Bei dem sogenannten Direktchlorierungsverfahren wird
1,2-Dichlorethan, im folgenden EDC, durch Umsetzung von
Ethylen mit Chlor gewonnen. Diese Additionsreaktion wird
durch Metallhalogenide, die den Charakter einer Lewis-Säure
haben, und ein Halogenid eines Metalls der ersten
Hauptgruppe des periodischen Systems katalysiert.
Nach dem in der NL-A 6901398 beschriebenen Verfahren ist das
Metallhalogenid mit Lewis-Säure-Charakter bevorzugt
Eisen-(III)-chlorid. Das Metall der ersten Gruppe des
Periodensystems hat bevorzugt eine Atomzahl von höchstens 12
(Natrium) und ist insbesondere Lithium. Das Molverhältnis
des Halogenids mit Lewis-Säure-Charakter und des Halogenids
des Metalls der ersten Gruppe des periodischen Systems liegt
zwischen 1 : 2 und 2 : 1.
In der EP 0 111 203 B2 ist ein Verfahren beschrieben, bei
dem als Katalysator ein wasserfreies Tetrachloroferrat,
beispielsweise Natriumtetrachloroferrat, oder die
entsprechenden Komponenten in stöchiometrischen Mengen
eingesetzt werden. Nach der DE 41 03 281 A1 wird als
Katalysator Eisen-(III)-chlorid im Gemisch mit
Natriumchlorid im molaren Verhältnis von 1 : 1,5 bis 1 : 2
eingesetzt.
Es wurde nun gefunden, daß die Direktchlorierung von Ethylen
besonders vorteilhaft verläuft, wenn während der gesamten
Reaktion das Molverhältnis von Natriumchlorid zu
Eisen-(III)-chlorid unter 0,5 gehalten wird. Das Einhalten
dieser Bedingung erlaubt eine Reaktionsführung, bei der das
EDC in einer so hohen Reinheit gewonnen wird, daß es ohne
destillative Abtrennung hochsiedender Anteile unmittelbar in
die Spaltung zu Vinylchlorid eingesetzt werden kann.
Außerdem ist das erfindungsgemäße Verfahren in apparativer
und energetischer Hinsicht wenig aufwendig. Bevorzugte
Ausgestaltungen der Erfindung und die damit verbundenen
Vorteile werden im folgenden näher erläutert.
Als Reaktionsmedium wird vorteilhaft flüssiges EDC
verwendet, wobei die Reaktionsteilnehmer in das umgepumpte
EDC eingespeist werden. Hierbei ist es nicht erforderlich,
das Chlor in flüssiger Form einzusetzen, da das
erfindungsgemäße Verfahren unter so schonenden
Reaktionsbedingungen, insbesondere so niedrigen Drücken,
ausgeführt werden kann, daß gasförmiges Chlor zum Einsatz
kommen kann. So liegt der Druck vorteilhaft bei maximal
1 bar Überdruck, bevorzugt zwischen 0,4 und 0,6 bar
Überdruck, der vorteilhaft mittels Inertgas-, vorzugsweise
Stickstoffüberlagerung, eingestellt wird.
Die Reaktionstemperatur beträgt 50 bis 105°C, vorteilhaft
70 bis 90°C. Druck und Temperatur werden so aufeinander
abgestimmt, daß die Reaktion unterhalb des Siedepunktes von
EDC liegt.
In einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird das
EDC im ganzen oder vorzugsweise ein Teilstrom desselben in
einen unter Vakuum stehenden Entspannungsbehälter geführt,
wobei der Wärmeinhalt des EDC-Stromes zum Verdampfen eines
Anteils des EDC führt. Das verdampfte EDC ist
katalysatorfrei und weist nach Kondensation eine Reinheit
von mindestens 99,9% auf, so daß es unmittelbar der
Spaltungsreaktion zu Vinylchlorid zugeführt werden kann. Die
bei dem herkömmlichen Verfahren ohne Druckentspannung
beziehungsweise EDC-Verdampfung notwendige Wasserwäsche zur
Abtrennung des Katalysators sowie die anschließend
erforderliche destillative Trocknung des EDC können
entfallen.
Der Druck im Entspannungsbehälter beträgt zweckmäßig 0,2 bis
0,7 bar absolut. Dieser Unterdruck wird mit üblichen
Gebläsen oder Pumpen, im folgenden Vakuumpumpe genannt,
erzeugt und aufrechterhalten. Wenn diese Vakuumpumpe nicht
auch zur Förderung des gasförmigen EDC dienen soll, wird
dieses durch eine geeignete Vorrichtung, im folgenden als
Kühler bezeichnet, kondensiert und in einem Behälter
gesammelt.
Die Ausnützung der Reaktionswärme für die teilweise
Verdampfung des EDC und die Führung der Reaktion im
genannten bevorzugten Temperaturbereich bewirkt eine
erhebliche Einsparung an Kühlmittel.
Der im Entspannungsbehälter nicht verdampfte,
katalysatorhaltige EDC-Anteil wird in den EDC-Kreislauf
zurückgeführt. Dies wird dadurch ermöglicht, daß die
Reaktion nur einen sehr geringen Anteil an Nebenprodukten
bildet und der EDC-Rückstrom nur unerhebliche Mengen an
Chlorwasserstoff enthält.
Das Abgas ist praktisch chlorfrei. Die besonders bevorzugte
Reaktionsführung, bei der nur ein - vorzugsweise relativ
geringer - Teilstrom in den Entspannungsbehälter geleitet
wird, hat weiterhin den Vorteil, daß ein Nachreaktor für die
Umsetzung des restlichen Ethylens nicht notwendig ist.
Vorrichtungen für dessen Abtrennung und Rückführung können
aber auch bei dieser bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung
vorgesehen werden, da sie wenig aufwendig sind.
So kann man die Ethylen-Ausbeute weiter erhöhen
beziehungsweise die Ethylen-Verluste weiter vermindern,
indem man das ethylenhaltige Abgas aus dem
Entspannungsbehälter nach der Vakuumpumpe mittels eines
geeigneten Verdichters, bevorzugt eines
Flüssigkeitsstrahlverdichters, der zweckmäßig am Boden des
Reaktors angebracht ist, in die Reaktion zurückführt und das
Ethylen erneut mit Chlor umsetzt. Als Treibstrahl für den
bevorzugten Verdichter dient vorteilhaft ein Teilstrom des
umgepumpten EDC.
Die Restmengen an Ethylen können aber auch in der
Abgasverbrennung energetisch genutzt werden, vorteilhaft bei
der Chlorwasserstoffrückgewinnung.
Die Erfindung betrifft deshalb auch eine Vorrichtung, die
für das erfindungsgemäße Verfahren besonders geeignet ist.
Sie ist - mit ihren bevorzugten Ausgestaltungen - in der
Figur dargestellt.
Die erfindungsgemäße Vorrichtung enthält
einen Reaktor (1),
Zuführungen (2) und (3) für Ethylen beziehungsweise Chlor
sowie vorzugsweise (4) für ein Inertgas,
eine Leitung (5) zum
Entspannungsbehälter (6), der unter Unterdruck steht und
eine Leitung (7) zur Ableitung des verdampften Produkts und
eine Leitung (8) zur Rückführung des unverdampften Produkts
hat,
an die vorzugsweise ein Lösebehälter (9) angeschlossen ist
und die
vorzugsweise über eine Pumpe (10) führt,
eine Leitung (11) zur Rückführung eines Produktteilstroms,
die vorzugsweise über eine Pumpe (12) und einen Kühler
beziehungsweise Wärmetauscher (13) führt.
Die Leitung (7) für den EDC-Dampf führt zweckmäßig über
einen Kühler (14) zur Vakuumpumpe (15). Vom Kühler (14)
führt die Leitung (16) zum Sammelbehälter (17) für das
verflüssigte EDC.
Vorteilhaft enthält die Vorrichtung weiterhin eine
Leitung (18) von der (Druckseite der) Vakuumpumpe (15) über
den Verdichter (19) zum Reaktor (1) zur Rückführung von
Restmengen unumgesetzten Ethylens. (20) und (21) sind
Leitungen zur Abgasentsorgung.
Wenn das Verfahren über längere Zeit läuft, ist dafür zu
sorgen, daß das erfindungsgemäße Verhältnis von
Natriumchlorid zu Eisen-(III)-chlorid aufrechterhalten
bleibt. Wird also beispielsweise durch Korrosion
Eisen-(III)-chlorid in die Anlage eingeschleppt, so muß,
zweckmäßig aus dem Lösebehälter (9), entsprechend
Natriumchlorid nachdosiert werden, da sonst die Reinheit des
abdestillierten EDC zurückgeht beziehungsweise die
Nebenproduktbildung ansteigt.
Das im Kreislauf geführte EDC hat im Mittel eine Reinheit
von über 99%, ist klar, das heißt es sind keine
Feststoffpartikel erkennbar, und nur schwach gefärbt. Es ist
deshalb normalerweise nicht erforderlich, einen Teilstrom
zur Entfernung der Verunreinigungen abzuzweigen.
In den folgenden Beispielen wird die Erfindung näher
erläutert.
Beispiele 1 bis 4
Die Direktchlorierung wurde in einem Reaktor (1) mit einem
Volumen von 14,6 m3 und einem Füllstand von 81 Vol.-%
durchgeführt. Der Druck wurde über die Leitung (4) auf
0,54 bar Überdruck und die Temperatur bei 75°C gehalten.
Als Reaktionsmedium diente flüssiges EDC mit einem
Eisen-(III)-chlorid-Gehalt von 700 ppm.
In das Reaktionsmedium wurde über einen Lösebehälter (9)
soviel Natriumchlorid eindosiert, bis das gewünschte
Molverhältnis von Natriumchlorid zu Eisen-(III)-chlorid
(siehe nachstehende Tabelle) erreicht war. In den
Reaktor (1) wurden pro Stunde über die Leitung (2) 2000 Nm3
Ethylen und über die Leitung (3) die entsprechende Menge
gasförmiges Chlor eingeleitet. Ein Produktteilstrom wird
über die Leitung (5) in einen nachgeschalteten
Entspannungsbehälter (6) mit einem Druck von 0,3 bar absolut
geführt. Hier wurden pro Stunde 8,90 t EDC verdampft und
über die Leitung (7) abgezogen. Dieses EDC war
katalysatorfrei und wies die in der Tabelle genannte
Reinheit auf, die es erlaubt, daß das EDC unmittelbar zu
Vinylchlorid verarbeitet werden kann. Der Gehalt an
1,1,2-Trichlorethan als Nebenprodukt ist ebenfalls in der
folgenden Tabelle angegeben.
Das im Entspannungsbehälter (6) nicht verdampfte EDC wird
über die Leitung (8) und eine Pumpe (10) in den Reaktor (1)
zurückgeführt. Der Produkthauptstrom wird über die
Leitung (11) und eine Pumpe (12) in die Leitung (8)
eingespeist und - nötigenfalls über einen Kühler (13) - in
den Reaktor (1) zurückgeführt.
In der Tabelle ist das Beispiel 1 ein Vergleichsbeispiel,
die Beispiele 2 bis 4 sind erfindungsgemäß.