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Verfahren zur Benutzung von Verbindungen der Stickstöffwasserstoffsäure.
Es ist bekannt, wie vorsichtig man bei Handhabung von Bleiazid, Silberazid und ähnlichen
Stoffen sein muß. Diese Gefährlichkeit machte deren Benutzung in größeren 'Mengen
bis jetzt unmöglich.
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Durch vorliegende Erfindung kann die Empfindlichkeit und damit die
Gefährlichkeit des Handhabens derartiger Stoffe auf jeden beliebigen Grad herabgemindert
werden. Sie fußt auf der Beobachtung, daß die sonst sehr gefährlichen Stoffe ihre
Empfindlichkeit verlieren, wenn sie in den Poren von nicht, oder wenig gefährlichen
Unterlagen ausgefällt bzw. die Teilchen der gefährlichen Stoffe auf oder zwischen
die Teilchen der nicht gefährlichen gelagert sind. Dadurch ist nicht allein die
Möglichkeit gegeben, Analysen, Zersetzungstemperaturbestimmungen u. dgl. ohne jede
Gefahr auszuführen, sondern auch die sonst sehr gefährlichen Stoffe in größeren
''Ieligen praktisch anzuwenden.
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Wird beispielsweise ein 17 cm langer und io cm breiter Streifen von
Zeitungspapier, welcher o,92 g wiegt, mit einer wäßrigen, bei gewöhnlicher Temperatur
gesättigten Bleizuckerlösung getränkt, getrocknet, nochmals so behandelt, hierauf
mit einer konzentrierten wäßrigen Lösung von stickstoffwasserstoffsaurem Natron
getränkt, wieder getrocknet, dann mit Wasser gut gewaschen und dabei das wenige
an der Oberfläche nicht fest fixierte Bleiazid abgewischt, so wiegt dieser Streifen
nach dem Trocknen 476 g. Es sind bei dieser Ausfällung also 0,849 Bleiazid derri
_ Papier einverleibt worden: Solches Papier zeigt kein auffälliges Aussehen, die
Oberfläche erscheint zwar etwas rauher, die Farbe weißer, es ist gegen das Licht
gehalten weniger durchscheinend, aber der Druck ist deutlich lesbar wie vorher.
In solchem Papier sind 47,7 Prozent Bleiazid vorhanden, oder auf das ursprüngliche
Papier bezogen 943 Prozent. In einer größeren Zeitung kann man schon eine ziemliche
Sprengkraft konzentrieren; in einem Buche wäre es, bei größerem Format, eine sehr
gefährliche Menge.
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Derartiges Papier zeigt folgende Eigenschaften. Es läßt sich drücken,
knittern, mit der Schere oder dem Korkbohrer schneiden und verträgt leichte Hammerschläge
ohne Entzündung. In Paraffin von iio° eingetragen, steigen zunächst viel Bläschen
in die Höhe, von Luft und Feuchtigkeit herrührend, dies hört bald auf, bis i8o°
zeigt sich dann keine Veränderung, hierauf wird es gelblich und bei 2265 sind wieder
Gasbläschen sichtbar, während es immer dunkler wird. Bis zd.o° erhitzt, dann mit
Benzin vom Paraffin befreit, zeigt es unter dem Hammer noch explosive Eigenschaft.
Infolge dieser Wärmebeständigkeit kann dieses Papier mit geschmolzenem Trinitrotoluol
u. dgl. getränkt oder -,vellpappenähnlich gefaltet, zusammengerollt und die Zwischenräume
mit Explosivstoffen ausgegossen, oder mit inneren Hülsenauskleidungen u. dgl. davon,
ebenso verfahren werden. Schmale Streifen des Papieres mit einem Ende in eine Flamme
gehalten, knattern und verlöschen, ohne ganz zu verbrennen, ein kleines fest zusammengerolltes
Kügelchen
gibt aber einen scharfen Knall. Wird ein Streifchen in
einem Glasröhrchen erhitzt, so verpufft es nur, ein Streifchen der gleichen Größe
zusammengedreht, verknallt hingegen hierbei. Unter dem Hammer wird auf Steinunterlage
nur ein Loch herausgepufft, drei Lagen von .i mm Scheibchendurcbinesser geben einen
Knall wie eine starke Papieramorce, zu einem Kügelchen gedreht, einen stärkeren
bei dreiLagenStreifchen werden unverbrannte Stückchen weit weggeschleudert. Durch
Tränken solchen Bleiazidpapiers mit Lösungen von Kaliumchlorat-, -perchlorat, -nitrat
o. dgl. und Trocknen lassen sich diese Wirkungen versfärken; durch verdünnte Glyzerinlösung,
Lösungen indifferenter Salze, Leim, Gummi, Fette usw. läßt sich die Empfindlichkeit
noch weiter vermindern; schon zu viel Salpetereintrocknung bewirkt letzteres.
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Gleiches Papier, welches nur 34 Prozent Bleiazid enthält, 53,1 Prozent
auf das Papier bezogen, zeigt offen nur sehr geringe explosive Eigenschaften. Diese
'treten erst hervor im geschlossenen, möglichst kleinen Raume bei Initialzündung.
An einem Ende durch eine Flamme entzündet, verglimmt ein solches Streifchen gänzlich
unter Fünkchensprühen. Ein Papierstreifehen ohne Bleiazid brennt, auf diese Art
probiert, eines mit 34 Prozent Bleiazid verglimmt und jenes mit 47,7 Prozent
verlöscht alsbald. Dieses Verhalten ist sehr überräschend, es erkläit sich dadurch,
daß bei dem höherprozentigen Papiere der brennende Teil, infolge der brisanten Wirkung
des Bleiazids zerstäubt und weggeschleudert wird; das Initialzündungsvermögen gelangt
erst im geschlossenere Raume zur Geltung.
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Filtrierpapier (Marke: Schleicher & Schüll in Düren, Nr. 597)
von dem ein 17 cm langer, io cm breiter Streifen i,5o g wiegt, verhält sich bei
einem Gehalte von 49,3 Prozent Bleiazid fast gleich wie das Zeitungspapier mit 47,7
Prozent.
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Ebenso wie beim Papier läßt sich Bleiazid auch in und auf Fäden, Geweben,
Infusorienerde, Holz- oder Kokosnußkohle, Cellulose (Holzstoff), Sägespänen, Korkmehl
u. dgl. ausfällen, welche Stoffe nachher mit Nitroglyzerin getränkt, oder sonstwie
weiter gebraucht werden können. Beispielsweise kann derartige Kokosnußkohle als
Sprengmittel in Verbindung mit flüssigem Sauerstoff verwendet werden. Wird für die
Fällung des Azides als Bleisalz Bleiazetat benutzt, so kann in der Lösung noch Bleiazid
vorher aufgelöst werden, denn es ist darin löslich.
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Bei einem selbsthergestellten Muster von Schießbaumwolle war es bloß
möglich, 13 Prozent Bleiazid unabwaschbar festzuhalten, wenn ebenso wie mit dem
Papier verfahren wurde. Eine fest zusammengedrehte Probe des Produktes zeigte etwas
stärkere Explosivität als ohne Bleiazid, ebenso mittels Essigsäureäthylester hergestellte
Blättchen. Hingegen vermag man der Paste für letztere, oder einer aus Schießwolle
und Essigester, leicht mehr Bleiazid einzuverleiben, das, der Gefahr halber, nicht
erst getrocknet zu werden ])raucht, sondern das Waschwasser wird mit Essigester
verdrängt. Benutzt man ein Filter aus nitriertem Papier oder ebensolchen Baumwollstoff,
so kann es mit verpastiert werden. Auf diese Art oder mittels Kollodiumpapier oder
-wolle lassen sich sehr wirksame Films und Blättchen erzeugen, die gleichwohl, auch
vollkommen ausgetrocknet, noch ohne Entzündung mit der Schere zersclineidbar sind.
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Andere Azide oder gefährliche Stoffe lassen sich in gleicher oder
ähnlicher Weise in eine leichter zu handhabende, ungefährliche Form bringen. Beim
Silberazid kann, außer der direkten Ausfällung, auch dessen Löslichkeit in Ammoniak
dafür benutzt werden. Durch Verflüchtigung oder Absättigung des Ammoniaks scheidet
sich das Silberazid wieder aus. Nur ist in diesem Falle darauf zu achten, daß sich
dabei nicht -dessen Kxystallnadeln oder -drusen bilden, denn sind solche eingelagert,
dann erhält man sehr .gefährliclie Produkte. Wird hingegen diese Gefährlichkeit
für besondere Kriegszwecke gewünscht, z. B. in einer ganz unauffälligen Gestalt,
oder erst auf dem Schußwege eines Geschosses durch Verdunstung desAmmoniaks infolge
derLuftströmung oder der Benutzung der Ausströmungsluft eines Torpedomotors zu dieser
Verdunstung u. dg1., dann begünstigt man die Bildung der Kristallnadeln des Silberazides.
Das Silberazid ist auch in einer methylalkoholischen Lösung von Ammoniak löslich;
diese Lösung verdunstet leichter als - die wäßrig-ammoniakalische.- Manchmal kann
auch eine Lösung von Silberazid in mit Ammoniak und Ammoniumnitrat gesättigtem Wasser
Verwendung finden (welches von beiden zusammen mehr aufzunehmen vermag als von Ammoniak
allein oder von dem Nitrat allein) oder das feste Produkt aus i Molekül Ammonnitrat
und i Molekül Ammoniak, das durch Verflüchtigung von Ammoniak entsteht, wenn dessen
Nitrat trocken, mit trockenem Auinioniakgas verflüssigt wurde.
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Noch weit empfindlichere Präparate werden erhalten durch Verdunstung
einer Lösung von Silberoxyd in möglichst starker Ammoniaklösung auf Papier, Baumwolle
u. dgl. Es entsteht dabei das schwarze, sogenannte Bertholletsche Knallsilber, über
welches sich in der Veröffentlichtuig von R a s c h i g, Annalen der Chemie, Bd-.
233, S. 93 u. ff., nähere Angaben finden.
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In Ammoniaklösungen von Silberazid und
sonstigen Knallsilbervaritäten,
die sich, nur oberflächlich in Augenschein genommen, nicht vom gewöhnlichen Salmiakgeist
unterscheiden, sind ganz bedeutende explosive Kräfte enthalten, die naoh einfacher
Verdunstung auf Papier, Baumwolle u. dgl. zur Wirkung gebracht werden können.
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Das vorstehend beschriebene Verfahren ist bestimmt, in der Spreng-
und Kriegstechnik, Feuerwerkerei, für Scherz- und Spielartikel u. dg1. Anwendung
zu finden.
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Es sei noch bemerkt, daß zwar für Sprengzwecke .o. dgl. bereits Papier
herangezogen wurde, getränkt mit verschiedenen Stoffen und getrocknet - s. C u n
d i 11- D e s o r -t i e a u x, Dictionnaire des explosifs, 1893, Nr. 461,
580, 719, 734 - daß aber alle jene Vorschriften das Gemeinsame haben, Sauerstoff
abgebende Stoffe, teilweise in sehr beträchtlichen Mengen, zu enthalten, welche
das Papier verbrennen sollen, die Kohle des Schwarzpulvers oder :den Zucker des
sogenannten »weißen Schießpulverse ganz oder teilweise ersetzend. Demgegenüber kommt
in dein Verfahren der vorliegenden Erfindung .dem Papier nicht diese Rolle z2i,
es kann auch durch unverbrennliche Stoffe, Infusorienerde, Asbest o. 401.
.ersetzt werden, und wo die 1%hitbenutzung von Sauerstoff abgebenden Salzen erwähnt
ist, sind diese nebensächlicher Natur; sie können weggelassen werden,- ohne das
Wesen der Erfindung zu ändern.