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Beispiel 4 In eine Mischung von 100 ml Faktor III und 120 g Na2CO3-1
OH2O in 100 ml Wasser werden in einem 11 fassenden Gefäß bei 37° unter lebhaftem
Rühren während 4 Stunden in kleinen Portionen 13, 5 ml Diäthylsulfat eingetragen.
Bereits während der Reaktion scheiden sich rote, feinkristalline Stäbchen ab, die
hauptsächlich aus Faktor III e bestehen. Anschließend werden 60 ml Wasser und 50
ml einer wäßrigen Phenollösung, enthaltend 80 °/0 Phenol, zugefügt. Der Ansatz wird
nun, wie im Beispiel 3 beschrieben, weiterverarbeitet. Ausbeute an völlig reinem
kristallisiertem Faktor III e 68, 6 ml (68, 6°/o). An nicht umgesetztem Faktor III
werden etwa 20 mg zurückgewonnen.
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Beispiel 5 50 mg Faktor III werden, wie im Beispiel 1 beschrieben,
methyliert, jedoch mit dem Unterschied, daß als Methylierungsmittel 12, 5 ml Benzolsulfon-säuremethylester
verwendet werden. Die Reaktionsbedingungen sind sonst die gleichen wie im Beispiel
1. Die Aufarbeitung erfolgt ebenfalls so wie im Beispiel 1. Die Ausbeute an Faktor
III m beträgt 80 °/0.
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Beispiel 6 50 mg Faktor III werden, wie im Beispiel 1 beschrieben,
methyliert, jedoch mit dem Unterschied, daß als Methylierungsmittel 37, 5 ml p-Toluolsulfonsäuremethylester
verwendet werden und daß die Methylierung 10 Stunden
lang vorgenommen
wird. Im übrigen geht man genau so vor wie im Beispiel l. Man erhält eine Ausbeute
von 10 0/0 an Faktor III m.
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Die nachfolgenden Tabellen enthalten Gegenüberstellungen der Eigenschaften
der Faktoren III und IIIm bzw. III e.
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Tabelle 1
Physikalische bzw. chemische Merkmale Faktor IIIm Faktor III |
Absorptionsspektrum............................... wie Faktor
III vgl. Angew. Chem., 65, |
627 [1953] |
Elektrophoretisches Verhalten neutral neutral |
in wassergesättigtem sek.-Butanol + CN'praktisch wie Faktor
III vgl. Angew. Chem. 65, |
627 [1953] |
Rf-Werte |
in wassergesättigtem sek.-Butanol + NHg + CN'... 0, 32 0, 257 |
Vert. Koeff. = 1*), (NH4) 2SO4 in % ........................
32 34 |
Abbauprodukte mit 70°/oiger Perchlorsäure Ätiocobalamin und
Nu-Ätiocobalamin und Nu- |
cleotid des Faktors III m cleotid des Faktors III |
Absolutes Maximum der Nucleotide 288 289 |
in mµ beim PH-Wert 8,3 .......................... 247,5 289,5
248 291 |
in mµ beim PH-Wert 12............................ 247,5 289,5
316 |
Base............................................. 5 (6)-Methoxybenzimidazol
5 (6)-Hydroxybenzimidazol |
*) Im System n-Butanol/Wasser + Ammonsulfat. Die Zahlen geben den Gehalt an Ammonsulfat
in der wäßrigen Phase an, bei dem der Verteilungskoeffizient = 1 ist.
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Tabelle 2
Physikalische bzw. chemische Merkmale Faktor IIIe Faktor III
m |
Absorptionsspektrum ähnlich Faktor III |
Elektrop0horetisches Verhalten ................... neutral |
Vert. Koeff. = 1a), (NH4)2SO4 in % ............... 25,5 |
Papierchromatographisches Verhaltenb) Rf RB12 RFIII Rf |
Entwicklersysteme : |
1. wassergesättigtes sek.-Butanol + CN' .......... 0,266 0,989
1,26 |
2. wie 1, mit Eisessigc) ......................... 0,304 1,0
1,21 0,252 |
3. wie 1, mit NH3d) .............................. 0,324 0,972
1,20 |
4. wie 1, mit 3% Kalignoste) ..................... 0,333 0,96
1,17 0,266 |
5. wie 1, mit 3% NaClO4e)......................... 0,415 0,98 |
6. wie 1, mit KClO4, gesättigte) ................. 0,303 1,0 |
7. wie 1, mit 3% Na-Camphersulfonate) ............ 0,38 0,978 |
a) Siehe Tabelle 1. b) Aufsteigend, Entwicklungsdauer 48 Stunden. c) 100 ml sck.-Butanol
+ 1 ml Eisessig + 50 ml Wasser + 0,5 ml 1%ige wäßrige Blausäure. d) 100 ml sek.-Butanol
+ 14 ml 25%ige wäßrige NH3-Lösung + 36 ml Wasser + 0,5 ml 1%ige wäßrige Blausäure.
e) S. W. Frie drich, G. Groß und K. Bernhauer, Mikrochemie und Mikrochim. Acta (Wien),
im Druck.