-
Herstellung -von Gegenständen, die eine stark verminderte Neigung
zum Auftreten von Alterungsspr«ödigkeit und von Blaubruch besitzen sollen Bei der
Verwendung weicher Flußstahlarten zu den verschiedensten Zwecken, sei es in Form
von Blechen, Rohren, Stab- und Profileisen oder Draht, bildet die Möglichkeit des
Eintretens von Alterungssprödigkeit und von Blaubruch immer eine Gefahr, die den
Wert des Stahles für seinen Verwendungszweck erheblich herabsetzt. Beide Erscheinungen
sind ihrer Natur nach gleichartig. Sie sind in der Hauptsache gekennzeichnet durch
eine große Sprödigkeit des Stahles; sie können eintreten, wenn der Stahl bei Raumtemperatlir
beansprucht wurde und darauf einige Zeit sich selbst überlassen blieb oder nach
der BeRnspruchung auf 2oo bis 300'
erwärmt wurde, ferner aber auch, wenn der
Stahl bei etwa 2oo bis 300' eine Beanspruchung erfahren hat.
-
Ein Stahl, der durch die oben gekennzeichnete Behandlung spröde und
brüchig würde, verliert diese Eigenschaft in erheblichem Maße, wenn man ihn nach
einer vorausgegangenen gleichmäßigen Kaltverformung in der Weise glüht, daß zwar
seine ursprüngliche Zähigkeit wieder hergestellt wird, jedoch der durch die Kaltverf
ormung verursachte kristallographische Richtungseffekt, d. h. eine in bestimmter
Weise gerichtete Kristallorientierung, erhalten bl ' eibt. Dieser Zustand
ist nicht nur durch die vorhan ' dene Zähigkeit des Stahles. gekennzeichnet,
sondern' der Stahl ,verliert seine Zähigkeit auch nicht wieder, wenn man ihn einer
neuen Alterungsbehandlung unterwirft, die normalerweise Sprödigkeit verursachen
würde. Es wurde nun gefunden, daß man diesen Zustand der Zähigkeit des Stahles unter
Beibehaltung des durch Kaltverformung, verursachten kristallographischen Richtungseiffektes
nicht nur erzielen kann, indem man nach vorausgegangener Kaltverformung den Stahl
in ganz bestimmter Weise glüht. Man erreicht dasselbe Ziel auch ohne eine Nachbehandlung
des Stahles* während des laufenden Erzeugungsvorganges, wenn man ihn entgegen der
normalen Regel noch bei Temperaturen zwischen seinem oberen Haltepunkt
A",
d. h. etwa goo', tind 7oo' durch Walzen, Schmieden, Pressen, Ziehen
o. dgl. in- kräf-',tiger Weise verarbeitet. Da das Ziel dieser Behandlung die Verursachung
eines ausgeprägten kristallographischen Richtungseffektes im Stah - le ist,
wie er kristalloptisch oder röntgenspektographisch nachgewiesen. wei#den kann, so
muß der Verarbeitungsgrad der Verarbeitungstemperatur in der Weise angepaßt sein,
daß mit abnehmender Temperatur in den Grenzen zwischen dem oberen Haltepunkt und
70.0' der Verarbeitungsgrad geringer wird. Das Maß der erforderlichen, bei Temperaturen
unterhalb A3 vorzunehmenden Warmverformung richtet sich nach der Stahlart,
d. h. dem Herstellungsverfahren und der Zusammensetzung, und nach den besonderen
Anforderungen, die sich aus dem Verwendungszweck, nämlich aus dem Maß der bei der
Verarbeitung vorgenommenen Kaltbeanspruchungen und aus -der Art und Größe der Bearispruchung
ergeben. Da eine gerichtete Kristallorientierung auf Grund metallurgischer
Gesetzmäßigkeiten
uNn so beständiger erhalten wird, je niedriger die Verformungstemperatur
liegt, so, wird das mögliche Min--, destmaß an erforderlicher Verformungsarbeit'
erreicht, wenn man die Verformung im T peraturbereich wenig -' oberhalb
700'
nimmt. Kann man als-o unabhängig von der sonstigen Warmverformung einen
alterungsbeständigen Stahl erzielen, wenn man eine etwa 8 bis iollige Querschnittsverminderung
unterhalb 780 bis 8äo' vornimmt, so wird sich das erforderliche Warmverformungsmaß
auf etwa den 5 bis 8fachen Betrag erhöhen, je mehr der Verformungstemperaturbereich
sich der A,-Temperatur nähert. Eine wiederholte Behandlung des Stahles nach diesem
Vertahren ist geeignet, die Wirkung zu verstärken. Bei der hier gekennzeichneten
Art der Behandlung des Stahles ist eine Nachbehandlung, etwa durch Glühen, nicht
erforderlich. Damit soll jedoch nicht gesagt werden, daß der Stahl unter keinen
Umständen eine nachträgliche Glühbehandlung verträgt. Je stärker der Verarbeiturigsgrad
und je
niedriger die Verarbeitungstemperatur waren, um so. eher ist eine nachträgliche
vorsichtige Glühbehandlung in den Temperaturgrenzen von 700' bis
950' möglich. Es darf jedoch in keinem Falle so stark und so lange
g&
glüht werden, daß der durch die Verarbeitung unterhalb der As-Temperatur
hervorgerufene kristallogra.phische Richtungseffekt wieder verlorengeht.
-
Es wird auf diese Weise ein Stahl erzeugt, der hinsichtlich seine?
Alterungsbeständigkeit z. B. den Anforderungen an den Werkstoff für den Bau von
Hochleistungsdarnpfkesseln entspricht, sofern er überhaupt nach seinen sonstigen
Eigenschaften für deraxtige Verwendungszw-ecke in Frage kommt, oder der bei anderen
Stahlarten und anderen Prüfbedingungen, wie sie etwa aus den Abmessungen bedingt
sein können, im gealterten Zustand bei den Alterungsbedingungen, für Hochleistungskesselbaustoffe
eine ausgeprägte Sprödigkeit, gekennzeichnet durch einen starken Kerbzäbigkeitsabfall
gegenüber dem ungealterten Zustande, nicht besitzt.
-
Beispiel Ein Stabeisen folgender Zusammensetzung: Kohlenstoff
...... = o,i25 %
Mangan ......... = 0,53
Phosphor
........ = 0,018 Schwefel ......... = 0,024'/, besaß im Anlieferungszustand
eineKerbzähigkeit Von 22 tnl<g/eni#; gealtert, d. h. nach einer 51/oigen
Kaltstreckung mit darauf folgender Erwärmung auf 2,50' C, besaß es noch eine
Kerbzähigkeit von 5,1 Inkg/cIn'; das Stabeisen wurde nunmehr einer Schmiedebehandlung
unterzogen, die in normaler Weise oberhalb goo' C begann und die unterhalb
goo' C in kräftiger Weise bis zu einer E, ndtemperatur von 8oo'
C fortgeführt wurde. Darauf wurde eine Probe des erkalteten Stahles genau
wie oben gealtert. Die Kerbzähigkeit betrug nun 18 mkg/Cm2.
-
Während, also das S-tabeisen durch Alterung eine Verschlechterung
von 771/0 erfuhr, betrug die Verschlechterung durch das' gleiche Alterungsverfahren
nach erfolgter Verschiniedung zwischen goo, und 8oo' nur noch 181/0.
-
Die oben gekennzeichnete zweckmäßige Art der Behandlung des Stahles
galt bisher allgemein als fehlerhaft oder unzweckmäßig. Man betrachtete es als Grundregel,
daß die Temperatur einer Warmverarbei-tung des Stahles nach unten möglichst mit
der A3-Temperatur begrenzt sein soll. In denjenigen Fällen, in welchen eine Unterschreitung
dieser Temperatur aus betriebstechnischen Gründen unvermeidlich ist, hielt man ein
kräftiges Ausglühen des Stahles für unbedingt erforderlich, wobei dann zumeist die
vorher erzielte Verbesserung des Stahles größtenteils wieder verlorenging. Die bisher
üblicheArt derWarmverarbeitung des Stahles findet. in folgender Regel ihren Ausdruck:
Für den Blecherzeuger ergibt sich, abgesehen von der schon bekannten Forderung eines
nicht zu hohen Phosphorgehaltes, daß die Bleche möglichst hell fertiggewalzt und
kurz oberhalb des Umwandlungspunktes A,3
geglüht werden sollen.
-
(Rißbildung in Kesselblechen von B. Strauß und A. Fry. Stahl
und-Eisen 1921 S. 1136). Im Gegensatz zu dieser Auffassung konnte festgestellt
werden, daß gerade durch die Verarbeitung des Stahles unterhalb der As-Temperatur
bis zu 700' ohne folgende Glühbehandlung oder mit einer sehr vorsichtig beschränkten
Nachglühung die Möglichkeit zu einer erheblichen Gütesteigerung des Stahles gegeben
ist.