CONDUCΗNPROTEIN UND VERWANDTES MITTEL ZUR DIAGNOSE UND ZUR THERAPIE VON TUMORERKRANKUNGEN
Beschreibung
Die Erfindung betrifft neue Wege zur Bekämpfung von Tumorerkrankungen durch Ausnutzung molekularbiologischer Zusammenhänge bei der Tumorentstehung. Sie betrifft im einzelnen ein Mittel zur Diagnose von Tumorerkrankungen, und darauf aufbauend ein Mittel zur Therapie. Sie betrifft ferner das neue Protein Conductin, seine Mutanten und Varianten sowie Teile davon, die dazu analogen cDNA-Sequenzen und deren Verwendung in gentherapeutischen und pharmakologischen Verfahren. Anwendungsgebiete der Erfindung sind die Medizin und die pharmazeutische Industrie.
Cadherine und Catenine bilden Zelladhäsionskomplexe, die in zahlreichen Geweben für die Anheftung der Zellen aneinander verantwortlich sind. Die Cadherine sind Transmembranproteine und stellen den direkten Kontakt zwischen benachbarten Zellen her. - α, ß- und γ-Catenin sind zytoplasmatische Komponenten, die die Cadherine mit dem Aktin-Zytoskelett verbinden. Neben der Funktion bei der Zelladhäsion haben Catenine auch eine entscheidende Rolle bei Signaltransduktionsprozessen. b-Catenin in Vertebraten und das homologe Segmentpolaritäts-Genprodukt Armadillo in Drosphila werden durch den Wnt/Wingless-Signalweg stabilisiert (N sse, R. , Cell 89, 321-323, 1997). Dies führt zu einer Erhöhung der zytoplasmatischen, nicht an Cadherin gebundenen Fraktion dieser Proteine, die daraufhin mit HMG- Transkriptionsfaktoren der LEF-1/TCF-Familie wechselwirken können. Als Resultat wird ß-Catenin/Armadillo in den Zellkern transportiert, wo es zusammen mit den LEF/TCF-Proteinen an DNA bindet und bestimmte Gene aktiviert (Behrens , J. et. al . , Nature 382, 638-642, 1996).
Dieser Signalweg spielt auch eine Rolle bei der Tumorentstehung. In Kolonepithelzellen wird der zytoplasmatische Pool von ß-
Catenin durch das Tumorsuppressor-Genprodukt APC (Adenomatosis Polyposis Coli) streng reguliert. Mutationen von APC, wie sie in etwa 80% aller Kolonkarzinome auftreten, führen zu verkürzten Formen des APC Proteins, die nicht mehr in der Lage sind ß- Catenin zu destabilisieren. Dadurch findet man in diesen Tumoren permanente Komplexe von ß-Catenin mit dem HMG-Transkriptions- faktor TCF-4, welche für die Transformation der Zellen verantwortlich gemacht werden. Diese Theorie wird gestützt durch den kürzlichen Befund, daß in Tumoren, in denen APC nicht verändert ist, Mutationen von ß-Catenin auftreten. Diese führen ebenfalls zur zytoplasmatischen Stabilisierung von ß-Catenin und zur Assoziation mit LEF-1/TCF-Faktoren (Morin, P.J. et. al., Science 275, 1787-1790).
Die Erfindung hat das Ziel, einen neuen Weg zur Verhinderung der Tumorentstehung zu finden. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Kontrolle der Regulation von ß- Catenin in Körperzellen zu entwickeln.
Gegenstand der Erfindung ist ein neues Protein, welches an ß- Catenin bindet und zu dessem zytoplasmatischen Abbau führt. Dieses Protein hat die Aminosäuresequenz gemäß Abb. 1 und wurde als CONDUCTIN bezeichnet.
Das Erfindung beruht nun auf der eigenen Erkenntnis, daß Conductin über eine ß-Catenin-Bindungsdomäne an ß-Catenin, über eine GSK 3ß-Bindungsdomäne an GSK 3ß und über eine sogenannte RGS-Domäne (Regulator of G-Protein Signalling) an APC-Fragmente bindet. Dadurch kommt es zum zytoplasmatischen Abbau von ß- Catenin und in Vertebraten zur Blockade des Wnt/Wingless- Signalwegs. Damit ist klar, daß Conductin ein wichtiger Regulator der ß-Catenin-Funktion ist und im Zusammenspiel mit APC zur Tumorsuppression beiträgt.
Davon abgeleitet betrifft die Erfindung ein Mittel zur Diagnose von Tumorerkrankungen, welches dadurch gekennzeichnet ist, daß das Vorhandensein und die Menge von Conductin, seiner Mutanten und Varianten oder seiner Teile in Körperzellen nachgewiesen
wird. Dieser Nachweis kann auf der Proteinebene mit spezifischen Antikörpern durchgeführt werden, speziell mit monoklonalen Antikörpern.
Die Diagnose von Tumorerkrankungen kann gemäß der Erfindung auch auf der Genebene erfolgen. Dazu werden mit ausgewählten Primern und cDNA-Sonden, die aus der Gensequenz des Conductins abgeleitet sind,
- das Gen, das für Conductin, seine Mutanten und Varianten oder Teile davon kodiert, bzw.
- mRNA-Sequenzen, die von diesen Genen abgelesen werden, nachgewiesen.
Das erfindungsgemäße Mittel zur Therapie von Tumorerkrankungen enthält Substanzen, die die Wirkung des Conductins im Körper aktivieren/reaktivieren. Das sind vor allem Mittel, die den Genpromoter des Conductins aktivieren bzw. Mittel, die die Stabilität der von den Conductin-Genen abgeleiteten m-RNA- Sequenzen erhöht. Das Hauptziel aller dieser Mittel besteht erfindungsgemäß darin, die Aktivität des Conductins in den Körperzellen zu erhöhen. Dazu kommen u. a. kleinmolekulare Substanzen in Betracht, die z. B. durch High-Througput-Number- Screening gefunden werden.
Die Erfindung umfaßt auch gentherapeutische Mittel, enthaltend Gene, die für Conductin, seine Mutanten und Varianten oder Teile davon kodieren, bzw. mRNA-Sequenzen, die von diesen Genen abgelesen werden.
Unter Schutz gestellt wird ferner das neue Protein Conductin gemäß Abb. 1 - SEQ ID No. 1, seine Mutanten und Varianten sowie Teile davon. Besonders bevorzugte Teilsequenzen sind die Aminosäuren 78-200 (RGS) - SEQ ID No. 2, 343-396 (GSK 3ß- Bindungsdomäne) - SEQ ID. No. 3, 397-465 (ß-Catenin- Bindungsdomäne) - SEQ ID No. 4 und 783-833 (Dishevelled Homologie-Region) - SEQ ID No. 5. Zum Schutzumfang gehören auch Teilsequenzen des Adenomatosis Poliposis Coli (APC) ,
gekennzeichnet durch die Aminosäuresequenzen 1464-1604, 1516- 1595, 1690-1778 und 1995-2083 als RGS-Domänen-Interaktionsorte .
Gleichermaßen beansprucht werden die analogen cDNA-Sequenzen, insbesondere die volle cDNA-Sequenz des Conductins (Basenpaare 1-2825) gemäß Abb. 2 - SEQ ID No. 6 sowie die Teilsequenzen des Conductins der Nukleotidfolge 446-814 (RGS-Genabschnitt) - SEQ ID No. 7, der Nukleotidfolge 1241-1402 (Genabschnitt der GSK 3ß- Bindungsdomäne) - SEQ ID No. 8, 1403-1609 (Genabschnitt der ß- Catenin-Bindungsdomäne) - SEQ ID No. 9 und der Nukleotidfolge 2561-2713 (Genabschnitt der Dishevelled Homologie-Region) - SEQ ID No. 10.
Die Erfindung wird durch die folgenden Ausführungsbeispiele näher erläutert.
Conductin wurde durch einen Hefe 2-Hybrid Screen als ß-Catenin- Interaktionspartner identifiziert. Die vollständige cDNA-Sequenz wurde daraufhin isoliert und sequenziert. Die abgeleitete Aminosäuresequenz von Conduction ist in Abb. 1 gezeigt, die Nukleotidsequenz in Abb. 2 und die Gegenüberstellung von Aminosäure- und Nukleotidsequenz in Abb. 3. Conductin besteht aus 840 Aminosäuren und hat ein Molekulargewicht von 92,8 kDa. Durch Sequenzvergleiche wurde im Conductin eine RGS-Domäne (Aminosäuren 78-200) und eine zu dem Protein Dishevelled verwandte Domäne (Aminosäuren 783-833, Dishevelled Homologie- Region) identifiziert (Abb. 1-3). Die GSK 3ß- und ß-Catenin- Bindungsdomänen (Aminosäuren 343-396 bzw. 397-465) wurden durch Interaktionsstudien im 2-Hybrid-System entdeckt (Abb. 4). Es zeigte sich, daß diese Domänen ausreichend und notwendig für die Bindung an GSK 3ß bzw. ß-Catenin sind (Abb. 4), wohingegen die RGS- und Dishevelled Homologie-Region nicht beteiligt sind. Die Wechselwirkung von Conductin mit GSK 3ß bzw. ß-Catenin wurde auch in Co-Immunpräzipitationsexperimenten biochemisch bewiesen.
Die Wirkung von Conductin auf ß-Catenin wurde in SW480 Zellen untersucht. In diesen Zellen ist das Tumor-Suppressor-Genprodukt
APC mutiert, wodurch es zu einem Anstieg des cytoplasmatischen und vor allem nuklearen Gehalts von ß-Catenin kommt. Die Einbringung von Conductin in diese Zellen führt zu einem drastischen Abbau von ß-Catenin, wodurch die Zelle von cytoplasmatischem und im Zellkern befindlichen ß-Catenin depletiert wird (Abb. 4). Diese Wirkung auf den Gehalt von ß- Catenin ist gleich stark wie die von nichtmutiertem APC, woraus geschlossen werden kann, daß Conductin ebenfalls als Tumorsuppressor durch Regulation von ß-Catenin wirkt. Es wurde außerdem gezeigt, daß Conductin den Wnt/Wingless-Signalweg auch in Xenopus-Embryonen durch seine Wirkung auf ß-Catenin hemmt.
Es wurde außerdem festgestellt, daß Conductin mit APC direkt interagiert. APC-Fragmente von Aminosäure 1464-1604, 1516-1595, 1690-1778 und 1995-2083 wurden als Interaktionsstellen für Conductin identifiziert. In Conductin erfolgt die Bindung an APC über die RGS-Domäne; dieser Bereich ist ausreichend und notwendig für die Interaktion. Die anderen Domänen in Conductin sind nicht beteiligt (Abb. 4).
Legende zu den Abbildungen:
Abb. 1
Aminosäuresequenz von Conductin
Die Conductin cDNA kodiert ein Protein von 840 Aminosäuren mit einem berechneten Molekulargewicht von 92,8 kDa. Die RGS-Domäne (doppelt unterstrichen), die ß-Catenin-Bindungsdomäne (einfach unterstrichen) und die Dishevelled Homologie-Region sind durch Fettdruck hervorgehoben.
Abb. 2
Nukleotidsequenz von Conductin von Position 1-2825
Die Sequenzbereiche sind analog zu Abb.l markiert.
Abb. 3
Gegenüberstellung von Aminosäure- und Nukleotidsequenz von
Conductin
Abb.
Analyse der Interaktion von Conductin und seinen Teilen mit ß- Catenin, APC und GSK 3ß
Das Conductin Protein und abgeleitete Teilstücke sind schematisch dargestellt. Hervorgehoben sind die RGS-Domäne (RGS), die GSK 3ß-Bindungsdomäne (GSK BD) und die ß-Catenin- Bindungsstelle (ß-BD). Die Interaktion mit ß-Catenin mit den APC Fragmenten von Aminosäure 1464-1604 (APCfr.l) und 1516-1595 (APCfr. 2) und GSK 3ß wurde im Hefe 2-Hybrid Assay untersucht und als ß-Galaktosidase Einheiten quantifiziert. Man erkennt, daß die Bindung an ß-Catenin auf die ß-Catenin-Bindungsstelle beschränkt ist, die anderen Teile des Proteins tragen dazu nicht bei. Die Analyse zeigt außerdem die ausschließliche Interaktion von APC mit der RGS-Domäne von Conductin. Vergleichbare Ergebnisse für die Bindung an die RGS-Domäne wurden mit APC Fragmenten von Aminosäure 1690-1778 und 1995-2083 erhalten. Der
Abbau von ß-Catenin in SW480 Zellen durch Conductin wurde nach transienter Expression der angegebenen Proteine und Immunfluoreszenz-Färbung von ß-Catenin analysiert. Nur Teilstücke von Conductin, die an ß-Catenin binden, führen zu dessen Abbau. Die Analyse zeigt schließlich die Bindung von GSK 3ß an die GSK 3ß-Bindungsdomäne von Conductin.