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Verfahren zum Messen der in einem verlegten, lückenlos geschweißten,
sehr langen oder endlosen Eisenbahnschienenstrang infolge Temperaturänderung bei
verhinderter Längenänderung auftretenden mechanischen inneren Spannungen Eisenbahnschienen
wurden bisher so verlegt, daß man Längenänderungen, die infolge Temperaturschwankungen
eintreten, durch Anordnung von entsprechend großen Lücken zwischen den Schienenenden
berücksichtigte. Die Schienen dehnten sich, dem Wärmeeinfluß folgend, ungehindert,
so daß bei richtiger Anordnung der Lücken keine inneren Spannungen in der Schiene
entstehen konnten.
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Anders verhält es sich bei einem lückenlos verlegten, z. B. durchgehend
geschweißten Schienenstrang von sehr großer oder endloser Länge. Hier können sich
Temperaturänderungen nicht in Längenänderungen der Schiene auswirken, da durch die
vollkommen feste Verankerung der Schiene mit Schwellen und Bettung sowie infolge
Fehlens von Dehnungsfugen keine Dehnung oder Zusammenziehung der Schiene möglich
ist. Bei dem lückenlosen Schienenstrang muß sich daher jede Änderung der Schienentemperatur
in Zug- oder Druckspannung umwandeln.
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Wäre nun-die Temperaturänderung die einzige Ursache zur Entstehung
von Spannungen in dem- durchgehend geschweißten Schienenstrang, so wäre es bei genauer
Kenntnis der Temperatur, die die Schiene im Augenblick der Verlegung bzw. Verankerung
besaß,, unschwer, zu beliebiger Zeit die in der Schiene herrschende Spannung zu
bestimmen. Man brauchte dann nur die augenblickliche Schienentemperatur zu messen
und aus der Differenz zwischen augenblicklicher Schienentemperatur - und Verlegungstemperatur
die Spannung zu errechnen, da bekanntlich i° C Temperaturänderung in fest eingespanntem
Stahl eine Spannungsänderung von 2q. kg/cm` hervorruft.
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Nun ist es aber offensichtlich, daß die Verlegungstemperatur eines
langen, lückenlosen Schienenstranges unendlich vielwertig ist, insofern, als die
Verlegung eines endlos geschweißten Schienenstranges abschnittsweise und fortlaufend
ausgeführt werden muß. Während dieser Verlegungszeit ändert- sich die Außentemperatur
und mit ihr auch die Schienentemperatur beständig von Schwelle zu Schwelle. An manchen
Stellen ist die Schiene während ihrer Verankerung der unmittelbaren Sonnenbestrahlung
ausgesetzt, an anderen Stellen kann sie beschattet sein. Allein aus diesem Umstand
ergeben sich, -wie durch Messungen festgestellt wurde, Unterschiede der Schienentemperatur
bis zu 25° C, was Spannungsunterschieden in der gleichen Schiene von 6oo kg/cm2
entspricht. Es ergibt sich hieraus, daß schon bei der Verlegung Spannungen in dem
Schienenstrang entstehen. Wollte man die Verlegungstemperatur der Schiene als Ausgangspunkt
für die Berechnung der zu beliebiger Zeit an beliebiger
Stelle herrschenden
inneren Schienenspannungen benutzen, so. müßte man mindestens von Schwelle zu Schwelle
die Verlegungstemperatur genau festgestellt haben, was aber praktisch. unmöglich
ist.
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Für einen lückenlos geschweißten Schienenstrang würde selbst bei genauer
Kenntnis der Verlegungstemperatur an beliebigen Stellen dennoch eine genaue Berechnung
der in ihm tatsächlich herrschenden. Spannung nicht möglich sein, da in einer auf
Schwellen verlegten Schiene, wie theoretisch sogar nachweisbar ist, die inneren
Spannungen nicht mehr proportional der Temperaturänderung verlaufen.
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Für den Gleiswirt ist es von größter Wichtigkeit, die Längsspannungen
im Gleis zu erkennen. Bekanntlich kann bei zu großen inneren Druckspannungen (im
Sommer) eine Verwerfung des Gleises, im Winter dagegen infolge allzu großer Zugspannungen
ein Zerreißen der Schienen eintreten, was unbedingt zu Entgleisungen führen muß.
Einem Verfahren zum Messen der inneren Gleisspannungen ist daher als einem wichtigen
Hilfsmittel zur Überwachung der Gleissicherheit größte Bedeutung beizulegen. Auch
vom rein theoretischen Gesichtspunkt aus ist das angemeldete Verfahren als ein neuer
Faktor in der Erkenntnis der resultierenden Längsspannung im Gleis anzusehen, da
sich die einzelnen spannungserzeugenden Einflüsse theoretisch nicht erfassen lassen.
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Es liegt also die Aufgabe und das dringende Bedürfnis vor, die Spannungszustände
im vollkommen unbeweglichen, immer gleich lang bleibenden Schienenstrang zu messen.
Die bisher gebräuchlichen Spannungsmesser, die lediglich auf Dehnungsmessung beruhen,
sind hier gänzlich unbrauchbar, da ja im lückenlosen, durchgehend geschweißten Gleis
keinerlei Dehnung oder Zusammenziehung stattfinden kann.
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Gemäß der vorliegenden Erfindung wird nun diese Aufgabe in der Weise
gelöst, daß der lückenlos geschweißte Schienenstrang, dessen Spannungen gemessen
werden sollen, durch oberflächliche Berührung mit einem Elektromagnet in an sich
bekannter Weise in ein durch Wechselstrom oder pulsierenden Gleichstrom erzeugtes
Magnetfeld gebracht wird. Durch die vron der mechanischen Spannung beeinflußte Permeabilität
des Schienenstahles wird die Induktivität der das Magnetfeld erzeugenden Spule geändert.
Diese Änderung ist meßbar. Versuche haben gezeigt, daß die durch innere mechanische
Spannungen hervorgerufene' Änderung der Permeabilität des Schienenstoffes. in gesetzmäßiger
Abhängigkeit von der mechanischen Spannung verläuft, also ein Maß für die inneren
mechanischen Spannungen ergibt. ' Es sind Verfahren bekannt, mittels deren die Streckgrenze
magnetischer Werkstoffe auf magneto-elastischem Wege bestimmt wird. Hierbei ist
aber eine Längenänderung des zu prüfenden Materials vorangegangen. Es ist auch bekannt,
die in gezogenen oder gedrückten Stäben aus magnetisierbaren Stoffen infolge erzwungener
Längen- und dadurch bedingter Querschnittsänderung auftretenden mechanischen Spannungen
durch die in einer Spule auftretende veränderliche Induktivität zu messen. Bei diesem
bekannten Verfahren .wird jedoch die zu messende mechanische Spannung auf den Eisenkern
des geeichten Meßgerätes übertragen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist demnach
die Möglichkeit, das geeichte Meßgerät in den zu messenden mechanischen Kraftfluß
einzuschalten. Der Kern des Gerätes wird also einer Dehnung bzw. Zusammendrückung
unterworfen. Diese Voraussetzungen sind bei einem kilometerlangen lückenlosen Schienenstrang
dort, wo man Spannungen messen will, nämlich überall außer an den Endpunkten, nicht
gegeben. Bei einem im Betrieb befindlichen Gleis wäre der Einbau einer solchen Apparatur
überhaupt unmöglich.
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Es ist fernerhin bekannt, da, wo das Zwischenschalten eines geeichten
Meßkörpers nicht möglich ist, z. B. in bewegten Maschinenteilen, die magnetisierende
Spule direkt um das Werkstück zu .legen. Auch dieses Verfahren ist bei Eisenbahnschienen
unmöglich, da die genaue Fixierung des Schienenprofils innerhalb der Spule undurchführbar
wäre. Jede Abweichung von der bestimmten Lage der Schiene innerhalb der sie umgebenden
Spule, ferner jede- Abnutzung der Schienenfahrfläche sowie endlich die im Laufe
der Zeit immer stärker werdende Rostschicht an den Schienenseitenflächen würde -die
Induktivität der Spule bedeutend ändern und kein klares Bild mehr von der Permeabilitätsänderung
zulassen, die nur durch die innere mechanische Spannung eingetreten ist.
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Die Anwendung des physikalischen Prinzips der Permeabilitätsänderung
infolge von Dehnungen, Zusammendrückungen oder Verdrehungen auch zum Messen von
Spannungen ist allgemein bekannt. Auch ist es bereits bekannt, nach diesem Prinzip
eine Fernüberwachung des Zustandes stark beanspruchter Kurvenstränge in Eisenbahngleisen
vorzunehmen. Es handelt sich bei all diesen angegebenen Verfahren um die Messung
mechanischer Beanspruchungen, die eine Verdrehung, Dehnung oder Zusammenziehung
des zu messenden Körpers hervorrufen, wobei dann diese Formänderungen als Mittel
zur sogenannten magneto-elastischen Spannungsmessung benutzt werden. Bei der vorher
angegebenen
Überwachung des Zustandes von stark beanspruchten Eisenbahnkurvenschienen
ist offensichtlich nur an die durch die Zentrifugalkräfte der Fahrzeuge auf die
äußeren Kurvenstränge übertragenen Beanspruchungen gedacht, die Verdrehungen und
Verbiegungen des Schienenprofils um so mehr hervorrufen können, in je schlechterem
Zustande sich das Gleis vom oberbautechnischen Standpunkt befindet. Es handelt sich
also wie bei a11 diesen angegebenen Verfahren um die Feststellung dynamischer Beanspruchungen,
die von außen an den Bauteil herantreten und ihn einer Dehnung, Zusammenziehung
oder Verdrehung unterwerfen.
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Bekannt sind auch Verfahren zur Aufdekkung von Materialfehlern in
magnetisierbaren Werkstoffen, z. B. von Schienen und Drahtseilen, die man in den
Bereich von durch Wechselstrom erzeugten Magnetfeldern bringt. Hierunter fallen
auch die Verfahren zur Prüfung der inneren Gleichmäßigkeit und Härte von Massenartikeln,
die aus Stahl oder einem anderen ferromagnetischen Werkstoff bestehen. .
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Beim Erfindungsgegenstand handelt es sich dagegen um ein Verfahren
zum Messen rein statischer, von innen heraus entstehender Kräfte in einem an jeder
Dehnung, Zusammenziehung, Verdrehung oder sonstigen Bewegung gehinderten, sehr langen
oder endlosen Schienenstrang.
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In der Abbildung ist ein Ausführungsbeispiel einer Versuchsanordnung
zur Ausübung des neuen Verfahrens schematisch dargestellt.
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S2 ist der in seiner Längsänderung gehinderte Schienenstrang, dessen
mechanische Spannung gemessen werden soll. S, ist eine frei bewegliche Vergleichsschiene,
deren Beschaffenheit und Länge durch Versuche so gewählt ist, daß sie in ihrer Wirkung
auf das magnetische Feld der spannungsfreien Langschiene gleichkommt. L2 und L1
stellen zwei gleiche Elektromagnete dar, deren Spulen von Wechselstrom oder pulsierendem
Gleichstrom durchflossen werden. W ist eine zu ähnlichem Zweck bekannte Wheatstonesche
Brücke, in welche ein Meßinstrument V, Voltmeter oder Amperemeter, eingeschaltet
ist.
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Soll die- mechanische Spannung der Schiene S2 gemessen werden, so
werden zunächst die Magnete Ll und L2 auf die spannungsfreie Schiene S1 aufgesetzt,
der Strom eingeschaltet und durch Verschieben der Kontakte auf den Widerständen
R, und R2 die Brücke W in bekannter Weise stromlos gemacht. Wenn, wie vorausgesetzt,
die beiden Magnete in bezug auf Ohmschen Widerstand, Induktivität, Kapazität und
Hysteresisverluste vollkommen gleich sind, so sind die Widerstände R, und R2 also
beide genau in die Mitte einzustellen. Beim Aufsetzen der beiden gleichen Magnete
L, und L2 auf die spannungsfreie Schiene Si darf also kein Strom in der Brücke W
fließen, sofern die Berührung der Magnetfläche mit der Schienenoberfläche hei beiden
Magneten gleich gut und innig ist. Sodann wird die eigentliche Spannungsmessung
vorgenommen, indem der Magnet L2 auf die Schiene S2 aufgesetzt wird. Der Ausschlag
des Brückeninstrumentes V ergibt ein Maß für die in der Schiene S2 herrschende innere
mechanische Spannung. Der Einfluß der Schienentemperatur auf die Permeabilität der
Schiene und damit auf die Induktivität der Spulen gleicht sich aus, da in beiden
Schienen die gleiche Temperatur herrscht. Die an den Berührungsflächen zwischen
Magneten und Schienenoberfläche möglichen Störungen werden durch genaueste Gleichhaltung
der Berührungsflächen sowie durch Herstellung einer vollkommen Luftspaltfreien innigen
Berührung vermieden. Es bleibt also nur der Einfluß der mechanischen Spannung, deren
Messung Gegenstand des Verfahrens ist.