Pharmazeutische Kombination enthaltend Desoxypeganin und CYP 2D6-lnhibitoren.
Desoxypeganin (1 ,2,3,9-Tetrahydropyrrolo[2,1-b]chinazolin) ist ein Alkaloid der Summenformel C11H-12N2 mit unten angegebener Struktur I1 das in Pflanzen aus der Familie Zygophyllaceae enthalten ist. Die Gewinnung des Desoxypeganin erfolgt durch Isolierung aus der Steppenraute (Peganum harmala) oder durch Synthese. Als Säureadditionsssalz (Hydrochlorid) ist es kommerziell erhältlich.
Aufgrund seiner pharmakologischen Eigenschaften gehört Desoxypeganin zur Gruppe der reversibel wirkenden Cholinesterasehemmstoffe und steht in seinen Wirkungen denen von Physostigmin oder von Neostigmin nahe, zeichnet sich jedoch durch besondere spezifische Eigenschaften aus. Desoxypeganin hemmt nicht nur die Acetylcholinesterase, sondern auch die Monoaminoxydase. Desoxypeganin überwindet die Bluthirnschranke und antagonisiert die cerebralen Wirkungen cholinerger Gifte.
Desoxypeganin (DOP)
(I)
Desoxypeganin (DOP) und / oder seine pharmazeutisch verträglichen Säureadditionssalze werden zur medikamentösen Sucht- oder Rauschmittel¬ therapie, insbesondere der Drogenabhängigkeit (DE 199 06 978 A1), der Alkoholabhängigkeit (DE 199 06 974 A1) und der Nikotinabhängigkeit (DE 199 06 979 A1) diskutiert. Da Desoxypeganin neben der Cholinesterase gleichzeitig die Monoamonooxidase inhibiert, ist es auch zur Behandlung der Altersdemenz, insbesondere des Alzheimer Typs (DE 199 06 975 A1) geeignet.
Die Metabolisierung von DOP- bzw. DOP-Metaboliten ist derzeit noch größtenteils ungeklärt. Der Wirkstoff besitzt aber ein interessantes kombiniertes cholinerges Wirkprofil mit noch eventuell weiteren Effekten an anderen
Transmittersystemen. Desoxypeganin besitzt, wie aus der oben angegebenen
Strukturformel ersichtlich, ein Amidinsystem, dass für die starke basische
Reaktion mit einem pKs-wert von 9,12 verantwortlich ist. Die gegenüber freien Amidinen um zwei Zehnerpotenzen abgeschwächte Basizität ist Folge der
Konjugation mit annelierten Phenylring. Damit erniedrigt sich die Basizität so weit, dass DOP für die Blut-Hirn-Schranke passierbar wird.
Die in einer Studie ermittelten enzymkinetischen Daten (Michaelis-Konstante KM = 5,8 10"5 mol/l; Reaktionsgeschwindigkeit Vmax = 4,32 nmol Pegenon-
/min/mg Protein bzw. 3,37 nmol Pegenon/min/nmol CYP 450 mit dem 9000 g
Überstand einer Kaninchenleber) zeigen, dass oral verabreichtes DOP wegen der ermittelten Daten und dem „First-Pass-Effekt" schnell metabolisiert wird, parenteral erst nach der 1ten Leberpassage, und somit als Arzneimittel als nicht geeignet scheint.
Die Hauptmetabolisierung erfolgt über das Pegenon. In-vitro Experimente zeigen, dass DOP (I) nach 40 Minuten zu 78% Pegenon (II), und 10% eines Gemisches der Hydroxyderivate bestehend aus Vasicinon (III) und Isovasicinon (IV) metabolisiert wird (Formelschema siehe unten). Die Oxidation am benachbarten C-Atom des Amidinsystem zur Carbonylfunktion von DOP zu Pegenon lassen erwarten, dass für die Metabolisierung nicht das Isoenzym
CYP 2D6 verantwortlich ist, da dieses Enzym normalerweise Hydroxylierungen durchführt oder am Stickstoff oder Sauerstoff desalkyliert. Inkubationsversuche mit spezifischen Isoenzymsubstraten und -inhibitoren mit humaner Leber (S9- Mix ) hingegen zeigen überraschend, dass das Isoenzym CYP 2D6 für die schnelle Metabolisierung verantwortlich ist.
Um eine ausreichende Wirkdauer der Droge am Wirkort zu erreichen, bleibt es Aufgabe, die schnelle Metabolisierung von Desoxypeganin zu verhindern. Auch wenn von DOP und insbesondere von den Metaboliten kaum Lebertoxizitäten zu erwarten sind, ist es weiter Ziel, die Gabe der Droge möglichst gering zu
halten und damit gleichzeitig den Organismus so wenig wie möglich zu belasten.
Gelöst wird die Aufgabe durch die in Anspruch 1 beanspruchte pharmazeutische Kombination enthaltend den Wirkstoff Desoxypeganin und / oder eines seiner pharmazeutisch verträglichen Säureadditionssalze und einen Inhibitor oder eine Kombination verschiedener Inhibitoren des Isoenzyms Cytochrom 2D6 der Cytochrom P450 Superfamilie.
Im nachfolgenden ist mit Wirkstoff Desoxypeganin und / oder eines seiner pharmazeutisch verträglichen Säureadditionssalze, mit Inhibitor ein Inhibitor oder eine Kombination verschiedener Inhibitoren gemeint.
Durch die wirksame Hemmung der Metabolisierung wird die Bioverfügbarkeit von Desoxypeganin beträchtlich • erhöht, bei vorliegen des Inhibitors um mindestens 10%, bevorzugt 20%, des Unterschieds zwischen der Bio¬ verfügbarkeit in seiner Abwesenheit und Anwesenheit des Inhibitors. Der Inhibitor kann auch als eine Kombination von Inhibitoren vorliegen.
Es sei an dieser Stelle auf den genetischen Polymorphismus hingewiesen, der einen wesentlichen Einfluß auf die Bioverfügbarkeit von DOP hat, je nachdem ob der Metabolisierungsstatus des Patienten in schwach Metabolisierer (Fehlen von CYP 2D6), extensiver Metabolisierer (intaktes CYP 2D6) bis hin zum sehr schnellen Metabolisierer (höhere Enzymkonzentration von CYP 2D6 durch Genverdopplung) eingeteilt ist.
In der Literatur sind eine Reihe von Substanzen, die das Isoenzym Cytochrom 2D6 der Cytochrom P450 Superfamilie inhibieren, bekannt. Beispielhaft seien die folgenden Literaturstellen genannt, die mit Ihrem Inhalt als Bestandteil dieser Anmeldung verstanden werden sollen.
- Anzenbacher, P. and Anzenbacherova, E.: Cytochromes P450 and metabolism of xenobiotics, Cell. Mol. Life Sei. 58, 737 - 747 (2001)
- Zanger, U. M., Raimundo, S. and Eichelbaum, M.: Cytochrome P450 2D6: overview and Update on pharmacology, genetics, biochemistry, Naunyn- Schmiedeberg^s Arch. Pharmacol. 369, 23 - 37 (2004)
- Yan, Z. and Caldwell, G. W.: Metabolism Profiling, and Cytochrom P450 Inhibition & Induction in Drug Discovery, Curr. Top. Med. Chem. 1, 403 - 425 (2001)
Grundsätzlich ist jede Substanz geeignet, die die Eigenschaft hat, das Isoenzym CYP 2D6 zu inhibitieren. In der anschließenden Aufzählung sind einige dieser Substanzen mit Inhibitor-Eigenschaft aufgelistet, wobei diese Aufzählung als nicht abschließend zu verstehen ist: Ajmalicin, Amiodaron, Bupropion, Celecoxib, Chloroquin, Chlorpheniramin, Chlorpromazin, Cimetidin, Citalopram, Clomipramin, Cocain, Desipramin, Diphenhydramin, Dexmedetomidin, Doxorubicin, Erythromycin, Escitalopram, Fluoxetin, Fluphenazin, Fluvoxamin, Haloperidol, Hydroxychloroquin, Hydroxyzin, Imatinib, Ketoconazol, Levomepromazin, Methadon, Metoclopramid, Metoprolol, Mibefradil, Moclobemid, Norfluoxetin, Paroxetin, Perphenazin, Premethazin, Propafenon, Propoxyphen, Chinacrin, Chinidin, Ranitidin, Red-haloperidol, Ritonavir, Sertralin, Terbinafin, Thioridazin, Tripennelamin, Venlafaxin, Verapamil.
Für die Charakterisierung der Metabolisierung von Desoxypeganin wurde als Enzymquelle Humanleber bzw. der 9000 g Überstand der aufgearbeiteten Leber (S9 Mix) (menschliche Leber, Firma Natutec, Best. Nr. 452961 , Charge s 13/28/37/39/56) gewählt. Er enthält vor allem Enzyme aus der Superfamilie von Cytochrom P 450 enthält, insbesondere die Isoenzyme Cytochrom P450 3A4 und Cytochrom P450 2D6.
Die Inkubationsversuche (Tabelle 1 ) enthielten 0,5 ml der Substratlösung (Desoxypeganin Lösung 20 μmol/ml Phosphatpuffer pH-Wert 7,4 und 0,25 ml
Cofaktorlösung (40,0 mg NADPH, 1 ,0 ml MgCI2-Lösung 0,1 M, 4,0 ml destilliertes Wasser). Die jeweiligen Substrate oder Inhibitoren wurden in äquimolarer Menge eingesetzt. Nach 2 Minuten Präinkubation bei 37 °C wurden dann jeweils 50 μl des S9 Mix den Ansätzen zugegeben und für 30 Minuten inkubiert. Dann wurde in jeden Ansatz 500 μl Acetonitril pipettiert und bei 13000 g 20 Minuten zentrifugiert. Die Überstände wurden direkt als Probe für die HPCL-Messung eingesetzt. Für die quantitative Auswertung über die AUC (area under curve) von Desoxypeganin und Pegenon wurde 1 ,0 mg der jeweiligen Substanz in 1 ,0 ml Ausgangsbedingungen der mobilen Phase gelöst, 20 μl in die HPLC eingespritzt, die AUC berechnet und das Verhältnis dieser durch Division bestimmt (Desoxypeganin : Pegenon = 1 :2,12).
Tabelle 1
Inkubationsversuche (Tabelle 2) zeigen bei der Verwendung ohne Inhibitor eine Metabolisierung von Desoxypeganin zu Pegenon von 45%. Bei der Verwendung von Metoprolol liegt der Pegenon Anteil bei 25%. Wird bei einer bevorzugten Kombination Chinidin als Inhibitor verwendet, wird lediglich 19% Pegenon gebildet, das heißt, 81% des eingesetzten Wirkstoffes bleiben als Desoxypeganin erhalten. Besonders bevorzugt wird Ajmalicin als Inhibitor eingesetzt, bei dem DOP zu 81% erhalten bleibt, wie beim Chinidin, die Menge an Inhibitor, mit der diese Wirkung erzielt werden kann, aber um ca. 1/10 geringer ist.
Tabelle 2: Isoenzymversuche mit menschlicher Leber (S9 Mix). Die Prozent¬ angaben beziehen sich auf die integrale Auswertung von HPLC-Chromato- gramme
Der Gehalt an Wirkstoff, berechnet als freies Desoxypeganin liegt in der Pharmazeutischen Kombination in einer Menge zwischen 0,1 und 70,0 Gew.%, vorzugsweise zwischen 2 und 30 Gew.%, vor.
Die pharmazeutische Kombination nach Anspruch 1 , kann in einer Applikationsform vorliegen, in der der Wirkstoff und der Inhibitor simultan, also zeitgleich, abgegeben werden. In einer Weiteren bevorzugten Applikationsform wird der Wirkstoff und der Inhibitor sequentiell abgegeben, das heißt, zunächst wird der Inhibitor und dann der Wirkstoff abgegeben. In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform wird der Wirkstoff und der Inhibitor separat, das heißt, getrennt voneinander appliziert, z.B. der Inhibitor oral oder parenteral und der Wirkstoff transdermal. In jedem Fall sind Kombinationen geeignet, die die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffes wie angegeben um mindestens 10%, bevorzugt 20% erhöhen.
Pharmazeutische Kombination kann in einer solchen Form vorliegen, dass sie über die ; Haut- bzw. Schleimhaut, insbesondere oral, oder parenteral, insbesondere transdermal, appliziert wird.
In einer bevorzugten oralen Applikationsform liegt der Wirkstoff und der Inhibitor in jeweils separat formulierten Untereinheiten in derselben Applikationseinheit vor, vorzugsweise mit einer äußeren Schicht enthaltend den Inhibitor und mindestens einer inneren Schicht enthaltend den Wirkstoff. Durch diesen Aufbau gelangt zunächst Substrat in den Organismus und inhibiert CYP 2D6, bevor der Wirkstoff in den Körper gelangt. Durch die Blockierung des Enzyms lässt sich die Konzentration an Wirkstoff im Organismus deutlich Steigern.
In einem weiteren bevorzugten Ausführungssystem liegt die Pharmazeutische Kombination als transdermales therapeutisches System (TTS) vor, wobei der
Wirkstoff einem Reservoir mit einer äußeren Abdeckschicht, einem
Klebeelement für den Hautkontakt des Pflasters und einer entfernbaren
Schutzschicht vorliegt, wobei das Reservoir gegebenenfalls neben dem
Wirkstoff Permeationsförderer, Stabilisatoren, Emulgatoren, Verdickungsmittel und / oder andere übliche Hilfsstoffe enthält. Der Inhibitor kann ebenfalls im
TTS eingearbeitet sein oder bevorzugt separat in einer oralen oder mucosalen
Applikationsform vorliegen.
Die Abgabe des Wirkstoffs erfolgt somit protrahiert , vorzugsweise über einen Zeitraum von mindestens 6 Stunden bevorzugt 12 Stunden, besonders bevorzugt 24 Stunden. Das erfindungsgemäße transdermale therapeutische System kann zusätzlich durch eine semipermeable Membran gekennzeichnet sein, insbesondere eine die Geschwindigkeit der Wirkstofffreisetzung steuernde Membran.
Die Erfindung betrifft ebenfalls die Verwendung von Desoxypeganin und / oder eines pharmazeutisch verträglichen Salzes von Desoxypeganin zur Herstellung
einer Darreichungsform (Arzneimittels) mit verzögerter Freisetzung dieses Wirkstoffs oder Wirkstoffgemischs für die Behandlung der psychischen und / oder physischen Entzugssymptome von Drogensucht und / oder Drogen¬ abhängigkeit, insbesondere des Alkoholismus, der Nikotinabhängigkeit aber auch zur Behandlung der Alzheimer' sehen Demenz.