Verfahren zur Herstellung von Vinylchlorid
Ein bevorzugtes Verfahren zur Herstellung von Vinylchlorid besteht darin, dass man Acetylen mit Chlorwasserstoff an quecksilberhaltigen Kontakten miteinander vereinigt. Um einen nahezu vollständigen Umsatz wenigstens einer der beiden Komponenten zu erreichen, wird eines der beiden Gase, und zwar in der Regel der billigere Chlorwasserstoff, im Überschuss von 5-15 O/o angewendet. Dabei muss die Temperatur im Katalytsystem bis 2200 C gesteigert werden. Nach der Synthese wird der überschüssige Chlorwasserstoff durch Waschen der Gase mit Wasser und Lauge entfernt.
Hierauf werden die hauptsächlich aus Vinylchlorid, Spuren Acetylen, Fremdgase und Wasserdampf bestehenden Gase getrocknet, wofür meist festes Kaliumhydroxyd verwendet wird, um dann durch Kiihlen auf 30-600 unter Null bei gewöhnlichem Druck oder durch Kühlen mit Wasser und Komprimieren auf etwa 6 Atm. das entstandene Vinylchlorid zu verflüssigen und von den Restgasen zu trennen. Das so hergestellte Vinylchlorid ist zwar bereits ziemlich rein, doch wird es in der Regel einer nochmaligen fraktionierten Destillation unter einem Druck von 3-10 Atm. unterworfen, um Spuren von Inertgasen und höher siedenden Substanzen auszuscheiden.
Diese im Prinzip schon von Klatte im DRP Nr. 278249 beschriebene Arbeitsweise ist, obwohl sie in vielen grossen Anlagen ausgeübt wird, mit einer Reihe von Nachteilen behaftet. Diese sind folgende:
1. Die Reaktionstemperatur muss zur Erreichung eines annähernd quantitativen Umsatzes des Acetylens auf etwa 2200 getrieben werden, was die Lebensdauer des Katalyten und die Reinheit des Vinylchlorids beeinträchtigt.
2. Der überschüssige Chlorwasserstoff ist verloren, was die Chlorwasserstoffausbeute auf 90 bis 950/0 d. Th. begrenzt. Ausserdem entsteht dadurch eine lästige Abwasserfrage.
3. Die von der Synthese her trockenen Gase werden durch das Auswaschen des überschüssigen Chlorwasserstoffes mit Wasser gesättigt und müssen vor der Tiefkühlung oder vor der Kompression unter Aufwand von Trockenmitteln und umfangreichen Anlagen wieder entwässert werden.
4. Bei der Isolierung des Vinylchlorids durch Komprimieren der Gase stellt sich eine weitere, sehr ernste Schwierigkeit ein, die darin besteht, dass bei Störungen, bei fehlerhaftem Arbeiten oder z. B. beim Erlahmen des Katalyten Acetylen in gefährlicher Konzentration komprimiert wird, was zu schweren Explosionen führen kann. Aber auch bei regelmässigem Betrieb führt die Abscheidung von Polymerisationsprodukten im Kompressor zu häufigen Störungen.
Es wurde nun gefunden, dass alle diese Nachteile sich beseitigen lassen durch stufenweisen Umsatz der Gase und Kondensation des Vinylchlorids nach jeder Stufe. Das stufenweise Arbeiten besteht darin, dass man äquimolekulare Mengen yon Acetylen und Chlorwasserstoff vorteilhaft in einem Katalytofen z. B. bei 60-150 nur teilweise, z. B. zu 900/o, umsetzt, dass man dann den Hauptteil des entstandenen Vinylchlorids durch Kühlen der aus dem Katalytofen austrotenden Gase z. B. auf weniger als 200 flüssig abscheidet, dass man hernach die auf solche Weise an Acetylen und Chlorwasserstoff angereicherten Gase in einem zweiten Katalytofen z. B. bei 60 bis 1500 wieder teilweise, z. B. zu 900/0, umsetzt, dass man dann die aus dem zweiten Ofen austretenden Gase so stark, z.
B. auf 600, abkühlt, dass sich praktisch alles Vinylchlorid verflüssigt. Anschliessend lässt man vorteilhaft die nicht kondensierten Gase (hauptsächlich Fremdgase) aus dem Reaktionssystem austreten. Schon mit zwei Stufen, edleren jede nur etwa 90 /o Umsatz leisten muss, kann man 99.0/o Gesamtumsatz für jede Komponente erreichen. Ein so hoher Umsatz lässt sich im Einstufenverfahren höchstens für eine der beiden Komponenten lerreichen, während die andere Komponente im Überschuss eingesetzt und zum Teil vernichtet werden muss.
Ein weiterer wichtiger Vorteil des erfindungsgemässen Verfahrens ist die niedrige Katalyttemperatur, die um wenigstens 700 tiefer gehalten werden kann als beim Einstufenverfahren. Die folgende Tabelle, in der die Tension des Quecksilberchlorids in mm Hg bei verschiedenen Temperaturen t" zusammengestellt ist, lässt die grosse Bedeutung dieses Vorteils erkennen: t" 60 90 120 150 180 200 231 mm 0,003 0,05 0,38 2,37 3,80 23,8 82
Die Tabelle zeigt deutlich, dass bei einer Katalyttemperatur von 60-150 die Flüchtigkeit des Sublimats viel kleiner und die Haltbarkeit des Katalyten entsprechend besser ist als bei 180-220 .
Man kann auch mit mehr als zwei Stufen arbeiten, indem man z. B. in 4 Öfen hintereinander nur zu 80, 70, 60 und 500/ei umsetzt. Auf diese Weise kann die Katalyttemperatur noch tiefer gehalten werden und man gelangt trotzdem zu einem praktisch quantitativen Gesamtumsatz. Wesentlich ist, dass nach jedem Umsatz mindestens ein Teil des Vinylchlorids ausgeschieden wird, um die Konzentration des Acetylens und Chlorwasserstoffes wieder zu erhöhen. - Das ausgeschiedene flüssige Vinylchlorid enthält noch Gase gelöst. Um diese auszutreiben und in die Synthese zurückzuführen, kann man es auf den Kopf einer Fraktionierkolonne geben, durch welche Vinylchloriddampf, der im Sumpf der Kolonne durch einen Verdampfer erzeugt wird, strömt.
Dieses Vinylchlorid wird in einem Kondensator wieder verflüssigt und nach Abtrennen der Gase auf die Kolonne zurückgeführt.
Es hat sich gezeigt, dass man auf diese Weise am unteren Ende der Kolonne flüssiges Vinylchlorid erhält, das vollständig frei yon Acetylen und Chlorwasserstoff ist, so dass auf das übliche Behandeln des Vinylchlorids mit Wasser und Lauge vollständig verzichtet werden kann. Dies ist ein grosser Vorteil, der sich im erfindungsgemässen Stufenverfahren besonders günstig auswirkt. Das so gewonnene Vinylchlorid wird dann nochmals zur Entfernung höher siedender Verunreinigungen destilliert.
Das erfindungsgemässe Verfahren wird anhand einer Zeichnung, die eine Anlage für eine stündliche Erzeugung von etwa 700 kg Vinylchlorid darstellt, beispielsweise erläutert. Die Anlage ist in drei Teile unterteilt, die mit Synthese, Kondensation und Reindestillation bezeichnet sind. Die erfindungsgemässen Massnahmen betreffen nur die Synthese und die Kondensation.
Der Reaktor 1 enthält 5 m3 Katalysator, der aus Aktivkohle und Quecksilberchlorid besteht. Der Kontakt ist in 4 m langen, flachen Rohren mit einem Querschnitt von 18 X 50 mm angeordnet, so dass der Abstand der Katalytkörner von der Rohrwand nirgends grösser als 9 mm ist. Die Rohre sind von Wasser oder Öl umspült, mit dessen Hilfe die Temperatur des Katalyten je nach dessen Aktivität in engen Grenzen gehalten werden kann. Der Reaktor 2 ist wie Reaktor 1 gebaut, er kann kleiner sein und nur etwa 2 m Katalyt enthalten. Man führt Reaktor 1 stündlich 252,5 m3 Acetylen 990/oil und 257,5 m3 Chlorwasserstoff 97 0/zig zu, die zusammen 10 m3 Fremdgas (Wasserstoff, Stickstoff und Kohlensäure) als normale Verunreinigung enthalten.
Die Temperatur im Reaktor 1 wird so eingestellt, dass ein Umsatz von 90q /o erfolgt, was an der Kontraktion und am HCl- bzw. Acetylengehalt der aus dem Ofen austretenden Gase leicht zu erkennen ist. Mit frischem Katalyt kann dieser Umsatz schon bei 60 bis 1200 erreicht werden. Bei älterem Katalyt muss die Temperatur nach und nach auf 1500 gesteigert werden. Es ist vorteilhaft, die Temperatur nicht über 1500 zu steigern, weil sonst der Katalyt durch Bildung von Sublimatbrücken und harzigen Produkten seine Rieselfähigkeit verliert und nur mit Schwierigkeiten aus den Katalytrohren entleert werden kann.
Die aus dem Ofen 1 austretenden Gase werden im Kühler 6 auf 260 abgekühlt, wodurch sich 390 kg flüssiges Vinylchlorid ausscheiden, die zur Kolonne 3 fliessen, wo die gelösten Gase ausgetrieben werden und wieder dem Kondensator 6 zugeleitet werden. Die im Kondensator 6 nicht verflüssigten Gase, insgesamt etwa 150 m3/h, werden dann dem Reaktor 2 zugeführt. Durch das Abscheiden des Vinylchlorids ist der Gehalt an Acetylen/Chlorwasserstoffgemisch beinahe auf 400/F angestiegen. Dasselbe wird im Reaktor 2 wieder zu etwa 90 /o umgesetzt und hierauf in 7 auf 300 abgekühlt, wobei sich 240 kg/h flüssiges Vinylchlorid ausscheiden, die ebenfalls auf die Kolonne 3 geführt werden.
Die in 7 nicht kondensierten Gase werden in 8 auf600 gekühlt, wodurch nochmals 60 kg flüssiges Vinylchlorid gewonnen werden, die auch auf Kolonne 3 geführt werden. Die aus 8 mit einer Temperatur von 600 austretenden Restgase bestehen aus je etwa 2 ma Acetylen, Chlorwasserstoff und Vinylchlorid, sowie 10 m3 Fremdgas. Sie werden verloren gegeben und ins Freie entlassen. Das so gewonnene flüssige Roh Vinylchlorid, insgesamt 690 kg/h, wird in der Kolonne 3 bei Normaldruck entgast, indem im Sumpf der Kolonne so geheizt wird, dass je 1 kg zufliessenden Vinylchlorids 1 kg Vinylchlorid verdampft, das im Kühler 6 zusätzlich kondensiert wird und als Rücklauf auf die Kolonne 3 zurückfliesst.
Das aus dem Sumpf der Kolonne 3 austretende Vinylchlorid ist vollständig frei von Acetylen und Chiorwasser- stoff. Es wird mit der Pumpe 11 in die Kolonne 4 gedrückt, die unter einem Druck von etwa 4 Atm. steht. Der Sumpf der Kolonne wird mit Dampf oder Heisswasser geheizt, während der Kondensator 9 mit Wasser gekühlt wird. Die Kolonne wird mit einfachem Rücklauf betrieben. Dem Kondensator werden stündlich 690 kg Vinylchlorid entnommen. Es ist rein und für die Polymerisation geeignet. Etwa 25 kg der im Sumpf der Kolonne 4 befindlichen Flüssigkeit werden stündlich in die kleine Fraktionierkolonne 5 abgelassen, wo sie unter einem Druck von 4 Atm. bei einfachem Rücklauf in Vinylchlorid und höher siedende Anteile zerlegt werden. Die Hauptmenge ist Vinylchlorid, das zur Kolonne 4 zurückgeführt wird.
Die höher siedenden Anteile reichern sich im Sumpf an, von wo sie periodisch bei 12 in einer Menge von etwa 20 kg in 24 Stunden abgelassen werden. Sie bestehen zur Hauptsache aus Dichlor äthan und Acetaldehyd.
Das neue Verfahren arbeitet mit einfacheren Einrichtungen, erhöht die Lebensdauer des Katalyten, die Ausbeute und die Betriebssicherheit. Die am Anfang der 13eschreibung aufgezählten Nachteile werden dadurch vollständig beseitigt.