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Die Erfindung betrifft eine neue Verwendung von Acetyl-
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cystein. Die Erfindung betrifft insbesondere die Verwendung von Acetylcystein
zur Verminderung der durch Tabakrauch induzierten Steigerung der Proliferation der
Basalzellen des Luftwegepithels und zur Bekämpfung der durch Tabakrauch gestörten
Differenzierung der Basalzellen des Luftwegepithels bei Mensch und Tier.
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Acetylcystein wird seit vielen Jahren bei akuter Bronchitis als mukolytisches
Mittel eingesetzt. Es wird ferner eingesetzt, um das Auftreten einer chronischen
Bronchitis in verschlimmerter Form zu verhindern. Dies beruht darauf, daß Acetylcystein
viskose, schleimähnliche oder mukopurulente Bronchiensekrete flüssiger macht.
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Es konnte ferner gezeigt werden, daß Acetylcystein in hohen Dosen
als Antidot bei zufälligen oder beabsichtigten, durch Acetamidophen (Paracetamol)
hervorgerufenen Vergiftungen eingesetzt werden kann. Dies beruht darauf, daß Acetylcystein
von Leberzellen absorbiert werden kann. Dadurch werden toxische Metaboliten inaktiviert,
die in der Leber durch oxidative Prozesse gebildet werden.
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Diese Aktivität wird durch Acetylcystein direkt oder durch seine
Umwandlung in Cystein und die anschließende Wiederherstellung - durch Cystein selbst
- geeigneter Spiegel reduzierten Glutathions ausgeübt.
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Diese bekannten Verwendungen von Aceltylcystein haben in keiner Weise
damit etwas zu tun, daß Acetylcystein mit dem Proliferations- und Differenzierungsmechanismus
von Zellen in Wechselwirkung treten kann.
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Es ist bekannt, daß Zigarettenrauch die Proliferation von Basalzellen
des Luftwegepithels bei Säugetieren steigert (Ayers M. and Jeffery P.K., 1982 Cell
division and differentation in bronchial epithelium. In "Cellular biology of the
lung" by C. Cumming and G. Bonsignore.
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Ettore Majorana International Science Series 10, 33; Jeffery P.K.
et al.; 1982, The mechanism and control of bronchial mucous cell hyperplasia - Chest
81, suppl., 27 S).
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Es wurde nun überraschend gefunden, daß Acetylcystein die durch Tabakrauch
induzierte Steigerung der Proliferation von Basalzellen des Luftwegeepithels vermindert.
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Männliche Albinoratten (Sprague Dawley Ratten), die keine spezifischen
Krankheitserreger aufwiesen (specific pathogen-free; S.P.F.), wurden in 4 Gruppen
aufgeteilt und in Käfigen unter laminarem Luftstrom gehalten, um die Lungen rein
zu halten. Die Gruppen wurden wie folgt behandelt: Behandlung Zahl der behandelten
Tiere kein TR, kein Arznei- 14 mittel kein TR + NAC 16 TR, kein Arzneimittel 22
TR + NAC 19 (TR = Tabakrauch; NAC = Aceltylcystein) Den Tieren wurde Nahrung (modified
diet 418, Heygate & Sons Ltd., England) und Leitungswasser ad libitum gegeben,
jedoch nicht während der Einwirkung von Tabakrauch. Die Wasseraufnahme wurde aberwacht,
so daß
die NAC-Dosis und der Einfluß von NAC auf die Wasseraufnahme
berechnet werden konnte. Die Tiere wurden regelmäßig gewogen. Der Allgemeinzustand
der Ratten wurde bewertet.
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NAC wurde im Trinkwasser als 1%ige Lösung oral verabreicht. Es wurden
Tiere mit einem Gewicht von etwa 235 g eingesetzt. Zwei Tage bevor die Tiere dem
Tabakrauch ausgesetzt wurden, wurde mit der Verabreichung von NAC begonnen. Das
Wasser wurde täglich gewechselt.
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Am Wochenende jedoch wurde das Wasser erst nach zwei Tagen gewechselt.
Der Versuch dauerte 25 Tage. NAC wurde am Tag 10 verabreicht. Am Tag 12 wurden die
Tiere dem Tabakrauch ausgesetzt. Bei den mit NAC behandelten Gruppen war die Wasseraufnahme
nach der ersten Verabreichung niedrig und steigerte sich dann bis zu den Tagen 12
bis 16. Dann betrug die mittlere Wasseraufnahme 29 ml pro Tier und Tag. Die berechnete
durchschnittliche tägliche NAC-Dosis, verabreicht als 1%ige Lösung an ein Tier mit
einem mittleren Körpergewicht von 280 g betrug 29 mg/ Tier: Dies entspricht einer
Dosis von 1040 mg/kg Körpergewicht.
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Die Tiere wurden dem Tabakrauch nach dem modifizierten Wright System
ausgesetzt. ("A cigarette smoking maschine for animal experiments" Lab. Pract. 21,
881, 1972) Dabei wurde der Rauch von 25 Zigaretten in Käfige geleitet, in denen
die Tiere 14 Tage lang 4 Stunden lang pro Tag gehalten wurden. Dabei wurden die
Tiere 6 Minuten lang dem Rauch und anschließend 4 Minuten lang der Luft ausgesetzt.
Der Kohlenstoffmonoxidgehalt in den Käfige wurde mit einem Ecolyser 4000 (Analysis
Automation Ltd. England) gemessen und stieg von 7 ppm auf 120 ppm während des vierstündigen
Tests. Die
Carboxy-Hämoglobinspiegel wurden unter Verwendung eines
IL 182 CO-Oximeters gemessen und betrugen 11,7 % nach 1 Stunde und 16,4 % nach 4
Stunden. Von dieser Versuchsanordnung konnte früher gezeigt werden, daß sie innerhalb
von 2 Wochen zu einer Hyperplasie von Sekretzellen führt (Jeffery P.K. et al. "The
effect of tobacco smoke, with or without phenyl-methyloxadiazole (PMO) on rat bronchial
epithelium: a light and electron microscopic study" J. Path. 133, 341, 1981). Die
verwendeten Zigaretten besaßen einen hohen Teer- und Nikotingehalt (27 mg bzw.
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2,4 mg).
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Die Tiere wurden zur Untersuchung der Zellproliferation (Gruppe A)
und Zelldifferenzierung (Gruppe B) geteilt.
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Die Tiere der Gruppe A wurden eine Stunde vor dem Exitus mit tritiummarkierten
Thymidin (3H-T) (1> Ci/g Körpergewicht;spezifische Aktivität: 18-25 Ci/mMol)
behandelt. Den Tieren der Gruppe B wurde nur am Tag 8 eine einzelne Gabe 3H-T gegeben.
Die Tiere wurden nach 14 Tagen getötet. Bei beiden Gruppen bauen die Zellen, die
während des Zeitraums, in dem 3H-T zur Verfügung steht, in die DNA-Synthesephase
(S) eintreten, 3H-T irreversibel in die DNA ein. Dies kann mit autoradiographischen
Verfahren gezeigt werden.
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Die Tiere der Gruppe A wurden nacheinander im Verlaufe des Experiments
mit Na-Peutabarbiton (120 mg/kg) getötet (siehe Tabelle 1). In die Lungen der Tiere
wurde 3 % Glutaraldehyd (in 0,1M Natrium Kakodylat-Puffer, pH 7,2) gegeben. Die
Lungen wurden anschließend in 1 % Osmiumtetroxid (0,1 M Natrium Kakodylat-Puffer,pH
7,2) fixiert, dann weiterverarbeitet und in Epoxyharz eingebettet, um sie elektronenmikroskopisch
untersuchen zu können.
Tabelle 1 Zeit (in Tagen) nach Beginn des
Experiments mit Tabakrauch (TR) Anzahl der Tiere Gruppe A Gruppe B Behandlung 0
1 3 7 10 14 14 Kontrolle 5 0 0 0 0 5 4 NAC alleine 0 3 3 3 0 4 3 TR alleine 3 3
3 3 3 4 3 NAC + TR 0 3 3 3 3 4 3 Von jedem Tier wurden aus dem Hauptbronchius (links
oder rechts) 20 Lappensektionen (lAm step sections) die voneinander einen Abstand
von 20 Rm besaßen, herausgeschnitten, um Proben für 20 unterschiedliche Epithelzellpopulationen
bereitzustellen. Die Sektionen wurden für autoradiographische Untersuchungen hergestellt.
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Die Sektionen wurden auf beschichteten Objektträgern (formvar coated
slides) befestigt, in "Ilford K5 nuclear emulsion" (1:2 verdünnt mit destilliertem
Wasser) getaucht und dann 14 Tage vor der Entwicklung bei 4"C inkubiert. Anschließend
wurde nach dem Verfahren von Boren et al. ("Methods in Cell Biology" 8. Edit. D.M.
Prescott, N.Y. Academic Press, Seiten 279-288 (1974)) mit Toluidin angefarbt.
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Die Objektträger wurden für Zählzwecke kodiert, so daß der Beobachter
nicht wulste, um welchen Objektträger es sich handelt. Von jedem Objektträger wurden
zehn "high
power fields" (HPF) des Oberflächenepithels (d.h. mit
einer Länge von 0,13 mm) bei einer 1000fachen Vergrößerung untersucht. Es wurde
die Anzahl jedes vorhandenen Zelltyps und die Anzahl jedes mit 3H-T markierten Zelltyps
bestimmt.
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Es konnte so gezeigt werden, daß NAC 4 Wirkungen auf die durch Tabakrauch
induzierte Steigerung der Gesamtanzahl markierter Zellen ausübt: - Der maximale
proliferative Effekt wurde verzögert.
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Er trat nicht am Tag 1 sondern am Tag 3 auf, nachdem die Tiere dem
Tabakrauch ausgesetzt wurden; - das Ausmaß der Steigerung wurde vermindert; - die
verminderte Steigerung dauerte länger an; - die Gesamtanzahl an proliferativen Zellen
wurde vermindert.
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Diese Wirkungen sind insbesondere bei Basalzellen stark ausgeprägt.
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Bei den Kontrolltieren wurden sowohl Flimmerzellen als auch Schleimzellen
auf Kosten der ursprünglich markierten Basalzellenpopulation markiert.
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Bei den Flimmerzellen und den Schleimzellen war bei der alleinigen
Verabreichung von NAC das Veränderungsmuster ähnlich. Dies ging zu Lasten der Markierung
von Serumzellen, jedoch nicht zu Lasten der Markierung von Basalzellen.
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Der Tabakrauch alleine verursachte eine Zunahme der Markierung von
Flimmerzellen. Dies war nach 14 Tagen 4 mal stärker ausgeprägt als bei den Kontrolltieren.
Dies ging zu Lasten der Basalzellen.
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NAC halbierte die Zunahme des Prozentsatzes an markierten Flimmerzellen,
bezogen auf die den Tabakrauch ausgesetzten Zellen. NAC schien ferner das Differenzierungsmuster
so umzukehren, daß es dem bei den Kontrolltieren gefundenen Differenzierungsmuster
entsprach.
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Diese Testergebnisse zeigen, daß Acetylcystein hauptsächlich eine
inhibierende Wirkung auf die gesteigerte Proliferation von Basalzellen besitzt,
nachdem diese Tabakrauch ausgesetzt wurden. Die durch Tabakrauch gestörte Zelldifferenzierung
schien sich nach Behandlung mit NAC wieder in Richtung auf das Kontrollmuster zu
verändern.
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Diejenige Dosis, die erforderlich ist, um die gleiche Reaktion bei
verschiedenen Säugetieren einschließlich des Menschen zu erzielen, kann leicht berechnet
werden.
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Dazu bedient man sich solcher Korrelationsverfahren, bei denen gut
bekannte Parameter verwendet werden, die sich je nach den Species, dem Alter, dem
Gewicht, der Verabreichungsart und dergleichen, verändern.
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Als Beispiel eines derartigen Parameters kann man die erforderliche
Energie nennen. Es ist bekannt, daß wachsende Ratten, wie diejenigen, die in den
oben beschriebenen Experimenten eingesetzt werden, etwa 382 Kalorien pro kg/Tag
benötigen. Ein erwachsener Mann benötigt etwa 46 Kalotten pro kg und Tag.
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Ein weiterer Parameter, den man berücksichtigen kann, ist der Carboxyhämoglobin-Blutspiegel
bei dem behandelten Tier bzw. bei dem behandelten Mensch. Als Beispiele für weitere
Parameter kann man die Absorptionsgeschwindigkeit der pharmazeutischen Formulierung
und die Behandlungsdauer nennen.
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Die Dosierung wählt man je nach dem behandelten Patienten, wobei man
dessen Zustand auf übliche Weise begutachtet. An den Menschen verabreicht man im
allgemeinen zwischen 10 und 200 mg pro kg und Tag. Da Acetylcystein zu keinen toxischen
Wirkungen oder unerwünschten Nebenwirkungen führt, kann die Behandlungszeit sehr
lang gewählt werden. Beim Menschen dauert die Behandlung im allgemeinen mindestens
sechs Monate. Man kann dabei Acetylcystein kontinuierlich verabreichen. In alternativer
Weise kann man jedoch auch die Verabreichung zwei Wochen lang unterbrechen, dann
für die nächsten zwei Wochen wieder aufnehmen usw.
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Man setzt übliche pharmazeutische Mittel ein, die Acetylcystein zusammen
mit organischen oder anorganischen, festen oder flüssigen Exzipienten enthalten.
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Diese Mittel stellt man auf übliche Weise her. Sie können Tabletten,
Pillen, Kapseln, Granulate, Suppositorien, Dragees oder Flüssigkeiten, beispielsweise
Lösungen, darstellen. Sie können oral verabreicht oder injiziert werden.
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Diese Mittel können auch so zubereitet sein, daß die Arzneimittelabgabe
nach der Verabreichung verzögert ist.
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Sie können weiterhin Konservierungsmittel, Stabilisierungsmittel,
Salze zur Regulierung des osmotischen Drucks,
Puffer, Farbstoffe
und Geschmacksstoffe enthalten. Sie können außerdem weitere Wirkstoffe enthalten.