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Verfahren zur Auswaschung von schwachen Säuren aus Gasen Es sind verschiedene
Verfahren bekannt, nach denen schwache gasförmige Säuren, wie Kohlensäure und Schwefelwasserstoff,
aus Gasen durch flüssige alkalische Reinigungsmittel ausgewaschen werden, die dann
durch Erhitzen wieder regeneriert werden. Beispielsweise kann man zu diesem Zwecke
alkalisch reagierende Salze schwacher Säuren oder auch organische Basen, z. B. Triäthanolamin
oder Monoäthanolamin und Borsäure, in wäßriger Lösung verwenden. Nach einem anderen
Verfahren benutzt man Soda- oder Pottaschelösungen, die von der aufgenommenen schwachen
Säure durch Erhitzen oder durch Anwendung eines Vakuums wieder befreit werden sollen.
Für die Entfernung von Schwefelwasserstoff hat man auch die Verwendung von Natriumarsenitlösungen
oder von Aufschlämmungen von Eisenhydroxyd in Sodalösungen vorgeschlagen, wobei
der von diesen :Mitteln aufgenommene Schwefelwasserstoff durch Oxydation mit Luft
in Schwefel übergeführt wird, wodurch die Reinigungsmittel regeneriert werden.
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Während die alkalischen Reinigungsmittel ohne jede Verminderung ihrer
Absorptionsfähigkeit regeneriert werden können, wenn die zu behandelnden Gase lediglich
Kohlensäure oder Schwefelwasserstoff oder beide enthalten, wurde nun beobachtet,
daß in manchen Fällen das Aufnahmevermögen der Reinigungsmittel für die zu absorbierenden
Gase ständig abnimmt, so daß in mehr oder weniger kurzer Zeit eine genügende Reinigung
des Gases bei der Auswaschung nicht mehr erzielt werden kann und die Reinigungsmittel
auf eine von der üblichen Regeneration abweichende, umständliche Art regeneriert
werden müssen. Es wurde gefunden, daß dies insbesondere bei allen cyanhaltigen Gasen,
wie Kokereigasen, Destillationsleuchtgas u. dgl., der Fall ist. Von den in solchen
Gasen enthaltenen Cyanverbindungen scheint vor allem das Dicyan die Verschlechterung
der Waschlösungen zu bewirken. Wahrscheinlich beruht dies darauf, daß die alkalische
Flüssigkeit mit dem Dicyan nach der Gleichung a MeOH + (CN)2 = MeCN -E- MeCNO +
H20 reagiert, so daß die entstehende nicht flüchtige Cyansäure gebunden wird. In
der Praxis wirkt sich dies dahin aus, daß, wenn man das zu reinigende Gas direkt
auf das Reinigungsmittel einwirken läßt, sich das Cyanat der betreffenden Base bildet,
das nun durch Erhitzen der Lösung nicht mehr aufgespalten werden kann, da die
Cyansäure
nicht flüchtig ist. Hierdurch tritt dann eine allmählich immer stärker werdende
Herabsetzung der Absorptionsfähigkeit des Reinigungsmittels ein, die dazu führt,
daß man erlt=:; weder das Gas mit sehr großen Flüssigkeit @-; mengen behandeln muß,
um eine genügenCQ;-Reinigung des Gases von den schwachen gasförmigen Säuren zu erzielen,
oder aber die Lösung, wenn sie zwar z. T. unwirksam geworden ist, aber noch eine
erhebliche Menge wirksamer Bestandteile enthält, erneuern muß. Diese Lösung ist
dann nur schwierig und umständlich aufzuarbeiten, da sie ein Gemisch verschiedener
Verbindungen enthält, die nur schlecht voneinander zu trennen sind.
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Es wurde nun ein Verfahren entwickelt, durch das man diese Nachteile
vermeiden und auch bei cyanhaltigen Gasen eine Verschlechterung der Absorptionsfähigkeit
des Reinigungsmittels verhindern kann. Erfindungsgemäß werden in einer ersten Stufe
zunächst durch Auswaschen mit einem flüssigen alkalischen Mittel die Bestandteile
aus dem Gas entfernt, die mit dem für die Entfernung der schwachen gasförmigen "Säuren
dienenden flüssigen alkalischen Reinigungsmittel nicht regenerierbare Verbindungen
bilden, worauf in einer zweiten Stufe die eigentliche Reinigung des Gases durch
Behandlung mit alkalischen Flüssigkeiten erfolgt, die nach der Absorption der schwachen
gasförmigen Säuren ständig regeneriert und ohne Verluste im Kreislauf geführt werden..
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Für die Behandlung des Gases in der ersten Stufe kommen vor allem
wäßrige alkalische Lösungen, wie Soda, Pottasche, Ammoniakwasser und Ammoncarbonat,
ferner Aufschlämmungen von Magnesiumhydroxyd u. dgl. in Betracht. Die Verwendung
von Ammoniak oder Ammoncarbonatlösungen ist besonders in Kokereien, Gasanstalten
usw. vorteilhaft, da hier stets Ammoniak als Nebenprodukt anfällt und das technische
Ammoniakwasser direkt benutzt werden kann. Auch die anderen alkalischen Stoffe brauchen
nicht in reiner Form angewendet zu werden. Es genügen z. B. Abfallösungen, die alkalische
Reaktion zeigen. , Zur- Erzeugung der alkalischen Flüssigkeit für die Vorreinigung
des Gases können auch organische, stickstoffhaltige Substanzen dienen, z. B. Amine
und ihre Substitutionsprodukte oder Aminoalkohole, wie Pyridin, Chinolin, Triäthanolamin
u. dgl. Diese können z. T. als solche oder auch in wäßrigen oder organischen Lösungsmitteln,
wie Waschöl, Paraffinöl, Petroleum u. dgl., zur Anwendung kommen. Unter ihnen sind
diejenigen am vorteilhaftesten, die einen hohen Stickstoffgehalt und damit stark
basische Eigenschaften haben und schwer flüchtig sind. Doch können auch_ leichter
flüchtige Basen gebraucht werden. Man sorgt in diesem Falle wie auch bei Verwendung
von Ammoniak oder dessen Verbindungen vorteilhaft für eine Abscheidung der von den
Gasen mitgeführten flüchtigen :Basen, bevor sie in der zweiten Stufe mit der 4#
# --Waschflüssigkeit in Berührung kommen. Es kann dies nach allen zur Abscheidung
von der-,ä'r_t-igen Basen bekannten Verfahren geschehen, * z B. durch Behandeln
mit einer rein physikalisch wirkenden Waschflüssigkeit, wie Wasser, oder einem zugleich
chemisch reagierenden Mittel, wie Schwefelsäure.
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Es ist also möglich, für die erste Stufe des Verfahrens ein alkalisches
Mittel anzuwenden, das die gleiche Zusammensetzung hat wie das für die zweite Stufe
benutzte eigentliche Reinigungsmittel.. Hierbei kann die für die zweite Stufe des
Verfahrens dienende Hauptmenge des alkalischen Mittels immer wieder im Kreislauf
verwendet werden, da sie dauernd unverändert bleibt und ein Nachlassen ihrer Wirksamkeit
nicht eintritt. Andererseits kann das in der ersten Stufe benutzte alkalische Mittel
so lange für die Vorreinigung des Gases benutzt werden, bis es praktisch vollständig
in die nicht regenerierbare Verbindung übergeführt ist, und dann ' in einfacher
Weise aufgearbeitet werden.
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Obwohl die erste Stufe des vorliegenden Verfahrensschon in der Kälte
durchgeführt werden kann, ist es mitunter vorteilhaft, erhöhte Temperaturen, bei
Verwendung von wäßrigen Lösungen z. B. solche bis ,zu zoo °, anzuwenden. Diese bewirken
neben einer schnelleren Vernichtung des Cyans vor allem eine leichtere Austreibung
der gleichzeitig in dem alkalischen Medium zunächst absorbierten flüchtigen Gase,
wie Kohlensäure und Schwefelwasserstoff, die nach Möglichkeit erst in der zweiten
Stufe absorbiert werden sollen. Auch die Erhöhung des Druckes hat eine raschere
Befreiung des Gases von den schädlichen Cyanverbindungen zur Folge. Die erste Stufe
des Verfahrens kann nach allen- Methoden ausgeführt werden, nach denen man strömende
Gase mit Flüssigkeiten in innige Berührung bzw. zur Reaktion bringt. Z. B. können
alle Arten von Wraschgefäßen, insbesondere Waschtürme, benutzt werden, bei denen
die alkalische Flüssigkeit über Füllkörper fließt, während gleichzeitig das Gas
hindurchstreicht. Bei der Reinigung von heißen Gasen empfiehlt es sich, einen zur
Kühlung des Gases dienenden indirekten Kühler mit der alkalischen Flüssigkeit zu
berief eln. Die alkalisch reagierende Flüssigkeit kann mehrfach zur Berieselung
dienen und nach jeder Berieselung oder auch nur nach der letzten einer Wärmebehandlung
unterworfen oder auch in anderer Weise behandelt werden, z. B. durch Durchleiten
eines Gases oder durch Anwendung verringerten Druckes, um absorbierte flüchtige
Gase, wie Schwefelwasserstoff oder Kohlensäure, auszutreiben. Wenn das alkalisch
reagierende Medium möglichst vollständig zur Bindung der Cyansäure
ausgenutzt
und die neben dieser gebundenen Säuren, wie Blausäure, Schwefelwasserstoff und Kohlensäure,
restlos ausgetrieben werden sollen, ist es vorteilhaft, die schon weitgehend gesättigte
Flüssigkeit nur mit frischem Rohgas in Berührung zu bringen, da dann die flüchtigen
Säuren wieder entweichen. Die Gesamtmenge der Base wird auf diese Weise unter Bildung
von Cyanat neutralisiert.
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Die bei der ersten Stufe des Verfahrens anfallenden Lösungen können
je nach der verwendeten Base in verschiedener Weise weiterbehandelt oder verwendet
werden. So kann man, wenn wäßriges Ammoniak zum Waschen benutzt wird, die Base daraus
regenerieren, indem man das Ammoniumcyanat mit Kalk oder Natriumcarbonat erhitzt,
das Ammoniak beliebig weiterverarbeitet und den Stickstoffgehalt des gebildeten
Calcium- oder Natriumcyanates zur Düngung oder anderweitig nutzbar macht. Dienen
die Hydroxyde oder Carbonate der Alkalien oder Erdalkalien zum Waschen, so kann
man die Cyanatlösungen weiterverarbeiten zwecks Isolierung der Cyanate oder zwecks
Herstellung anderer Produkte daraus.
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Die zweite Stufe des vorliegenden Verfahrens wird in der für die Entfernung
schwacher Säuren mittels der genannten alkalischen Flüssigkeiten üblichen Weise
durchgeführt. .
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Beispiel z Kokereigas, das im Kubikmeter 7,8 g Schwefelwasserstoff,
1,2 g Cyanverbindungen und 2 Volumprozent Kohlensäure enthält, wird in einem Wascher
mit dem in der Kokerei anfallenden Gaswasser berieselt, wobei auf 300 cbm
Gas x cbm Gaswasser angewendet wird. Das Gaswasser wird wiederholt umgepumpt,. wobei
j edoch stets 1/;, durch frisches Gaswasser ersetzt wird, während das abgezogene
Fünftel, wie üblich, weiterverarbeitet wird. Das so behandelte Gas wird in üblicher
Weise mittels Schwefelsäure von seinem Ammoniakgehalt befreit und nun in einem mit
Raschigringen beschickten Waschturm mit einer 3o°/oigen wäßrigen Alaninnatriumlösung
berieselt, wobei auf 8oo cbm Gas z cbm Waschlösung verwendet wird; das Gas ist danach
frei von Schwefelwasserstoff. Die Waschlösung wird in der üblichen Weise regeneriert
und dann zur weiteren Gasreinigung verwendet. Ein Nachlassen der Aufnahmefähigkeit
der ZVaschlösung infolge schädlicher Wirkung von Cyanverbindungen tritt nicht ein;
beträgt z. B. die Aufnahmefähigkeit des Alaninnatriums vor der Benutzung 36 cbm
CO, und H2 S pro cbm Lösung, so ist nach 24stündiger Betriebszeit ohne Vorwäsche
mit Ammoniakwasser die Aufnahmefähigkeit auf 28 cbm C02 und H2 S pro cbm Lösung
zurückgegangen, während bei Verwendung der Vorwäsche die Aufnahmefähigkeit nach
wie vor 36 cbm beträgt. Beispiel 2 Rohes Leuchtgas wird in einem Waschturm mit einer
8°/oigen Sodalösung bei etwa 85' berieselt, wobei auf 400 cbm Gas z cbm Sodalösung
verwendet wird. Die durch Cyanatbildung gebundene Sodamenge wird durch Zusatz von
Soda so lange ergänzt, bis die Lösung eine genügend hohe Konzentration von Natriumcyanat
aufweist, um dessen Gewinnung durch Eindampfen zu ermöglichen. In einem zweiten
Wascher wird das Gas in bekannter Weise mittels . wäßriger 5o°/oiger Triäthanolaminlösung
berieselt, die durch Erhitzen wieder regeneriert wird. Die Triäthanolaminlösung
zeigt in frischem Zustande unter den Betriebsbedingungen eine Aufnahmefähigkeit
von 22 cbm C02 und H, S pro cbm. Ohne Vorwäsche mit Sodalösung geht dieser Wert
nach 24 Stunden auf 18 cbm und nach weiteren 24 Stunden auf 15 cbm zurück, während
nach Einschaltung des Vorwäschers nach 8 Tagen der Sättigungswert von 22 cbm C02
und H, S bestehen bleibt.
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Man hat bereits vorgeschlagen, zwecks Gewinnung von Thiocyanaten Leuchtgas
zunächst mit einer Suspension von Schwefel in Wasser, gegebenenfalls in Gegenwart
von Ammoniak, zu behandeln und dann auf trockenem Wege zu reinigen. Diese Arbeitsweise
kann mit dem vorliegenden Verfahren nicht verglichen werden, denn bei einer trockenen
Gasreinigung tritt keine Schädigung des Gasreinigungsmittels durch Verbindungen
von der Art des Dicyans ein. -.
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Es ist auch bekannt, unreine Gase, wie Kokereigas, in zwei Stufen
mit Lösungen zu behandeln, die Alkalicarbonat und -bicarbonat enthalten. Dabei hat
man aber nicht erkannt; daß solche Gase Dicyan oder ähnlich wirkende Stoffe enthalten
können, sondern sogar empfohlen, die in den beiden Stufen benutzten Waschflüssigkeiten
zu vermischen und gemeinsam zu regenerieren. Es ist anzunehmen, daß die nach diesem
bekannten Verfahren behandelten Gase keine Stoffe von der Art des Dicyans mehr enthielten,
sondern daß diese schon vorher bei der Abscheidung von Teer und Ammoniak aus den
Gasen entfernt wurden.