-
Verfahren zur optischen Vergütung von Glasoberflächen Die vorliegende
Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur optischen Vergütung von Glas durch
Herauslösen von Glasbestandteilen in einer Oberflächenschicht mit einer Dicke von
etwa ein viertel Wellenlänge des Lichts unter Verwendung von Salzen, Säuren, Laugen
od. dgl.
-
Bekanntlich geht die optische Vergütung von Gläsern, soweit sie sich
rein chemischer Methoden bedient, auf das englische Patent 29561 zurück. Es werden
als brauchbar für die gewünschte Veränderung der Oberflächenschichten der Gläser
verschiedene Chemikalien, wie Salpetersäure, Schwefelsäure, wäßrige Lösungen von
Schwefelwasserstoff, salpetersaure Lösungen von Ammoniumhydrosulfid, angegeben.
Dabei wird gleichzeitig einschränkend noch festgestellt, daß die Chemikalien nicht
für alle Glassorten gleich gut brauchbar sind, sondern in erster Linie nur für einige
wenige, wie z. B. Schwerkrone. Andere Gläser dagegen, wie leichtere Flint- und Silicatgläser
sowie Barytleichtflinte, 'zeigten nicht die geringste Vergütbarkeit mit derartigen
Chemikalien, so daß angenommen werden mußte, daß sie einer Vergütung auf chemischem
Wege überhaupt nicht zugänglich sind. Bei diesem Verfahren ist somit ein großer
Teil der Gläser als schlechthin gar nicht vergütbar zu betrachten. Auch der Versuch,
ein Schwerflintglas
durch monatelanges Eintrocknenlassen von Seifenlösung
optisch zu vergüten, ist als fehlgeschlagen zu bezeichnen, da auf diese Weise keine
praktisch brauchbaren Ergebnisse erzielt werden konnten. Im übrigen gelang es, mit
den angegebenen Mitteln in den günstigsten Fällen die Reflexion für beide Flächen
beispielsweise von ii auf 5 bis 4% herabzusetzen.
-
Ferner wurde noch Ammoniumsulfid als in manchen Fällen für brauchbar
befunden; höhere Vergütungswerte gegenüber den bekannten konnten aber auch nach
diesem Verfahren nicht erzielt werden. (A m y, Rev. d'Opt. 6, 1927, 3o5).
-
Um den Schwierigkeiten, die somit der universellen Verwendbarkeit
des an sich verhältnismäßig einfachen chemischen Verfahrens entgegenstehen, ganz
aus dem Wege zu gehen, wurde im USA.-Patent 2 22o 862 vorgeschlagen, chemisch nicht
vergütbare Gläser mit einem dünnen Film aus einem Glas, das leicht mittels Säurebehandlung
vergütbar ist, zu überziehen. Dabei wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, daß eine
alkalische Behandlung der von sauren Chemikalien gar nicht oder nur schwer angreifbaren
Gläser zwar auch die Tendenz zeigen kann, den Brechungsindex der Oberfläche zu verändern.
Es werden jedoch Glasoberflächen mit einem gefrorenen Aussehen erhalten, so daß
eine derartige Behandlung, vom optischen Standpunkt gesehen, zu vermeiden ist und
der obige Vorschlag gemacht wurde.
-
Nach weiterem Vorschlag wurde die Reihe der in bestimmten Fällen brauchbaren
Chemikalien no(,h durch Wasser sowie Alkaliphosphat ergänzt (J o n e s und Homer,
J. Opt. Soc. Amer. 31, 1941, 34). Zu beachten ist, daß Gläser, die nur Silicat,
Kalk und Soda enthalten, also gerade die Gebrauchsgläser des täglichen Bedarfs,
wie Fenstergläser u. dgl., für eine Behandlung mit derartigen Agenzien als ungeeignet
befunden wurden. Die maximal erzielbaren Vergütungswerte liegen auch bei diesen
Verfahren durchaus im Rahmen des Bekannten, so wurde die Reflexion von io auf 5,5%
herabgesetzt und in einem anderen Fall von 8 auf 5%. Die geringe Leistungsfähigkeit
dieser chemischen Methoden, deren Fortentwicklung eigentlich nur durch das Auffinden
neuer, immer nur sehr beschränkt brauchbarer Chemikalien gekennzeichnet ist, sowie
auch das inzwischen sehr gesteigerte Bedürfnis nach möglichst hohen Vergütungswerten
brachte es mit sich, daß ihre Bedeutung eher geringer wurde und Verfahren in den
Vordergrund traten, die im Aufbringen glasfremder Schichten auf die Oberfläche der
Gläser bestehen. Es ist verständlich, daß derartige Verfahren weitgehend von der
Glassorte unabhängig sein müssen, so daß nach dem gleichen Verfahren praktisch alle
Gläser als gleich gut vergütbar zu betrachten sind. Die praktischen Verfahren mit
glasfremden Vergütungsschichten zeigten, daß die hohen, im Versuch erreichbaren
Werte von R = o,60/" pro Platte wegen der geringen Widerstandsfähigkeit der Schichten
nur theoretische Bedeutung hatten. Die chemischen Methoden konnten aber nur dann
an ihre Stelle treten, wenn es möglich geworden ist, bei der bekannten hohen Widerstandsfähigkeit
der so erzeugten Vergütungsschichten alle Glassorten zu behandeln. Auf Grund der
schon vorliegenden empirisch gewonnenen Ergebnisse war ein Erfolg nur als Ergebnis
einer sorgfältigen Grundlagenforschung zu erhoffen.
-
Die Einleitung dieser notwendigen grundlegenden Untersuchungen führte
zunächst zu Teilerfolgen. Ausgehend von Betrachtungen über den Feinbau der Gläser
und ihre chemische Zusammensetzung aus zahlreichen Bestandteilen und Komponenten,
die, physikalisch gesehen, in ihrem Zusammenspiel die optischen Eigenschaften bedingen,
gelang es zunächst, einen allgemeinen Zusammenhang zwischen Vergütbarkeit und Chemismus
der Gläser zu finden (Schröder, Z. techn. Physik, 22, 1941, 38). Bringt man diese
Gesetzmäßigkeit in die Form einer graphischen Darstellung, so erhält man auf diese
Weise eine einfache Möglichkeit, die Vergütbarkeit der verschiedenen Glassorten
auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung schnell zu überblicken und den maximal
möglichen Vergütungswert aus dem Schaubild im voraus abzugreifen, wenn die Menge
des herauslösbaren Anteils festliegt. Ein chemisches Verfahren, das also diesen
Wert nicht zu erreichen gestattet, ist durch ein anderes zu ersetzen oder in seinen
Einzelheiten so lange zu variieren, bis der errechnete Vergütungswert mit Sicherheit
in jedem Fall erreicht werden kann. Aus dieser Aufgabenstellung heraus ergaben sich
daher verschiedene Möglichkeiten für weitere Vorschläge: Wenn auch auf die Bedeutung
der Konzentration und auf die der Temperatur schon gelegentlich hingewiesen war,
so konnte jetzt doch mit Leichtigkeit ein systematisches Überprüfen der bekannten
Verfahren nach wichtigen Abhängigkeiten von derartigen Größen sowie auch vom Druck,
von aktivierenden Maßnahmen u. dgl., die zu einer Intensivierung der chemischen
Vorgänge beitragen, stattfinden. Nicht nur der Bereich der mit bestimmten Chemikalien
vergütbaren Gläser, sondern auch ihre Leistungsfähigkeit in Hinsicht auf die Höhe
der Vergütungswerte sowie die Festigkeitseigenschaften der Schichten ließen sich
auf diese Weise erweitern, so daß der universelleren Verwendung glasfremder Schichten
nunmehr in manchen Fällen chemisch vergütete Gläser mit Erfolg gegenübertreten können.
-
Abgesehen von diesen mehr praktischen Ergebnissen konnte auch ein
wertvoller Einblick in die Lösungsvorgänge selbst bzw. in den eigentlichen Chemismus
der Vergütung erhalten werden. So gelang es, die herausgelösten Metalle in der Lösung
spektralanalytisch nachzuweisen, und eine gewichtsmäßige Überprüfung des Materialumsatzes
führte mit größter Sicherheit zu dem Ergebnis, daß das Kieselsäuregerüst bei den
bekannten, d. h. sauren Behandlungsverfahren im allgemeinen völlig unberührt bleibt.
Ließen sich Spuren von Siliciumverbindungen feststellen, so waren sie gewichtsmäßig
völlig zu vernachlässigen und somit auch ohne Bedeutung für den Vergütungseffekt
selbst. Auffallenderweise ergab sich jedoch bei einem Schwerkron, daß gleichzeitig
mit dem Fortschreiten der vordersten Reaktionsfront in das Innere des Glases ein
wenn auch bedeutend langsameres Abtragen der zunächst stehengebliebenen Vergütungsschicht
von außen her erfolgen kann. Da das Kieselsäuregerüst in
jedem Fall
als verhältnismäßig stabil zu betrachten ist, so ist dieser Effekt nur aus der extremen
Zusammensetzung dieser Glassorte zu erklären, eine Frage, die die letzten noch ungeklärten
Feinheiten der Glasstruktur berührt.
-
Was jedoch im vorliegenden Fall den Vorgang des Abbaues der äußeren
Bestandteile des Kieselsäuregerüstes im Hinblick auf vergütungstechnische Fragen
betrifft, so konnte auch hier auf Grund gewichtsmäßiger Überprüfungen sowie auf
Grund der gemessenen, andernfalls als zu niedrig befundenen Vergütungswerte der
bündige Beweis für die Richtigkeit der Vorstellung erbracht werden, daß tatsächlich
auch in diesem Fall nur ein Abbau der äußersten Kieselsäureschichten stattfindet,
und daß innere Bereiche der Schicht durch teilweisen Abbau des Kieselsäuregerüstes
vergütungstechnisch beeinflußt, d. h. optisch aufgelockert werden. Die Richtigkeit
dieser Überlegungen ließ sich weiterhin mittels einer Interferenzmethode, die den
Abbau der äußeren Kieselsäureschichten sogar meßbar zu verfolgen gestattet, unmittelbar
bestätigen.
-
Nicht übersehen darf man allerdings neben diesen neuen Erkenntnissen
über die sauren Verfahren, daß die Glasbehandlung mit alkalischen Agenzien infolge
prinzipieller Schwierigkeiten auch jetzt noch keine Fortschritte machen konnte.
Bekanntlich haben Alkalien verätzende `'Wirkung verursacht durch die Art des Abbaues
der Glasoberfläche, wobei weder die leichter herauslösbaren Bestandteile, also die
üblichen Metalloxyde, noch das stabilere Kieselsäuregerüst geschont werden. Infolge
der unterschiedlichen Lösungsgeschwindigkeit entsteht eine rauhe Oberfläche mit
ungleichmäßiger Struktur, so daß auch bei vorsichtiger Behandlung mit Alkalien das
Glas seine Politur in kurzer Zeit verliert und eine stark streuende Oberfläche erhalten
wird. Es ist weiterhin nicht verwunderlich, daß trotzdem ein gewisser Vergütungseffekt
auch bei alkalischer Behandlung in Erscheinung treten kann, denn infolge der unterschiedlichen
Bindungskräfte der zahlreichen Glasbestandteile wird die Front des Vordringens der
chemischen Reaktionen nicht gleichmäßig in einer Ebene erfolgen, so daß infolge
der Bildung von Poren, Lücken usw. eine gewisse Auflockerung der Schichten bewirkt
wird, die natürlich in einer gewissen Schichtdicke zu einem optisch dünneren Medium
führen kann. Das gefrorene Aussehen derartiger Schichten weist aber darauf hin,
daß die durch den allgemeinen Abbau erzeugten Verätzungen doch gleichzeitig Dimensionen
angenommen haben, die zu einer so erhöhten Streuung der Schichten führen, daß sie
den Beginn einer allgemeinen Mattierung der Glasoberfläche darstellen.
-
Trotz der weiter oben geschilderten Fortschritte lassen die bis dahin
erzielten Leistungen der optischen Vergütungen auf chemischem Wege daher noch viel
zu wünschen übrig, denn das Ziel der Technik war nach wie vor unerreicht, nämlich
ein Verfahren zu finden, das möglichst in der gleichen Weise für alle Glassorten
geeignet ist und das die Reflexionseigenschaften der Oberflächen auch möglichst
vollständig zu vernichten vermag, ohne die Durcblässigkeit zu vermindern. Überblickt
man die bekannten chemischen Verfahren, so kann man zusammenfassend folgendes feststellen
r. Die als brauchbar befundenen Chemikalien besitzen mehr oder weniger stark sauren
Charakter, und zwar entweder unmittelbar oder nach geeigneter Behandlung, wie Zugabe
anderer Materialien usw. Diese Chemikalien lösen gewisse herauslösbare Bestandteile
des Glases, wie Metalloxyd, innerhalb gewisser Grenzen quantitativ heraus, d. h.
kontrollierbar auf Grund des angedeuteten bekannten Zusammenhangs zwischen dem chemischen
Aufbau des Glases und seinem optischen Verhalten. Demzufolge bestehen die gebildeten
Oberflächenschichten im wesentlichen nur aus der ursprünglichen Kieselsäure, die
der Säureeinwirkung widerstanden hat und ein lockeres Gerüst bildet, das als solches
den optischen Effekt der Vergütung zeigt.
-
2. Die Verwendung von Alkalien führt nicht zu brauchbaren Verfahren.
Sie werden in allen wissenschaftlichen Abhandlungen von der Betrachtung praktisch
ausgeschlossen, es sei denn, daß kurze Hinweise gegeben werden, die eigentlich nur
ihre Unbrauchbarkeit darlegen sollen. Dies gründet sich darauf, daß sie entweder
zu einer Verätzung der Oberflächen führen, in dem sie diese in ziemlich unregelmäßiger
Form vollständig abtragen; oder sie führen zu Oberflächenschichten, die zwar optisch
etwas aufgelockert sind, aber gefrorenes Aussehen besitzen, also im wesentlichen
auch nur wieder verätzte Oberflächen darstellen, die als unbrauchbar zu verwerfen
sind und zum Aufsuchen neuer, saurer Verfahren Anlaß geben.
-
In der vorliegenden Erfindung gelang es nun, die hier geschilderten
Verhältnisse grundlegend zu ändern. Auf Grund weiterer Überlegungen und insbesondere
auf Grund von Untersuchungen über Anlagerungen fremder Moleküle an Glasoberflächen
bzw. an innere Bereiche aufgelockerter Oberflächenschichten wurde es in der vorliegenden
Erfindung ermöglicht, ein neues Verfahren herauszuarbeiten, das sich auf alle Glassorten
anwenden läßt und durchweg immer zu Schichten mit erhöhten Vergütungswerten und
hervorragenden Festigkeitseigenschaften führt. Das neue Verfahren besteht darin,
daß das Kieselsäuregerüst nur einem teilweisen chemischen Angriff ausgesetzt wird,
indem die Einwirkung von Chemikalien auf das Kieselsäuregerüst durch Schutzstoffe,
die den Chemikalien zusätzlich zugegeben sind oder erst infolge von Wechselwirkungen,
die zwischen den Chemikalien einerseits und den Glasbestandteilen andererseits hervorgerufen
sind, erzeugt werden oder aber schon in den Ausgangsmaterialien als an sich unerwünschte
Beimengung (als sogenannte Verunreinigung) wenigstens zum Teil enthalten sind, in
der Weise beeinflußt wird, daß infolge der Schutzwirkung dieser Stoffe ein Teil
der Kieselsäure für eine chemische Einwirkung unzugänglich wird, so daß eine Vergütungsschicht
derart entsteht, daß aus dem ursprünglichen Kieselsäuregerüst ein gewisser Bruchteil
der Kieselsäure entfernt ist und der Restteil der Kieselsäure eine geringere Dichte
besitzt als ohne einen derartigen teilweisen Angriff.
Der wesentliche
Vorteil, der sich offensichtlich aus diesem Verfahren ergibt, besteht daher einerseits
darin, daß höhere Vergütungswerte als bisher erreichbar sein müssen, da nunmehr
eine weitere Auflockerung der Oberflächenschicht erfolgen kann, indem auch das Kieselsäuregerüst
selbst in den allgemeinen Auflockerungsprozeß einbezogen wird. Ferner ist auch die
Möglichkeit gegeben, Gläser, die bisher mangels geeigneter Chemikalien überhaupt
nicht vergütet werden konnten, wie z. B. Fenstergläser, die in jeder Hinsicht zu
den stabilsten Glassorten zu rechnen sind und jedem Versuch einer optischen Vergütung
starken Widerstand entgegensetzten, hochwertig zu vergüten. So konnten Fenstergläser
bis auf Reflexionswerte von 0,5% herab vergütet werden, und zwar mit einer wesentlich
höheren Festigkeit, als sie mit glasfremden Schichten erzielbar ist, so daß dem
praktischen Gebrauch des vergüteten Fensterglases nichts mehr im Wege steht. Im
übrigen konnten bei anderen Glassorten Reflexionswerte von weniger als
0,3% erzielt werden, so daß man zu niedrigeren Werten kommen kann, als sie
selbst beim Aufdampfen bestgeeigneter glasfremder Stoffe erreicht werden können.
Ferner können nunmehr auch Chemikalien Verwendung finden, die, wie z. B. die Alkalien,
an sich zu einem Angriff auf das Kieselsäuregerüst neigen, sogar die Verwendung
von Ätzalkalien und Flußsäure liegt nunmehr im Bereich des Möglichen. Da nämlich
erfindungsgemäß infolge der Wirkung der Schutzteilchen in jedem Fall nur ein teilweiser
Angriff auf das Kieselsäuregerüst zugelassen wird, so bleibt dieses als solches
erhalten, ein vollständiger Abbau findet allenfalls nur außen in den letzten Grenzschichten
statt, und die bis dahin störende Ätzwirkung ist beseitigt.
-
Dieser teilweise Angriff auf die Kieselsäure des Glases ist natürlich
bei solchen Gläsern von besonderer Bedeutung, die im wesentlichen nur aus Kieselsäure
bestehen, bei denen also die bekannten Verfahren von vornherein versagen müssen.
-
Der Unterschied des neuen Verfahrens dem bekannten gegenüber liegt
also in erster Linie darin, daß das normale Kieselsäuregerüst, wie es die üblichen
Gläser enthalten, durch einen teilweisen Angriff mehr oder weniger über seine ganze
Ausdehnung hin, also vor allem in seinen inneren Bereichen, aufgelockert wird, indem
ein gewisser Bruchteil des Kieselsäurematerials herausgelöst und entfernt wird.
Damit ergibt sich i. die Forderung nach Verwendung von chemischen Lösungen, die
das Kieselsäuregerüst anzugreifen vermögen, und 2. die Forderung nach geeigneten
Maßnahmen, die bewirken, daß dieser Angriff nicht zu einem allgemeinen Abbau führt,
sondern nur zur Ablösung eines ganz bestimmten Bruchteils der Kieselsäure.
-
Als geeignete Mittel zur Erfüllung der ersten Forderung erwiesen sich
besondere Lösungen, deren Hydroxylionenkonzentration in einem Bereich von etwa io13
bis io'9 liegt. Es zeigte sich nämlich, daß als wirksamer B-2standteil der Lösungen
in erster Linie die Hydroxylionen anzusehen sind, deren Konzentration zweckmäßig
innerhalb des genannten Bereiches zu liegen hat, damit zunächst noch ein uneingeschränkter
Angriff auf das Kieselsäuregerüst stattfinden kann. Der angegebene Bereich erstreckt
sich offenbar vom alkalischen Gebiet einschließlich des neutralen Gebietes bis in
das schwach saure Gebiet hinein, was darauf hinweisen dürfte, daß die Einteilung
der chemischen Stoffe, wie sie durch die Begriffe alkalisch, neutral und sauer gegeben
ist, vergütungstechnisch in den Hintergrund tritt und, wie die bisherige Entwicklungstendenz
zeigt, zu falschen Vorstellungen Anlaß geben muß. Um eine derartige Lösung herzustellen,
kann man erfindungsgemäß z. B. von Natronlauge ausgehen und ihre Hydroxylionenkonzentration
durch Säurezugaben je nach Wunsch von alkalischen Werten über den Neutralpunkt bis
zu schwach sauren Werten einstellen; damit hat man somit angriffsfähige Lösungen
zur Verfügung, deren Einwirkungsmöglichkeiten nun zur Erfüllung der zweiten Forderung
erfindungsgemäß durch Zugabe von Schutzstoffen in der Weise eingeschränkt werden,
daß den Hydroxylionen die Angriffsmöglichkeit auf einen Teil der Kieselsäuremoleküle
genommen wird. Letzteres kann z. B. mit Hilfe von kolloid-dispersen Stoffen geschehen.
Als solche Schutzstoffe erwiesen sich z. B. Metalloxydhydrate z. B. des Eisens als
geeignet, von denen Spuren, z. B. 1/l0000 molar, zur Vergütungslösung zugesetzt
werden. Diese Teilchen führen nun, etwa durch eine Anlagerung an die Glasbestandteile,
in erster Linie hier an das Kieselsäuregerüst oder auf Grund anderer, z. B. elektrokinetischer
Erscheinungen, zu einer teilweisen Behinderung der Wechselwirkungskräfte, die an
sich für die gegenseitige Einwirkung zwischen den Hydroxylionen und den Glasbestandteilen
verantwortlich sind. Wie noch betont sei, läßt sich dieser Vorgang mit einer solchen
Präzision zur Durchführung bringen, daß die Versuche jederzeit wiederholbar sind
und immer zu den gleichen Ergebnissen führen, d. h. daß unter gleichen Bedingungen
auch immer die gleichen Vergütungswerte erhältlich sind.
-
Das neue Verfahren möge noch an einem weiteren Beispiel, das aus zahlreichen
Möglichkeiten willkürlich herausgegriffen wird, erläutert werden. Durch eine n/5-Kaliumchromatlösung
wird ein Fensterglas so stark verätzt, daß es für Licht als völlig undurchlässig
zu bezeichnen ist. Setzt man einer derartigen verätzenden Lösung dagegen i% einer
n/io-Lösung von Ferroammoniumsulfat zu, so ändert sich das Verhalten der Kaliumchromatlösung
vollständig. Läßt man die so veränderte Lösung nämlich längere Zeit bei erhöhter
Temperatur auf eine polierte Platte aus obigem Material, das durch keine der bisher
bekannten chemischen Verfahren vergütet werden kann, einwirken, so findet nunmehr
durch die steuernde Wirkung des zugesetzten Stoffes statt eines allgemeinen Abbaus
nur eine Auflockerung des Glasmaterials statt, die zu einer Vergütungsschicht mit
einer Durchlässigkeitserhöhung bis auf 97°% und darüber führt.
-
Bei der Auswahl der als Schutzteilchen zu verwendenden Stoffe kann
es zweckmäßig sein, auf einen hohen Dispersitätsgrad der Teilchen zu achten, damit
sie in ihrem Vordringen in das Glasinnere nicht behindert sind und vor dem Wirksamwerden
des ehemischen Angriffs rechtzeitig in Erscheinung treten
können.
Als brauchbar erwiesen sich z. B. organische Flüssigkeiten mit starkem Dipolmoment,
wie Alkohole; aber auch Stärke und ähnliche organische Körper leisten Vorzügliches.
Ferner zeigte es sich, daß besonders Ionen hoher Wertigkeit geeignet sind; im übrigen
ist es selbstverständlich, daß die gewählten Lösungsbestandteile einander anzupassen
und auch die physikalisch-chemischen Bedingungen zu berücksichtigen sind, die bei
Grenzflächeneffekten u. dgl. in bekannter Weise von Bedeutung sind.
-
In einem der obengenannten Beispiele wurde von Natronlauge ausgegangen,
der z. B. Salzsäure zugesetzt ist. Bekanntlich erhält man dann im Neutralpunkt eine
reine Kochsalzlösung. Natürlich kann man, wenn man nicht im Neutralpunkt oder dessen
Nähe arbeiten will, auch ebensogut so vorgehen, daß man aus einer Kochsalzlösung
durch Zusatz von Natronlauge bzw. Säure entsprechende Lösungen herstellt. Ähnliche
Umkehrungen bei der Herstellung anderer Lösungen liegen auf der Hand und ergeben
sich zwangsläufig.
-
Die Wirksamkeit der Schutzstoffe möge noch an einem besonders auffälligen
Beispiel gezeigt werden. Nach dem bisherigen Stand der Vergütungstechnik dürfte
es als völlig abwegig erscheinen, Flußsäure, die als eines der stärksten Ätzmittel
für Glas bekannt ist, als Mittel zur Erzeugung von Schichten verminderter Reflexion
zu verwenden. Es zeigte sich jedoch, daß mit einer etwa mittels Calciumfluorid gepufferten
Flußsäurelösung bei Zugabe von Spuren von geeigneten Schutzstoffen, wie z. B. Alkohol,
die bisher zu erwartenden starken Verätzungen ausbleiben und optische Vergütungsschichten
beobachtet werden.
-
Im Verlauf der Untersuchungen ergab sich nun, daß die hier dargestellte
neue Verfahrenstechnik in manchen Fällen insofern ohne eine allgemeine Bcdcutung
zu sein scheint, als sich Lösungen finden lassen, die offenbar eine besondere Zugabe
von Schutzstoffen nicht benötigen, obwohl sie im allgemeinen wegen ihrer im obengenannten
Bereich liegenden Hydroxylionenkonzentration zu einem ganz allgemeinen Abbau der
Kieselsäure führen müßten. So erwies sich z. B. eine Kaliumchromatlösung finit einer
Hydroxylioncnkonzentration von etwa ro"' beispielsweise bei einem bleilcaltigen
Glas mit einer Zusammensetzung von etwa 45% Si02, 45% Pb0, 9% Alkalioxyd und insgesamt
i°,-ö .11203, As203, Fe203 ohne äußereZugabe von Schutzstoffen als durchaus brauchbar.
Eingehende Untersuchungen zeigten jedoch, daß auch hier die Schutzteilchen die entscheidende
Rolle spielen, denn es wurde gefunden, daß da; beim Vergütungsprozeß gebildete Bleichromat
durch wirkungsvolle Abschirmung eines Teils der Kieselsäure die beschriebene Schutzwirkung
übernimmt und nach Entfernung des Bleichromats bei Beendigung des Prozesses eine
tadellose Vergütungsschicht erzeugt ist.
-
Nach den bekannten Verfahren war praktisch keine Möglichkeit gegeben,
das Verhältnis zwischen inechanisc:her Festigkeit und dem optischen Vergütungswert
beliebig zu bemessen, denn der Vergütungsprozeß wurde allein lediglich durch die
unmittelbare Reaktionsfähigkeit der Lösungen bestimmt. Nach dem neuen Verfahren
dagegen ergibt sich neinmehr der große Vorteil, daß das Verhältnis dieser Größen
beliebig einstellbar ist. Somit kann von allen Seiten der Praxis zu stellenden Forderungen
voll entsprochen werden und jeder beliebige, im voraus festgelegte Festigkeitswert
der Vergütungsschicht erhalten werden, umgekehrt innerhalb gewisser Grenzen auch
jeder gewünschte Vergütungswert; natürlich besteht dabei eine gewisse Abhängigkeit
zwischen diesen Größen insofern, als bei einigen Gläsern sehr feste Schichten niedrigere
Vergütungswerte aufweisen, während Schichten mit besonders hohen Vergütungswerten
bisweilen eine geringere Festigkeit besitzen. Für jede Glassorte läßt sich aber
volle Festigkeit oder höchste optische Vergütung erreichen. Der Fortschritt des
neuen Verfahrens gegenüber den bekannten, als starr zu bezeichnenden Verfahren liegt
neben dem Haupterfolg der Vergütbarkeit aller Glassorten in der großen Auswahlmöglichkeit
geeigneter Chemikalien und Schutzstoffe, wobei man mit Hilfe der Schutzstoffe in
der Lage ist, den Vergütungsprozeß beliebig zu steuern; denn Art und Konzentration
der Schutzstoffe bieten zahlreiche Variationsmöglichkeiten für das chemische Geschehen
und damit die Möglichkeit, die Eigenschaften der Vergütungsschichten dem speziellen
Einsatzzweck anzupassen.
-
Ein weiterer, sich auf die angedeutete Eigenart des neuen Verfahrens
gründender Vorteil ist darin zu erblicken, daß die Bildung inhomogener Schichten
ermöglicht wird, die bekanntlich den Vorteil geringer spektraler Abhängigkeit des
Vergütungseffektes besitzen. Konzentration und die besonderen Eigenschaften der
Schutzstoffe gestatten es nämlich, den Chemismus, wie schon bemerkt, nach bestimmten
freien Gesichtspunkten zu steuern und insbesondere die Wirksamkeit der Chemikalien
innerhalb der Schicht in verschiedener Weise zu beeinflussen, so c?aß z. B. Inhomogenitäten
erzielt werden körnen.
-
Selbstverständlich ergibt sich noch die #Nlöglichkeit, das vorliegende
Verfahren mit den bekannten in mancherlei Weise zu verbinden. So bc -telit z. B.
die Möglichkeit, zunächst in der übliche-i bekannten `"eise etwa die basischen Glasbestandteil#2
herauszulösen und danach die stehengebliebcne,n Mater_alschichten durch teilweisen
Angriff auf das Ki,,selsäuregerüst in der beschriebenen Weise noch weiterhin aufzulockern.
Auch das umgekehrte Verfahren läßt sich in manchen Fällen mit dem Vorteil besonders
hoher Vergütungswerte anwenden, ferner kann auch bei geeigneter Wahl der Versuchsbedingungen
erreicht werden, daß beide Prozesse gleichzeitig nebeneinander ablaufen.