Verfahren zur Herstellung von Pfropfpolymerisaten
Bekanntlich lassen sich makromolekulare Verbindungen aus mehreren Monomeren nach verschiedenen Prinzipien aufbauen. Der häufigste Fall ist der der Copolymerisation, bei der die Komponenten meist in unregelmässiger Folge im Makromolekül angeordnet sind. Demgegenüber sind die Blockcopolymerisate dadurch gekennzeichnet, dass in ihrem Makromolekül auf einen Abschnitt, der aus einem Monomeren aufgebaut ist, ein aus einem anderen Monomeren aufgebau ter zweiter Abschnitt folgt. An diesen schliesst sich dann wieder ein aus dem ersten Monomeren aufgebauter Block an usw. Das Makromolekül kann jedoch auch aus einer Hauptkette bestehen, auf die Seitenketten von anderer, gegebenenfalls auch gleicher, chemischer Zusammensetzung aufgepfropft sind.
Solche Pfropfpolymerisate (graft polymers) weisen, soweit die Bausteine zwischen Haupt- und Seitenkette verschieden sind, häufig die Eigenschaften beider Komponenten auf und unterscheiden sich darin grundlegend von den üblichen Copolymerisaten, deren Eigenschaften entweder zwischen denen der entsprechenden Homopolymerisate liegen oder sogar von diesen abweichen.
Zur Herstellung solcher Pfropfcopolymerisate erzeugt man an einem Primärpolymerisat aktive Stellen, an denen das aufzupfropfende Monomere unter Verknüpfung mit dem Primärpolymerisat polymerisiert. Für die Schaffung solcher aktiven Stellen ist eine Reihe verschiedener Verfahren bekannt, die man in tXbertra- gungsreaktionen am Polymeren, in Bestrahlung oder mechanische Behandlung des Polymeren und in chemische Methoden unterteilen kann. Bei dem zuletzt genannten Vorgehen bringt man am Makromolekül eines Polymeren durch chemische Umsetzung bestimmte Gruppierungen an, die nachträglich bei Anwesenheit eines Monomeren unter Ausbildung eines Radikals aktiviert werden und so die Polymerisation des Monomeren auslösen.
Von den dem Fachmann geläufigen Methoden, solche aktiven Gruppierungen durch chemische Umsetzung entlang der Kette des Prlmärpolymeri- sats in dieses einzubauen sei das Einbringen von Azogruppierungen in das Makromolekül erwähnt. Darüber berichten W. Hahn und A. Fischer in Die makromo- lekulare Chemie , Band 21 (1956), Seiten 77 ff.
Danach werden aus Poly-p-aminostyrol bzw. aus Copolymerisaten von p-Aminostyrol mit Methacrylsäuremethylester polyfunktionelle makromolekulare N Nitroso-N-acetylarylamine und Diazoaminoverbindungen hergestellt, die als Initiatoren für die Pfropfpolymerisation ungesättigter Verbindungen verwendet werden. - Weiterhin sei auf das Verfahren gemäss DBP 1092655 hingewiesen, bei dem Pfropfpolymerisate hergestellt werden, indem man ein zur Ester- oder Amidbildung befähigte Gruppen enthaltendes Primärpolymerisat mit einer Azoverbindung, die beim Erwärmen oder Belichten Radikale bildet, oder mit einer durch Oxydation leicht in eine Azoverbindung überführbaren entsprechenden Hydrazoverbindung unter Ausbildung von Ester- oder Amidbindungen umsetzt;
das so modifizierte Primärpolymerisat wird dann mit einem polymerisierbaren Monomeren gemischt, und die Mischung wird erwärmt, wobei von den durch Stickstoffabspaltung entstandenen Radikalgruppierun gen die Pfropfpolymerisation des Monomeren ausgeht.
Bei dem zuletzt genannten Verfahren reagiert die die Azogruppierung tragende Verbindung mit dem Primärpolymerisat unter Entstehung eines Esters bzw.
eines Amids, d. h. unter Kondensation. Das bei der Reaktion frei werdende Wasser muss durch chemische Umsetzung entfernt werden, um den Veresterungspro- zess vollständig ablaufen zu lassen. Dies erreicht man z. B. durch Zusatz von Diisopropylcarboiimid, das mit dem Reaktionswasser in Diisopropylharnstoff übergeführt wird. In jedem Falle ist bei dem bekannten Verfahren die Isolierung des die Azogruppierung enthaltenden Zwischenproduktes unerlässlich. Die geschieht nach den Beispielen durch wiederholtes Waschen mit Methanol in einem Knetwerk bei einer Temperatur von etwa 250 C und anschliessendes Trocknen im Vakuum. Dem Fachmann ist klar, dass das Waschen eines Gels, einer Gallerte oder eines kautschukartigen Produktes im Knetwerk einen umständlichen Prozess darstellt.
Das so isolierte Zwischenprodukt wird dann mit dem zu pfropfenden Monomeren vermischt und unter Erwärmen polymerisiert.
Im Gegensatz zu den bekannten Verfahren erfolgt die erfindungsgemässe Herstellung des Pfropfpolymen sats in einem Arbeitsgang, d. h. ohne Isolierung eines Zwischenproduktes. Diese Tatsache ist insbesondere für die Herstellung von Lösungspolymerisation und von Dispersionen von erheblicher Wichtigkeit.
Es muss als überraschend bezeichnet werden, dass bestimmte Azoverbindungen in glatter Addition in eine makromolekulare Verbindung mit bestimmten funktionellen Gruppen eingeführt werden können und dort unter Stickstoffabspaltung radikalische Gruppierungen entstehen lassen, von denen die Polymerisation eines Monomeren unter Ausbildung eines Pfropfcopolymeri- sats gestartet wird.
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Pfropfpolymerisaten, das dadurch gekennzeichnet ist, dass man Azoverbindungen, die Aminogruppen als reaktive Gruppen aufweisen, bei normaler Temperatur oder unter schwachem Erwärmen an in Mischpolymerisaten enthaltene Azlactongruppierungen der Formel
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worin Rt und R2 einen Alkyl-, Cycloalkyl, Aryl- oder Aralkylrest bedeuten, unter Öffnung des Azlactonringes zwischen der Carbonylgruppe und dem benachbarten Sauerstoffatom anlagert und die erhaltenen Additionsprodukte in Gegenwart von olefinisch ungesättigten, radikalisch polymerisierenden Monomeren auf Temperaturen und Polymerisation der Monomeren von den durch die Stickstoffabspaltung entstehenden Radikalstellen aus erfolgt.
Bei der Erwärmung spaltet die Additionsverbindung unter Stickstoffentwicklung in Radikale auf, die die Polymerisation des zugegebenen olefinisch unTgesät- tigten Monomeren starten. - Durch den Mengenanteil, in dem die Azlactongruppierung am Aufbau des Basispolymerisats beteiligt ist, lässt sich die Häufigkeit der die Pfropfpolymerisation des jeweiligen Monomeren auslösenden Radikaigruppen im voraus mit hinreichenW der Genauigkeit bestimmen.
Ab Beispiel der Umsetzung eines aus einer polyme risationsfähigen olefinisch ungesättigten Verbindung und einem Azlacton, nämlich dem 2-Isopropenyl-4,4dimethyloxazolon-5, aufgebauten Mischpolymerisats mit einer Azoverbindung, nämlich mit Azodiiisobutter- säurehydrazid, sei der formelmässige Ablauf der ersten Stufe des erfindungsgemäs sen Verfahrens dargestellt.
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Bei der Umsetzung eines Azlactongruppen enthaltenden Polymerisats mit einer zwei Aminogruppen enthaltenden Azoverbindung tritt, wie dies der vorstehen- den Formel zu entnehmen ist, eine Vernetzung ein.
Man erhält infoLgedessen ein gelartiges Zwischenprodukt. Um den mit der Durchmischung eines solchen Produktes mit dem Monomeren verbundenen Aufwand zu vermeiden, ist es zweckmässig, das Ausgangspoly merisat vor der Vernetzung mit dem zu pfropfenden Monomeren zu vermischen. In besonderen Fällen kann es zweckmässig sein, das Basis-Substanzpolymerisat im Monomeren anzuquellen. - Die Verwendung von Azo verbindungen mit zwei reaktiven Gruppen ist vorteilhaft, wenn ein möglichst hoher Pfropfgrad angestrebt wird. In anderen Fällen kann es zweckmässig sein, eine solche Azoverbindung an die Azlactongruppe anzulagern, die nur eine reaktive Gruppe enthält. z. B.
Azo diisobuttersäuremonohydrazid-monome-thylester der Formel
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Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei der erfindungsgemässen Addition der in Frage stehenden Azoverbindu,ngen an azlactongruppenhaltige makromolekulare Verbindungen die bekanntlich sehr stabilen Amidbindungen ausgebildet werden.
Der weitere Ablauf des erfindungsgemässen Verfahrens macht den grundlegenden Unterschied zwischien der Umsetzung des azlactongruppenhaltigen Polymerisats mit einer Azoverbindung mit zwei reaktiven Gruppen im einen Falle und mit Azoverbindungen mit nur einer reaktiven Gruppe im anderen Falle deut lich: Beim Erwärmen des mit einem polymerisationsfähigen Monomeren gemischten azogruppenhaltigen Ad ditionsproduktes erfolgt eine Aufspaltung dieser Verbindung unter Stickstoffentwicklung. Dabei entstehen in jenen Fällen, in denen Azoverbindungen mit zwei reaktiven Gruppen zwischen zwei azlactongruppenhaltige Makromoleküle unter Vernetzung eingebaut waren - wie dies oben formelmässig dargestellt ist - zwei Makromoleküle mit radikalischen Seitengruppen.
An diesen setzt die Polymerisation des Monomeren unter Ausbildung eines Pfropfpolymerisats ein. - Wurde jedoch eine Verbindung vom Typ Azodiisobuttersäure monohydrazid-monomethylester, die nur eine reaktive Gruppe im Sinne der vorliegenden Erfindung enthält, an das azlactongruppenhaltige Polymerisat angelagert und wird das Gemisch der entstandenen Additionsverbindung mit einem polymerisationsfähigen Monomeren erhitzt, so tritt eine Spaltung der makromolekularen Azoverbindung in ein makromolekulares und ein niedermolekulares Radikal ein.
Beide wirken polymerisa tionsausilösend - das erste unter Ausbildung eines Pfropfpolymerisats und das zweite unter Entstehung eines nicht gepfropften Polymerisats, so dass in diesem Falle das erhaltene Endprodukt ein Gemisch aus einem Pfropfpolymerisat und einem HomoX bzw.
Mischpoly merisat darstellt. - Azlactongruppenh altige makromolekulare Verbindungen lassen sich nach einem früheren Vorschlag in einfacher Weise durch Mischpolymerisation von ungesättigten Monomeren, wie Acryl- oder/ und Methacrylsäure, den Estern, Nitrilen und Amiden dieser Säuren, Styrolen, Vinylestern. oder Olefinen, mit Azlactonen der allgemeinen Formel
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in der Rt und R2 einen Alkyl-, Cycloalkyl-, Aryl- oder Aralkylrest und R, einen eine polymerisierbare C < -Doppelbindung aufweisenden Rest bedeuten, herstellen.
Azlactone oder Oxazolone können bekanntlich als Anhydride von a-Acylaminocarbonsäuren aufgefasst und auch aus diesen durch Wasserabspaltung, z. B.
mittels Acetanhydrid, hergestellt werden (aOrganic Reactions , Band III, 1949, Seiten 198 ff.). Als Beispiel für die Herstellung eines polymerisationsfähigen Azlactons seien die Umsetzung von a-Aminoisobuttersäure mit Methacrylsäurechlorid und die anschliessende Ringschlussreaktion formelmässig dargestellt:
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Als Beispiele für Azlactone, die mit den bereits genannten oder anderen Monomeren unter Erhalt des Ausgangspolymerisats mischpolymerisiert werden können, seien 2-Isopropenyl-4,4-dimethyloxazolon-5, 2-Isoprop enyl-4-methyl-4- propyl-oxazolon-5, 2-Isopropenyl-4,4-dipropyl-oxazolon-5, 2-Vinyl-4,4-pentamethylen-oxazolon-5, 2-Vinyl-4-methyl-4-benzyl-oxazolon-5, 2-Acrylyloxäthyl-4-methyl-4- cyclohexylr oxazolon-5 und 2-Vinyl-4-methyl-4-phenyl-oxazolon-5 genannt. - Die Herstellung der beschriebenen Azlactone und der entsprechenden Mischpolymerisate ist nicht Gegenstand der vorliegenden Erfindung.
Als Beispiel für an Azlactongruppen zu addierende Azoverbindungen seien Azo(isobuttersäureaminoäthylester), Azo(isobuttersäurehydrazid) genannt; diese Verbindungen weisen zwei reaktive Gruppen im Molekül auf, d. h. sie addieren unter gleichzeitiger Vernetzung.
Im Gegensatz dazu weisen Verbindungen vom Typ Azoisobuttersäuremonohydrazid-monomethylester oder Azoisobuttersäuremonohydrazid-nitril nur eine reaktive Gruppe, nämlich den Aminorest der Hydrazidogruppe, auf, so dass die Addition dieser Azoverbindungen an das azlactongruppenhaftige Polymerisat ohne Vernet- zung verläuft.
Grundsätzlich lassen sich alle radikalisch polymerisierenden Monomeren im Sinne des erfindungsgemässen Verfahrens als Pfropfkomponente verwenden, und zwar auch jene, aus denen das Basispolymerisat aufgebaut ist. Ausser den bereits beispielhaft aufgeführten Monomeren, die zusammen mit polymerisierbaren Azlactonen mischpolymerisiert und auch als pfropfende Komponente verwendet werden können, sei die Klasse der polymerisierbaren Heterocyclen, wie N Vinylpyrrolidon oder N-Vinylimidazol oder N-Vinyloxazolidon, und zwar insbesondere als pfropfende Ko,m- ponente'genannt.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich anstelle der beschriebenen Azoverbindungen mit einer oder zwei reaktiven Gruppen im Molekül auch Peroxyde mit NH2-Gruppen an azlactongruppenhaltige Copolymerisate anlagern lassen, jedoch lässt die bekannte Unbeständigkeit solcher Verbindungen ihre technische Verwendung für den voffiegenden Zweck nicht zu.
Die nachstehenden Beispiele erläutern das erfindungsgemässe Verfahren, ohne den nachgesuchten Schutz auf eben diese Ausführungsformen zu beschränken. Allen zu der vorliegenden Erfindung gehörenden Ausführungsformen ist gemeinsam, dass die Addition einer zwei radikalische Endgruppen liefernden Azoverbindung bei normaler oder wenig erhöhter Temperatur erfolgt, die unter Stickstoffabspaltung verlaufende Radikalbildung und damit die Polymerisation des pfropfenden Monomeren jedoch bei höherer Temperatur vor sich geht. Der Unterschied zwischen diesen beiden Temperaturbereichen kann z. B. 80 bis 1000 C betragen. Beide Teilprozesse, nämlich Addition und Polymerisation, lassen sich aus diesem Grunde mühelos beherrschen. - Die Polymerisation kann grundsätzlich nach allen bekannten Verfahren erfolgen.
Pfropfpolymerisate der erfindungsgemäss hergestellten Art finden z. B. als schlagzähe Formmassen, als Lackrohstoffe und Emulgier- bzw. Dispergiermittel Verwendung. Sie stellen weiterhin wirksame Schmier- ölzusätze sowie Textilhilfs- und Flockungsmittel dar.
Beispiel 1
49 Gew.-Teile Äthylacrylat und 2 Gew.-Teile 2-Isov propenyl-4,4-dimethyloxazolon-(5) werden in 50 Gew.-Teilen Äthylglykolacetat in Gegenwart von 1 Gssw.-Teil Azoisobuttersäurediäthylester bei 80"C polyznerisiert, nach 5 Stunden wird auf 400 C abgekühlt und ein Gemisch aus 49 Gew.-Teilen Styrol, 1,5 Gew'-Teilen Azoisobuttersäuredibydrazid, 45 Gew. Teilen Äthylglykolacetat und 5 Gew.-Teilen Eis essig zugegeben. Die Temperatur wird bei 400 C gehalten, bis ein einheitliches Gel entstanden ist, dann wird 5 bis 7 Stunden auf 100 bis 1200 C erhitzt.
Hierbei verflus- sigt sich das Gel wieder und geht in eine viskose, leicht trübe, beständige Lösung über.
Extraktionsversuche zeigten, dass 70 bis 80 o/o des Endproduktes in selektiven Lösungsmitteln für die Homopolymerisate (Methanol bzw. Cyclohexan,) unlöslich, d. h. gepfropft, sind. Die Pfropfausbeute für ein gesetztes Styrol liegt bei 90 ozon
Beispiel 2
30 Gew.-Teile Butylacrylat, 10 Gew.-Teile Methylmethacrylat und 2 Gew.-Teile 2-Vinyl-4-methyl-4-pro- pyloxazolon-(5) werden in 45 Gew.-Teilen Äthylgtykol- acetat in Gegenwart von 0,5 Gew.-Teilen Azoisobuttersäuredinitril bei 800 C polymerisiert.
Nach 5 Stunden wird auf 400 C abgekühlt und ein Gemisch aus 2,8 Gew.-Teilen Azoisobuttersäuremonohydrazidmonome- thylester und 10 Gew.-Teilen Äthylglykolacetat zugege- ben. Nach fünfstündigem Erwärmen auf 400 C wird ein Gemisch aus 40 Gew.-Teilen Methylmethacrylat und 20 Gew.-Teilen Sithylacrylat in 45 Gew.-Teilen Athylglykolacetat zugegeben und innerhalb von 5 bis 7 Stunden bei 100 bis 1200 C polymerisiert.