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Feststoffraketentreibsatz Feste Raketentreibstoffe, im folgenden kurz
Treibsätze genannt, sind in den verschiedensten Ausführungsformen bekannt. Sie können
entweder aus Gemischen von Brennstoff und Sauerstoffträgern bestehen, die durch
Verpressung unter großem Druck in die gewünschte geometrische Form hoher Festigkeit
gebracht werden, wie z. B. Schwarzpulversätze, oder Systeme mit chemisch gebundenem
Sauerstoff, wie z. B. Nitrozellulose, die durch Zusatz von Gelatinierungsmitteln
und Verpressen zu einer hornartigen Substanz werden, oder aber sie können aus Gemischen
von Brennstoff und Sauerstoffträgern, denen ein Bindemittel zugesetzt wurde, durch
Verpressung oder auch Gießen hergestellt werden, wie z. B. Gemische aus Kaliumperchlorat
mit pulverförmigem Aluminium, die in aushärtbare Kunstharzlösung bzw. Kunstharzvorkondensate
eingearbeitet werden, oder sie können aus Mischungen von festen Sauerstoffträgern
mit in der Wärme teigig bzw. flüssig werdenden Brennstoffen bestehen, wie z. B.
Kaliumperchlorat-Asphalt-Mischungen.
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Es ist auch bekannt, einen Treibstoff für Strahlenantriebe in der
Weise herzustellen, daß man zunächst pulverförmiges Natriumnitrat mit pulverförmigem
Ammoniumpikrat im Gewichtsverhältnis i : i vermischt, dieser Treibstoffmischung
so viel flüssiges, durch Erhitzen verfestigbares Kunstharz zusetzt, daß der Treibstoff
etwa 5 bis io Gewichtsprozent Kunstharz enthält, und dieses Gemisch unter Druck
kalt verformt, um anschließend die Kondensation der kalt verformten Mischung bei
Temperaturen unterhalb von 8o° C voranzutreiben.
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Als Kunstharze finden hierbei Alkylphenole und Phenolformaldehyde
Verwendung.
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Kennzeichnend für alle in Raketentriebwerken einzusetzenden Treibsätze
ist die Möglichkeit, diese
Treibsätze in definierte geometrische
Formen zu bringen, die bei den Lagerungs- und Verschußbedingungen beibehalten werden
müssen.
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Eine Zerstörung der jeweiligen Form durch z. B. Erweichen oder Rissigwerden
führt beim Verschuß infolge Vergrößerung der brennenden Oberfläche zu Triebwerkszerlegern.
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Untersuchungen besonders amerikanischer Autoren haben ferner ergeben,
daß der Elastizitätsmodul von Treibsätzen eine wesentliche Rolle spielt. Wenn infolge
der Zustandsgrößen im Verbrennungsraum der Elastizitätsmodul eine genau bestimmbare
kritische Größe erreicht, so wird die mechanische Struktur des Treibsatzes unvorhersehbar
verändert, und Triebwerkszerleger sind die Folge.
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Das Bestreben der Treibstoffentwicklung ist überall auf das Ziel gerichtet,
Treibstoffe höherer mechanischer Festigkeit zu schaffen, die möglichst unanfällig
gegen physikalische bzw. mechanische Einflüsse sind.
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Aufgabe der nachfolgend beschriebenen Erfindung ist es, die Nachteile
der bisher bekannten Treibstoffsysteme besonders hinsichtlich ihrer mechanischen
Verletzbarkeit und Empfindlichkeit gegen Temperaturschwankungen während der Lagerung
sowie gegen Strukturveränderungen während des Brennens auszuschalten.
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Es ist deshalb der Zweck der vorliegenden Erfindung, Raketentreibstoffsysteme
zu ermöglichen, die die oben geschilderten Nachteile nicht aufweisen. Ein äußerliches
Kennzeichen der erfindungsgemäßen Treibstoffsysteme ist die gummiartige Beschaffenheit
des fertigen Treibsatzes, wobei durch Änderung der Herstellungsbedingungen der Gummicharakter
innerhalb weiter Grenzen variiert werden kann.
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Es ist an und für sich bereits bekannt, Kautschuk als Bindemittel
zu verwenden.
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Kautschuk hat aber den Nachteil, daß er seine Elastizität bereits
in engen Temperaturgrenzen verändert, daß er nur heiß ausvulkanisiert und damit
die Verwendung z. B. von Ammoniumperchlorat wegen Explosionsgefahr ausschließt bzw.
stark beeinträchtigt.
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Seine Verbrennungsprodukte bewirken infolge ihres hohen mittleren
Molekulargewichtes, bezogen auf den Heizwert, relativ schlechte spezifische Impulse.
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Diese Einfluß des mittleren Molekulargewichtes auf den Impuls wird
verdeutlicht durch folgende einfache Beziehung:
mit dem Ausdruck C., T = Ausgangsenthalpie, 1I7 = mittleres Molekulargewicht,
= Verhältnis Brennkammerdruck zu
Außendruck und dem Adiabatenkoeffizienten x. Erfindungsgemäß wird vorgeschlagen,
in hochpolymere, kaltvulkanisierende Polysiloxane Sauerstoffträger und Metalle bzw.
Metallverbindungen sowie Vulkanisationskatalysatoren bei Zimmertemperatur in solchen
Mengen einzuarbeiten, daß Treibstoffe für Raketenantriebe von gummiartiger Beschaffenheit
entstehen.
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Die Tropfbarkeit des hochpolymeren Polysiloxans kann erfindungsgemäß
durch Zusätze von höheren Alkoholen in weiten Grenzen geändert werden; es können
in die hochpolymeren Polysiloxane als Brennstoffkomponente noch zusätzlich neben
Sauerstoffträgern Borwasserstoffverbindungen oder Siliziumchloroformester und ein
Reaktionsregler, z. B. Bariumchlorat, eingearbeitet werden.
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Die Herstellung von Treibstoffsätzen nach der Erfindung erfolgt, wie
nachstehend angegeben: Sauerstoffträger und Zusatzstoffe, wie Metalle, Metallverbindungen
oder sonstige Zusätze, werden bei Zimmertemperatur in hochviskose hochpolymere Polvsiloxane
zusammen mit einem Vernetzungsmittel eingearbeitet.
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Vor der Ausvulkanisation dieser Mischung, die bei Zimmertemperatur
vollständig verläuft, wird das beschriebene Gemisch in die gewünschte Form durch
Vergießen bzw. Einwalzen oder Einpressen gebracht. Nach beendeter Ausvulkanisation
ist der Treibsatz fertig.
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Die Stillegung von Oberflächenteilen (Phlegmatisierung) erfolgt in
gebräuchlicher Weise durch Auftragen einer verbrennungshemmenden, festhaftenden
Substanz.
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Ein Beispiel für einen derartigen Treibsatz ist folgende Mischung,
die nach Ausvulkanisation in Festigkeit und Elastizität mittelgefüllter Naturkautschukmasse
entspricht: In hochviskoses Dimethylpolysiloxan werden i bis 2% Vulkanisationskatalysator
eingemischt. Bei Zimmertemperatur wird dieser Mischung pulverisiertes Ammoniumperchlorat,
Aluminium und Bariumchlorat eingearbeitet, so daß das fertige Gemisch etwa folgende
Zusammensetzung aufweist: 2o bis 4o % Dimethylpolysiloxan (und Vulkanisationskatalysator),
o bis ao% Aluminium, o bis 2% Bariumchlorat, 4o bis 70% Ammoniumperchlorat.
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Bei Zusatz der angegebenen Menge Vulkanisationskatalysator beträgt
die Tropfzeit etwa i bis 3 Stunden. Das Gemisch ist bei 2o° C in 5 bis 12 Stunden
ausvulkanisiert.
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Als weiteres Beispiel, das zu festeren und weniger elastischen Treibsätzen
führt (vergleichbar etwa mit hochgefülltem Naturkautschuk), sei folgende Mischung
angeführt: In hochpolymeres Dimethylpolysiloxan bzw. Methylphenylpolysiloxan werden
i bis 2% Vulkanisationskatalysator und 5 bis 15 Gewichtsprozent Isopropylalkohol
eingemischt.
In diese Mischung werden bei Zimmertemperatur Ammoniumperchlorat
und Dekaboran sowie Bariumperchlorat eingearbeitet, so daß eine Mischung folgender
Zusammensetzung entsteht io bis 30% Dimethylpolysiloxan (und Vulkanisationskatalysator),
o,5 bis i,5 % Isopropylalkohol, o bis io% Dekaboran, o bis 2% Bariumperchlorat,
40 bis 70 % Ammoniumperchlorat.
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Tropf- und Ausvulkanisationszeit dieser Mischung entsprechen denen
des ersten Beispiels. Durch die Znmischung des Isopropylalkohols wird die Troplbarkeit
des Polysiloxans verbessert. Den hochpolymeren Polysiloxanen können gleichfalls
Siliziumchloroformester als Brennstoffkomponente zugemischt werden.