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Strebenloses Tragwerk Die Erfindung betrifft ein ebenes strebenloses
Tragwerk, das in ähnlicher Weise wie die bekannten Formen des sog. Langerbalkens
und der Hängebrücke sich der Stützlinienwirkung bedient, und verfolgt den Zweck,
die Nachteile der bisherigen Systeme zu vermeiden. Während nämlich diese bekannten
Systeme sich vor den Strebenfachwerken dadurch auszeichnen, daß sie für eine bestimmte,
die wechselnden Gesamtbelastungen möglichst gut ersetzende Durchschnittsbelastung
besonders zweckmäßig geformt werden können, haben sie andererseits den Nachteil,
daß sie gegenüber den stützlinienfremden Abweichungen der Belastungsextreme (für
einseitige Belastung) von dieser für die Systemformung maßgebenden Grundbelastung
eine starke elastische Nachgiebigkeit besitzen, wenn der Versteifungsträger nicht
sehr kräftig ausgebildet ist. Da nämlich diese extremen Abweichungen der einseitigen
Verkehrsbelastung von der Grundbelastung sich annähernd als antisymmetrische Belastungen
(vgl. die bekannte Berechnung der Gewölbe mit der Grundbelastung = g -1-
p/ z und der antisymmetrischen Abweichung -+-p/2) darstellen, ergibt sich
unter Anwendung des Prinzips der Summierung der Wirkungen für diesen stützlinienfremden
antisymmetrischen Belastungszustand völlige Spannungslosigkeit der Stützliniengurtung
und ein solches Verhalten des Systems, als wenn der Versteifungsträger allein vorhanden
wäre. Aus dieser Eigenschaft der genannten Systeme ergibt sich somit die Notwendigkeit,
dem Versteifungsträger eine erhebliche Biegungssteifigkeit zu geben. Dies hat wiederum
den Nachteil, daß die Steifigkeit dieses Trägers die volle Ausbildung und Ausnutzung
der Stützlinienwirkung verhindert. Es liegt daher nahe, eine Lösung zu suchen, die
eine volle Ausnutzung der Stützlinienwirkung ohne Behinderung durch Absteifungen
ermöglicht, und zwar in solcher Allgemeinheit, daß hierdurch eine weitgehende Freiheit
der Gestaltung zur Anpassung an Forderungen der Raumbeschränkung und der Ästhetik
erzielt wird; andererseits aber wird für diese Lösung zu fordern sein, daß bei stützlinienfremden
Abweichungen der Belastung eine kräftige Mitwirkung
von Teilen des
Stützliniennetzes auf einfachem Wege erreicht wird. Die Erfüllung dieser Aufgabe
bezweckt die nachstehend beschriebene Erfindung.
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Die Erfindung betrifft ein ebenes Tragwerk, das aus einem Netz von
Gelenkvierecken s und einem Versteifungsstabzug v von folgender Beschaffenheit zusammengesetzt
ist.
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Das in Fig. i dargestellte Vierecksnetz s ist unter Anwendung der
Gleichgewichtsbedingungen (Ausnutzung der Stützlinienwirkung) so geformt, daß es
gegenüber einer bestimmten Belastung, die etwa in der Mitte zwischen den Grenzwerten
der -wechselnden Belastung liegt und hier als Grundbelastung bezeichnet wird, sich
im (allerdings in der Regel labilen') Gleichgewicht befindet.
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Der Versteifungsstabzug v beseitigt die Beweglichkeit des Systems,
indem er unter Berührung aller quer und längs gerichteten Netzlinien (also unter
mindestens einmaliger Berührung jeder Netzlinie) auf diesen das System durchschreitet,
und zwar in der Art, daß einzelne der Quer- und Längsreihen nicht nur einmal, sondern
mehrfach berührt werden und somit zwischen den Berührungspunkten p des Stabzuges
sich an der Aussteifung des Systems beteiligen. Während man im Falle einer gelenklosen
Führung des Versteifungsstabzuges bei nur einmaliger Berührung jeder Netzlinie ein
statisch bestimmtes System erhalten würde, hätte man bei jeder wiederholten Berührung,
derselben Netzlinie (Quer- oder Längsreihe) es mit einer statischen Unbestimmheit
zu tun. Bei dem Tragwerk nach der Erfindung ist daher in die zwischen zwei solchen
Berührungspunk- liegende Strecke des Versteifungsstabzuges ein Gelenk g eingeschaltet
und damit die statische Unbestimmtheit beseitigt, ohne das System beweglich zu machen.
Bei der Führung des Stabzuges kann auch ein Rücklaufen auf bereits berührten Stäben
stattfinden; ferner können einzelne Stäbe die Länge o erhalten, wobei die betreffenden
Vi,-recke als Grenzfall in Dreiecke übergehen. An Stelle der Gelenke können auch
federnde Glieder angeordnet sein, ohne die Wirkung -wesentlich zu beeinträchtigen.
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Gegenüber einer nur einmaligen Berührung aller Netzlinien durch den
Versteifungsstabzug, der dann wie beim Langerbalken und bei der Hängebrücke gelenklos
sein müßte, hat die dargestellte Ausbildung des Versteifungsstabzuges somit die
Wirkung, daß sich Teile des Vierecksnetzes (punktiert) an der Absteifung beteiligen
und mit dem Versteifungsstabzug zusammen ein Versteifungsband bilden; dies Versteifungsband
weist auf diesen Strecken zwei voneinander getrennte Gurtungen auf, übertrifft den
Versteifungsstabzug daher wesentlich an Durchschnittshöhe und ermöglicht daher in
günstiger Weise die Aufnahme der stützlinienfremden Abweichungen der Grenzwerte
der wechselnden Belastung von der Grundbelastung, während diese Grundbelastung im
Versteifungsband (Versteifungsstabzug und mitwirkende Netzteile) keine zusätzlichen
Spannungen über die bei der Netzformung zugrunde gelegten axialen Spannungen hinaus
hervorruft.
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Der technische Fortschritt gegenüber dem Bekannten ist in den folgenden
Eigenschaften zu erblicken i. Das beschriebene System vermeidet die Nachteile der
bisherigen mit Stützlinienwirkung arbeitenden Systeme (Langerbalken, Zweigelenkbogen
mit Zugband; Hängebrücke t ; diese Nachteile sind in einer nicht vollen Ausnutzung
der Stützlinienwirkung infolge der Beeinträchtigung durch den Versteifungsträger
und in der elastischen Empfindlichkeit gegenüber den stützlinienfremden Abweichungezi
der Verkehrsbelastung von der Grundbelastung zu sehen.
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2. Gegenüber den unter i genannten \achteilen bekannter Systeme wird
durch die hier beschriebene Anordnung des Versteifungsträgers ermöglicht, daß infolge
der Wirkung der Gelenke das der Formgebung zugrunde gelegte Stützliniennetz sich
ungehindert ausbilden kann und andererseits bei stützlinienfremder Belastung durch
die Heranziehung anderer Netzteile eine kräftige Absteifung und geringe elastische
Nachgiebigkeit erzielt wird. Infolge dieser Eigenschaften -wird die hier beschriebene
Anordnung eine Ausbildung strebenloser Fachwerke auch dann noch ermöglichen, -wenn
dies bei den bekannten Systemen bereits auf Schwierigkeiten stößt, weil die Verkehrslasten
im Verhältnis zum Eigengewicht erheblich sind. Da dieser Fall bei kleineren Spannweiten
und bei der Verwendung von Leichtbaustbffen vorliegen wird, ergibt sich hieraus,
daß der Bereich der Anwendungsmöglichkeiten der neuen Bauweise größer ist als bei
den bisherigen Systemen.
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3. Die kräftigere Versteifung und die unbeeinträchtigte Stützlinienwirkung
werden eine geringere Bauhöhe zulassen, als sie bei den bisher bekannten Systemen
zweckmäßig und notwendig war.
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q.. Das System ist statisch bestimmt.
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5. Temperaturspannungen treten nicht auf. 6. Der hier eingeführte
Begriff des Vierecksnetzes oder Stützliniennetzes, das unter Benutzung der Stützlinienwirkung
in allen Quer- und Längsreihen sich bei Grundbelastung im Gleichgewicht befindet,
stellt die allgemeinste und zugleich statisch zweckmäßigste Form dar, die einem
Fachwerknetz gegenüber einer bestimmten Belastung gegeben
werden
kann und ermöglicht zugleich eine weitgehende Anpassung an gegebene räumliche und
ästhetische Bedingungen. Gegenüber einem ohne Rücksicht auf Stützlinienwirkung geformten
Strebenfachwerkwird es die gleichen Vorzüge sparsamer. Verwendung der Baustoffe
zeigen wie ein Gewölbe gegenüber einem auf Biegung beanspruchten Balken. Wie natürlich
der Kräfteverlauf in feinem solchen Vierecksnetz gestaltet werden kann, zeigt ein
Vergleich mit dem Netz der orthogonalen Spannungstrajektorien eines ebenen Spannungszustandes
in einem elastischen Körper, die gleichfalls aus einem derartigen Vierecksnetz bestehen.
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Anwendungen des Systems, und zwar in einreihiger Form, sind in den
Fig.2 bis dargestellt. Die Fig.8 und 9 zeigen eine mehrstufige Ausführung des Systems,
in der bereits die biegungssteifen Einzelglieder nicht vollwandig, sondern nach
gleicher Art vergittert ausgebildet sind.
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Das System wird in erster Linie bei Dächern und Brücken mittlerer
und großer Spannweite angewandt werden können, doch wird voraussichtlich auch eine
Anwendung im Luftschiff- und Flugzeugbau sowie im Schiffbau in Frage kommen.