Gaserzeugende Stoffe
Die Erfindung betrifft gaserzeugende Stoffe, insbesondere für Gasgeneratoren in Gurtstraffern und aufblasbaren Aufprallkissen (Airbags) zum Schutz von Kraftfahrzeug-Insassen vor Verletzungen.
Bei den derzeit verwendeten Gasgeneratoren für aufblasbare Aufprallkissen wird als brennbares gasentwickelndes Material ein Gassatz in Tabletten-, Scheibenform oder als Granulat bzw. z. B. in Nudelform verwendet. Beim Abbrand erzeugt dieser Gassatz das Nutz- oder Druckgas zum Aufblasen des Aufprallkissens. Der Nachteil bei der Verbrennung fester gasentwickelnder Materialien besteht in dem recht hohen bei der Verbrennung entstehenden Schlackenanteil, der mehr als 50 % der eingesetzten Gassatzmasse ausmachen kann. Aufgrund der Schlacke- und Staubbildung bei der Verbrennung sind aufwendige Filterstufen im Gasgenerator erforderlich, um Schlacke- und Staubpartikel zurückzuhalten. Andernfalls würde beim Austritt dieser Partikel das Aufprallkissen beschädigt und die Insassen können in Gefahr gebracht werden.
Als Alternative zu diesen Gassätzen existieren Generatoren mit komprimierten Gasen oder Luft. Zur Bildung eines ausreichenden Gasvolumens sind sehr hohe Ladedrücke erforderlich, da beim Abströmen der Gase eine Abkühlung stattfindet und kein Volumengewinn durch exotherme Reaktionen wie bei Feststoffmischungen erzielt wird. Zur Kompensation der Abkühlung wird häufig ein Festbrenntreibstoff verwendet, der durch die Wärmetönung bei seinem Abbrand und die zusätzliche Gasentwicklung erst die Funktion dieses Gasgenerators sicherstellt.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein gasentwickelndes Material für einen Gasgenerator, insbesondere für einen Gurtstraffer oder für ein aufblasbares Aufprallkissen zum Schutz eines Kraftfahrzeug-Insassen vor Verletzungen bereitzustellen, bei dem Schlackerückhalteeinrichtungen nicht erforderlich sind.
Die Lösung der vorgenannten Aufgabe besteht in einem Gemisch aus Lachgas als Oxidationsmittel und einem oder mehreren Brennstoffen, die unter den üblichen Bedingungen (Zimmertemperatur und Normaldruck) fest sind. Als gasentwickelndes Material wird Lachgas (N 2O) als Oxidationsmittel in Verbindung mit festen Brennstof- fen bzw. Gemischen eingesetzt, die sich nach Anzündung kontrolliert im Verbrennungsraum zu schlackefreien oder weitgehend schlackefreien gasförmigen Reaktionsprodukten umsetzen. Das unter Druck stehende Lachgas wird zusammen mit den festen Brennstoffen durch eine Anzündvorrichtung mit einer Anzündladung gezündet. Als Anzündladung kann beispielsweise ein explodierender Draht oder eine Zündbrük- ke ggf. unter Verstärkung mit einer Boosterladung zu einer partikelreichen, heißen Flamme verwendet werden.
Die Anzündschwaden und heißen Verbrennungsgase entzünden das Gas-/ Feststoffgemisch. Dieses verbrennt im Verbrennungsraum, ohne daß feste Partikel zurückbleiben. Auf Filterstufen, die mindestens einer Austrittsöffnung der Gasgenerator- Gehäusewand vorgelagert sind, kann bei Verwendung des erfindungsmäßigen Gas- /Feststoffgemisches daher verzichtet werden. Sofern Filterstufen vorgesehen sind, dienen diese ausschließlich Kühlzwecken. Die Kühlung kann aber auch auf andere Weise erfolgen, indem etwa dem Verbrennungsraum ein Verteilerraum des Gehäuses nachgeschaltet ist, von dem aus die Verbrennungsgase über mindestens eine Aus- trittsöffnung nach außen gelangen.
Erfindungsgemäß werden Gase oder Gasgemische mit niedrigem Ladedruck vorgeschlagen, die beim Abbrand infolge Exothermie eine Volumenvervieifachung ergeben und keinerlei Filter benötigen. Das erfindungsgemäß einsetzbare Gas oder Gasgemisch besteht aus dem Oxidationsmittel. Zur Vermeidung von hohen Ladedrücken wird auf Sauerstoff oder Luft als Oxidationsmittel verzichtet. In Distickstoffmonoxid (Lachgas) liegt ein Gas vor, das sich leicht verflüssigen läßt (kritischer Druck: 72,7 bar, kritische Temperatur: 36,4 °C). Die Oxidationskapazität ist doppelt so hoch wie die von Luft und im Gegensatz zu reinem Sauerstoff oder Luft verhält sich Lachgas bis mindestens 200 °C als Inertgas, wodurch stille Oxidationsprozesse auch bei
Hochtemperaturlagerung verhindert werden. Im Gemisch mit Lachgas oder als alleiniges gasförmiges Oxidationsmittel kann auch Stickstoffmonoxid (NO/N2O, kritischer Druck 64 bar, kritische Temperatur - 93 °C) eingesetzt werden. Zur Steuerung der Reaktivität der Gase können Inertgase (Kohlensäure, Luft, Helium, Neon, Argon) zu- gegeben werden. Die Verwendung von Stickstoffmonoxid hat den Vorteil, daß kondensierte Anteile, die während der Abbrandreaktion erst verdampfen müssen, nicht gebildet werden. Zusätze von geruchsintensiven Gasen wie z. B. Merkaptanen in geringen Mengen können eine schnelle Detektierung von Undichtigkeiten möglich machen. Die Zugabe von z. B. Vanillin verbessert die Geruchseigenschaften der Ab- brandschwaden im Anwendungsfall.
Erfindungsgemäß werden als Brennstoffe Polymere aus der Gruppe der Kohlenwasserstoffe eingesetzt, wie Ethylen, Propylen, Isopren, Styrol sowie solche, die auch Sauerstoff enthalten können und sich ableiten von z. B. Carbonsäuren wie Polyviny- lacetate, Polymethacrylate, Polyterephthalate und andere Polyester, Polyether, Poly- carbonate, aber auch Polyoximethylene, Oligo- und Polysaccharide wie Zucker, Cellu- lose, Stärke, Polyvinylacetale oder Polyvinylalkohole. Daneben sind jedoch auch weitere Polymere anderer Zusammensetzung einsetzbar, soweit die Reaktionsprodukte keine gefährlichen Bestandteile in unzulässiger Menge wie z. B. von HCI, HCN, HF oder Phosgen enthalten. Als zusätzliche reaktive Bestandteile der Brennstoffe können auch Explosivstoffe eingesetzt werden. Beispiele sind Nitroguanidin (NiGu), Derivate des Tetrazols wie 5-Aminotetrazol, 5-Aminotetrazo Initrat, Bistetrazolamin oder Bitetra- zol, Aminoguanidinnitrat, Diaminoguanidinnitrat, Triaminoguanidinnitrat, Guanidinni- trat, Dicyandiamidinnitrat, Diaminoguanidinazotetrazolat, Nitrotriazolon, Dicandiami- dinnitrat, Hexogen, Oktogen. Als weitere Brennstoffe können beispielhaft eingesetzt werden Harnstoff, organische Säuren (z. B. Fumarsäure, Ascorbinsäure, Oxalsäure), Kork, Holz, Metalle (z. B. Aluminium, Titan) und Nichtmetalle (z. B. Bor, Silizium), Nitride, Azide oder anorganisches Benzol (B3N3). Die Brennstoffe können in Form von Pulver, Granulat, Preßkörpern wie z. B. Tabletten oder bei Polymeren z. B. auch als Faserabschnitte oder Faserknäuel, Matten, Geweben, porösen Schäumen z. B. aus Polyurethanen Anwendung finden. Zur Steuerung des Abbrandes können die Ausfüh-
rungsformen oberflächenbehandelt mit Flüssigkeiten oder pasteusen Stoffen getränkt bzw. versetzt sein (Inhibitoren).
Als weitere Zuschläge können Katalysatoren, beispielsweise Ferrocen und Derivate, Eisen- oder Kupferacetylacetonate und/oder Oxidationsmittel wie beispielsweise Nitra- te der Alkali- und Erdalkalielemente, Perchlorate der Alkali- und Erdalkalielemente, Ammoniumnitrat, Ammoniumperchlorat, Zinkperoxid, Perborate, Peroxodisulfate, Per- manganate, Zinndioxid, Mangandioxid, Oxidationsmittel abgeleitet von den Nitraminen und Mischungen dieser Komponenten und/oder Porositätserzeuger, wie beispielsweise Ammoniumhydrogencarbonat, Acetondicarbonsäure, Azoisobutyronitril und/oder Hohlkugeln aus Kunststoff verwendet werden
Das Gewichtsverhältnis der Brennstoffe zu Distickstoffmonoxid wird vorzugsweise derart eingestellt, daß nach der Reaktion ein nicht brennbares Gasgemisch entsteht. Dementsprechend sollte das Gewichtsverhältnis der Brennstoffe zu Distickstoffmonoxid den stöchiometrischen Verhältnissen einer (möglichst) vollständigen Verbren- nung angepaßt sein. Vorteilhafterweise wird daher Distickstoffmonoxid in einem geringen Überschuß, bezogen auf den Brennstoff, eingesetzt. Die Reaktionsprodukte bestehen dann im wesentlichen aus gasförmigen Stoffen (CO2, H2O und N2). Die erfindungsgemäß beschriebenen Gas-/ Feststoffsysteme ergeben in ihrer Auswahl rückstandsfreie, fast CO- und NOx-freie Reaktionsprodukte, wobei die Abbrandeigen- schaff über Art, Mengenverhältnis, Geometrie und Konfiguration des Brennstoffs steuerbar ist.
Im folgenden wird die Erfindung durch Beispiele näher beschrieben, ohne sie jedoch einzuschränken:
Beispiele
Alle Versuche werden in einem geschlossenen Druckbehälter mit einem Volumen von ca. 120 ml durchgeführt. Die Anzündung erfolgt elektrisch mit 150 mg einer
Bor/Kaliumnitrat Mischung als Booster. Das Lachgas wird durch einen Kompressor in den Behälter gefüllt. Durch Wiegung des Behälters vor und nach der Füllung kann die Einwaage an Lachgas bestimmt werden. Der Innendruck im Behälter beträgt nach der Füllung ca. 4 MPa. Der ausgewählte Feststoff wird vor der Lachgasbefüllung in den Behälter eingewogen. Die Druckmessung erfolgt in dem Behälter durch piezoelektrische Druckelemente. Gemessen werden Maximaldruck (pmax), Druckanstiegszeit (Δt) und Zeit bis Maximaldruck (tpmax) erreicht wird. In Beispiel 1 ist das Verhalten des Lachgases ohne zusätzlichen Brennstoff gezeigt (s. Tab.1 ). Durch die Anzündung findet eine Erwärmung und Druckerhöhung im Behälter statt, die sich aber signifikant von dem Abbrandverhalten in Anwesenheit von Feststoffen, wie die Beispiele 2 - 4 zeigen, unterscheidet. In den Beispielen 2 - 4 wird das Abbrandverhalten unterschiedlicher Materialien wie Polystyrol, Nitroguanidin und Stärke gezeigt. In Tabelle 1 ist eine Ergebniszusammenstellung dargestellt.
Tabelle 1 : Ergebniszusammenstellung der Beispiele 1 - 4
In den Beispielen 5 - 9 ist der Einfluß unterschiedlicher Konfektionierungen und Geometrien des Feststoffes auf die Abbrandcharakteristika in dem Druckbehälter dargestellt. Es finden 2 Feststoffe Verwendung, zum einen Stärke in verschiedenen Modifikationen, hier charakterisiert durch den Teilchendurchmesser, und zum anderen Nitroguanidin als loses Pulver mit einer Korngröße von ca. 50 μm und als Tablette mit einem Durchmesser von 7 mm und einer Höhe von ca. 2,3 mm. Eine Ergebniszusammenstellung findet sich in Tabelle 2.
Tabelle 2: Ergebniszusammenstellung der Beispiele 5 - 9
Durch thermodynamische Rechnungen erhält man sehr gute Einschätzungen über Gaszusammensetzung und Verbrennungstemperaturen. In den Beispielen 10 - 12 ist für Polystyrol, Nitroguanidin und Stärke eine thermodynamische Berechnung mit dem ICT-Code durchgeführt. Zugrunde lag immer eine Feststoff- Lachgas-Mischung von 9 zu 91 Gew.%. Eine Ergebniszusammenstellung findet sich in Tabelle 3.
Tabelle 3: Ergebniszusammenstellung der Beispiele 10 - 12