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Geschossführung in einem gezogenen Rohr bzw. Lauf und dafür geeignetes Geschoss
Es ist bekannt, dass man die gewünschte Treffgenauigkeit von aus Rohren verfeuerten Langgeschossen durch Drallstabilisienmg erreichen kann, indem man die Rohrinnenwand mit schraubenförmig verlaufenden Zügen versieht, die dem Geschoss über ein oder mehrere Führungsbänder eine Drehbewegungum seine Längsachse aufzwingen. Im allgemeinen wird die Wirkung des Geschosses durch diese Drehbewegung in keiner Weise beeinträchtigt. Es gibt jedoch mindestens einen Fall, wo diese Drehbewegung ungünstig wirkt, nämlich bei Hohlladungen. Geschosse mit Hohlladungen werden wegen ihrer grossen Durchschlags- leistung vor allem gegen Panzerplatten weitgehend angewendet.
Diese Durchschlagsleistung ist dann ein Maximum, wenn sich das Geschoss nicht dreht und nimmt umsomehr ab, je schneller das Geschoss rotiert.
Für ein Geschoss mit Hohlladung (HL-Geschoss) üblicher Ausführung und mittleren Kalibers beginnt z. B. die Durchschlagsleistung schon etwa von der Drehgeschwindigkeit 1000 Umdr/min ab merklich abzunehmen. Bei einer Drehgeschwindigkeit von 15000 Umdr/min beträgt sie nur noch etwa 50 - 40 % ihres maximalen Wertes. Um diesen Nachteil zu vermeiden, verwendet man vielfach HL-Geschosse als Raketen, aber man verliert dabei an Treffgenauigkeit. Beim Schuss aus gezogenen Rohren dagegen, gewinnt man eine höhere Treffgenauigkeit aber auf Kosten der Durchschlagsleistung.
Man hat schor versucht, gute Treffgenauigkeit und Durchschlagsleistung zu vereinen durch Anwendung von Geschossen, die aus zwei relativ zueinander drehbaren Teilen bestehen, wobei man dem äusseren Teil eine für die Drallstabilisierung des ganzen Geschosses ausreichende Drehung aufdrückt, während der innere Teil, der die HL enthält, bis zum Ziel keine oder nur eine geringfügige Drehung annehmen soll. Um die Reibung und damit die Übertragung der Drehbewegung vom Aussenteil auf den Innenteil möglichst klein zu halten, hat man z. B. Kugellager usw. vorgeschlagen.
Diese Lager müssen robust genug sein, um den Stoss beim Abschuss auszuhalten (Beispiel : das Gewicht des Innenteils sei 2, 5 kg, die maximale Abschussbeschleuni- gung 20000 g-g= Erdbeschleunigung-dann beträgt die beim Abschuss von der Lagerung auf den Innenteil zu übertragende Kraft rund 50 Tonnen).
Um zu erreichen, dass der innere Geschossteil eines drallstaüilisierten Geschosses beim Auftreffen keine oder nur eine sehr geringeDrehbewegung ausführt, hat man auch bereits vorgeschlagen, dem inneren Geschossteil, welcher im äusseren Geschossteil drehbeweglich und koaxial gelagert ist, eine der Drehbewegungsrichtung des äusseren Teiles entgegengesetzte Drehbewegung zu erteilen, u. zw. mit dem Ziel, dass die dem inneren Geschossteil erteilte Drehbewegung während des Fluges durch das dem inneren Teil vom äusseren Teil aufgedrückte, entgegengesetzt wirkende Drehmoment soweit gebremst wird, dass sie beim Auftreffen des Geschosses Null oder nahezu Null beträgt. Dem inneren Teil wird die Drehbewegung nach diesem Vorschlag auf pneumatischem bzw. hydraulischem Wege erteilt.
Im einen Falle sind im vorderen Teil des äusseren Geschossteiles Lufteintrittsöffnungen vorgesehen, durch welche die sich während des Fluges des Geschosses vor dem Geschoss stauende Luft in den Raum zwischen dem äusseren und dem inneren Geschossteil strömt, wo sie auf Flügel auftrifft, welche am inneren Geschossteil angeordnet sind, wodurch der innere Teil in Drehung versetzt wird u. zw. in einer dem Drall des äusseren Teiles entgegen- gesetzten RichtUng. Im andern Falle wird die durch Kanäle unter Druck ausströmende Flüssigkeit im Raum zwischen dem rückwärtigen Teil des inneren Teiles und dem Boden des äusseren Teiles dazu benützt, dem
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inneren Teil eine Drehbewegung in zum Drall des äusseren Teiles entgegengesetzter Richtung zu erteilen.
Der Druck auf diese Flüssigkeit ergibt sich während der Beschleunigung d. Geschosses auf Grund der Trägheit des inneren Geschossteiles. Sowohl bei der Erteilung der Drehbewegung auf pneumatischem Wege als auch bei der auf hydraulischem Wege ist eine präzise Erteilung der Drehbewegung nicht möglich und infolgedessen wird auch das angestrebte Ziel, die Drehbewegungsfreiheit des Innenteiles beim Auftreffen des Geschosses, nicht einwandfrei erreicht.
Zielder vorliegenden Erfindung ist es nun, diese Nachteile zu vermeiden und die Erfindung besteht im wesentlichen darin, dab das Rohr bzw. der Lauf ausser den üblichen Drallzügen mindestens einen zusätzlichen, die üblichen Züge schneidenden Zug aufweist, in welchen zumindest ein am inneren Teil angebrachtes Führungsorgan eingreift. Auf diese Weise wird dem Innenteil des Geschosses eine genaue präzisierte Drehbewegung erteilt.
Die Übertragung der Abschusskraft vom Aussen- auf den Innenteil-z. B. SO Tonnen-wird sehr einfach. Im günstigsten Falle genügen einfache glatte Flächen, da die Führungselemente ein genügend gro- sses Drehmoment liefern, um sogar die gleitende Reibung zu überwinden.
Die Führungsorgane können hiebei zur Rohr-bzw. Laufachse senkrecht stehende Ebenen unter einem Winkel von 900 schneiden. In diesem Falle sind die Seitenflächen der Führungsorgane keinem Luftwiderstand ausgesetzt und es wird allein die durch den zusätzlichen Zug bzw. durch die zusätzlichen Züge im Rohr hervorgerufene Drehbewegung des Innenteiles des Geschosses wirksam. Es kann aber auch die Anordnung so getroffen sein, dass die Führungsorgane zur Rohr- bzw. Laufachse senkrecht stehende Ebenen unter einem von 900 abweichenden Winkel schneiden.
In diesem Falle werden die Seitenflächen der Führungsorgane während des Fluges des Geschosses von der am Geschoss entlangströmenden Luft beaufschlagt u. zw. in dem Sinne, dass die wie Propellerflächen wirkenden Seitenflächen der Führungsorgane dem Innenteil des Geschosses eine Drehbewegung verleihen, welche so gerichtet sein kann, dass sie sich zu der im Lauf bzw. Rohr durch die zusätzlichen Züge hervorgerufenen Drehbewegung addiert.
Die Drehgeschwindigkeit des Innenteiles beim Verlassen des Rohres ist genau definiert : z. B. gleich Null oder irgend einem andern gewünschten Wert. Bei der erfindungsgemässen Geschossführung kann man z. B. für ein Panzerabwehrgeschütz mit der Kampfentfernung 1200 Meter und 80 Rechtsdrall der normalen Züge die Spezialzüge mit einer kleinen Neigung nach links ausführen, derart, dass die beim Austritt des Geschosses aus dem Rohr vorhandene Linksdrehung des Innenteils bei etwa 600 Metern auf 0 abgenommen hat und bei 1200 Metern in eine leichte Rechtsdrehung übergegangen ist.
Nach Austritt des Geschosses aus dem Rohr, kann man den Innenteil im Aussenteil ein wenig-z. B. einige 10tel Millimeter-nach vorne gleiten lassen, etwa mittels einer Feder, die etwas stärker sein muss, als der Luftwiderstand. Man trennt auf diese Weise die der Kraftübertragung beim Abschuss dienenden Flächen und verringert dadurch die Reibung zwischen Aussen-und Innenteil. Ftir die Drehbewegung nach Verlassen des Rohres genügen kleine und leichte Lager, unter Umständen sogar einfache Gleitlager. Die Führungselemente wird man vorzugsweise auf der Geschosshaube anbringen. Sie können die Form von Flügelstutzen haben.
In diesem Falle können sie gleichzeitig als Windflügel ausgebildet sein, deren Anstellwinkel so gewählt ist, dass sie das durch die Lagerreibung ausgeübte Drehmoment annähernd kompensieren und dadurch einer Übertragung der Drehbewegung vom Aussen- auf den Innenteilentgegen- wirken. Man kann iiatürlich auch diese Funktionen trennen und ausser den Führungselementen, z. B. Gleit- schienen, besondere Windflügel vorsehen.
Die nächstliegende Anwendung des bisher erläuterten Grundprinzips ist das Panzerabwehrgeschütz mit drallstabilisiertem HL Geschoss. Ein Ausführungsbeispiel soll nunmehr an Hand der Fig. 1 und 2 besprochen werden. Fig. 1 zeigt einen Längsschnitt des Geschosses, Fig. 2 die Abwicklung eines kleinen Bereiches der Rohrinnenwand. Das Geschoss enthält den Innenteil l mit der Hohlladung 2 und ihrer Verlei- dung 3. Auf dem Innenteil l sitzt die Geschosshaube 4. Diese trägt eine Anzahl Flügelstutzen 5, deren Aussenkanten, parallel zur Geschossachse und auf einer zylindrischen Fläche von etwas mehr als Kaliberdurchmesser liegend, Führungsorgane für den Innenteil 1 bilden. Die Haube 4 trägt vorne einen elektrischen Aufschlagzünder 6.
Dieser ist einerseits über Masse (Haube 4, Innenteil 1 usw. ), anderseits über den isoliert nach hinten geführten Draht 7 mit der Zundkapsel 8 verbunden, die über das Relais 9 die Sprengladung 2 zur Detonation bringen soll. Statt des elektrischen kann natürlich auch ein anderer Zünder vorgesehen sein, z. B. ein Perkussionszünder, an der Geschossspitze als Aufschlagzünder odei hinten im Geschossboden als Trägheitszünder usw. Der Innenteil 1 ist mittels der Nadellager 12 drehbar im Aussenteil 11 gelagert. Der Aussenkörper 11 trägt mindestens ein Führungsband 13. Im allgemeinen wird man in geeigneten Abständen vom eigentlichen Führungsband 13 noch ein oder mehrere zusätzliche Führungsbänder 14 vorsehen, deren Zweck noch zu erläutern sein wird.
Der Boden 15 des Aussenteiles 11
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des Geschosses enthält eine Feder 16, die'stärker ist als der Luftwiderstand und die nach Austritt des Ge- schosses aus dem Rohr den Innenteil 1 mittels des Zapfens 17 etwas nach vorne schiebt.
Auch im Boden 10 des Innenteiles 1 kann man weitere Elemente unterbringen, z. B. das Zündsicherungssystem usw. Natürlich kann das Geschoss wie üblich in einer die Treibladung enthaltenden Hülse schussfertig patroniert sein. Das Rohr (Fig. 2) weist einerseits die normale Inneneinrichtung mit den Zü- gen 18 und den Feldern 19 auf. Diese verlaufen schraubenförmig unter dem geeignet gewählten Drall- winkel und dienen dazu, dem Aussenteil 11 unter Mitwirkung der Führungsbänder 14 und 13 die gewünsch- te Drehung aufzudrücken.
Ausser diesen normalen Zügen weist das Rohr erfindungsgemäss einen oder mehrere zusätzliche Züge 20 auf, die im dargestellten Beispiel parallel zur Achse des Rohres verlaufen, die aber auch eine leichte Neigung im entgegengesetzten Sinne wie die normalen Züge, beispielsweise eine Neigung von 10 haben können, während der Drallwinkel der normalen Züge 18 im allgemeinen mindestens etwa 7 betragen wird und sogar noch beträchtlich grösser sein kann, wie noch erläutert werden wird. Die zusätzlichen Züge 20, deren Zahl gleich ist der Anzahl der Flügel 5, z. B. 3 - 6 beträgt, füh- ren diese Flügel 5 und damit den inneren Teil 11 beim Schuss. Die Tiefe der zusätzlichen Züge 20 ist vorzugsweise gleich der Tiefe der normalen Züge 18 oder etwas kleiner. Die Felder 19 werden durch die Spezialzüge 20 stellenweise durchbrochen.
Um dennoch ein Voreilen der Pulvergase beim Schuss zu vermeiden, kann man das Geschoss mit zusätzlichen Führungsbändern 14 versehen, die in solchen Abständen angeordnet sind, dass ständig mindestens ein Band die Abdichtung gewäorleistet. Wenn sich z. B. (s. Fig. 2) das Führungsband. 13 an einem durchbrochenen Bereich befindet, wo es nicht dichtet, muss die Dichtung eben an einem nicht durchbrochenen Bereich durch ein Führungsband 14 gewährleistet sein.
Für das bisher erläuterte Grundprinzip gibt es nun noch verschiedene Variationen und weitere Anwendungen. Beispielsweise kann man den Aussenteil 11 des Geschosses viel dünner und leichter ausführen als in Fig. 1 schematisch dargestellt. Dadurch spart man an Gewicht. Man kann den Aussenteil 11 auch wesentlich kürzer ausführen derart, dass das vordere Nadellager nach hinten z. B. dicht vor das erste Führungsband 13 rückt. Diese Verkürzung des Aussenkörpers 11 bietet den Vorteil, dass man vorne den für die Durchschlagsleistung massgebenden Durchmesser der Hohlladung 2 und der Verkleidung 3 grösser machen kann.
Wenn man bei dem drallstabilisierten Geschoss den Innenteil l länger oder den Aussenteil 11 leichter oder kürzer machen und trotzdem eine ausreichende Flugstabilität und Treffgenauigkeit behalten oder sie sogar verbessern will, so muss man die Drehgeschwindigkeit des Aussenkörpers 11, also den Drallwinkel der normalen Züge erhöhen. Dies ist durchaus möglich, auch bis zu höheren als bisher erforderlichen und üblichen Werten, beispielsweise auf 150 oder mehr. Eine andere Anwendungsmöglichkeit des Prinzips besteht darin, die definierte Drehung des Innenteils 1 gegenüber dem Aussenteil 11 zur Betätigung eines beliebigen Mechanismus zu verwenden, z. B. zur Entriegelung des Zündsicherungssystems in einem bestimmten Punkt der Flugbahn, z. B. 10 Meter vor der Mündung.
Dies führt zu einer noch weitergehenden Anwendungsmöglichkeit. Man kann den Innenteil l beliebig lang ausführen und durch Flügel stabilisieren, die beim Austritt aus dem Rohr in völlig definierter und gleichmässiger Weise nach aussen klappen. Den rotierenden Aussenteil 11 wird man in diesem Falle sehr kurz ausbilden. Seine wesentliche Funktion besteht dann darin, die Dichtung, den Schutz der Stabilisierungsflügel gegen die Pulvergase und das definiert gleichmässige Ausklappen dieser Stabilisierungsflügel zu gewährleisten.
Die bisher genannten Ausführungsmöglichkeiten des Erfindungsprinzips schliessen auch die Verwendung von überlangen Geschossen, z. B. für Mehrfach-HL usw., ein.
PATENTANSPRÜCHE :
1. Geschossführung in einem gezogenen Rohr bzw. Lauf und dafür geeignetes Geschoss, wobei das Geschoss aus einem äusseren Teil und einem drehbeweglich und koaxial im äusseren Teil gelagerten inneren Teil besteht und wobei der innere Teil vom Abschuss bis zum Auftreffen des Geschosses im wesent- lichen keine Drehbewegung ausführt, während der äussere Teil durch dieDrallzüge inRotation versetzt ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohr bzw. der Lauf ausser den üblichen Drallzügen mindestens einen zusätzlichen, die üblichen Züge schneidenden Zug (20) aufweist, in welchen zumindest ein am inneren Teil angebrachtes Führungsorgan (5) eingreift.