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Verfahren zur Beschleunigung des Zerrieselns dicalciumsilicathaltiger
Klinker Bekanntlich besteht die Verbindung z Ca O -- Si O. (Dicalciumsilicat) in
einer a-, ß- und y-Modifikation, die die folgenden Umwandlungstemperaturen und die
folgenden Molekularvolumina haben:
Modifikation Molekular- Umwandlungs- |
volumen temperatur |
a = 2 CaO - SiOz 52,6 cm3 1420o |
ß = 2 CaO - Si 02 52,4 cm' 675° |
y - 2 Ca,0 - Si 02 57,9 cms 675" |
Während also die a- und ß-Modifikation ungefähr gleiche Räumbeanspruchung haben,
hat die y-Modifikation eine um etwa io°/a größere Raumerfüllung. Bei der Umwandlung
der ß- in -die y-Modifikation findet demnach eine Volumvermehrung statt, die sich
in dicalciumsilicathaltigen Massen, die durch Sintern oder Schmelzen hergestellt
sind, in einem Zerrieseln des gesinterten oder geschmolzenen Gutes zu einem staubfeinen
Pulver kundgibt.
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Solche Erscheinungen sind in besonderere Maße in der Zementindustrie
bekanntgeworden, wo schlecht gebrannte oder ungünstig zusammengesetzte Zementkliniker
beim Verlassen des Ofens infolge eines Gehaltes an Dicalciumsilicat zerrieseln können.
Da solche zerrieselten Zementklinker aber sehr schlechte Zemente ergeben, ist diese
Erscheinung sehr unerwünscht. Auch an Hochofenschlacken hat man Zerrieselungserscheinungen
beobachtet. Sie treten hier zum Teil erst nach längerem Lagern der Schlacken in
Erscheinung und sind gefürchtet, wenn die Schlacken in stückiger, fester Form abgegeben
werden und keine Einbuße ihrer Festigkeitseigenschaften erfahren sollen. Auch hier
ist das Zerrieseln wahrscheinlich wenigstens teilweise auf einen Gehalt der Schlacken
an Dicalciumsilicat zurückzuführen.
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Im Gegensatz zu diesen Beispielen, wo das Zerrieseln eine unangenehme
und unerwünschte Erscheinung ist, gibt es aber auch Fälle, in denen man das Zerrieseln
absichtlich herbeiführt, da es mit einem wesentlichen technischen Effekt verbunden
ist.
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So macht man sich mit Vorteil das Zerrieseln zunutze, wenn man aluminiumsilicathaltige
Stoffe durch pyrogenen Aufschluß mit Kalle auf Tonerde und Zement verarbeiten will.
Bei diesem Aufs:chluß werden durch Erhitzen des Aluminiumsilicates mit Kalk auf
1250 bis 14500 Klinker hergestellt, die
außer Dicaleiumsilicat Calciumaluminat
und in Gegenwart von Eisen auch Calciumaluininatferrit enthalten. Indem diese Klinker
mit Alkalicarbonatlösung umgesetzt werden, wirf eine Alkalialuminatlauge erhalten,
die auf Tonerde in üblicher Weise weiterverarbeitet:. wird, während durch einen
zweiten Brand des Rückstand in einen Zement übergeführt wird.
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Da es zur Laugung der Aufschlußklinker erforderlich ist, daß sie.
möglichst feinkörnig sind, miissen sie an sich weitgehend gemahlen werden. Diese
-Zahlung wäre aber in Anbetracht der Härte der Klinker sehr kostspielig. Sie wird
in den meisten Fällen dadurch erspart, daß die Klinker bei richtiger Walil der Zusammensetzung
infolge ihres Gehaltes an Dicalciunisilicat von selbst zerrieseln.
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Es hat sich nun gezeigt, daß das Zerrieseln der Aufschlußklinker in
vielen Fällen sehr langsam erfolgt; es kann unter Umständen Stunden, ja Tage dauern,
und daher ist bei solchem Material eine längere Lagerung notwendig.
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Mittel zur Beschleunigung des Zerrieselns derartiger Erzeugnisse sind
noch nicht bekanntgegeben worden. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die
Interessen der Industrien bisher dahin gingen, das Zerrieseln zu verhindern. Die
wichtigste beim Studinin der 7_erfallverliiitung gewonnene Erkenntnis ist die, daß
das Zerrieseln durch langsame Abkühlung der Produkte begünstigt, hingegen durch
rasche Abkühlung an der Luft verhindert wird. Durch die rasche Abkühlung an der
Luft wird die Hochtemperaturforin des Dicalciumsilicates eingefroren und ihre Umwandlung
verhindert. Die Zementindustrie schreckt auf Grund dieser Erkenntnisse die den Ofen
verlassenden Klinker mit kalter Luft ab.
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Überraschenderweise wurde nun gefunden, daß sieh die Verhältnisse
vollkommen ändern, wenn man den dicaleiumsilicathaltigen Klinker nicht an der Luft
abkühlt, sondern' finit Wasser oder einer wäßrigen Lösung zusammengibt. Gibt man
nämlich den noch heißen Klinker mit Wasser oder mit einer Lösung zusammen, mit der
ein Teil der Tonerde gelaugt werden soll, so zerrieselt der Klinker unter Aufsieden
der Flüssigkeit in Bruch-_. teilen einer Minute. höchstens aber in wenieen
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;: `@eliese Arbeitsweise eine enorme Verkürzung der Zeit erreicht, die -der Klinker
bei langsamem Abkühlen an der Luft zum Zerrieseln benötigen würde.
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Der Vorgang geht um so besser vor sich und das Pulver wird um so feiner,
je heißer die Flüssigkeit beim Eingeben des Klinkers wird. Es ist aus diesem Grunde
zweckmäßig, nicht zuviel Flüssigkeit im Verhältnis zur Klinkermenge anzuwenden.
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Mit besonderem Vorteil arbeitet man selbstverständlich in der Weise,
daß man das den Ofen verlassende, zweckmäßig bis auf etwa 500° abgekühlte Material
sogleich in die Lauge eingibt, mit der das Aufschlußprodukt weiterbehandelt werden
soll. Man erreicht auf diese Weise eine erhebliche Verkürzung der Arbeitsgänge und
nutzt die Wärme des Ofenproduktes zum Anheizen der Laugen aus.
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Bei sehr langsam zerrieselnden Klinkern ist es schließlich mitunter
möglich, den schon erkalteten Klinker noch nachträglich zu rascherem Zerrieseln
zu bringen, indem man ihn in heiße Lauge oder in heißes Wasser einträgt.
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Beispiel Aus einem Ton und einem Kalkstein wurde im Drehofen bei ungefähr
134o° ein Klinker erbrannt, der die Zusammensetzung 21,3°/0 Si02, 17,5°/o A120s,
1,1°/o Fez0s, 58,6°/o Ca0 hatte und ungefähr 6o°/" Dicalciumsilicat sowie hauptsächlich
Calciumaluminat enthielt.
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Von diesem Material wurde nach Verlassen des Ofens 1. eine Probe von
200 g an der Luft liegengelassen (A), 2: eine Probe von
Zoo g in 200
cm3 Wasser eingegeben (B) und 3. eine Probe von 200 g in
500 cm3 3,6 n-Natriumcarbonatlauge
eingetragen (C). Die Zeiten, die das gebrannte Gut zum Zerrieseln i brauchte, sowie
die Feinheit der Zerfallprodukte sind im folgenden verzeichnet:
A B (: |
Zerfalldauer........................ i h 15' 45" 6o" |
? 200 ,u 2,50/, 4,40/1 2,5 % |
Kornfeinheit der Zerfallprodukte .... ) Zoo bis 6o ic
1,2 °l0 3,9011 1,3 °/o |
l < 6o ,u 96,3 0/0 91,7 °/0 96,21/0 |