CH622232A5 - - Google Patents
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Description
Vorliegende Erfindung behandelt ein Anzündsystem für solche Treibmittel, die thermische Umsetzungspunkte über 180° C besitzen.
Die bisher bekannten Treibmittel für hülsenlose Munition basieren auf Nitrocellulose, gegebenenfalls im Gemisch mit anderen üblichen gasliefernden Stoffen, wie z. B. Glycerintrini-trat. Diese Treibmittel haben thermische Umsetzungspunkte bis maximal 180° C; sie können durch die bekannten Anzündgemische auf Basis von Initialsprengstoffen oder pyrotechnischen Gemischen einwandfrei gezündet werden.
Die oben erwähnten bekannten Treibmittel sind jedoch weiterentwickelt worden, um eine höhere Wärmebeständigkeit zu besitzen. Diese wärmebeständigeren Treibmittel enthalten organische Verbindungen mit endständigen >N-N02-Grup-pen oder heterocyclische aliphatische und aromatische Verbindungen, deren thermische Umsetzungspunkte teilweise erheblich über dem Zersetzungspunkt von Nitrocellulose (170 bis 180° C) liegen.
Die Anzündung dieser hochtemperaturbeständigen Treibmittel mit den bekannten Anzündgemischen auf Basis von Initialsprengstoffen stösst auf erhebliche Schwierigkeiten. Die Zündung muss in der Weise erfolgen, dass das Treibmittel durch die eingeleitete chemische Reaktion vollständig abbrennt und keine festen Rückstände hinterlässt; anderseits darf das Zündgemisch auch nicht so stark sein, dass das gefährliche Umschlagen aus der gewünschten Verbrennung in eine Detonation erfolgt.
Es wurde bereits versucht, solche Treibladungen mit den bekannten Anzündsätzen anzuzünden. Um eine durchgehende Zündung zu erhalten, war man dabei aber gezwungen, die Zündsatzladung gegenüber dem normalen Treibmittel auf Ni-trocelluIose-Basis erheblich zu verstärken. Diese Verstärkung alleine führte aber auch nicht zu einer gleichmässigen und vollständigen Umsetzung des Treibmittels. Zusätzlich musste deshalb die geometrische Form des Treibsatzes derart abgeändert werden, dass der Zündstrahl der Anzündung eine möglichst grosse Oberfläche des Treibmittels berührt. Dies wurde z. B. dadurch erreicht, dass das Treibmittel als langgestreckter Hohlzylinder oder Hohlblock geformt wurde und der Zündstrahl fast die gesamte Innenfläche des Hohlkörpers berührte. Die Wanddicke des Hohlkörpers muss dabei entsprechend dünn gewählt werden, damit die durch die Anzündung erzeugte Wärme möglichst grossflächig übertragen wird und die Reaktion sich auch noch in dieser dünnwandigen Schicht gleichmässig fortsetzt und nicht auf halbem Wege erlischt.
Diese Ausführungsform bringt hinsichtlich der Herstellung Nachteile mit sich. Ihr sind aber auch, besonders bei der Herstellung von hülsenloser Munition, hinsichtlich der Geometrie Grenzen gesetzt, die es nicht gestatten, die übrigen Konstruktionsvorteile, die sich bei Anwendung einer hülsenlosen Munition bieten, auszunutzen.
Es wurde nun ein Anzündsystem für Treibladungen mit Umsetzungspunkten über 180° C gefunden, das durch die im Patentanspruch 1 genannten Merkmale gekennzeichnet ist.
Bei Anwendung dieses Anzündsystems fallen die genannten Nachteile der bisherigen Anzündladungen weg: Nach dem Zünden beaufschlagt die Verstärkerladung den Treibmittelkörper nur auf einer kleinen Kontaktfläche. Der Treibmittelkörper wird trotz der geringen Kontaktfläche zerlegt und zur vollkommenen Umsetzung gebracht. Die Vergrösserung der Oberfläche des Treibmittels tritt also erst beim Vorgang der Entzündung ein; es ist demzufolge nicht notwendig, dem Treibsatz in einem gesonderten Arbeitsgang eine spezielle geometrische Form mit grosser Oberfläche zu geben. Es ist vielmehr dadurch möglich, den Treibmittelkörper mit dem Ge-schoss auf einem sehr engen Raum unterzubringen und besonders einer hülsenlosen Munition eine kompakte und mechanisch feste Ausführung zu geben. Hohlräume im Innern der Patrone sind nicht mehr notwendig.
Unter den N02-Gruppen enthaltenden Verbindungen sollen sowohl Nitroverbindungen als auch Nitramine verstanden werden.
Die in dem Verstärkersatz enthaltenen organischen Nitroverbindungen sind feste Stoffe; es sind weiterhin explosionsgefährliche Stoffe, wie sie in dem «Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe» (Sprengstoffgesetz) vom 25.8.1969 definiert sind. Unter die erfindungsgemäss einsetzbaren explosionsgefährlichen festen Nitroverbindungen fallen ausser den in der Anlage I des Sprengstoffgesetzes genannten festen Nitroverbindungen weitere Derivate des Hexanitrodiphenyls der allgemeinen Formel in der A für die Gruppe
A-(CH2)n-0N02,
in der n eine ganze Zahl zwischen 1 und 3 sein kann oder für die Gruppe -NH-CO-CO-HN- oder NH-CO-HN steht.
Als Beispiele für erfindungsgemäss einsetzbare Nitramine seien Hexogen, Oktogen und Tetryl genannt.
Die erfindungsgemäss einsetzbaren Azoverbindungen umfassen die Triazole, Tetrazol und deren Derivate, wie z. B. 5-Aminotetrazol, Guanylamino-5-tetrazol, l-Guanyl-3-tetra-zolyl-5-guanidin, Ditetrazol, Diaminoguanidinditetrazol, Dia-minoguanidinazotetrazol. Im allgemeinen haben die einsetzba5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
3
622 232
ren Nitro-, Nitramino- und AzoVerbindungen einen Schmelzpunkt über 140° C, einen Verpuffungspunkt über 200° C und einen Stickstoffgehalt über 17%. Ihre Empfindlichkeit gegenüber mechanischer Beanspruchung sollte kleiner als diejenige von Initialsprengstoffen sein. d. h. Werte annehmen, die über 5 ein Joule liegen. Die von ihnen entwickelte spezifische Energie soll Werte zwischen etwa 850 und 1400 kJ/kg betragen.
Die Verstärkerladung des erfindungsgemässen Anzündsystems soll Umsetzungsgeschwindigkeiten besitzen, die derjenigen des Anzündsatzes entspricht. Im allgemeinen liegen diese 10 Umsetzungsgeschwindigkeiten zwischen 1000 und 4000 m/sec. Die Verstärkerladung darf sich demzufolge nicht detonativ umsetzen.
Eine detonative Umsetzung der Verstärkerladung wird durch den limitierten Zusatz der Initialsprengstoffe in dem 15 Verstärkersatz bewirkt. Diese sind in dem Verstärkersatz in Mengen zwischen 10 und 60 Gew.% enthalten. Durch Variation ihrer Menge bzw. der eingesetzten Stoffe lässt sich für die Verstärkerladung eine Umsetzungsgeschwindigkeit erzielen, die derjenigen der Anzündladung entspricht. 20
Als Initialsprengstoffe in der Verstärkerladung eignen sich z. B. Schwermetallazide, vorzugsweise Bleiazid, Schwermetallsalze des Mono-, Di- und Trinitroresorcins, bevorzugt Salze von Blei, Barium oder Thallium, Bleiphloroglucinat, Schwermetallpikrate, bevorzugt Bleipikrat, Azotetrazolblei oder Di- 25 azodinitrophenol.
Die Verstärkerladung wird zweckmässigerweise zu kleinen Zylindern geformt oder gepresst, deren Durchmesser auf das Kaliber der Munition abgestimmt ist. Das Gewicht der Verstärkerladung soll zum Treibladungsgewicht im Verhältnis 1:5 30 bis 1:20 stehen. Für hülsenlose Munition mit kleinem Kaliber beträgt das Gewicht einer Verstärkerladung etwa 200 mg.
Die Menge des Anzündsatzes, der dem Verstärkersatz vorgeschaltet ist und diesen zum Zünden bringt, beträgt zwischen 2 und 20, vorzugsweise 5 und 10 Gew.% der Verstärkeria- 35 dung. Diese Anzündladung wird durch mechanische Beaufschlagung entzündet; sie steht in unmittelbarem Kontakt mit der Verstärkerladung.
Die in dem Anzündsatz verwendeten Zündmittel sind die zum Anzünden von Treibsätzen bekannten Verbindungen und 40 Gemische. Es können demzufolge die obengenannten, in der Verstärkerladung eingesetzten Initialsprengstoffe eingesetzt werden; es eignen sich aber auch pyrotechnische Anzündgemische, wie z.B. ein Gemisch aus 80% einer Cer-Magnesium-Legierung und 20% Pb02. 45
Die Anzündladung wird vorzugsweise ebenfalls zu Zylindern gepresst, deren Durchmesser bevorzugt gleich gross ist wie der Durchmesser der Verstärkerladung.
Wenn das Anzündsystem zylindrische Form besitzt, hat es bevorzugt einen maximalen Durchmesser von 5 mm und eine Länge, die höchstens das drei- bis vierfache des Durchmessers beträgt.
Beispiel 1
Ein Gemisch aus 70 Gewichtsteilen Hexanitrodiphenyläther und 30 Gewichtsteilen Bleitrinitroresorcinat wird zu Zylindern von etwa 16 mm Länge und einem Durchmesser von ca. 4 mm mit einer Presskraft von 0,6 Mp gepresst.
Dieser Verstärkersatz, der ein Gewicht von 383 mg aufweist, wird mit 0,02 g eines Sinoxid-Anzündsatzes und 2,2 g temperaturbeständigem Treibmittel auf eine der folgenden Arten zu einer hülsenlosen Patrone verbunden:
a) Der Anzündsatz wird auf den Verstärkersatz seitlich oder heckseitig aufgepresst oder in pastöser Form aufgestrichen und der gesamte Körper heckseitig in eine zentrale durchgehende Bohrung des zylindrisch gepressten Treibmittelkörpers eingesetzt. Auf der Vorderseite der zentralen Bohrung wird das Geschoss auf den Anzündkörper aufgesetzt und gegebenenfalls verklebt. Die Zündung erfolgt, je nach Lage des Anzündsatzes am Verstärkersatz, entweder von hinten — also in Richtung der Geschossachse — oder von der Seite, d. h. quer zur Geschossachse.
b) Das Treibmittel wird zu zwei formgleichen Treibmittelhälften gepresst, die Aussparungen zur Aufnahme des Verstärkersatzes, der Anzündmischung und des Geschosses besitzen. Die geometrische Lage dieser Aussparungen ist so, dass einerseits das Geschoss als Amboss dient, anderseits eine direkte Verbindung zwischen Anzünd- und Verstärkersatz besteht. Nach dem Einlegen des Geschosses und der Verstärkerladung in die entsprechenden Ausnehmungen werden die beiden Treibmittelhälften zur eigentlichen Patrone verklebt. In die verbleibende Aussparung für die Anzündmischung wird diese in pastöser Form eingestrichen.
Die Zündung erfolgt in beiden Fällen mit einem Schlagbolzen. Der Treibmittelsatz brennt gleichmässig ab und es verbleiben keine Rückstände.
Beispiele 2 bis 9
In gleicher Weise wie in dem Beispiel 1 wurde ein Anzündsystem mit den in der folgenden Tabelle genannten Mischungen hergestellt und damit ein Treibladungspulver gleicher Zusammensetzung wie in Beispiel 1 auf die gleiche Weise gezündet. In diesen Beispielen wurden ebenfalls, wie in Beispiel 1, jeweils 20 mg des Anzündsalzes und 383 mg des Verstärkersalzes eingesetzt, was einem prozentualen Gehalt von 5,22% an Anzündsalz entspricht.
Tabelle
Anzündsatz (Gewichtsteile) Verstärkersatz
U.
CD >
3 o.
$ Zusammensetzung Menge
G (Gewichtsteile)
2
38
3
38
5
5
11 -
Hexanitrodiphenyl-
sulfon
Bleiazid
75 25
3
34
3
44
5
14
— — -
Hexanitrostilben Bleitrinitroresorcinat
65 35
4
39
3
36
5
4
13 -
Hexanitrodiphenylamin Bleiazid
75 25
5
40
4
35
4
5
12 -
Hexanitrodiphenyl-
aminonitrat 60
Bleiphloroglucinat 40
£ 2
CQ
CQ
U
622 232 4
Tabelle (Fortsetzung)
Anzündsatz (Gewichtsteile)
Verstärkersatz
c y a
73.
."H
'y u
OJ
'c.
Ç
S St h.
'S
1
d t
7,
i s
o t
a.
■y. J3
Zusammensetzung
Menge
"J3
H
0>
•H
45
a.
.C
00
es
O
73
o
" O
(Gewichtsteile)
6
43
2
39
-
10
6
_
-
Hexanitrodiphenyl-
sulfid
Bleipikrat
70 30
7
45
2
41
6
6
—
—
Hexanitroanilid Diazodinitrophenol
85 15
8
44
5
35
2
12
2
Diaminoguanidin-
tetrazol
Bleiazid
60 40
9
—
4
—
—
31
—
50 ±6
15
±3
Oktogen Bleiazid
50 50
s
Claims (5)
1. Anzündsystem für Treibmittel mit thermischen Umsetzungspunkten über 180° C, dadurch gekennzeichnet, dass es aufeinanderfolgend besteht aus
(a) einem Anzündsatz, und
(b) einem Verstärkersatz aus festen, explosionsgefährlichen Verbindungen, die eine oder mehrere -N02-Gruppen und/oder -N=N-Gruppen enthalten und einen Verpuffungspunkt über 200° C besitzen, denen zwischen 10 und 60 Gewichtsprozent Initialsprengstoff untergemischt sind,
und wobei die Menge des Anzündsatzes (a) zwischen 2 und 20 Gewichtsprozent der Menge des Verstärkersatzes (b) beträgt.
2. Anzündsystem nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als explosionsgefährliche -N02-Gruppen enthaltende Verbindung Hexanitrodiphenyl oder dessen Derivate eingesetzt werden.
2
PATENTANSPRÜCHE
3. Anzündsystem nach den Patentansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass als explosionsgefährliche N02-Gruppen enthaltende Verbindung Hexanitrodiphenyloxid eingesetzt wird.
4. Anzündsystem nach Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als explosionsgefährliche N=N-Gruppen enthaltende Verbindung Tetrazol oder dessen Derivate eingesetzt werden.
5. Anzündsystem nach den Patentansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Sätze zu Zylindern ge-presst sind, deren Durchmesser nicht mehr als 5 mm und deren Länge höchstens das Vierfache des Durchmessers betragen.
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