Verfahren zur Erhöhung der Wirksamkeit eines Inhibitors der Aktivität einer Tyrosinkinase
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erhöhung der Wirksamkeit eines Inhibitors der intrazellulären Aktivität einer Tyrosinkinase. Die Erfindung betrifft weiterhin ein Medikament oder eine Kombination von Medikamenten zur Therapie einer Erkrankung, welche mit einer Aktivität einer Tyrosinkinase einher geht. Ferner betrifft die Erfindung eine Verwendung zur Herstellung des Medikaments oder der Kombination von Medikamenten. Bei der Tyrosinkinase handelt es sich dabei immer um eine von einem durch eine Mutation entstanden Gen kodierte Tyrosinkinase .
Die Mutation kann eine Genmutation oder eine Chromosomen- Aberration sein. Bei einer Chromosomen-Aberration handelt es sich um strukturelle Änderungen und Defekte an einem Chromosom oder mehreren Chromosomen. Dabei kann es zu einem Verlust oder zu einer Vervielfältigung von Genmaterial kommen. Es kann zu einer Translokation, einer Inversion, einer Deletion, einer Insertion, einer Duplikation oder einer Ringbildung kommen. Bei der Duplikation sind einzelne Chromosomenabschnitte verdoppelt. Bei der Inversion liegt ein Chromosomenabschnitt mit umgekehrter Nukleotidsequenz vor. Unter Deletion versteht man einen Stückverlust eines Chromosoms. Bei einer Translokation findet ein Stückaustausch zwischen nicht homologen Chromosomen statt. Bei einer Chromosomen-Aberration kann ein aus mindestens zwei Genen fusioniertes Gen entstehen. Steht dieses so entstandene mutierte Gen unter der Kontrolle eines Promotors, so kann es exprimiert werden und dadurch eine Beeinträchtigung hervorrufen. Diese Beeinträchtigung kann beispielsweise eine Erkrankung des hä atopoetisehen Systems sein, wie eine akute myeloische Leukämie (AML) oder eine chronisch myeloische Leukämie (CML) .
Bei über 95% der chronisch myelioischen Leukämien (CML) ist eine reziproke Translokation zwischen den langen Armen der Chromosomen 9 und 22 die Ursache. Die Translokation führt zu einer Fusion von Sequenzen der Gene bcr und abl . Bei der Ex- pression des fusionierten Gens entsteht das sehr stabile Fusionsprotein Bcr-Abl . Bcr-Abl ist eine konsitutiv aktive Tyrosinkinase, deren Aktivität ursächlich für das Krankheitsbild der CML ist. Die genannte Translokation findet sich auch bei 15 bis 30% der Patienten mit akuter lympathischer Leukä- ie (ALL) im Erwachsenenalter und bei etwa 2% der Patienten mit akuter myeloblastischer Leukämie. Bei der CML handelt es sich um eine myeloproliferative Erkrankung der hämatopoeti- schen Stammzellen. In der Zellkultur wurde gezeigt, dass die Expression der Bcr-Abl-Tyrosinkinase zur Unabhängigkeit von externen Wachstumsfaktoren führt und eine ausgeprägte antia- poptotische Wirkung aufweist. Weiterhin beeinflusst die Bcr- Abl-Tyrosinkinase DNA-Reparaturproteine .
Zur Behandlung von Erkrankungen, deren Symptome von der Akti- vität einer von einem durch eine Mutation entstandenen Gen kodierten Tyrosinkinase zumindest mitverursacht werden, werden Inhibitoren der Tyrosinkinase eingesetzt. Im Falle der auf der genannten Translokation beruhenden CML sind dies Inhibitoren der Bcr-Abl-Tyrosinkinase. Einer dieser Inhibitoren ist Imatinib, welcher auch als STI571 bezeichnet wird und als Imatinibmesylat unter den Handelsnamen Gleevec und Glivec von der Firma Novartis vertrieben wird. Trotz hervorragender an- tileukämischer Wirkung scheint eine Heilung der CML durch Behandlung mit STI571 nicht möglich zu sein. In späten Stadien der Erkrankung werden nach anfänglicher Remission zahlreiche
Rezidive unter der Therapie beobachtet. Vollständige molekulare Remissionen sind bisher nicht beschrieben. Somit scheint ein kleiner Anteil der klonalen Zellen trotz Inhibition der Bcr-Abl-Tyrosinkinase zu überleben.
Aus der WO 99/32619 ist ein Verfahren zur Hemmung der Expression eines Zielgens mittels eines doppelsträngigen Oligoribo- nukleotids bekannt. Das bekannte Verfahren zielt auf die Hemmung der Expression von Genen in Zellen von Invertebraten ab. Dazu ist es erforderlich, dass das doppelsträngige Oligoribo- nukleotid eine zum Zielgen identische Sequenz mit einer Länge von mindestens 25 Basen aufweist.
Ein Verfahren zur Hemmung der Expression eines Zielgens in einer Zelle sowie ein Medikament sind aus der WO' 00/44895 bekannt. Bei dem Verfahren wird ein Oligoribonukleotid mit dop- pelsträngiger Struktur (dsRNA) in die Zelle eingeführt. Ein Strang der dsRNA weist einen zum Zielgen zumindest abschnittsweise komplementären aus höchstens 49 aufeinander folgenden Nukleotidpaaren bestehenden Bereich auf. Das Medikament enthält mindestens eine dsRNA zur Hemmung der Expression eines vorgegebenen Zielgens, wobei ein Strang der dsRNA zum Zielgen zumindest abschnittsweise komplementär ist.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, die Wirksamkeit eines Inhibitors der Aktivität einer von einem durch eine Mutation entstandenen Gen kodierten Tyrosinkinase in einer Zelle zu erhöhen. Weiterhin soll ein Medikament oder eine Kombination von Medikamenten zur Therapie einer Erkrankung bereit- gestellt werden, welche mit einer Aktivität einer von einem durch eine Mutation entstandenen Gen kodierten Tyrosinkinase einhergeht. Ferner soll eine Verwendung zur Herstellung eines solchen Medikaments oder einer solchen Kombination von Medikamenten zur Therapie bereitgestellt werden.
Diese Aufgabe wird durch die Merkmale der Ansprüche 1, 16 und 33 gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen ergeben sich aus den Merkmalen der Ansprüche 1 bis 15, 17 bis 32 und 34 bis 49.
Nach Maßgabe der Erfindung ist ein Verfahren zur Erhöhung der Wirksamkeit eines Inhibitors der Aktivität einer von einem durch eine Mutation entstandenen ersten Gen kodierten Tyrosinkinase in einer mit dem Inhibitor behandelten Zelle vorge- sehen, wobei die Expression des ersten Gens in der Zelle durch RNA-Interferenz gehemmt wird. Unter dem "Gen" wird im Allgemeinen der Abschnitt eines DNA-Strangs der doppelsträngigen DNA in der Zelle verstanden, welcher komplementär zu einem bei der Transkription des Gens als Matrize dienenden Abschnitt des anderen DNA-Strangs der doppelsträngigen DNA einschließlich aller transkribierten Bereiche ist. Bei dem Gen handelt es sich also im Allgemeinen um den Sinn-Strang.
Unter RNA-Interfe enz wird die gezielte Hemmung der Expressi- on eines Gens durch doppelsträngige RNA verstanden. Die dop- pelsträngige RNA kann dazu in die Zelle eingeführt oder erst in der Zelle gebildet werden. Unter "eingeführt werden" wird hier verstanden, dass eine Aufnahme der dsRNA in die Zelle erreicht wird. Das kann z.B. durch Lipofektion oder auch da- durch erfolgen, dass die Zelle die dsRNA selbständig mit oder ohne Hilfsmittel auf immt. Das Verfahren kann ein in vitro- Verfahren sein.
Es hat sich überraschenderweise gezeigt, dass durch die He - mung der Expression des für die Tyrosinkinase kodierenden Gens eine starke Erhöhung der Wirksamkeit eines in diesen Zellen wirksamen Inhibitors der Tyrosinkinase erreicht werden kann. Es gibt Zellen, bei welchen der Inhibitor nur vergleichsweise schlecht und in hohen Dosierungen wirkt. Solche Zellen sind z.B. gegenüber STI571 teilresistente Zellen, welche eine Bcr-Abl-Mutation aufweisen, wie sie bspw. aus von Bubnoff, N. et al . , The Lancet (2002), Band 359, Seiten 487- 491 bekannt ist. Sogar in solchen Zellen kann durch die Hemmung der Expression des für die Tyrosinkinase kodierenden Gens eine ausreichende Inhibition der Aktivität der Tyrosin-
kinase erreicht werden. Eine solche Inhibition ist weder durch eine Hemmung der Expression des Gens durch RNA- Interferenz alleine noch durch den Inhibitor alleine möglich. Der Inhibitor und die Hemmung der Expression durch RNA- Interferenz unterstützen sich gegenseitig darin, in der Zelle die Aktivität der Tyrosinkinase zu vermindern. Die Sensitivi- tät von, insbesondere teilresistenten Zellen, kann dadurch soweit gesteigert werden, dass die Zellen durch den Inhibitor spezifisch zum Absterben gebracht werden können. Weiterhin kann der Inhibitor durch das Zusammenwirken mit der RNA-
Interferenz zum Erreichen der gewünschten Wirkung niedriger dosiert werden. Nebenwirkungen des Inhibitors können reduziert werden. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Inhibitor eine mangelnde Spezifität aufweist. Ein solcher Inhibitor hemmt bei der bei alleiniger Verabreichung des Inhibitors erforderlichen Dosierung nicht nur die Aktivität der vom ersten Gen kodierten Tyrosinkinase sondern auch die Aktivität weiterer Enzyme. Durch das erfindungsgemäße Verfahren kann der Inhibitor so niedrig dosiert eingesetzt werden, dass die weiteren Enzyme dadurch nicht wesentlich inhibiert werden. Das erfindungsgemäße Verfahren kann somit eine höhere Spezifität aufweisen als ein Verfahren, bei dem die Aktivität der Tyrosinkinase nur mit dem Inhibitor gehemmt wird.
Besonders effizient ist das Verfahren, wenn die Mutation eine Chromosomen-Aberration ist, bei welcher das erste Gen durch Fusion von mindestens zwei weiteren Genen an mindestens einer Fusionsstelle entstanden ist. Die Expression eines solchen Gens lässt sich besonders spezifisch hemmen, weil die durch die Fusion generierte Sequenz nur einmal im Genom vorkommt. Bei den weiteren Genen kann es sich um bcr und abl handeln. Ein für das Verfahren besonders gut geeigneter Inhibitor ist STI571. Für diesen Inhibitor hat sich gezeigt, dass zum Erzielen einer vergleichbaren Wirkung die Dosierung etwa um den Faktor 5 reduziert werden kann, wenn gleichzeitig die Expres-
sion der Bcr-Abl-Tyrosinkinase mittels RNA-Interferenz gehemmt wird.
Die RNA-Interferenz kann durch eine doppelsträngige Ribonu- kleinsäure (dsRNA) bewirkt werden, welche einen ersten RNA- Strang Sl aufweist. Dabei weist der RNA-Strang Sl einen zu einem die Fusionsstelle enthaltenden Abschnitt A des ersten Gens zumindest abschnittsweise komplementären Bereich auf. Da es sich bei dem Gen üblicherweise um den Sinn-Strang handelt, ist der RNA-Strang Sl im Allgemeinen komplementär zu einem bei der Expression des ersten Gens gebildeten RNA-Transkript oder dessen Prozessierungsprodukt, wie z. B. einer mRNA. Eine dsRNA liegt vor, wenn die aus einem oder zwei Ribonukleinsäure-Strängen bestehende Ribonukleinsäure eine doppelsträngige Struktur aufweist. Nicht alle Nukleotide der dsRNA müssen
Watson-Crick-Basenpaarungen aufweisen. Insbesondere einzelne nicht komplementäre Basenpaare beeinträchtigen das Verfahren kaum oder gar nicht. Die maximal mögliche Zahl der Basenpaare ist die Zahl der Nukleotide in dem kürzesten in der dsRNA enthaltenen Strang, sofern die dsRNA aus zwei Strängen besteht. Der Abschnitt A "enthält" die Fusionsstelle, wenn sich auf einer Seite der Fusionsstelle mindestens ein Nukleotid befindet. Der Rest des Abschnitts A umfasst Nukleotide auf der anderen Seite der Fusionsstelle. Das bedeutet, dass sich die Fusionsstelle weder ganz am Anfang noch ganz am Ende des Abschnitts A befindet. Der Abschnitt A sollte mindestens 16 Nukleotide umfassen. Der RNA-Strang Sl ist abschnittsweise komplementär zu dem Abschnitt A des ersten Gens, wenn er im Wesentlichen dazu komplementär ist. Einzelne oder wenige nicht komplementäre Nukleotide schaden nicht, sofern sich die
Nukleotide des ersten Gens, zu denen diese nicht komplementär sind, nicht im Bereich der Fusionsstelle befinden. Dieser Bereich kann beiderseits der Fusionsstelle bis zu drei Nukleotide umfassen.
Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass durch das Verfahren spezifisch die Expression von fusionierten für eine Tyrosinkinase kodierenden Genen so weit gehemmt werden kann, dass eine Dosierung des Inhibitors zur Hemmung der Aktivität der Tyrosinkinase ausreichend ist, die um ein vielfaches niedriger sein kann als bei einer Behandlung ausschließlich mit dem Inhibitor. Durch die Auswahl des die Fusionsstelle enthaltenden Abschnitts A kann erreicht werden, dass durch die dsRNA nicht auch die Expression normaler, d.h. nicht mutierter bzw. fusionierter Gene gehemmt wird.
Vorzugsweise weist der die Fusionsstelle umfassende Abschnitt A zumindest zwei, insbesondere drei, Nukleotide auf jeder Seite der Fusionsstelle auf. Bei einem bspw. 21 Nukleotide langen Abschnitt A können dann z. B. drei Nukleotide auf der einen und 18 Nukleotide auf der anderen Seite der Fusionsstelle angeordnet sein. Dadurch ist eine besondere effiziente und spezifische Hemmung der Expression des ersten Gens zu erreichen.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren kann die dsRNA in die Zellen eingeführt werden. Der Vorteil gegenüber einem Verfahren, bei dem die dsRNA in der Zelle gebildet wird, besteht darin, dass die Hemmung der Expression des ersten Gens besser von außerhalb der Zelle gesteuert und jederzeit sofort beendet werden kann.
Als besonders vorteilhaft hat es sich erwiesen, wenn zumindest ein Ende der dsRNA einen aus 1 bis 4, insbesondere 1 oder 2 , Nukleotiden gebildeten einzelsträngigen Überhang aufweist. Eine solche dsRNA weist gegenüber einer dsRNA ohne einzelsträngige Überhänge an mindestens einem Ende eine bessere Wirksamkeit bei der Hemmung der Expression des ersten Gens auf. Ein Ende ist dabei ein Bereich der dsRNA, in wel- ehern ein 5'- und ein 3 ' -Strangende vorliegen. Eine nur aus
dem RNA-Strang Sl bestehende dsRNA weist demnach eine Schleifenstruktur und nur ein Ende auf. Eine aus dem RNA-Strang Sl und einem RNA-Strang S2 gebildete dsRNA weist zwei Enden auf. Ein Ende wird dabei jeweils von einem auf dem RNA-Strang Sl und einem auf dem RNA-Strang S2 liegenden Strangende gebildet .
Vorzugsweise befindet sich der einzelsträngige Überhang am 3 ' -Ende des RNA-Strangs Sl . Diese Lokalisation des einzel- strängigen Überhangs führt zu einer weiteren Steigerung der Effizienz des Verfahrens. In einem Ausführungsbeispiel weist die dsRNA nur an einem, insbesondere dem am 3 ' -Ende des RNA- Strangs Sl gelegenen, Ende einen einzelsträngigen Überhang auf. Das andere Ende ist bei einer zwei Enden aufweisenden dsRNA glatt, d.h. ohne Überhänge, ausgebildet. Eine solche dsRNA hat sich sowohl in verschiedenen Zellkulturmedien als auch in Blutserum als hinreichend beständig und gut wirksam erwiesen.
Der komplementäre Bereich des RNA-Strangs Sl der dsRNA kann
19 bis 24, vorzugsweise 20 bis 23, insbesondere 22, Nukleotide aufweisen. Eine dsRNA mit dieser Struktur ist besonders effizient in der Inhibition des ersten Gens. Der RNA-Strang Sl der dsRNA kann weniger als 30, vorzugsweise weniger als 25, besonders vorzugsweise 21 bis 24, Nukleotide aufweisen. Die Zahl dieser Nukleotide ist zugleich die Zahl der in der dsRNA maximal möglichen Basenpaare. Erstaunlicherweise ist es mit einer solchen dsRNA möglich, spezifisch die Expression des fusionierten ersten Gens zu hemmen ohne die Expression der weiteren Gene wesentlich zu beeinflussen.
Der durch die nicht kovalente Verknüpfung komplementärer Nukleotide bewirkte Zusammenhalt der dsRNA kann durch mindestens eine weitere, insbesondere durch Verbindung mittels ei- nes Hexaethylenglykol-Linkers gebildete chemische, d.h. kova-
lente Verknüpfung an einem Ende der dsRNA erhöht werden. Als besonders effizient hat es sich erwiesen, wenn die Verknüpfung zwischen dem 5 ' -Ende des RNA-Strangs Sl und dem 3 ' -Ende eines zweiten RNA-Strangs S2 der dsRNA gebildet wird.
Bei einem aus den Genen bcr und abl fusionierten ersten Gen kann die dsRNA aus dem mit der Sequenz Nr. 1 gemäß dem anliegenden Sequenzprotokoll, insbesondere zu mindestens 90 %, vorzugsweise 100%, übereinstimmenden RNA-Strang Sl und dem mit der Sequenz Nr. 2 gemäß dem anliegenden Sequenzprotokoll, insbesondere zu mindestens 90 %, vorzugsweise 100%, übereinstimmenden RNA-Strang S2 bestehen. Eine solche dsRNA ist in der Hemmung der Expression eines aus bcr und abl fusionierten ersten Gens besonders wirksam. Bei der Zelle kann es sich zum einen Leukozyten, insbesondere eine myeloische Zelle, oder eine hämatopoetische Stammzelle handeln.
Weiterhin betrifft die Erfindung ein Medikament oder eine Kombination von Medikamenten zur Therapie einer Erkrankung, welche mit einer Aktivität einer von einem durch eine Mutation entstandenen ersten Gen kodierten Tyrosinkinase einher geht. Darin sind mindestens ein Inhibitor der Aktivität der Tyrosinkinase und weiterhin ein die Expression des ersten Gens durch RNA-Interferenz hemmendes Agens enthalten. Das Me- dikament oder die Kombination von Medikamenten ist so zu dosieren, dass die Hemmung der Expression des Gens und die Inhibition der Aktivität der Tyrosinkinase erreicht werden kann. Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass in einem solchen Medikament sowohl der Inhibitor als auch das Agens sehr niedrig dosiert eingesetzt werden kann. Dadurch können
Nebenwirkungen eines hochdosiert eingesetzten Inhibitors weit gehend vermieden werden. Die Mutation kann eine Chromosomen- Aberration sein, bei welcher das erste Gen durch Fusion aus mindestens zwei Genen, insbesondere den Genen bcr und abl, an mindestens einer Fusionsstelle entstanden ist. Bei der Er-
krankung handelt es sich bevorzugt um eine Chronische Myeloische Leukämie, eine Akute Lymphatische Leukämie oder eine Akute Myeloblatische Leukämie. Als Inhibitor ist bevorzugt STI571 in dem Medikament oder in der Kombination von Medika- menten enthalten. Bevorzugt ist das Agens eine dsRNA, wobei ein erster RNA-Strang Sl der dsRNA zu einem die Fusionsstelle enthaltenden Abschnitt A des ersten Gens einen zumindest abschnittsweise komplementären Bereich aufweist.
Besonders vorteilhaft ist es, wenn der Abschnitt A zumindest zwei, insbesondere drei, Nukleotide auf jeder Seite der Fusi- onsstelle aufweist. Vorzugsweise weist zumindest ein Ende der dsRNA einen aus 1 bis 4, insbesondere 1 oder 2, Nukleotiden gebildeten einzelsträngigen Überhang auf. Der einzelsträngige Überhang kann sich am 3 ' -Ende des RNA-Strangs Sl befinden.
Besonders bevorzugt weist die dsRNA nur an einem, insbesondere dem am 3 ' -Ende des RNA-Strangs Sl gelegenen, Ende einen einzelsträngigen Überhang auf. Es hat sich herausgestellt, dass eine solche dsRNA im Körper hinreichend beständig ist. Sie wird in Blut langsamer abgebaut bzw. ausgeschieden als eine dsRNA mit einzelsträngigen Überhängen an beiden Enden. Gleichzeitig ist sie wirksamer als eine dsRNA mit glatten Enden auf beiden Seiten der dsRNA. Dadurch ist eine niedrige Dosierung möglich.
Der komplementäre Bereich des RNA-Strangs Sl der dsRNA kann 19 bis 24, bevorzugt 20 bis 23, insbesondere 22, Nukleotide aufweisen. Der RNA-Strang Sl kann weniger als 30, vorzugsweise weniger als 25, besonders vorzugsweise 21 bis 24, Nukleo- tide aufweisen. Der durch komplementäre Nukleotidpaare bewirkte Zusammenhalt der dsRNA wird bevorzugt durch mindestens eine weitere, insbesondere durch Verbindung mittels eines Hexaethylenglykol-Linkers gebildete, chemische Verknüpfung an einem Ende der dsRNA erhöht. Die Verknüpfung ist bevorzugt zwischen dem 5 ' -Ende des RNA-Strangs Sl und dem 3 ' -Ende eines
zweiten RNA-Strangs S2 der dsRNA gebildet. In dem Medikament oder der Ko bination von Medikamenten besteht die dsRNA bevorzugt aus dem der Sequenz Nr. 1 gemäß dem anliegenden Sequenzprotokoll, insbesondere zu mindestens 90 %, vorzugsweise 100%, übereinstimmenden RNA-Strang Sl und dem mit der Sequenz Nr. 2 gemäß dem anliegenden Sequenzprotokoll, insbesondere zu mindestens 90 %, vorzugsweise 100%, übereinstimmenden RNA- Strang S2. Die dsRNA kann in" dem Medikament oder der Kombination von Medikamenten in einer Lösung oder von einer micella- ren Struktur, vorzugsweise einem Liposom, oder einem Kapsid, einem Kapsoid oder einer polymeren Nano- oder Mikrokapsel umschlossen oder an einer polymeren Nano- oder Mikrokapsel gebunden vorliegen. Eine micellare Struktur, ein Kapsid, ein Kapsoid oder eine polymere Nano- oder Mikrokapsel kann die Aufnahme der dsRNA in Zellen erleichtern. Das Kapsid kann insbesondere ein virales natürliches Kapsid oder ein auf chemischem oder enzymatischem Weg hergestelltes künstliches Kapsid oder eine davon abgeleitete Struktur sein. Die polymere Nano- oder Mikrokapsel besteht aus mindestens einem biolo- gisch abbaubaren Polymer, z.B. Polybutylcyanoacrylat. Sie kann darin enthaltene oder daran gebundene dsRNA im Körper transportieren und freisetzen.
Das Medikament kann eine Zubereitung aufweisen, die zur Inha- lation, oralen Aufnahme oder Injektion, insbesondere zur intravenösen oder intraperitonealen Injektion oder zur Injektion direkt in ein befallenes Knochenmark, geeignet ist. Eine zur Inhalation oder Injektion geeignete Zubereitung kann die dsRNA im einfachsten Fall in einer physiologisch verträgli- chen Lösung, insbesondere einem physiologisch verträglichen Puffer, vorzugsweise einer phosphatgepufferten Salzlösung, enthalten. Es hat sich nämlich überraschenderweise herausgestellt, dass eine lediglich in einer solchen Lösung oder einem solchen Puffer gelöste dsRNA von den Zellen aufgenommen
wird und die Expression des ersten Gens hemmt ohne dass die dsRNA dazu in ein besonderes Vehikel verpackt werden muss.
Ferner betrifft die Erfindung die Verwendung eines Inhibitors der Aktivität einer von einem durch eine Mutation entstandenen ersten Gen kodierten Tyrosinkinase und eines die Expression des Gens durch RNA-Interferenz hemmenden Agens zur Herstellung eines Medikaments oder einer Kombination von Medikamenten zur Therapie einer Erkrankung, welche mit einer Akti- vität der Tyrosinkinase einher geht. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Verwendung können den Ansprüchen 34 bis 49 sowie der vorstehenden Beschreibung entnommen werden.
Nachfolgend werden anhand der Figuren Beispiele der Erfindung näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 eine Western-Blot-Analyse von Bcr-Abl, c-Abl,
Bcl-XL und p27 in 32Dp210-Zellen nach Behandlung der Zellen mit den dsRNAs BAF2 (Spur 1) und BAF1 (Spur 2 ) und ohne dsRNA ( Spur 3 ) ,
Fig. 2 die Überlebensrate von STI571-behandelten 32Dp210- Zellen in Abhängigkeit von der Konzentration an STI571 mit und ohne Inhibition der Bcr-Abl- Expression durch RNA-Interferenz,
Fig. 3 die prozentuale Steigerung des Anteils apoptoti- scher an der Gesamtzahl der M07p210-Zellen nach STI571-Behandlung gegenüber dem entsprechenden An- teil bei nicht mit STI571 behandelten M07p210-
Zellen mit und ohne Inhibition der Bcr-Abl- Expression durch RNA-Interferenz ,
Fig. 4 die prozentuale Steigerung des Anteils apoptoti- scher an der Gesamtzahl der M07p210-Zellen nach
STI571-Behandlung gegenüber dem entsprechenden Anteil bei nicht mit STI571 behandelten M07p210- Zellen nach Behandlung mit verschiedenen dsRNAs,
Fig. 5 die Überlebensrate von mit STI571 behandelten
32Dp210- und 32Dp210-H396P-Zellen in Abhängigkeit von der Konzentration an STI571 und
Fig. 6 die Überlebensrate von mit STI571 behandelten 32Dp210-H396P-Zellen mit und ohne Inhibition der
Bcr-Abl-Expression durch RNA-Interferenz .
Der Inhibitor STI571 wurde von der Novartis AG, Lichstrasse 35, Basel CH-4002, Schweiz bezogen. Es wurde eine Stocklö- sung einer Konzentration von 10 mg/ml in DMSO/H20 (1:1) hergestellt und bei -20°C gelagert. Die Stocklösung wurde verwendet um STI571 in den jeweils angegebenen Endkonzentrationen einzusetzen.
Die Maus-Zelllinie 32D entstammt einer Knochenmarks-
Lang eitkultur . Sie wurde bei der DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, Mascheroder Weg lb, 38124 Braunschweig, Deutschland unter der Bestell-Nr. ACC 411 beezogen. Das Wachstum dieser Linie ist abhängig von exo- genem IL-3.
Die Faktor-unabhängig wachsenden Bcr-Abl exprimierenden oli- goklonalen Zelllinien 32Dp210 bzw. 32Dp210-H396P wurden durch virale Transfektion der Ausgangslinie 32D mit dem retrovira- len Vektor Mig210, beschrieben in Pear WS, Miller JP, Xu L et al., Blood (1998) 92, Seiten 3780-3792, bzw. dem aus diesem Vektor erzeugten Vektor Mig210-H396P hergestellt. Die Herstellung derart transfizierter Zelllinien ist detailliert beschrieben in Bai RY, Ouyang T, Miething C et al . , Blood (2000) 96, Seiten 4319-4327. Zur Erzeugung des Vektors
Mig210-H396P wurde zunächst ein für die Bcr-Abl-Mutante mit dem Aminosäureaustausch H396P kodierendes Gen aus einer Probe eines gegenüber STI571 teilweise resistenten Patienten isoliert und amplifiziert, wie es in von Bubnoff, N. et al . , The Lancet (2002), Band 359, Seiten 487-491 beschrieben ist. Das Gen ist dann so in den Vektor Mig210 kloniert worden, dass das darin enthaltene bcr-abl-Gen durch das für die Bcr-Abl- Mutante H396P kodierende Gen ersetzt ist. Bei dem mutierten Gen ist in dem dem zellulären Gen c-abl (Accession Number in der Datenbank GenBank, National Institutes of Health, Bethes- da, Maryland, 20892, USA: M14752) entsprechenden Abschnitt das Nukleotid mit der Base Adenin an Position 1551 des c-abl- Gens durch ein Nukleotid mit der Base Cytosin ersetzt. Die für die Transfektion erforderlichen Viren wurden durch Infek- tion der Zellline Phoenix-Eco - unter der Stanford Registriernummer SBR-422 zu beziehen von Stanford University Medical Center, Garry P. Nolan, Ph.D. , Baxter Laboratory for Genetic Pharmacology, Stanford University School of Medicine, 269 Campus Drive, CCSR, Rm. 3205, Stanford, California 94305- 5175, USA - mit dem retroviralen Vektor Mig210 hergestellt.
Die Zelllinie 32Dp210-H396P weist eine verminderte Sensitivi- tät gegenüber STI571 auf.
Die humane Zelllinie M07e stammt von einem Patienten mit me- gakariozytärer Leukämie. Sie ist von der DSMZ - Deutsche
Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH unter der Bestell-Nr. ACC 104 zu beziehen. M07e-Zellen benötigen GM-CSF oder IL-3 zur Proliferation. Die Bcr-Abl-exprimierende Zelllinie MO7p210 wurde durch Transfektion von M07e-Zellen mit dem Plasmid pGD210 gewonnen, wie es in Hallek M, Danhauser- Riedl S, Herbst R et al . , Br J Haematol. (1996), 94, Seiten 5-16, beschrieben ist.
Alle Zellen wurden in RPMI 1640 (BIOCHROM AG, Leonorenstr. 2- 6, D-12247 Berlin, Deutschland) mit 2 mM L-Glutamin und 10 %
FCS, im Folgenden als Zellkulturmedium bezeichnet, bei 37 °C und einer 5 % C02-Atmosphäre kultiviert.
Zellextrakte wurden wie folgt gewonnen: Zellen wurden pelle- tiert und in Lysepuffer aufgenommen (50 mM Tris-HCl, pH 7,6; 250 mM NaCl; 0,1% Triton X-100; 5 mM EDTA; supplementiert mit "complete" Proteasen-Inhibitor Cocktail-Tabletten, Röche Dia- gnostics GmbH, Röche Applied Science, Sandhofer Str. 116, 68305 Mannheim, Deutschland, nach Anweisung des Herstellers) . Nach 30-minütiger Zentrifugation bei 4 °C wurde die Proteinkonzentration mit Hilfe der kolorimetrischen Methode gemäß Bradford MM, Anal Biochem. (1976) 72, Seiten 248-254, nachgewiesen und bei 595 n in einem Spektralphotometer gemessen.
Für die Western-Blot-Analyse wurden je 100 ßg Protein auf eine Spur eines SDS-Polyacrylamidgels aufgetragen und nach ihrer Größe mittels SDS-Polyacrylamidgelelektrophorese (SDS- PAGE) aufgetrennt. Als SDS-Polyacrylamidgel wurde ein 1 mm dickes Flachbettgel mit Acrylamidkonzentrationen von 7,5 % im Trenngel und 4 % im Sammelgel verwendet. Nach der SDS-PAGE wurden Proteine aus dem SDS-Polyacrylamidgel auf eine PVDF- Membran (Röche Diagnostics GmbH, Röche Applied Science, Sandhofer Str. 116, 68305 Mannheim, Deutschland) mittels einer Trans-Blot® SD-Transfercell (Bio-Rad Laboratories GmbH, Hei- demannstrasse 164, D-80939 München, Deutschland) elek- trophoretisch transferiert. Die Detektion von auf der Membran immobilisierten Proteinen erfolgte durch spezifische Antikörper gegen c-Abl (1 μg/ml, "purified mouse anti-Abi onoclonal antibody", Klon 8E6, Bestell-Nr. 554158, PharMingen, 10975 Torreyana Road, San Diego, CA 92121, USA), Bcl-XL (1:1000, "purified mouse Bcl-X monoclonal antibody", Klon 2H12 , Bestell-Nr. 66461A, PharMingen, 10975 Torreyana Road, San Diego, CA 92121, USA) und p27 (1:250, "purified mouse anti- p27Kipl monoclonal antibody", Klon G173-524, Bestell-Nr. 13231A, PharMingen, 10975 Torreyana Road, San Diego, CA
92121, USA) . Gleiche Proteinbeladungen der Spuren des SDS- Polyacrylamidgels sind durch Detektion des konstitutiv expri- ierten Proteins GAP-DH mit einem dafür spezifischen Antikörper (1:10000, "Mab to Glyceraldehyde-3-PDH" , Klon 6C5 , Be- stell-Nr.: H86504M, BIODESIGN International; 60 Industrial Park Road; Saco, Maine 04072, USA) kontroliert worden. Die Membranen werden mit TBST (Tris buffered saline mit 1 % v/v Tween-20) gewaschen und anschließend mit einem Meerrettich- Peroxidase-gekoppelten Sekundärantikörper (1:10000; Jackson I munoResearch Laboratories, Inc., P.O. Box 9, 872 West Baltimore Pike, West Grove, PA, USA 19390) inkubiert. Vor dem Nachweis gebundener Sekundärantikörper durch Substratzugabe ("ECL Plus Western Blotting Detection Reagents", Bestell-Nr. RPN 2132, Amersham Biosciences Europe GmbH, Munzinger Strasse 9, D-79111 Freiburg, Deutschland) wurde die Membran nochmals in TBST gewaschen.
Zum Nachweis apoptotischer Zellen wurden 500 000 Zellen pelletiert und je einmal mit eiskaltem PBS (0,27M NaCL, 0,005M KCL, 0,015M NaHP0 x H20, 0,003M KH2P04, BIOCHROM AG, Leono- renstr. 2-6, D-12247 Berlin, Deutschland) und anschließend mit Annexin-Bindepuffer (10 M Hepes / NaOH, pH 7,4, 140 mM NaCl, 2,5 mM CaCl2) gewaschen. Dann wurde das Zellpellet in 100 μl Annexin-Bindepuffer aufgenommen und 5 μl Annexin V- FITC (Bestell-Nr. 556420, BD Biosciences, Tullastrasse 4,
69126 Heidelberg, Deutschland) zugegeben. Zur Unterscheidung früh-apoptotischer, spät-apoptotischer und nekrotischer Zellen wurden 10 μl Propidiumiodid zugesetzt. Viable und früh- apoptotische Zellen besitzen im Unterschied zu spät- apoptotischen und nekrotischen Zellen eine noch intakte Membran, die das Eindringen von Propidiumiodid in die Zelle verhindert. Nach 15-minütiger Inkubation im Dunkeln wurden 500 μl Annexin-Bindepuffer zugesetzt und die Probe in einem Durchflußzytometer analysiert. Der Anteil Annexin V-FITC- positiver und damit apoptotischer Zellen wurde mit Hilfe der
Software CellQuest™ (BD Biosciences; 2350 Qu e Drive, San Jose, CA, USA 95131-1807) bestimmt.
Der Anteil lebender Zellen in einer Population ist mit Hilfe von MTT (3- (4, 5-Dimethylthiazol-2-yl) -2 , 5-diphenyltetrazoli- umbromid) bestimmt worden. Dabei wird das in wässriger Lösung gelbe Tetrazoliu salz MTT durch eine in den Mi ochondrien stoffwechselaktiver Zellen exprimierte Dehydrogenase durch Spaltung des Tetrazoliumrings zu einem violetten Formazan- Produkt (1- (4, 5-Dimethylthiazol-2-yl) -3 , 5-diphenylformazan) reduziert. Zur Bestimmung der Menge lebender Zellen wurden jeweils zu 1,5 x 105 Zellen in einer Vertiefung einer 96- well-Zellkulturplatte 10 μl MTT-Gebrauchslösung (10 mg/ml in PBS, hergestellt aus 50 mg/ml MTT in DMSO) gegeben und für 2 h bei 37 °C inkubiert. Danach wurden 90 μl/Vertiefung Lyse- puf er (10 % (w/v) Natriumdodezylsulfat, 20 mM HC1 in Aqua bidest., pH 4,5) zupipettiert . Dadurch wird ein Zellauf- schluss und die Freisetzung des Formazan-Produkts bewirkt. Die Bestimmung der Absorbtion gegenüber Luft erfolge bei 570 IM in einem ELISA-Reader . Die Überlebensrate ist jeweils als prozentualer Anteil eines für behandelte Zellen ermittelten Werts an einem für unbehandelte Zellen ermittelten Wert ermittelt worden.
Die für Transfektionen eingesetzten doppelsträngigen Oligori- bonukleotide weisen die folgenden, im Sequenzprotokoll mit Nr. 1 bis Nr. 8 bezeichneten, Sequenzen auf:
BAFl : dsRNA, deren einer Strang Sl zu einem die Fusionsstelle b3a2 enthaltenden Abschnitt A eines aus den Genen bcr und abl fusionierten Gens bcr-abl (Accession Number in der Datenbank GenBank: AJ131466) komplementär ist:
S2: 5'-CAGAGUUGAA|AAGCCCUUCAG-3' (Sequenz Nr. 2) Sl: 3 '-UCGUCUCAACUUlUUCGGGAAGUC-5' (Sequenz Nr. 1)
BAF2 : dsRNA, die sich von BAF1 in den durch Fettdruck hervorgehobenen Basen unterscheidet und deren Strang Sl zum Gen bcr-abl in den drei hervorgehobenen Basen nicht komplementär ist :
S2 : 5 '-CAGUGUUGAU j AAGCCGUUCAG-3 ' (Sequenz Nr . 4) Sl : 3 ' -UCGUCACAACUA| UUCGGCAAGUC-5 ' (Sequenz Nr . 3 )
Der senkrechte Strich in den Sequenzen Nr. 1 - Nr. 4 kenn- zeichnet jeweils die der Fusionsstelle entsprechende Stelle.
K4 : als Kontrolle dienende dsRNA, deren einer Strang Sl zu einer Sequenz der 5 -untranslatierten Region des bakteriellen Neomycin-Resistenzgens (Accession Number in der. Datenbank GenBank: U55763) komplementär ist:
S2: 5'-GAUGAGGAUCGUUUCGCAUGA-3 ' (Sequenz Nr. 6) Sl: 3 '-UCCUACUCCUAGCAAAGCGUACU-5' (Sequenz Nr. 5)
GAL2 : als Kontrolle dienende dsRNA, deren einer Strang Sl zu einem ß-Galaktosidase-Gen (Accession Number in der Datenbank GenBank: U02451) komplementär ist:
S2 : 5'-GUGAAAUUAUCGAUGAGCGUG-3' (Sequenz Nr. 8) Sl: 3 '-GCCACUUUAAUAGCUACUCGCAC-5' (Sequenz Nr. 7)
Die RNA-Einzelstränge wurden mit einem RNA-Synthesizer (Typ Expedite 8909, Applied Biosystems, Weiterstadt, Deutschland) und herkömmlichen chemischen Verfahren synthetisiert. An- schließend erfolgte die Reinigung der rohen Syntheseprodukte mit Hilfe der HPLC . Als Säulen wurden NucleoPac PA-100, 9x250 mm der Fa. Dionex, verwendet. Als Niedersalz-Puffer diente 20 mM Tris, 10 mM NaCl0 , pH 6,8, 10% Acetonitril und als Hochsalz-Puffer 20 mM Tris, 400 mM NaC10 , pH 6,8, 10% Acetoni- tril. Der Fluß betrug 3 ml/Minute. Die Hybridisierung der Einzelstränge (je 10 μM) zum Doppelstrang erfolgte durch Er-
hitzen des stöchiometrischen Gemischs der Ξinzelstränge auf 95 °C für 5 Minuten in 25 M Tris-HCl, pH 7,5, 100 mM NaCl und anschließendes Abkühlen über 30 Minuten auf 37 °C .
32Dp210-Zellen wurden auf eine Dichte von 3,2 x 106 Zellen pro ml und MO7p210-Zellen auf eine Dichte von 5 x 10δ Zellen pro ml in Zellkulturmedium eingestellt. 800 μl dieser Zellsuspensionen wurden jeweils mit 800 nM dsRNA in einer 4 mm Elektroporationsküvette (PEQLAB - Biotechnologie GmbH, Carl- Thiersch-Str . 2b, D-91052 Erlangen, Deutschland) gemischt.
Nach einer 1-minütigen Inkubation wurden die Zellen mit Hilfe des Electroporators EasyJect (PEQLAB - Biotechnologie GmbH) unter Verwendung eines Einzelpulses (250 V, 1800 μF, keine Begrenzung des elektrischen Widerstands) elektroporiert . So- fort danach wurden die 32Dp210-Zellen in 20 ml Zellkulturmedium, supplementiert mit 1 ng/ml rekombinantem murine IL-3 ( "Recombinant Murine Interleukin-3 " , Bestell-Nr. P030248, STRATHMANN BIOTECH AG, Feodor-Lynen-Str . 5, 30625 Hannover) überführt. Mo7p210-Zellen wurden in 10 ml Zellkulturmedium mit 100 ng/ml hGM-CSF (Leucomax® 150, Novartis Pharma GmbH, 90327 Nürnberg, Deutschland) aufgenommen. Diese Behandlung wurde insgesamt vier mal alle 24 Stunden durchgeführt. Nach der letzten Elektroporation wurden die Zellen mehrmals gewaschen und in Zellkulturmedium ohne Wachstumsfaktor-Zusatz weiter kultiviert. Nicht mit dsRNA behandelte Zellen wurden zur Kontrolle ebenfalls einer Elektroporation unterzogen (Elektroporationskontrolle, EP in Fig. 3) .
Der in Fig. 1 gezeigte Western-Blot zeigt, dass die Behand- lung von 32Dp210-Zellen mit BAFl (Spur 2) im Gegensatz zur
Behandlung mit BAF2 (Spur 1) oder ohne dsRNA (Elektroporationskontrolle, Spur 3) in den Zellen zu einer Reduktion der Bcr-Abl-Protein Menge führt. Ähnliche Ergebnisse sind mit den Bcr-Abl-positiven humanen M07p210-Zellen erzielt worden. Die Menge des nicht mutierten zellulären Proteins c-Abl ist dagegen bei Behandlung mit BAF 1 unvermindert geblieben. Die vom
Bcr-Abl-Protein induzierte Expression des antiapoptotischen Proteins Bcl-XL wird durch die Behandlung mit BAFl vermindert. Die vom Bcr-Abl-Protein herunter regulierte Expression des Zellzyclus-Inhibitors p27 wird durch die Behandlung mit BAFl verstärkt.
Nach der Behandlung der Zellen mit BAFl, BAF2 oder ohne dsRNA wurden 32Dp210-Zellen für 40 Stunden ohne Wachstumsfaktoren und mit STI571 in unterschiedlichen Dosierungen kultiviert. Die mittels MTT bestimmte Überlebensrate ist als Durchschnittswert ± Standardabweichung von 3 Versuchsansätzen ermittelt worden. Fig. 2 zeigt ein repräsentatives Experiment von insgesamt 3 unabhängigen Experimenten. Die daraus ersichtliche Überlebensrate von STI571-behandelten 32Dp210- Zellen zeigt, dass die Herunterregulation der Bcr-Abl-
Protein-Expression mittels BAFl (ausgefüllte Quadrate) eine deutlich gesteigerte Sensitivität der Zellen gegenüber STI571 bewirkt. Verglichen mit den mit BAF2 (ausgefüllte Dreiecke, Spitze oben) oder ohne dsRNA (ausgefüllte Dreiecke, Spitze unten) behandelten Zellen, für die jeweils ein ICso-Wert von etwa 0,33 μM STI571 ermittelt worden ist, zeigten die mit BAFl behandelten Zellen einen etwa 5-fach niedrigeren IC50- Wert von 0,064 μM STI571. Der IC50-Wert bezeichnet die Konzentration an STI571, bei der eine Überlebensrate von 50 % erreicht wird. Diese Wirkung wurde auch bei MO7p210-Zellen beobachtet .
Zur Untersuchung des Einflusses der RNA-Interferenz auf die durch STI571 bewirkte Apoptoserate sind MO7p210-Zellen wie beschrieben mit dsRNA behandelt worden. Danach wurde ihnen der Wachstumsfaktor GM-CSF entzogen und die Zellen wurden für 16 Stunden mit 0,05 μM STI571 behandelt. Die prozentuale Steigerung des Anteils apoptotischer an der Zahl gemessener M07p210-Zellen nach STI571-Behandlung gegenüber dem entspre- chenden Anteil bei nicht mit STI571 behandelten M07p210- Zellen ist in Fig. 3 und Fig. 4 dargestellt. Dabei kennzeich-
net "EP" Zellen, welche zur Kontrolle ohne dsRNA der Elektroporation unterzogen worden sind und "BAFl" Zellen, welche mit der dsRNA BAFl behandelt worden sind. Die Inhibition der Bcr- Abl-Expression durch BAFl führte zu einer gesteigerten Apop- toseinduktion bereits bei einer sehr geringen STI571- Dosierung. Das zeigt sich auch bei dem in Fig. 4 dargestellten Experiment. Dabei kennzeichnen "GAL2", "BAF2" und "BAFl" jeweils die dsRNAs, mit denen die Zellen wie beschrieben behandelt worden sind. Nach Entzug von GM-CSF sind die Zellen ebenfalls für 16 Stunden mit 0,05 μM STI571 behandelt worden. Das Experiment zeigt darüber hinaus die hohe Spezifität der dsRNA BAFl. Die von BAFl nur in drei Nukleotidpaaren abweichende dsRNA BAF2 zeigt keine spezifische Wirkung.
Fig. 5 zeigt die mittels MTT ermittelte Überlebensrate von mit STI571 behandelten 32Dp210-Zellen (ausgefüllte Kreise) und 32Dp210-H396P-Zellen (offene Quadrate) in Abhängigkeit von der Konzentration an STI571. Die dabei ermittelten IC50- Werte lagen für 32Dp210-Zellen bei 0,3 μM und für 32Dp210- H396P-Zellen bei 1,4 μM STI571. Die Werte sind Mittelwerte ± Standardabweichung aus drei Versuchsansätzen.
Fig. 6 zeigt die relative Überlebensrate von mit STI571 behandelten 32Dp210-H396P-Zellen nach Vorbehandlung mit BAFl (ausgefüllte Dreiecke) , BAF2 (ausgefüllte Kreise) und ohne dsRNA (offene Quadrate) . Für BAF2-behandelte Zellen wurde ein IC50-Wert von 1,27 μM und für ohne dsRNA behandelte Zellen von 1,56 μM STI571 ermittelt. Die Behandlung der Zellen mit BAFl bewirkte eine Herunterregulation des ICso-Wertes auf 0,44 μM STI571. Das zeigt, dass die Wirksamkeit von STI571 auch in Zellen mit einer verminderten Sensitivität gegenüber STI571 so weit erhöht werden kann, dass eine Behandlung bei einer für einen Menschen oder ein Tier vertretbaren Dosierung wirksam ist.