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Verfahren zum Verhindern des Auftretens gefährlicher Verdrehungsschwingungen
bei kritischen Drehzahlen. Es ist eine Eigentümlichkeit aller Kolbenmaschinen, daB
sie an den Kurbeln nicht eine gleichbleibende Drehkraft erzeugen, wie das z. B.
die Dampfturbinen tun, sondern daB sie beliebig schwankende Drehkräfte abgeben,
die innerhalb einer oder zweier Umdrehungen immer in derselben Stärke wiederkehren.
Die erzeugte veränderliche Drehkraft hat nicht nur eine ungleich schnelle Drehbewegung
der Wellen und Schwungmassen zur Folge - eine Erscheinung, welche man durch den
soge_ nannten »Ungleichförmigkeitsgrad<c kennzeich
net -, sie
erregt außerdem noch sogenannte Dreh- oder Verdrehungsschwingungen in dem ganzen,
aus Wellen und Schwungmassen der antreibenden und angetriebenen Maschine bestehenden
Getriebe.
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Diese letzteren Bewegungen bestehen in einem federnden, drehenden
Hin- und Herpendeln der Schwungmassen gegeneinander und sind meist so unbedeutend,
daß sie ohne besondere Meßapparate nicht wahrgenommen werden. Sie können aber zu
sehr heftigen Drehschwingungen anwachsen, wenn nach der üblichen Ausdrucksweise
der Fall der »Resonanz« zwischen der Wechselzahl der Drehkraftstöße und einer Eigenschwingungszahl
der Anlage eintritt, d. h. wenn bestimmte Drehkraftstöße regelmäßig in derselben
Periodenzahl wiederkehren, womit sich die Schwungmassen bei idealer, reibungsfreier
Lagerung auch ohne äußere Nachhilfe in schwingendem Zustande erhalten könnten. Die
große Gefahr solcher Vorgänge besteht darin, daß bei ihnen die Wellenteile nicht
bloß durch das Drehmoment der äußeren Drehkräfte beansprucht werden, sondern daß
sie durch die oft zehnfach größeren trägen Momente der sich gegenseitig vor- und
rückwärtsschnellenden Schwungmassen ganz gewaltig verdreht werden. Diese unerwünschten
Bewegungen leiern immer Zahn., rad- und Gelenkverbindungen der Maschine stark aus
und führen unter Umständen sogar zu einem Bruch der Wellenleitung. Es besteht daher
dauernd ein großes Bedürfnis nach Abhilfe dieser Erscheinung. Man hat heute gelernt,
solch gefährliche Resonanzzustände mit großer Sicherheit voraus zu berechnen und
kann sich oftmals dadurch helfen, daß man die Schwungmassen und Wellen irgendwo
so versteift oder schwächt, daß stärkere Schwingungen nur bei solchen Drehzahlen
auftreten, die möglichst wenig gefahren werden.
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Andere Maßnahmen bestehen darin, daß man sogenannte Dämpfungsapparate
in die Wellenleitungen einbaut; sie sind so konstruiert, daß sie selbst in starke
drehende Pendelbewegungen geraten, sobald eine kritische Drehzahl gefahren wird.
Dabei sollen sie dann in sich starke Reibungswiderstände (Dämpfungen) entwickeln
und die ganzen sich drehenden Teile beruhigen, d. h. zu schwingungsfreien Drehbewegungen
zwingen. Eine allgemein befriedigende Lösung auf diesem Wege ist noch nicht bekannt
geworden.
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Die Erfindung besteht nun darin, die erste Ursache aller Schwingungen,
nämlich die von der Antriebsmaschine entwickelten Kraftstöße so zu beeinflussen
oder in der Zeitfolge so anzuordnen, daß sie nicht mehr zu heftigen Schwingungen
Anlaß geben. Es ist das dadurch möglich, daß im selben Augenblick sowohl vor- und
rückwärts gerichtete Drehkraftstöße als auch vor- und rückwärts gerichtete Schwungmassenpendelungen
vorhanden sind, wobei aber die Kräfte durchaus nicht mit der Bewegung ihrer Angriffsstelle
im Gleichtritt abzulaufen brauchen, sondern zeitlich beliebig zueinander angeordnet
und verschoben sein können. Die Begriffe »vorwärts,. und »rückwärts« sind dabei
nicht absolut, d. h. relativ zur Drehkraft 0 bzw. zur Drehbewegung 0 zu verstehen;
sie sind vielmehr von den entsprechenden Mittelwerten aus zu zählen. Irgendein Querschnitt
des Massensystems schwingt somit voraus, wenn er sich einen Augenblick- lang, dank
der Federungen der Wellenleitung, schneller als mit mittlerer Geschwindigkeit vorausdreht,
während andere Querschnitte im selben Augenblick federnd etwas zurückbleiben. Ebenso
spricht man von Vorwärts- und Rückwärtskräften, wenn sie augenblicklich stärker
oder schwächer als mit mittlerer Drehkraft an der Maschinenanlage drehen.
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Wenn nun solche Drehkraftschwankungen auf ein System mit einer Impulszahl
gleich einer Eigenschwingungszahl der ganzen Anlage einwirken (»Resonanza), dann
gerät dieselbe in besonders heftige Schwingungen, bei denen sehr starke träge Massendrehmomente
ausgelöst werden, die bekanntlich ihrerseits wieder vorschreiben, nach welcher »Schwingungsformcc
sich die Schwingungen der mittleren Drehgeschwindigkeit überlagern, d. h. wie die
einzelnen Querschnitte gegenüber der mittleren Drehgeschwindigkeit pendeln. Diese
Schwingungen laufen dann zeitlich immer so ab, daß alle oder doch mindestens einige
der schwingenden Kräfte (und zwar die an Angriffsstellen mit großen Ausschlägen)
die Schwingungen ihrer Angriffsstellen und damit des ganzen Systems unterstützen,
während andere weniger wirksame Kräfte (an Querschnitten mit kleinen Ausschlägen)
unter Umständen gezwungen werden, eine Schwingung entgegen ihrem augenblicklichen
Richtungssinn mitzumachen, und dabei der Bewegung entgegenarbeiten. in einem gegebenen
Falle werden beispielsweise alle Kurbeln im selben Augenblick im Vorwärtsdrehsinn
federnd vorauspendeln (die äußeren Kurbeln mehr, die inneren weniger), in welchem
andere Schwungmassen, z. B. Schwungrad, Dynamo, pendelnd etwas zurückbleiben. In
diesem Falle ist es offenbar sehr nachteilig, wenn auch alle Drehkraftstöße an den
Kurbeln in gleichen Augenblicken im selben Drehsinn auf die Kurbeln einwirken; ein
Ausgleich wird in diesem Falle nur dann stattfinden, wenn an einigen Kurbeln Drehkräfte
in demselben Augenblick nach rückwärts stoßen, wo die übrigen nach vorwärts zu drehen
suchen. Die ersteren müssen dabei wohl oder übel die Bewegung der Kurbeln
im
Vorwärtsdrehsinn mitmachen, leisten aber dabei negative Arbeit und verhindern starke
Pendelungen.
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Bei anderen, sehr elastisch gebauten Maschinenanlagen mit vielen Zylindern
könncn sich Eigenschwingungsformen ausbilden, bei denen bereits die Kurbelschwungmassen
unter Verwinden der Kurbelwelle etwa zu gleichen Hälften gegeneinander schwingen.
In diesem Fall wird es schädlich sein, wenn auf diese Kurbeln Drehkräfte einwirken,
die ebenfalls zu gleichen Teilen gegeneinander schwingen. Hier muß angestrebt werden,
nur Kräfte zu bekommen, die alle gleichzeitig .im gleichen Drehsinn - stoßen. Manchmal
wird es auch schon genügen, das zeitliche Gegeneinander-oder Zusammenschwingen nicht
genau, sondern nur angenähert zu verwirklichen.
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Aus diesen allgemeinen Ausführungen geht bereits deutlich hervor,
daß die Lösung der Aufgabe, einen Ausgleich herbeizuführen, letzten Endes darauf
hinauskommt, die Kraftstöße in ihrem zeitlichen Auftreten beherrschen zu lernen.
Es -ist somit im folgenden zu erläutern, mit welchen Mitteln diese »zeitliche Steuerung:
der Kraftstöße zu erreichen ist. Es stehen dafür zwei Wege offen.
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Entweder es werden die unter sich gleichen Drehkräfte der einzelnen
Zylinder durch Wahl bestimmter Zündabstände zeitlich gegeneinander verschoben, oder
es werden die Drehkräfte der einzelnen Zylinder verschiedenartig nach Verlauf und
Größe gewählt.
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Um zu einer klaren Vorstellung zu gelangen, bedient man sich der harmonischen
Zerlegung der Kräfte.
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Die Abb. z bis 8 veranschaulichen Kräftediagramme einer Einzylindermaschine.
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Die Abb. i stellt den Verlauf der am Kurbelzapfen wirkenden tangentialen
Umfangskraft eines einzelnen, im Viertakt arbeitenden Zylinders während einer Grundperiode
P oder während zweier Umdrehungen der Kurbelwelle dar. Die hin und her schwankenden
Kraftwirkungen kann man ersetzen durch eine Summe von rein sinusförmig pendelnden
Drehkräften, durch die sbgenannten »harmonischen Teilkräfte«, ähnlich wie man in
der Statik eine Einzelkraft als Resultierende beliebig vieler Teilkräfte auffassen
kann. Diese harmonischen Kräfte sind -die Erreger der Schwingungen. Bei einer Einzylindermaschine
besteht die gegebene Drehkraft zunächst aus einer unveränderlichen Kraft von der
Stärke D, (Abb. 2), gewöhnlich mittlere Drehkraft genannt; außerdem aus einer »Grundschwingung«
mit der Schwingungsweite (Amplitude) D112 (Abb. 3) und aus, 5 Oberschwingungen (Abb.
q. bis 8). Da die mittlere Drehkraft D, Schwingungen weder erregen noch verhindern
kann, kann man von ihr ganz absehen und sich darauf beschränken, nur die die Schwingungsbewegungen
hervorrufenden Kräfte allein zu betrachten.
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Die schwingungserregenden Teilkräfte (Abb. 3 bis 8) sind durch je
drei Kennzeichen vollkommen bestimmt i. durch die Ordnungszahl K i,= il/2 usw.,
welche lediglich besagt, daß die betreffende harmonische Kraft innerhalb einer Umdrehung
K Vollwellen zurücklegt, oder bei n-Umdrehungen der Maschine (n . K) schwingende
Drehkraftstöße auf die Kurbeln ausübt; 2. durch Angabe der Höhe D der Sinuslinie
oder der Schwingungsweite der Kraftwelle; 3. durch Angabe der Stelle oder des Zeitpunktes,
bei welchem die Sinuslinie beginnt, oder durch eine Angabe, in welchen Winkelstellungen
c) sich die Drehzeiger, welche die Sinuslinien entsprechend versinnbildlichen, bei
Beginn der Perioden befinden (vgl. Abb. 3 bis 8 linksseitig). Bei dem vorliegenden
Beispiel betragen die Schwingungsweiten und Phasen der einzelnen Harmonischen D12-2,38
kg/qcm und (p1/2=230°; D1=2,69; 9l=18° usw.
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. Ändert man die gegebene Drehkraft (Abb. i), dann ergeben sich dafür
andere harmonische Teilkräfte, welche zwar dieselben Wellen- oder Ordnungszahlen,
aber andere Schwingungsweiten besitzen und gegenüber den Wellen verschoben sind.
Im allgemeinen werden die gegebenen Drehkräfte auch- nicht nur 6 Teilkräfte aufweisen,
wie das in Abb. i möglichst einfach gewählte Beispiel, sondern sie werden streng
genommen unendlich viele, immer kleiner werdende harmonische Teilkräfte besitzen,
die in ihrer Summe eine immer bessere Annäherung an den wirklichen Kraftverlauf
(Abb. i) ergeben. Es genügt aber meistens, nur die ersten 12 bis 18 Teilkräfte in
Betracht zu ziehen.
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Linien einer Dreizylindermaschine (Abb. 9 bis 22).
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Sind die Kräfte unter sich gleich und weiterhin gleichmäßig gegeneinander
versetzt, d. h. liegen zwischen den einzelnen Zündungen gleiche Zeitabstände PI3,
wie die Linienzüge in Abb. 9 veranschaulichen, dann sind auch immer je drei ihrer
harmonischen Teilkräfte untereinander gleich und gleichmäßig gegeneinander versetzt
(vgl. Abb. io). Dieses hat aber zur Folge, daß sich je drei harmonische Kräfte,
und zwar die von der Ordnung K - 1/2, = i, = 2, - 212 gegeneinander aufheben (Abb.
ii bis r4, 17 bis 2o), und daß sich andere harmonische Kräfte übereinander lagern
(Abb. 15, 16, 21, 22) ; die gesamte Drehwirkung der gegebenen drei Grundkräfte (Abb.
9) ergibt also resultierend eine Umfangskraft nach Abb. io, die selbst wieder aus
einem
dreifachen Mittelwerk - (3 X DJ, aus einer harmonischen Kraft il/2ter Ordnung (Abb.
16) und aus einer harmonischen Kraft dritter Ordnung (Abb. 22) besteht. Wären die
Zündabstände andere, dann würden sich andere harmonische Teilkräfte ausgeglichen
und andere verstärkt haben.
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Verkettet man weiterhin 6 Drehkräfte oder 2 der eben behandelten Dreizylindermascbinen
(Abb. 23 bis 32) miteinander, dann erhält man ,nieder verschiedene Verhältnisse,
je nach den gewählten Zündabständen. Sind die beiden Dreizylindergruppen nach Abb.
23 wieder gleichmäßig mit Pf`6 gegeneinander versetzt, dann schwingen wieder zwei
harmonische Kräfte (Abb. 25) gegeneinander, und die anderen beiden harmonischen
Kräfte summieren sich zu doppeltem Betrag, 2 X (3 X Ds) Abb. 26 und 27, so daß die
resultierende Drehkraft (Abb. 2q.) nur noch eine mittlere Kraft - (6XDo) und eine
harmonische Kraft dritter Ordnung enthält. Versetzt man die beiden Dreizylindergruppen
nach Abb. 28 um (P/i2 und 3P42) Periode gegeneinander, dann ergibt sich eine resultierende
Drehkraft nach Abb. 2g mit einer harmonischen Kraft i1/2 ter Ordnung (Abb. 3r).
Die harmonischen Kräfte dritter Ordnung schwingen nunmehr nach Abb. 32 gegeneinander.
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Diese Ausführungen lassen also erkennen, daß durch die Wahl der Zündabstände,
die ja in erster Linie durch die gewählten Kurbelwinkel bedingt werden, bestimmte
harmonische Drehkraftstöße zeitlich zueinander verschoben werden können. Sollen
z. B. die harmonischen Kräfte von der Ordnung hi des Zylindsrs X entgegengesetzt
den bei gleichen Zündabständen auftretenden Antriebstößen geschaltet werden, dann
ist der Kurbelwinkel dieses Zylinders rechnungsmäßig um 0 -
zu ändern. (Die Zahl i8o ist einfach dadurch begründet, daß das Gegeneinanderschalten
einer harmonischen Kraft eire Verschiebung um die Länge einer Halbwelle oder um
eine halbe Umdrehung _-_ i8o ° des entsprechenden Drehzeigers bedeutet.) Unter den
vielen Möglichkeiten wird man natürlich immer mit besonderer Sorgfalt jene wählen,
welche das kleinste Opfer an Massenausgleich und Gleichförmigkeitsgrad fordert.
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Das zweite, bereits oben angedeutete Mittel, die harmonischen Kraftstöße
zu verschieben, besteht darin, daß man die Drehkraft einzelner Kurbeln ändert, indem
man beispielsweise den maximalen Drehstoß durch stärkeres Nachbrennen im Zylinder
oder durch verspätetes Einblasen von Preßluft gegen das Hubende verschiebt.
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Besitzt die angetriebene Arbeitsmaschine gleichmäßig konstantes Drehmoment,
dann muß der Ausgleich immer innerhalb der vielzylindrigen Antriebsmaschine erfolgen.
Zu Aggregaten dieser Art gehören alle Dynamo-, Automobil- und Flugmaschinenanlagen.
Unter Umständen geschieht der Antrieb durch zwei für sich allein nicht ausgeglichene
Maschinen; dann ist gleichfalls eine Kupplung der beiden Teilmaschinen unter bestimmtem
Winkel in Erwägung zu ziehen.
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Bietet die Arbeitsmaschine (z. B. ein Kompressor oder nach neueren
Beobachtungen manchmal auch die Schiffsschraube) einen schwankenden Drehwiderstand
dar, so ist der Schwingungsausgleich zwischen Antriebs- und Arbeitsmaschine möglich.
In allen Fällen hat man zuerst die Oberschwingungen aller an der Anlage wirksamen
äußeren Drehkraftschwankungen zu bestimmen und sie dann unter Berücksichtigung der
in Frage kommenden Schwingungsform in entsprechender Phase zu kuppeln, wie das oben
auseinandergesetzt wurde.