DE4127536A1 - Modellgestuetztes verfahren zum regeln einer rektifikationskolonne - Google Patents

Modellgestuetztes verfahren zum regeln einer rektifikationskolonne

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DE4127536A1
DE4127536A1 DE19914127536 DE4127536A DE4127536A1 DE 4127536 A1 DE4127536 A1 DE 4127536A1 DE 19914127536 DE19914127536 DE 19914127536 DE 4127536 A DE4127536 A DE 4127536A DE 4127536 A1 DE4127536 A1 DE 4127536A1
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    • B01PHYSICAL OR CHEMICAL PROCESSES OR APPARATUS IN GENERAL
    • B01DSEPARATION
    • B01D3/00Distillation or related exchange processes in which liquids are contacted with gaseous media, e.g. stripping
    • B01D3/42Regulation; Control
    • B01D3/4211Regulation; Control of columns
    • B01D3/4227Head- and bottom stream
    • GPHYSICS
    • G05CONTROLLING; REGULATING
    • G05BCONTROL OR REGULATING SYSTEMS IN GENERAL; FUNCTIONAL ELEMENTS OF SUCH SYSTEMS; MONITORING OR TESTING ARRANGEMENTS FOR SUCH SYSTEMS OR ELEMENTS
    • G05B13/00Adaptive control systems, i.e. systems automatically adjusting themselves to have a performance which is optimum according to some preassigned criterion
    • G05B13/02Adaptive control systems, i.e. systems automatically adjusting themselves to have a performance which is optimum according to some preassigned criterion electric
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Description

Die Erfindung betrifft ein modellgestütztes Verfahren zum Regeln einer Mehrkomponenten-Rektifikationskolonne mit zwei Produktströmen, wobei das Modell die Verknüpfung zwischen den Regel- und den Stell­ größen enthält.
Rektifikationskolonnen werden üblicherweise mit Temperaturen als Hilfsregelgrößen für die interessierenden Produktkonzentrationen geregelt. Bei Mehrkomponentensystemen bestehen jedoch keine thermo­ dynamisch eindeutigen Zusammenhänge zwischen den Kolonnentempera­ turen und den Produktkonzentrationen. Die Temperatursteuerung hängt daher stark von den Arbeitsbedingungen der Kolonne ab. Höhere Pro­ duktreinheiten sowie eine Verringerung des Energieeinsatzes wären zwar erreichbar, wenn die Produktkonzentrationen selber als Regel­ größen herangezogen werden. Diese sind jedoch nur in größeren Zeit­ intervallen und mit einer entsprechenden Verzögerung ermittelbar, z. B. gaschromatographisch, so daß eine kontinuierliche Regelung nicht möglich ist.
Bei einer Mehrkomponenten-Rektifikationskolonne mit zwei Produkt­ strömen, insbesondere wenn es sich um mehr als zwei Komponenten handelt, ist die Regelung der Konzentrationen der Hauptkomponenten beider Produktströme wichtig. Durch die starke Verkoppelung der Re­ gelstrecke ist jedoch die bisher nahezu ausschließlich eingesetzte Regelung nicht möglich, bei der eine Regelgröße mit einer Stellgröße direkt verknüpft wird. Weitere Erschwernisse beim Entwurf eines Reglers sind die Nichtlinearität und die Komplexität der Strecke sowie die starke Arbeitspunktabhängigkeit der Parameter.
An die Regelung sind außerdem weitere Anforderungen zu stellen. Sie muß für den Anlagenfahrer in ihrer Wirkung verständlich sein. Eine wirtschaftliche Wartung der Regelung erfordert eine einfache Reali­ sierung im Prozeßleitsystem. Bei der Inbetriebnahme sollten die Re­ gelparameter on-line in überschaubarer Weise justierbar sein. Von besonderer Bedeutung ist es, daß das Regelungskonzept arbeitspunktunabhängig ist, um einen vielfältigen Einsatz zu ermög­ lichen. Da die gemessenen Werte der Produktkonzentrationen nur in größeren Zeitintervallen, etwa von einer halben Stunde, und mit der entsprechenden Verzögerung vorliegen, muß das gewünschte Regelsystem derart lange kombinierte Tast- und Totzeiten der Meßwerte zulassen.
Die aus dem Stand der Technik bekannten Systeme betreffen die Rege­ lung der Konzentration nur eines einzigen Produktstroms, nicht aber wie hier gefordert der Konzentrationen beider Produktströme (Oil & Gas Journal, May 14, 1990, S. 60; Hydrocarbon Processing, June 1980, S. 51).
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Regelverfahren der eingangs genannten Art zu schaffen, das zum einen die oben ange­ führten Anforderungen an eine Regelung der Konzentrationen beider Produktströme eines Mehrkomponentensystems erfüllt und zum anderen als ein System zweier linearer Eingrößenregler arbeitet, deren Stellgrößen jeweils nur einer einzigen Regelgröße zugeordnet ist.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die eine Re­ gelgröße die Konzentration einer ersten Komponente im ersten Pro­ duktstrom und die andere Regelgröße die Konzentration einer zweiten Komponente oder der gleichen Komponente im zweiten Produktstrom ist, daß man als Stellgrößen entweder Destillatstrom und Dampfstrom oder Destillatstrom und Heizdampfstrom oder Rücklaufstrom und Sumpfpro­ duktstrom wählt, daß man die aktuellen Konzentrationen bestimmt, diese in Größen transformiert, die nach einem linearisierten Simu­ lationsmodell jeweils nur von einer der beiden gewählten Stellgrößen abhängen, und aus den Abweichungen der aktuellen transformierten Regelgrößen von ihren Sollwerten mit dem Modell die neuen Stellgrö­ ßen ermittelt.
Wie unten gezeigt wird, sind die Kombinationen der Stellgrößen so gewählt, daß jeweils einer Stellgröße direkt entweder eine Ver­ schiebung des Konzentrationsprofiles entlang der Kolonnenhöhe oder eine Formänderung des Profiles bei im wesentlichen unveränderter Lage zugeordnet ist. Bei anderen möglichen Stellgrößenkombinationen findet dagegen stets eine Überlagerung beider Effekte, der Formän­ derung und der Verschiebung des Profiles statt. Diese Eigenschaft der Stellgrößenkombination erweist sich unter anderem auch bei einer Beeinflussung der Produktkonzentrationen von Hand durch den Anlagen­ operator als Vorteil, denn die Regelung wird damit erheblich über­ sichtlicher.
In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird das Zeit­ verhalten der Regelungsstruktur dadurch berücksichtigt, daß man die aktuellen Konzentrationen diskontinuierlich nach einer zeitlichen Verzögerung in die transformierten Stellgrößen umrechnet, wobei das linearisierte Simulationsmodell eine das Zeitverhalten der externen Ströme der Kolonne beschreibende erste größere Zeitkonstante und eine das Zeitverhalten der internen Ströme beschreibende zweite kleinere Zeitkonstante enthält. Die genannte zeitliche Verzögerung ergibt sich aus der Verzögerung, mit der die aktuellen Konzentrati­ onswerte für die Regelung zur Verfügung stehen. Die Entkoppelung der Stell- und Regelgrößen ist auch hier möglich, denn die stationär exakt verschwindenden Nebendiagonalelemente der Übertragungsmatrix des entkoppelten Prozesses können bei Berücksichtigung der Zeitab­ hängigkeit vernachlässigt werden.
Um die stationäre Führungsgenauigkeit und Störungsunabhängigkeit des geschlossenen Regelkreises auch in Anwesenheit von Modellierungs­ fehlern zu gewährleisten, wird in einer weiteren Ausgestaltung vor­ geschlagen, daß die neuen Stellgrößen aus den Abweichungen der ak­ tuellen transformierten Regelgrößen von ihren Sollwerten mittels eines Internal-Model-Control-Reglers ermittelt werden, wobei dieser das Inverse der den Zusammenhang zwischen den transformierten Re­ gelgrößen und den Stellgrößen beschreibenden Matrix enthält. Dies ermöglicht eine einheitliche und überschaubare Vorgehensweise beim Entwurf der Regelung für eine Vielzahl von Anwendungszwecken.
Vorteilhaft ist außerdem, wenn der Internal-Model-Control-Regler einen Tiefpaß erster Ordnung enthält. Damit weist jeder der beiden Einzelregelkreise nur je einen freien Parameter auf, dessen Größe ohne Beeinflussung des anderen Kreises einstellbar ist.
Vorzugsweise wird die erfindungsgemäße Regelung dadurch realisiert, daß die Ermittlung der neuen Stellgrößen aus den aktuellen Konzen­ trationen mittels eines Rechners oder einer Schaltung erfolgt.
Die Erfindung betrifft außerdem eine Regeleinrichtung zum Durchfüh­ ren des genannten erfindungsgemäßen Verfahrens. Die Regeleinrichtung enthält eine Meßeinheit, z. B. einen Gaschromatographen mit elektronischer Auswerteeinheit für die aktuellen Konzentrationen (XD, XB), einen Rechner oder eine Schaltung zur Verarbeitung der die Konzentrationen darstellenden Signale und Stellantriebe für die Stellgrößen, wobei mit dem Rechner bzw. der Schaltung aus den von der Meßeinheit gelieferten Signalen die neuen Stellgrößen berechenbar und diese in entsprechende Steuersignale für die Stellantriebe wandelbar sind.
Nachfolgend wird die Erfindung anhand von Zeichnungen und Ausfüh­ rungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen
Fig. 1 eine schematische Darstellung einer Rektifikationskolonne,
Fig. 2 Diagramme zum stationären Verhalten des Konzentrationsprofils bei einer Änderung der Stellgrößen,
Fig. 3 Diagramme zum dynamischen Verhalten der Produktkonzentration nach einer sprungförmigen Änderung der Stellgrößen,
Fig. 4 Gleichungen, aus denen das der erfindungsgemäßen Regelung zugrunde liegende Modell entwickelt werden kann,
Fig. 5 eine schematische Darstellung einer vorteilhaften Auslegung der erfindungsgemäßen Kombination von Eingrößenregelungen,
Fig. 6 und 7 der Verlauf der Regel- und Stellgrößen nach einer sprungförmigen Erhöhung der Feedkonzentration, mit verschiedenen Taktzeiten,
Fig. 8 eine schematische Darstellung eines in der Praxis realisierbaren Regelungskonzepts nach einem Ausführungsbeispiel der Erfindung und
Fig. 9 den Verlauf der Regel- und Stellgrößen einer Kolonne bei Änderungen der Konzentrationssollwerte.
In der in Fig. 1 dargestellten Rektifikationskolonne wird ein Mehrkomponentengemisch in einen Destillatstrom und einen Sumpfpro­ duktstrom zerlegt. Die Komponenten des Einsatzgemisches entstammen einer homologen Reihe und die Feedzusammensetzung sowie die Pro­ duktspezifikationen variieren, so daß sich eine Vielzahl von unter­ schiedlichen Betriebspunkten der Anlage ergibt. Einer der möglichen Betriebspunkte, von dem nachfolgend ausgegangen wird, ist in Tabelle 1 aufgeführt. Aufgabe der Kolonne ist es, die Komponenten 1 bis 3 am Kopf der Kolonne zu gewinnen und die Komponenten 4 und 5 am Sumpf anzureichern. Die zulässigen Verunreinigungen des Destillatstromes durch die Komponenten 4 sowie des Sumpfproduktstromes durch die Komponente 3 betragen jeweils 1%.
F
= 19,8 kmol/h (Feed)
qF = 1 (thermischer Zustand des Feedstroms)
zF (K01) = 0,0205 kmol/kmol
zF (K02) = 0,1291 kmol/kmol
zF (K03) = 0,3885 kmol/kmol
zF (K04) = 0,4408 kmol/kmol
zF (K05) = 0,0211 kmol/kmol
xD (K04) = 0,00857 kmol/kmol
xB (K03) = 0,01115 kmol/kmol
D/F = 0,538
r = 1,29 (Rücklaufverhältnis)
22 Trennstufen
In Fig. 1 ist außerdem eine mögliche Automatisierungsgrundstruktur der Kolonne dargestellt, d. h. eine mögliche Zuordnung von Stell- und Regelgrößen für die notwendige Regelung der Füllstände in der Destillatvorlage sowie im Sumpf der Kolonne. Für die Beeinflussung der Produktkonzentrationen stehen also direkt die Stellgrößen De­ stillatstrom und Energieeinsatz zur Verfügung. Für das dynamische Verhalten der Anlage ist diese Auswahl der Regelungsstruktur von überragender Bedeutung.
Qualitative Informationen über das stationäre und dynamische Regel­ verhalten lassen sich mit einer komplexen, nichtlinearen Simulation gewinnen. Fig. 2 zeigt ein Ergebnis stationärer Simulationsuntersu­ chungen. Im oberen Teil ist der Verlauf des Konzentrationsprofiles über der Kolonnenhöhe in Abhängigkeit vom Destillatstrom ("Massen­ bilanz"), einer der beiden freien Stellgrößen, dargestellt. Um für Mehrkomponentensysteme zu einer sinnvollen, binären Problemen ana­ logen Aussage zu gelangen, wird nicht die Konzentration einer Kom­ ponente, sondern die Summe der Konzentrationen der am Kopf der Ko­ lonne angereicherten Komponenten 1 bis 3 als sogenannte Leichtsieder betrachtet. Die dargestellten Verläufe zeigen ein qualitativ arbeitspunktunabhängiges Verhalten. Die Änderung der Massenbilanz (Stellgröße D) bei konstantem Energieeinsatz bewirkt eine Verschie­ bung des Konzentrationsprofiles entlang der Kolonnenhöhe. Steigende Reinheit am Sumpf der Kolonne ist mit zunehmender Verunreinigung des Destillatstromes verbunden und umgekehrt. Darüber hinaus ist eine wesentliche Ursache der Nichtlinearität des Systems, seine Rich­ tungsabhängigkeit, erkennbar: Gleich große positive und negative Änderungen der Stellgrößen bewirken Änderungen stark unterschied­ licher Größe in den Konzentrationen an den Kolonnenrändern.
Ein grundsätzlich anderes Verhalten zeigen die im unteren Teil der Fig. 2 dargestellten Konzentrationsprofile. Wird bei unveränderter Massenbilanz der Energieeinsatz 1 (Stellgröße G bzw. V) verändert, so ändert sich bei im wesentlichen unveränderter Lage die Form des Profiles. Eine Erhöhung des Energieeinsatzes resultiert in einer höheren Produktreinheit sowohl am Kopf als auch am Sumpf der Kolon­ ne. Darüber hinaus deuten die Profile an, daß die Auswirkung der Veränderung dieser Stellgrößen geringer ist als diejenige des De­ stillatstromes. Die Richtungsabhängigkeit ist ebenfalls geringer. Auch diese Aussagen sind qualitativ arbeitspunktunabhängig.
In der Regelungsstruktur D-G bzw. D-V wird damit die Beeinflussung der beiden Freiheitsgrade des Konzentrationsprofiles - Lage und Form - jeweils einer Stellgröße direkt zugeordnet. Bei einer anderen möglichen Stellgrößenkombination (außer R-B) findet dagegen stets eine Überlagerung der Effekte statt. Werden die Produktkonzentrati­ onen von Hand durch den Anlagenoperateur eingestellt, erweist sich diese Eigenschaft der Massenbilanzregelungsstruktur als Vorteil, denn sie erhöht damit die Übersichtlichkeit der Regelung entschei­ dend.
Bisher wurde das Verhalten des gesamten Konzentrationsprofiles bei einer Stellgrößenänderung stationär betrachtet. Einen weiteren Ein­ blick in das Regelstreckenverhalten bietet die dynamische Simulation des Betriebes der Kolonne. Fig. 3 zeigt das dynamische Übergangs­ verhalten der zu regelnden Produktkonzentrationen nach einer sprungförmigen Stellgrößenänderung. Eine Erhöhung des Destillat­ stromes um 10% führt dabei, wie nach Fig. 2 zu erwarten ist, zu einem Absinken der Sumpfkonzentration der Leichtsieder, die nach etwa einer halben Stunde mit Erreichen eines neuen stabilen Zustandes beendet ist. Bei der Kopfkonzentration ist die dargestellte Größe nicht die Summe der Leichtsieder, sondern die sich mit dieser zu eins ergänzende Konzentration der vierten Komponente. Der Zeitverlauf ist erkennbar träger als derjenige am Sumpf. Eine Totzeit spielt bei beiden Kurven keine bedeutende Rolle. An Kopf und Sumpf ähnlich schnell verlaufen die im unteren Teil der Figur dargestellten Konzentrationsänderungen nach einer sprungförmigen Erhöhung des Energieeinsatzes um 10%. Eine bedeutende Totzeit tritt ebenfalls nicht auf. Die Dynamik ist in diesem Fall jedoch größer als bei Änderung des Destillatstromes. Eine ähnlich einfache generelle Deutung wie im stationären Fall ist hier nicht möglich.
Während die nichtlineare Simulation einen guten qualitativen Ein­ druck vom Verhalten der Regelstrecke liefert, kann sie für den Reg­ lerentwurf nicht direkt eingesetzt werden. Vielmehr ist hierzu die Entwicklung eines hiervon unabhängigen, einfachen und möglichst li­ nearen Modells erforderlich, bei dessen Parametrierung die Simula­ tion allerdings erneut eingesetzt werden kann. In Fig. 4 ist die Entwicklung des erfindungsgemäßen Regelverfahrens dargestellt. Zur Modellierung der Mehrgrößenregelstrecke wird oben eine stationäre Übertragungsmatrix angegeben, die die Matrix der partiellen Ablei­ tungen der Regelgrößen nach den Stellgrößen in unmittelbarer Nähe des vorgegebenen Arbeitspunktes darstellt. Aus der stationären Mas­ senbilanz der gesamten Kolonne ergibt sich, daß die einzelnen Ele­ mente dieser Matrix über zwei fundamentale Beziehungen voneinander abhängen. Erfindungsgemäß wird mit einer Transformation der Regel­ größen daraus ein stationär vollständig entkoppelter Zusammenhang zwischen den Stellgrößen D und G sowie neuen Ausgangsgrößen σ und δ erzeugt. Die Regelung kann dann als einfache Rückführung einer Aus­ gangsgröße auf eine Stellgröße entworfen werden.
Zur Beschreibung der Dynamik des Prozesses werden zwei Zeitkon­ stanten benutzt. Die größere Zeitkonstante T₁ beschreibt den Zusam­ menhang zwischen den externen Strömen der Kolonne, hier dem Destil­ latstrom D und der Regelgröße σ. Die kleinere Zeitkonstante T₂ er­ gibt den Einfluß der internen Ströme, hier des Dampfstroms G auf die Regelgröße δ wieder. Die im stationären linearen Fall exakt ver­ schwindenden Nebendiagonalelemente der Übertragungsmatrix C des entkoppelten Prozesses können, wie nachfolgend gezeigt wird, auch hier vernachlässigt werden. Die Modellparameter werden wiederum un­ ter Einsatz der Simulation bestimmt. Während zur Ermittlung des Ar­ beitspunktes sowie der stationären Prozeßverstärkung die stationäre nichtlineare Simulation verwandt wird, ist zur Ermittlung der beiden benötigten Zeitkonstanten der Einsatz der dynamischen Simulation erforderlich. Die hier erzeugten Sprungantworten werden mit den Mitteln der linearen Identifikation ausgewertet. Damit sind die Voraussetzungen für den Entwurf zweier linearer Eingrößenregler vorhanden.
Bei der Auslegung der beiden Eingrößenregelungen wird auf die Internal-Model-Control-Vorgehensweise zurückgegriffen, die die Zahl der freien Regelparameter pro Regelkreis auf einen beschränkt. Die IMC-Methode ist für das hier betrachtete zeitdiskrete Regelproblem mit Totzeit einfach anwendbar und gestattet die Berücksichtigung von praktisch unvermeidlichen Modellfehlern schon im Entwurf. Fig. 5 zeigt die Struktur des resultierenden Regelkreises für das vorlie­ gende Problem. Im Mittelpunkt der Struktur ist die Kolonne 1 mit den physikalischen Störgrößen 2 und Ausgangsgrößen XD und XB angeordnet. Diese sind zwar nicht direkt meßbar, stellen jedoch die eigentlich interessierenden Größen innerhalb des Regelkreises dar. Dahinter ist die Dynamik der gaschromatografischen Konzentrationsmessung 3, for­ mal aufgeteilt in ein Totzeitglied und einen Schalter, angeordnet. Die am Ausgang zeitdiskret zur Verfügung stehenden Meßergebnisse werden der Ausgangsentkopplung 4 unterzogen. Typisch für IMC ist die Anordnung des Prozeßmodells parallel zur Regelstrecke. Im Takt der Konzentrationsmessung werden mit dem entkoppelten Prozeßmodell 5 Ausgangsgrößen ermittelt und mit denen des Prozesses verglichen. Die vom Bediener vorgegebenen Konzentrationssollwerte werden ebenfalls im Takt der Konzentrationsmessung abgetastet und müssen wie die Produktkonzentrationen der Entkopplung 6 unterzogen werden. An der Vergleichsstelle mit der Ausgangsgrößendifferenz werden die Regler­ eingangsgrößen ermittelt und dem IMC-Regler 7 zugeführt. Dieser enthält explizit das Inverse des entkoppelten Prozeßmodells sowie bevorzugt einen diagonalen, zeitdiskreten Tiefpaßfilter und ist damit wie das lineare Prozeßmodell diagonal. Die vom Regler zeitdiskret ermittelten Stellgrößen werden an die entsprechenden Stellventile oder unterlagerten Durchflußregelkreise weitergeleitet und für die Dauer eines Abtastintervalls konstant gehalten.
Der Entwurf des Reglers erfolgt nach bekannten Vorgaben und wird hier nicht detailliert dargestellt. Jeder der beiden Eingrößenregler enthält eine freie Konstante, den Filterparameter. Dessen Erhöhung stabilisiert das System, jedoch unter Verschlechterung des Ein­ schwingverhaltens des Regelkreises. Ähnlich wie für eine konventio­ nell einschleifige Regelung mit Integralanteil ist durch diese Struktur des IMC-Reglers die stationäre Führungs- und Störgenauig­ keit des geschlossenen Regelkreises auch in Anwesenheit von Model­ lierungsfehlern gewährleistet. Diese Eigenschaft ist für den prak­ tischen Einsatz von überragender Bedeutung.
Für eine Realisierung der Regelung in einem Prozeßrechner oder -leitsystem ist eine Programmierung des gesamten in der Figur schat­ tierten Bereiches erforderlich. Vor dem praktischen Einsatz des Sy­ stems bietet jedoch die dynamische Simulation die Möglichkeit, das mit diesem System erzielbare Regelverhalten unter praxisähnlichen Bedingungen am ursprünglich nichtlinearen System hoher Ordnung zu testen. Zu diesem Zweck wird die Simulation der Rektifikationsko­ lonne um die Dynamik der Konzentrationsmessung und das schattiert dargestellte Regelungssystem ergänzt.
Fig. 6 zeigt auf diese Weise erhaltene Berechnungsergebnisse für die obengenannte Mehrkomponentenrektifikation. Zum Zeitpunkt 0 wirkt auf die am Arbeitspunkt betriebene Kolonne eine sprunghafte Störung ein. Es handelt sich um eine relative Erhöhung der Feedkonzentration der Komponente 3 um 5%. Die Konzentration der Komponente 4 nimmt entsprechend ab. Die Analysentaktzeit wird in Übereinstimmung mit dem realen Verhalten eines Prozeßgaschromatographen mit 0,5 h an­ genommen. Daher können erst nach 1 h die ersten Stellgrößen D und, in diesem Beispiel, Heizdampfstrom V berechnet werden (unteres Teilbild). Dargestellt sind hier die nicht meßbaren Verläufe der Produktkonzentrationen direkt in den Produktströmen (oberes Teil­ bild). Die Konzentrationen haben sich innerhalb dieser Zeit bereits sehr weit von ihren Sollwerten entfernt. Es treten trotzdem keine Stabilitätsprobleme der Regelung auf. Mit dem totzeitkompensierenden Regler gelingt es vielmehr, nach einer begrenzten Anzahl von Stell­ eingriffen trotz der Störung die Produktspezifikationen zu errei­ chen.
Wesentlichen Einfluß auf die erreichbare Regelleistung, z. B. die quadratische Abweichung der Regelgrößen, hat die Länge der Tast- und Totzeit der Messung. Sie ist in der Regel meßtechnisch vorgegeben und kann nicht verändert werden. Ihr Einfluß wird in der folgenden Fig. 7 verdeutlicht. In der gleichen Form wie in Fig. 6 ist hier das Systemverhalten nach Auftreten der gleichen Störung dargestellt. In diesem Fall beträgt jedoch die Taktzeit der Messung nur 10 min.
Entsprechend berechnet der analog zum ersten Fall ermittelte Regler bereits nach 20 min die ersten Stellgrößen. Das System kehrt nach etwa einer halben Zeit im Vergleich zu Fig. 6 zu den Sollwerten der Produktkonzentrationen zurück. Der etwas oszillierende Verlauf der Stellgröße Heizdampf deutet eine wachsende Abweichung des nichtli­ nearen Systems vom vereinfachten Modellprozeß, der Grundlage des Reglers ist, an. Kurzzeiteffekte sind in diesem ebensowenig wie die mit steigender Frequenz zunehmende Verkopplung berücksichtigt. Bei kombinierten Tast- und Totzeiten von 10 min oder länger, wie sie in der Praxis häufig auftreten, ist dies auch nicht erforderlich.
Während sich die IMC-Struktur des Regelkreises besonders für den systematischen Entwurf des Reglers als vorteilhaft erweist, hat die einfachere einschleifige Struktur für eine Realisierung in der Pra­ xis Vorteile. Sie enthält weniger Elemente und ist daher einfacher im Leitsystem oder auf dem Prozeßrechner zu implementieren. Für den Betrieb wichtige Detailfragen wie etwa die Inbetriebnahme des Reg­ lers sind ebenfalls in der einschleifigen Struktur einfacher lösbar. Im Betriebsversuch zur vollständigen Konzentrationsregelung wurde daher der IMC-Regelkreis analytisch in einen einschleifigen Regel­ kreis umgerechnet. Die entstandene Konfiguration ist schematisch in Fig. 8 wiedergegeben. Erkennbar ist die Summierung der durch die Gaschromatographen ermittelten Produktkonzentrationen zur Bildung der obenerwähnten Leicht- und Schwersiederfraktion. Aus diesen so­ wie dem entsprechenden Sollwert wird nach der Entkopplung 4 die Re­ geldifferenz der transformierten Ausgangsgrößen σ und δ erhalten, die jeweils in einen zeitdiskret arbeitenden Eingrößenregler 8, 9 zur Ermittlung der Stellgrößen Destillatstrom und Energieeinsatz eingespeist werden. Zur Feineinstellung der Regelung vor Ort wird lediglich je eine freie Reglerkonstante pro Regelkreis verwendet, die sich aufgrund der Entkopplung nur auf diesen Regelkreis aus­ wirkt. Dies ermöglicht eine einfache und überschaubare on-line- Feinabstimmung der Regelung.
Fig. 9 zeigt das an einer Produktionskolonne erzielte Prozeßver­ halten über einen Zeitraum von 12 h. Es handelt sich ebenfalls um eine Mehrkomponententrennung. Die Taktzeit der Konzentrationsmessung beträgt wie in der Simulation 30 min. Die Kolonne hat jedoch andere Einbauten und einen anderen Verdampfer als in den Simulationsunter­ suchungen angenommen. Die Arbeitspunkte unterscheiden sich ebenfalls deutlich. So beträgt der Destillatanteil hier etwa 75%. Bei der Reglerauslegung wird jedoch wie oben beschrieben vorgegangen. Die Modellparameter wurden mit Hilfe der Simulation vorab ermittelt und während des Versuchs vor Ort unverändert übernommen. Im oberen Teilbild ist der Verlauf der Soll- und Istwerte des Leichtsieders an Kopf und Sumpf der Kolonne zeitabhängig dargestellt. Die Auftragung unterscheidet sich damit für den Destillatstrom von derjenigen für die Simulationsergebnisse. Außerdem sind hier die Istwerte der Kon­ zentrationen erst nach Durchlaufen der Meßtotzeit von 30 min zu­ gänglich. Der Verlauf der Stellgrößen im unteren Teil der Fig. 9 ist schwingungsfrei und wirft keinerlei praktische Probleme wie z. B. abrupte Änderungen oder Stellgrößenbeschränkungen auf. Im Gegensatz zu den Simulationsuntersuchungen stand lediglich das Ventil des Heizkreislaufes für die Änderung des Energieeinsatzes zur Verfügung, dessen Ventilstellung hier die eine Stellgröße ist. Das Einschwingen der Konzentrationen nach Änderung jeweils nur eines Sollwertes zeigt ein gutes und fast vollständig entkoppeltes Verhalten der Regelgrö­ ßen. Diese ist nur mit Hilfe einer vollständigen Mehrgrößenregelung erzielbar, wie sie mit dem hier dargestellten zusammengesetzten Konzept aus Entkopplung und diagonaler Rückführung realisiert wird.
Bezugszeichenliste
F Feed
zF (Ki) Konzentration der Komponente i im Feed
qF thermischer Zustand des Feedstroms
LC Füllstandregelung
FC Stromregelung
QR Konzentrationsmessung
XD (Ki) Destillatkonzentration an Komponente i
XB (Ki) Sumpfkonzentration an Komponente i
D Destillatstrom
R Rücklaufstrom
G Dampfstrom
V Heizdampfstrom
B Sumpfproduktstrom
r Rücklaufverhältnis
1 Kolonne
2 Störgrößen
3 Konzentrationsmessung
4 Entkopplung
5 Prozeßmodell
6 Entkopplung
7 IMC-Regler
8 Eingrößenregler
9 Eingrößenregler

Claims (6)

1. Modellgestütztes Verfahren zum Regeln einer Mehrkomponenten-Rektifikationskolonne mit zwei Produktströmen, wobei das Modell die Verknüpfung zwischen den Regel- und Stell­ größen enthält, dadurch gekennzeichnet, daß die Regelgröße die Konzentration (xD) einer ersten Kompo­ nente (K4) im ersten Produktstrom (D) und die andere Regelgröße die Konzentration (xB) einer zweiten Komponente (K3) oder der gleichen Komponente (K4) im zweiten Produktstrom (B) ist, daß man als Stellgrößen entweder Destillatstrom (D) und Dampfstrom (G) oder Destillatstrom (D) und Heizdampfstrom (V) oder Rück­ laufstrom (R) und Sumpfproduktstrom (B) wählt, daß man die ak­ tuellen Konzentrationen (xD, xB) bestimmt, diese in Größen (σ, δ) transformiert, die nach einem linearisierten Simulationsmodell jeweils nur von einer der beiden gewählten Stellgrößen abhängen, und aus den Abweichungen der aktuellen transformierten Regel­ größen (σ, δ) von ihren Sollwerten (σS, δS) mit dem Modell die neuen Stellgrößen ermittelt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man die aktuellen Konzentrationen (xD, xB) diskontinuierlich nach einer zeitlichen Verzögerung in die transformierten Stell­ größen (σ, γ) umrechnet, wobei das linearisierte Simulations­ modell eine das Zeitverhalten der externen Ströme der Kolonne beschreibende erste größere Zeitkonstante (T₁) und eine das Zeitverhalten der internen Ströme beschreibende zweite kleinere Zeitkonstante (T₂) enthält.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die neuen Stellgrößen aus den Abweichungen der aktuellen transformierten Regelgrößen von ihren Sollwerten mittels eines Internal-Model-Control-Reglers ermittelt werden, wobei dieser das Inverse der den Zusammenhang zwischen den transformierten Regelgrößen und den Stellgrößen beschreibende Matrix enthält.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Internal-Model-Control-Regler einen diagonalen Tiefpaßfilter erster Ordnung enthält.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Ermittlung der neuen Stellgrößen aus den aktuellen Konzentrationen mittels eines Rechners oder einer Schaltung er­ folgt.
6. Regeleinrichtung zum Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 5, gekennzeichnet durch eine Meßeinheit für die aktuellen Konzentrationen (xD, xB), einen Rechner oder eine Schaltung zur Verarbeitung der die Kon­ zentrationen (xD, xB) darstellenden Signale und Stellantriebe für die Stellgrößen, wobei mit dem Rechner bzw. der Schaltung aus den von der Meßeinheit gelieferten Signalen die neuen Stellgrößen berechenbar und diese in entsprechende Steuersignale für die Stellantriebe wandelbar sind.
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