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Schallempfänger mit vorgebbarer zeitlicher Verzögerung In großen Räumen
und im Freien reicht oftmals die Schallenergie einer akustischen Darbietung nicht
aus, um an den Plätzen aller Zuhörer eine genügende Lautstärke für die volle Verständlichkeit
bzw. für den vollen musikalischen Genuß zu sichern. Man verwendet dann üblicherweise
elektroakustische übertragungsanlagen in der Form, daß die Darbietung durch ein
Mikrofon aufgenommen, verstärkt und durch einen oder mehrere geeignet aufgestellte
Lautsprecher im gleichen Raum mit erhöhter Lautstärke wiedergegeben wird. Bei der
Aufstellung von Mikrofonen und Lautsprechern muß selbstverständlich dafür gesorgt
werden, daß keine akustische Rückkopplung auftritt.
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Die zunächst als sinnfälligste Lösung erscheinende Form einer solchen
übertragungsanlage erhält man, wenn man einen einzigen Lautsprecher oder eine Lautsprechergruppe
verwendet und diese in unmittelbarer Nähe der Originalschallquelle, z. B. des Sprechers,
aufstellt. Dann entsteht an allen Orten der Eindruck, daß einfach die Schallenergie
der Schallquelle vergrößert ist. Leider führt eine solche Aufstellung oft dazu,
daß bei den nahe sitzenden Zuhörern eine störend große Lautstärke entsteht. Man
muß daher den einen oder sogar mehrere Lautsprecher bzw. -gruppen an anderen Stellen
des Zuhörerraumes aufstellen, um eine einigermaßen gleichmäßig verteilte Lautstärke
zu erhalten.
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Die räumlich getrennte Aufstellung verschiedener Schallquellen bewirkt
nun aber, daß die Schallanteile von den einzelnen Schallquellen bei einem Hörer
mit ganz verschiedenen Laufzeiten ankommen, so daß bei großen Anlagen echoartige
überlagerungen
entstehen, die ein solches. zeitliches Durcheinandergehen
bewirken können, daß Sprache z. B. vollkommen unverständlich wird, wie das von unsachgemäßen
Übertragungsanlagen hinlänglich bekannt ist.
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Um dieser zeitlichen Verwirrung zu begegnen, ist es weiter bekannt,
auf großen Flächen nach außen gerichtet abstrahlende Einzellautsprecher zu verwenden,
die mit Tonfrequenzenergie gespeist werden, welcher eine zeitliche Verzögerung erteilt
wurde, die gerade den längeren Laufweg des Originalschalls kompensiert. Eine solche
Laufzeitverzögerung erzielt man am sinnfälligsten durch Aufstellung des zugehörigen
Mikrofons in der gleichen Entfernung von der Originalschallquelle, in der sich auch
der von diesem versorgte Wiedergabelautsprecher bzw. Lautsprechergruppe befindet.
Man kann dieses Mikrofon vor Störungen durch die Umgebung und vor dem Lautsprecherschall
des zugehörigen bzw. anderer Lautsprecher schützen, indem man den Schallweg zum
Mikrofon durch Wände von der Umgebung (außer von der Originalschallquelle) abtrennt,
z. B. in Form eines radial von der Schallquelle zu dem Mikrofon verlaufenden Kanals,
in dem natürlich in entsprechenden Entfernungen auch mehrere Mikrofone stehen können.
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Zur Vermeidung solchen Aufwandes ist es bekannt, statt dessen Verzögerungseinrichtungen
in die elektrische Apparatur zwischen Aufnahmemikrofon, das nun unmittelbar in der
Nähe der Originalschallquelle stehen kann, und Wiedergabelautsprecher einzuschalten.
Dies können rein elektrische Verzögerungsvierpole, Magnetbandverzögerungseinrichtungen
oder auch elektroakustische Verzögerungseinrichtungen sein, die aus einer akustischen
Leitung, z. B. Rohrleitung, bestehen, welche an einem Ende elektroakustisch, z.
B. durch Lautsprecher, erregt wird, während am anderen durch einen akustisch-elektrischen
Wandler, z. B. ein Mikrofon, die verzögerte Tonfrequenz abgenommen wird, die den
Verstärkern als verzögerte elektrische Tonfrequenz zugeleitet wird. Diese Möglichkeiten
sind an sich bekannt. Da die rein elektrische Verzögerung wegen des hohen Aufwandes
bei den notwendigen großen Laufzeiten praktisch ausscheidet, wurden anscheinend
nur die Magnetband- und die elektroakustischen Verzögerungseinrichtungen wirklich
angewendet. Ihr Nachteil ist jedoch die notwendige Zwischenumformung der elektrischen
Energie in magnetische bzw. akustische Energie und die Rückumformung in elektrische
Energie. Sie erfordert einen gewissen Aufwand, den man nicht überall vertreten kann,
wo Verzögerungen notwendig sind.
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Gemäß der Erfindung wird diese Zwischenumformung bzw. die entfernte
Mikrofonaufstellung dadurch vermieden, daß eine genügend große, geeignet bemessene
Lautzeitverzögerung in einem handlich aufgebauten Schallempfänger selbst rein akustisch
erzielt wird, indem eine akustisch arbeitende Laufzeitverzögerungseinrichtung von
gedrängtem Aufbau vor dem eigentlichen Mikrofonsystem, d. h. dem elektroakustischen
Wandler, der die akustische Energie in elektrische umwandelt, also zwischen diesem
und dem Schallauffänger;_ der diese akustische Energie dem Schallfeld entnimmt,
eingeschaltet wird, so daß die Abmessungen des gesamten Schallempfängers handlich
bleiben, insbesondere aber kleiner sind, als der Schallweg in Luft ist, der der
vorgegebenen Laufzeitverzögerung entspricht.
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Die einfachste Ausführung einer solchen akustischen Verzögerungseinrichtung
besteht in einer an sich zur Laufzeiterzeugung bekannten ,luft- oder gasgefüllten
Rohr- oder Schlauchleitung, die den Schall an einem Ende mit der Rohröffnung aufnimmt
und ihn in der" Luft- oder Gasfüllung zum Mikrofonsystem hin überträgt. Das schallaufnehmende
Ende kann auch mit einer Membran, einem Trichter oder einem anderen akustischen
Transformationsglied versehen, sein. Die Rohrleitung, deren Durchmesser klein zur
Wellenlänge gewählt wird, damit ihre Laufzeit frequenzunabhängig wird, muß eine
wirksame Länge haben, die der gewünschten Laufzeit entspricht; sie wird daher zweckmäßigerweise
gekrümmt, aufgewickelt oder gefaltet angeordnet, so daß die Gesamtabmessungen der
Anordnung nicht größer als die anderer Mikrofone mit den entsprechenden Stativen
zu sein brauchen. Das Rohr kann aus Metall, Glas oder anderen festen oder biegsamen
Materialien, wie Gummi oder Kunststoffen, hergestellt sein. Die erhöhte Dämpfung
für die hohen Frequenzen vermeidet man weitgehend durch genügend großen Rohrquerschnitt,
oder man gleicht sie akustisch oder elektrisch aus. Man kann die Rohrleitung natürlich
durch irgendeine andere akustische Leitung ersetzen. Auch Körperschalleitungen sind
hier anwendbar, die im einfachsten Fäll aus einem Draht oder Stab bestehen und die
ebenfalls aufgewickelt sein können. Zur Herstellung kleiner Ausbreitungsgeschwindigkeit
kann man als Leitungsmaterial Stoffe mit niedrigem Elastizitätsmodul verwenden.
Die Anregung kann durch den aufzunehmenden Luftschall direkt oder über schallauffangende
Transformationsglieder,wie Membranen, erfolgen. Die Abnahme der verzögerten Energie
von dem Körperschallverzögerungssystem erfolgt mit einem entsprechenden elektroakustischen
Wandler, z. B. einem Tastmikrofon.
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Eine weitere Möglichkeit für den Aufbau einer akustischen Verzögerungseinrichtung
besteht in der Anwendung der zur Laufzeiterzeugung an sich ebenfalls bekannten akustischen
Laufzeitketten, die sich von den Leitungen durch den inhomogenen Aufbau aus einzelnen
Gliedern unterscheiden. Bestimmte Arten solcher akustischer Filterketten haben-
die Eigenschaft, unterhalb .einer Grenzfrequenz je Glied eine genügend frequenzunabhängige
Laufzeit zu besitzen. Körperschallfilterketten werden z. B. durch Aneinanderreihung
von Massen und Federungen hergestellt.
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Ein weiterer neuer Gedanke' besteht nun darin, die Laufzeit der hier
vorgeschlagenen Anordnung nicht so zu bemessen, daß gerade der Laufzeitunterschied
zwischen
dem Weg von der Originalschallquelle zum Hörer und dem vom Wiedergabelautsprecher
zum Hörer kompensiert wird, sondern die Verzögerung des Wiedergabeschalls um einen
bestimmten Betrag größer zu machen, nämlich um die sogenannte Lokalisierungszeitspanne,
deren Länge und Grenzen durch den Hörvorgang selbst festgelegt sind. Der Grund für
diese neue Maßnahme liegt in der folgenden Erscheinung begründet. Kompensiert man,
wie es bisher bekannt ist, bei gleicher Lautstärke die Laufzeit von Original-und
Wiedergabeschall in bezug auf einen Hörerort genau, so lokalisiert der Hörer die
scheinbare Schallquelle auf die räumliche Mitte zwischen beiden. Geringe Laufzeitunterschiede
innerhalb weniger Millisekunden -verschieben die scheinbare Schallquelle im Raum,
sie bewirken also Pseudo-Stereophonie-Effekte, und man hat also keineswegs den Eindruck,
daß der Schall von der Original= schallquelle herkomme. Durch diese Laufzeitkompensation
wird also zwar die Verständlichkeit erheblich verbessert, aber eine völlig falsche
Lokalisierung bewirkt. Dieser Effekt kann wegen seiner ablenkenden Wirkung sehr
ermüdend und störend sein; er läßt das Vorhandensein einer übertragungsanlage sofort
erkennen. Sorgt man dagegen dafür, daß der Wiedergabeschall um eine gewisse Zeitspanne
später eintrifft als der Originalschall, dann erfolgt die Lokalisierung auf die
Originalschallquelle. Diese Zeitspanne ist nach unten durch das Auftreten des Pseudo-Stereophonie-Effekts
begrenzt und muß also mindestens einige Millisekunden betragen; 5 bis io Millisekunden
genügen aber sicher. überschreitet man q.o bis 6o Millisekunden, so tritt schließlich
ein deutlich hörbares Echo auf. Aus diesem Ergebnis neuerer Untersuchungen wurde
gefolgert, daß es notwendig ist, den Wiedergabeschall so weit zu verzögern, daß
er innerhalb dieser Lokalisierungszeitspanne von 5 bzw. io bis 40 Millisekunden
nach dem Originalschall beim Hörer ankommt, um eine Lokalisierung. auf die Originalschallquelle
sicherzustellen. Es ist weiter ermittelt worden, daß der verzögert eintreffende
Schall in der Lautstärke bis zu io Phon höher liegen darf, d. h., er darf ungefähr
die zehnfache. Energie besitzen als der Originalschall, ohne diese Lokalisierung
zu stören.
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Der hier vorgeschlagene Schallempfänger mit vorgebbarer zeitlicher
Verzögerung unterscheidet sich somit grundsätzlich in bezug auf Zielsetzung, Ausführung,
Funktion und Ergebnis von bisher bekannten Schallempfängern, die ebenfalls Kombinationen
von Rohrleitungen mit Mikrofonsystemen darstellen.
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So haben z. B. die bekannten Sondenmikrofone, bei denen ein kurzes,
gestrecktes Sondenrohr von etwa i m Länge den Schall vom Aufnahmeort, d. h. der
Rohröffnung, zum Mikrofonsystem leitet, welches durch seine Größe am Aufnahmeort
stören würde, viel zu kleine Laufzeiten, um zur Kompensation und zur Lokalisierungsverzögerung
dienen zu können. Der Zweck des Rohres ist hier die Herstellung der notwendigen
räumlichen Distanz, so däß Falten oder Aufwickeln der Leitung und Verlängerung der
Laufzeit völlig sinnwidrig sein würde.
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Ebensowenig besteht keine Beziehung zu den Richtmikrofonen, deren
Richtwirkung auf der Interfrequenz der verschiedenen Schallanteile, d. h. auf Phasenbeziehungen,
beruht, die von einer Reihe von räumlich verteilten Schalleintrittsöffnungen durch
gestreckte Rohrleitungen zum gemeinsamen Mikrofonsystem geleitet werden. Hierbei
bestimmt der Phasenunterschied von i8o° bei der höchsten Frequenz die zulässigen
Öffnungsabstände (bei 3000 Hz zu 5 cm entsprechend einer Laufzeit von o,i7
m/s) und bei der tiefsten Frequenz die Gesamtlänge des Systems, die jedoch durch
die Forderung nach Handlichkeit auf etwa i m begrenzt ist. Bei Sprache ergeben größere
Abmessungen, die längeren Laufzeiten als der Dauer der Sprachlaute, besonders der
Konsonanten, entsprechen, ohnehin keine wesentliche Steigerung der Richtwirkung
für diese mehr. Gefaltete bzw. aufgewickelte Rohre großer Länge, d. h. mit größeren
Laufzeiten, die ein Merkmal der Erfindung sind, sind für Richtmikrofone also ungeeignet.