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Die vorliegende Erfindung betrifft eine pharmazeutische Zubereitungen, die Flupirtin ([2-Amino-6-(4-fluoro-benzylamino)-pyridin-3-yl]-carbamidsäureethylester) und/oder eines seiner pharmazeutisch annehmbaren Salze oder Derivate, und N-Acetylcystein (NAC) und/oder eines seiner pharmazeutisch annehmbaren Salze oder Derivate enthalten. Die erfindungsgemäße pharmazeutischen Zubereitungen eignen sich zur andauernden Behandlung von Schmerzzuständen, insbesondere chronischem Schmerz, sowie chronisch zu behandelnder Erkrankungen, wie z. B. Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Fibromyalgie oder auch Epilepsie.
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Flupirtin ist ein weißes bis grünlich-weisses voluminoses kristallines Pulver, das zur Oxydation, zur Änderung der Farbe und zur Zunahme von Verunreinigungen bei Anwesenheit von Feuchtigkeit und Wärme neigt. Die Flupirtinkristalle haben eine längliche Form mit scharfen Kanten und sind sehr spröde. Flupirtin fließt nicht und neigt sehr stark zur Brückenbildung. Aufgrund dieser Eigenschaften lässt sich Flupirtin nicht ohne weiteres zu einer Darreichungsform weiterverarbeiten. Die starke Neigung zur Brückenbildung und die schlechte Fließfähigkeit von Flupirtin führen zur ungenauen Dosierung und zu technischen Schwierigkeiten bei der Herstellung (Verarbeitung) von Darreichungsformen wie Tabletten, Kapseln usw. Deshalb ist die Zugabe spezieller Substanzen zur Verbesserung der Fließfähigkeit notwendig.
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Bei Flupirtin, das u. a. als orale Zubereitung Katadolon bzw. Katadolon S long registriert ist, handelt es sich um ein zentral wirkendes Nichtopioid-Analgetikum, welches frei von den typischen Nebenwirkungen natürlicher oder synthetischer Opioide ist, wie beispielsweise Atemdepression, Verstopfung, Toleranzentwicklung, physische oder psychologische Abhängigkeit oder Suchtgefahr. Daneben ist dieser Wirkstoff auch in der Lage, einen erhöhten Muskeltonus zu normalisieren.
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Flupirtin ist der Prototyp einer neuen Klasse von Analgetika mit neuen spezifischen und therapeutisch relevanten Eigenschaften. Der Wirkmechanismus von Flupirtin beruht dabei auf keinem direkten, sondern einem indirekten funktionellen NMDA-antagonistischen Effekt (Jakob R u. Krieglstein J. Influence of flupirtine an a G-Protein coupled inwardly rectifying potassium current in hippocampal neurones. Br. J. Pharmacol. 122 (1997) 1333–38; Kornhuber J, et al. Flupirtine shows functional NMDA receptor antagonism by enhancing Mg2+ block via activation of voltage independent potassium channels. J. Neural Transm. 106 (1999) 857–867; Kornhuber J et al. Neuronale Kaliumkanalöffnung durch Flupirtin. Fortschr. Neurol. Psychiat 67 (1999a) 1–10).
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Dieser Mechanismus resultiert in drei unterschiedlichen Wirkungsbildern: analgetisch, muskeltonusreduzierend und neuroprotektiv (Osborne NN et al. Flupirtine, a non-opioid centrally acting analgesic, acts as a NMDA antagonist. Gen. Pharmacol. 30 (1998) 255–63; Schwarz M et al. N-methyl-D-aspartate (NMDA)-mediated muscle relaxant action of flupirtine in rats. NeuroReport 5 (1994) 1981–84; Schwarz M et al. N-methyl-D-aspartate and a2-adrenergic mechanisms are involved in the depressant action of flupirtine an spinal reflexes in rats. Eur. J. Pharmacol. 276 (1995) 247–55).
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Die verschiedenen Wirkungen von Flupirtin sind die Folge eines einzigen molekularen Wirkmechanismus, nämlich der Wirkung von Flupirtin als selektivem neuronalen Kaliumkanalöffner (selective neuronal potassium channel opener = SNEPCO) (Kornhuber J et al. (1999); Kornhuber J et al. (1999a); Zieglgänsberger W. Neuronale Kaliumkanal-Öffnung und das besondere Wirkspektrum von Flupirtin. Schmerz 14 Suppl.1 (1999) S13), die ein neues Prinzip in der Schmerztherapie darstellt.
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Als Folge dieser vielfältigen Wirkungen verfügt Flupirtin über ein einzigartiges und breites pharmakologisches Wirkspektrum. Flupirtin eignet sich sowohl zur Behandlung und Vorbeugung von akuten als auch von chronischen Schmerzen, einschließlich neuropathischen Schmerzen, Nervenschmerzen, durch Krebserkrankungen verursachte Schmerzen, vasomotorische und Migräne-Kopfschmerzen, Schmerzzuständen nach Operationen, nach Verletzungen, Verbrennungen, bei Dysmenorrhoe, Zahnschmerzen und den mit einer degenerativen und entzündlichen Gelenkerkrankung verbundenen Schmerzen. Flupirtin ist außerdem wirksam bei der Behandlung und Vorbeugung von Muskelverspannungen, Muskelspasmen und Muskelsteifheit. Es ist wirkt besonders gut bei der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen.
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Überdies übt Flupirtin auch starke zyto- und neuroprotektive Wirkung aus und kann in der Behandlung und Vorbeugung von neurodegenerativen Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit, Demenz einschließlich der Alzheimer-Krankheit, Chores Huntington, Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose, Enzephalopathie einschließlich AIDS-assoziierter (HIV-)Enzephalopathie, Creuzfeldt-Jakob-Krankheit einschließlich der klassischen Form und neuer Varianten, und Neuronaler Ceroid-Lipofuszinose (Batten Disease) eingesetzt werden.
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Flupirtin wirkt auch bei der Behandlung und Vorbeugung von Augenerkrankungen wie Makulopathie einschließlich seniler Makuladegeneration, diabetischer Retinopathie, Glaukom und Retinitis pigmentosa.
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Flupirtin wurde im Beginn der klinischen Entwicklung und Positionierung auch bei Patienten mit verschiedenen Epilepsieformen (u. a. partielle Epilepsie) in einem dreimonatigen Pilotversuch (n = 8 Patienten) und in der Erweiterung bis zu 2,5 Jahren (n = 2 Patienten) mit Dosierungen bis zu 800 mg mit gutem Erfolg untersucht. (
WO 1995005175 A1 und
Sheridan PH et al. Pilot Study of Flupirtine in Refractory Seizures. Neurology, Vol. 36, 1986, p. 85) Bei einem Patienten wurde eine vorübergehende Erhöhung von Leberenzymen beobachtet, die sich nach Absetzen des Medikaments wieder normalisierten.
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Flupirtin wird im Körper ohne toxische Nebenprodukte verstoffwechselt. Im Gegensatz zu Diclofenac, Statine oder Paracetamol wird es nicht über Hämproteine wie dem Cytochrom P450 abgebaut.
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Die Verabreichung vom Flupirtin kann in Ausnahmefällen bei sehr wenigen Patienten eine Zunahme von Leberenzymen hervorrufen. Vor allem die Werte der ALAT (Alanin-Aminotransferase, die auch gelegentlich als Serum-Glutamat-Pyruvat-Transaminase bzw. SGPT bezeichnet wird) nehmen gegen über denen der ASAT (Aspartat-Aminotransferase; gelegentlich auch als Serum-Glutamat-Oxalacetat-Transaminase oder SGOT bezeichnet) stark zu. ALAT ist ein Enzym des Zytosols (d. h. strukturfreie Flüssigkeit) der Leberzelle, während ASAT auch in den Mitochondrien der Leberzelle nachweisbar ist. Diese beiden Enzyme, initial bevorzugt vor allem ALAT, treten schon bei leichten Zellschäden aus der Zelle aus. Konzentrationsänderungen von ASAT und ALAT im Blut sind daher ein Hinweis auf eine Schädigung der Leber.
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Gamma(γ)-Glutamyl-Transferase (γ-GT) ist ebenfalls ein Leberenzym, das zur Überprüfung der Leberfunktion bereits seit vielen Jahren standardmäßig in der klinischen Routine gemessen wird. Die Untersuchung der γ-GT in Kombination mit ASAT und ALAT dient zur Kontrolle der Leberfunktion bzw. einer ggf. vorhandenen Leberschädigung.
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Die Normalwerte der γ-GT liegen für Erwachsene bei 9–36 U/l (units = Einheiten/Liter Blut) (Frauen) und 12–64 U/l (Männer), für ASAT (SGOT) bei 10–50 U/l (Männer) und bei 10–35 U/l (Frauen) und für ALAT (SGPT) 10–50 U/l (Männer) und 10–35 U/l bei Frauen (Normwerte nach der IFCC(International Federation of Clinical Chemistry)-Methode). (aus Thomas, L „Labor und Diagnose: Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik". 5. erweiterte Auflage, Frankfurt/Main: TH-Books-Verl.-Ges., 2000) Bei erhöhten Leberwerten durch Einnahme von Medikamenten, wie z. B. Phenytoin, Phenobarbital, Thyreostatika, anabole Steroide, Thiazid-Diuretika, Meprobamat, Phenothiazine, Azathioprin, Ifosfamid, Streptokinase, Diäthylpentamid, Aminopyrin, MAO-Hemmer, Tuberkulostatika oder Antirheumatika, oder Exposition gegenüber Chemikalien, z. B. Chlorkohlenwasserstoffe, Vinylchlorid oder Trichloräthylen, sind neben den ALAT (SGPT)-Werten auch die γ-GT Werte erhöht. Erhöhte γ-GT-Werte wurden bei der Flupirtin-Therapie jedoch bisher nicht beobachtet, so dass hiervon einem anderen, noch unbekannten Mechanismus der arzneimittelbedingten Transaminasen-Erhöhung ausgegangen werden muss.
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Eine länger andauernde Erhöhung der genannten Leberenzyme kann unter Umständen zu einer Einschränkung der Leberfunktion führen. Üblicherweise normalisieren sich die Leberenzymwerte nach Absetzen von Flupirtin wieder. Die Erhöhung scheint unabhängig von der eingesetzten Flupirtindosis zu sein und kann bei einzelnen Patienten bei einer längeren Anwendungsdauer (mehr als vier Wochen) auftreten. Im Rahmen einer klinischen Studie, in der eine Indikationserweiterung zur Therapie von Tinnitussymptomen bei Patienten mit dieser Erkrankung untersucht wurde, konnte dieses Verhalten gut beobachtet werden.
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Entsprechend der gegenwärtigen Systematik von Lebererkrankungen und der Mechanismen der arzneimittelbedingten Nebenwirkungen auf die Leber ist im Fall von Flupirtin von einer hepatozellulären Schädigung auf der Grundlage einer idiosynkratischen Reaktion und nicht von von einer direkt hepatotoxischen Schädigung auszugehen, denn bei direkt hepatotoxischen Schädigungen ist das Ausmaß der Schädigung abhängig von der Dosis und tritt im Gegensatz zu einer idiosynkratischen Leberschädigung, welche weder einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang noch eine Dosisabhängigkeit aufweist, in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme des Medikaments auf.
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Die oben genannten Nebenwirkungen haben zur Folge, dass bei einer Langzeitanwendung von Flupirtin, z. B. bei chronischen Rückenschmerzen, zur Sicherheit für den Patienten eine regelmäßige Überprüfung der Leberwerte stattzufinden hat. Wenn im Zuge dieser Behandlung die Leberenzyme weit über den Normwert ansteigen, muss die Behandlung abgebrochen werden.
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Gerade zur Behandlung von chronischen Erkrankungen wie beispielsweise chronischen Rückenschmerzen oder Epilepsie, sowie bei weiteren pharmakotherapeutischen Einsatzgebieten von Flupirtin bei chronischen Erkrankungen, wäre eine längere Behandlungsdauer des Patienten mit Flupirtin wünschenswert, ohne dass dabei die Gefahr einer Schädigung der Leber auftritt und damit die Unterbrechung der Pharmakotherapie notwendig wird.
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Aus dem Stand der Technik sind therapeutische wirkende Stoffe im Falle einer akuten Leberschädigung als therapeutische Maßnahme bekannt.
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DE 2 124 044 A1 beschreibt die Therapie von Leberschäden, die durch Tetrachlorkohlenstoff oder Thioacetamid induziert wurden, mit Alkyl-D-glucuronosidphenylhydraziden und deren Verwendung als Arzneistoffe.
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DE 2 304 941 A1 beschreibt die Verwendung von Vitamin E-Derivaten (Tocopheryl-p-chlorphenoxybuttersäureester) zur Therapie von Fett- und Alkohol induzierten Leberschäden.
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DE 2 435 381 A1 offenbart die Verwendung von 8-(2-Dimethylaminoäthyl)-3-oxo-4-phenyl-1-thia-4,8-diazaspiro[4.5]decan zur Behandlung von Leberschäden verschiedener Genese.
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DE 2 461 069 A1 offenbart 2-(4-Benzylphenoxy)-alkancarbonsäureester zur Leberprotektion.
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DE 2 625 222 A1 beschreibt die Verwendung von 1.3-Dithiolanen zur Protektion und Therapie von Leberschädigungen.
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DE 4 438 767 A1 beschreibt die Verwendung von Benzamid- oder Nicotinamidderivaten, um die Toxizität von Chemotherapeutika, Analgetika oder Antirheumatika herabzusetzen. Es sollen Präparate zur Verfügung gestellt werden, die eine Verminderung der leberschädigenden Wirkung bei der Behandlung mit diesen Wirkstoffen gewährleisten, so dass die Chemotherapeutika, Analgetika oder Antirheumatika auch über einen längeren Zeitraum hinweg ohne unerwünschte Nebenwirkungen verabreicht werden können.
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Ferner ist bekannt, dass N-Acetylcystein in hohen Dosen zur Therapie der zufälligen oder beabsichtigten Überdosierung von Paracetamol (Acetaminophen) eingesetzt wird (siehe dazu z. B. Chun LJ et al. Acetaminophen hepatotoxicity and acute liver failure. J Clin Gastroenterol. 43, Nr. 4, 2009, S. 342–349.). Bekannt ist auch, N-Acetylcystein bei Vergiftungen durch CCI4 oder bei Pilzvergiftungen durch den grünen Knollenblätterpilz einzusetzen. Dabei werden sehr hohe Dosen von N-Acetylcystein gegeben, um einem akuten Leberversagen vorzubeugen. Bei akuter Intoxikation ist in der Praxis beispielsweise eine Einmalgabe von 5 bis 30 g N-Acetylcystein oral oder parenteral üblich.
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WO 02/078627 A2 offenbart pharmazeutische Zusammensetzungen, die N-Acetylcystein enthalten, zur Behandlung oder Vorbeugung von toxischen Effekten von Acetaminophen (Paracetamol) oder Azidothymidin (AZT) und Verfahren zur Behandlung solcher toxischen Effekte durch die Verwendung einer toxizitätsreduzierenden Menge von N-Acetylcystein.
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Acetaminophen, Isoniazid, Tetrachlorkohlenstoff, Halothan, Rifampicin, Niazin, Cyclophosphamid, HIV/antiretrovirale Medikamente (z. B. Ritonavir), Amiodaron sind direkt hepatotoxische Wirkstoffe, bei deren Abbau Stoffwechselprodukte entstehen, die die Funktion der Leber direkt beeinflussen, im Gegensatz zu indirekt hepatotoxisch wirkenden Stoffen, u. a. wie Flupirtin (siehe Seite 4).
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DE 60 118 172 T2 offenbart N-Acetylcystein bzw. Cystein als Protektivum u. a. zur Verhinderung von Toxizitäten von Tumormitteln oder zur Abmilderung von toxischen Effekten von Kontrastmittel auf die Nierenfunktion bzw. zur Verbesserung der Permeation durch die Blut-Liquor-Schranke.
DE 34 47 732 A1 beschäftigt sich mit dem protektiven Effekt von L-Cystein auf die durch Tabakrauch induzierte Steigerung der Basalzellenproduktion der Lunge.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, bei chronischer Therapie mit Flupirtin eine sichere Anwendung über lange Zeit zu gewährleisten, den Wirkstoff Flupirtin in einer geeigneten oralen Zubereitung bereitzustellen, die den empfindlichen Wirkstoff schützt und eine gute Verarbeitbarkeit sichert.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine pharmazeutische Zubereitung gelöst, die bezogen auf eine Verabreichungseinheit
- – 10 bis 1000 mg Flupirtin und/oder ein pharmazeutisch annehmbares Salz oder ein Derivat davon, und
- – 10 bis 1000 mg N-Acetylcystein und/oder ein pharmazeutisch annehmbares Salz oder ein Derivat davon,
umfasst, wobei Flupirtin und N-Acetylcystein in einem Mengenverhältnis von 0,5:1 bis 1:2 enthalten sind.
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Die pharmazeutischen Zubereitungen enthalten Flupirtin und N-Acetylcystein und/oder ein pharmazeutisch annehmbares Salz oder ein Derivat davon gegebenenfalls in Verbindung mit einem geeigneten pharmazeutischen Träger.
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Vorzugsweise enthält eine Verabreichungseinheit der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung 10 bis 1000 mg, bevorzugt 50 bis 700 mg, besonders bevorzugt 200 bis 600 mg, ganz besonders bevorzugt 250 bis 500 mg Flupirtin und 10 bis 1000 mg, bevorzugt 50 bis 700 mg, besonders bevorzugt 200 bis 600 mg N-Acetylcystein.
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Vorzugsweise enthält eine Verabreichungseinheit Flupirtin und N-Acetylcystein in einem Mengenverhältnis von 0,5:1 bis 1:2, bevorzugt in einem Mengenverhältnis von 1:1 bis 1:2, besonders bevorzugt in einem Mengenverhältnis von 1:1,3 bis zu 1:2.
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Diese Verabreichungseinheit wird dem Patienten vorzugsweise 1 bis 5 Mal, bevorzugt 1 bis 3 mal, besonders bevorzugt 1 bis 2 mal täglich so verabreicht, dass eine tägliche Dosis von 10 bis 1000 mg, bevorzugt 50 bis 700 mg, besonders bevorzugt 250 bis 500 mg Flupirtin und eine tägliche Dosis von 10 bis 4000 mg, bevorzugt 20 bis 1000 mg, besonders bevorzugt 50 bis 700 mg, ganz besonders bevorzugt 200 bis 600 mg N-Acetylcystein verabreicht wird.
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Die angegebenen Dosen und Gewichtsteile, die sich auf die Anwendung am Menschen beziehen, sind jeweils auf die freie Base (im Fall von Flupirtin) beziehungsweise die freie Säure (im Fall von N-Acetylcystein) bezogen und sind im Fall der Verwendung eines pharmazeutisch annehmbaren Salzes oder eines Derivats entsprechend umzurechnen.
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Überraschend fanden die Erfinder heraus, dass das schlecht verarbeitete Flupirtin sich mit N-Acetylcystein sehr gut verarbeiten lässt und durch die gemeinsame Gabe ein wirksamer Oxidationsschutz erreicht wird. Bei längerer Gabe der Wirkstoffkombination Flupirtin und N-Acetylcystein bleiben auch bei Erhöhung der Leberwerte neigenden Patienten die die ALAT-Werte im Normbereich.
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Diese vorteilhafte Wirkung der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung war nicht zu erwarten, da zwischen Flupirtin und direkt hepatotoxischer Verbindungen, – wie z. B. Alkohol, Tetrachlorkohlenstoff oder Paracetamol –, bei deren Überdosierung die Verbindungen L-Cystein oder andere Schwefel enthaltende Carbonsäure-Komponenten wie z. B. alpha-Liponsäure bisher üblicherweise eingesetzt werden, keine strukturelle Verwandtschaft besteht.
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Durch die erfindungsgemäße Verwendung von N-Acetylcystein oder eines pharmazeutisch annehmbaren Salzes oder Derivats kann die Fähigkeit von NAC als Redoxpuffer zu dienen und damit eventuell entstehende freie Radikale abzufangen ausgenutzt und durch längere Verabreichung von Flupirtin verursachte Nebenwirkungen reduziert, vermieden oder vorgebeugt werden.
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Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung dient im Gegensatz zu den aus dem Stand der Technik bekannten Anwendungen von N-Acetylcystein nicht zur Behandlung von bereits bestehenden, akuten Intoxikationen, sondern zur Verhinderung und Vorbeugung von schädlichen Nebenwirkungen, die bei Verabreichung von Flupirtin bei der vorher genannten Gruppe von Patienten auftreten können.
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In der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung ist Flupirtin als freie Base und/oder als pharmazeutisch annehmbares Salz davon enthalten. Geeignete pharmazeutisch annehmbare Salze von Flupirtin sind beispielsweise Salze mit einer anorganischen Säure als Anion, wie z. B. ein Chlorid, ein Bromid, ein Sulfat oder ein Phosphat, Salze mit einer organischen Carbon- oder Sulfonsäure, wie z. B. Formiat, Acetat, Trifluoracetat, Maleat, Tartrat, Methansulfonat, Benzolsulfonat, p-Toluolsulfonat. Bevorzugte pharmazeutisch annehmbare Salze sind Flupirtinmaleat oder Flupirtinmesylat.
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In der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung ist N-Acetylcystein als freie Säure und/oder als pharmazeutisch annehmbares Salz davon enthalten. Als erfindungsgemäße pharmazeutisch annehmbare Salze des N-Acetylcysteins kommen beispielsweise das Natrium-Salz oder das Ammoniumsalz zum Einsatz.
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In einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung wird ein pharmazeutisch annehmbares Salz aus Flupirtin als Kation und N-Acetylcystein als Anion eingesetzt.
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Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung enthält Flupirtin und N-Acetylcystein gegebenenfalls in Kombination mit weiteren pharmakologisch beziehungsweise pharmazeutisch wirksamen Stoffen.
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Die Herstellung der pharmazeutischen Zubereitungen erfolgt in bekannter Weise, wobei die bekannten und üblichen pharmazeutischen Hilfsstoffe sowie sonstige übliche Träger und Lösungsmittel verwendet werden können. Der Begriff „pharmazeutisch annehmbarer Träger” im Zusammenhang mit der vorliegenden Erfindung bedeutet, dass der verwendete Träger kompatibel mit den verwendeten Formen des Flupirtins und des N-Acetylcysteins ist und für den Patienten, der die pharmazeutische Zubereitung einnimmt, gut verträglich ist.
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Die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung kann auf verschiedenen, aus Pharmazie oder Medizin bekannten Wegen verabreicht werden. Die Verabreichung erfolgt beispielsweise oral, parenteral, intraperitoneal, intravenös, intraarteriell, sublingual, intramuskulär, rektal, lokal über einen Katheter oder Stent, subkutan, intraadiposal, intraartikulär oder intrathekal. Bevorzugt ist die orale Verabreichung der pharmazeutischen Zubereitung.
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Für die orale Verabreichung können die erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitungen in flüssiger oder fester Form vorliegen. Geeignete feste Verabreichungsformen umfassen Tabletten, Brausetabletten, Kapseln, Pillen, Pulver, Granulate, Pellets und dergleichen. Geeignete lipophile und hydrophile flüssige orale Formulierungen umfassen Lösungen, Suspensionen, Dispersionen, Emulsionen, Öle und dergleichen.
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Aufgrund des Eigengeschmacks von Flupirtin und seinen Salzen ist für orale Darreichungsformen ohne Umhüllung der Außenphase eine Geschmacksmaskierung zweckmäßig. Dies ist besonders bei Lösungen, Brausetabletten oder bei Pulvern oder granulierten Pulvern in Sachets von Bedeutung. Hier können verschiedene aus dem Stand der Technik bekannte Technologien wie geschmacksmaskierende Granulierung und Überzüge, Komplexierung oder spezielle Geschmacksmaskierungen eingesetzt werden. Auch die Zugabe von wohlschmeckenden Geschmacksstoffen wie z. B. Süßungsmitteln oder Aromastoffen ist für die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung geeignet.
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Die Freisetzung der Wirkstoffe aus der erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung kann schnell oder verzögert erfolgen.
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Als pharmazeutisch annehmbarer Carrier bzw. Füllstoff ist jeder gebräuchliche inerte Hilfsstoff, wie zum Beispiel Cellulosederivate, Stärkederivate, Laktose, Mannitol, Dextrose, Saccharose, Calciumcarbonat, Magnesiumoxid, Magnesiumstearat, Talk, Stärke, Gelatine, Gummi arabicum oder dergleichen, oder jedes gebräuchliche inerte Lösungsmittel geeignet.
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Als nichtwässrige Lösungsmittel sind beispielsweise Propylenglycol, Polyethylenglycol und/oder organische Ester wie Ethyloleat einsetzbar. Geeignete wässrige Lösungsmittel umfassen Wasser, Wasser-Alkohol-Mischungen sowie wässrige bzw. wässrig-alkoholische Lösungen, Emulsionen oder Suspensionen einschließlich Salzlösungen und Puffer. Beispiele für geeignete Öle sind Petroleum sowie tierische, pflanzliche oder synthetische Öle wie z. B. Erdnussöl, Rizinusöl, Sesamöl, Baumwollsaatöl, Maisöl, Weizenkeimöl, Sojaöl, Mineralöl, Olivenöl, Sonnenblumenöl oder Lebertran, insbesondere Kabeljau-Leberöl.
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Für injizierbare Lösungen oder Suspensionen kommen vorzugsweise nicht-toxische parenteral verträgliche Verdünnungsmittel oder Lösungsmittel zum Einsatz, wie z. B. Wasser, 1,3-Butandiol, Ethanol, 2-Propylenglykol, Polyglykole in Mischung mit Wasser, Ringer's Lösung, isotonische Kochsalzlösung oder auch gehärtete Öle einschließlich synthetischer Mono- oder Diglyceride oder Fettsäuren wie Oleinsäure.
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Gegebenenfalls ist die Lösung zur Stabilisierung der Wirkstoffmoleküle mit physiologisch verträglichen Säuren oder Puffern auf einen pH-Bereich von ca. 2 bis 8 einzustellen. Im allgemeinen wird ein möglichst neutraler bis schwach saurer (bis ca. pH 5) pH-Wert bevorzugt.
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Feste Verabreichungsformen umfassen gegebenenfalls weitere gebräuchliche Hilfsstoffe wie Fließmittel, Bindemittel, Füllmittel (wie z. B. Siliziumdioxid, Carbomer, Guaran, Cellulose, mikrokristalline Cellulose, Ethylcellulose, die Cellulosederivate HPMC und HPC, Polyvinylpyrrolidon sowie Copovidone), Trennmittel, Gleitmittel, Sprengmittel (wie z. B. quervernetztes Polyvinylpyrrolidon, Natriumcarboxymethylstärke, Natriumcarboxymethylcellulose, Maisstärke, Kartoffelstärke, Croscarmellose-Natrium, Crospovidon, Guaran, Primogel), Puffer verschiedener pH-Werte (wie z. B. Tris-HCl, Phosphatpuffer, Acetatpuffer, Carbonatpuffer), Antioxidantien (wie z. B. Ascorbinsäure, Natriummetabisulfit, Gallussäure, Gallussäurealkylester, Butylhydroxyanisol, Nordihydroguajaretsäure, Tocopherole), Stabilisatoren, Süßstoffe, Geschmacksstoffe, Geschmackskorrigentien, Konservierungsmittel (wie z. B. Sorbinsäure, p-Hydroxybenzoesäureester, Benzoesäure, Natriumbenzoat, Trichlorisobutylalkohol, Phenol, Kresol, Benzethoniumchlorid und Formalinderivate), Farbstoffe, Komplexbildner (wie z. B. EDTA), Lösungsvermittler (wie z. B. Cyclodextrine und Cyclodextrinderivate) und/oder Emulgatoren (wie z. B. Lecithin, Pektin).
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Die festen Verabreichungsformen können mit Sucrose, mit einem Cellulosederivat, einem Polyacrylatderivat, einem Phthalatderivat oder anderen geeigneten Substanzen überzogen sein, oder sie können so behandelt sein, dass sie eine verlängerte oder verzögerte Wirkung haben und/oder so, dass sie eine vorbestimmte Menge eines aktiven Wirkstoffs kontinuierlich freisetzen. Die Erfindung umfasst daher auch eine erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung mit einem Polymerfilmüberzug, der als Retardkomponente wirkt und gegebenenfalls Trennmittel, Bindemittel, Pigmente oder andere pharmazeutische Hilfsstoffe enthält. Vorzugsweise enthält der Polymerfilmüberzug mindestens ein Polymer ausgewählt aus Methacrylsäure, Methacrylester (wie Eudragit®L und/oder Eudragit®S), Copolymerisate aus Acryl- und Methacrylsäureestern, vorzugsweise mit einem niedrigen Gehalt an Trimethylammoniummethacrylat (wie Eudragit®RL und/oder Eudragit®RS), Copolymerisate aus Acrylsäure und Methacrylsäure sowie auch deren Estern (Verhältnis der freien Carboxylgruppen zu den Estergruppen z. B. 1:1) wie Eudragit®L30D, Copolymerisat von Ethylacrylat und Methylmethacrylat (wie Eudragit®NE 30 D), oder Mischungen davon.
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Vorteilhaft enthalten die erfindungsgemäßen die pharmazeutischen Zubereitungen Flupirtin oder seine verträglichen Salze oder Derivate als Wirkstoffformulierungen mit unterschiedlichen Wirkstofffreisetzungsverhalten.
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Bestandteil der Erfindung ist auch die Verwendung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung zur Behandlung und Vorbeugung von akuten und chronischen Schmerzen, einschließlich neuropathischen Schmerzen, Nervenschmerzen, durch Krebserkrankungen verursachte Schmerzen sowie vasomotorische, migräne- und/oder spannungsbedingte Kopfschmerzen, Schmerzzuständen nach Operationen, nach Verletzungen, Verbrennungen, Verätzungen, bei Dysmenorrhoe, Zahnschmerzen und den mit einer degenerativen und/oder entzündlichen Gelenkerkrankung (wie beispielsweise Arthritis oder Fibromyalgie) verbundenen Schmerzen.
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Bestandteil der Erfindung ist auch die Verwendung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung zur Behandlung und Vorbeugung von Muskelverspannung, Muskelspasmus und Muskelsteifheit sowie Dystonie. Besonders bevorzugt wird die erfindungsgemäße pharmazeutische Zubereitung zur Behandlung von chronischen Rückenschmerzen eingesetzt.
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Bestandteil der Erfindung ist auch die Verwendung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung zur Behandlung und Vorbeugung von neurodegenerativen Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit, Demenz einschließlich der Alzheimer-Krankheit, Chores Huntington, Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose, Enzephalopathie einschließlich AIDS-assoziierter (HIV-)Enzephalopathie, Creuzfeldt-Jakob-Krankheit einschließlich der klassischen Form und neuer Varianten, und Neuronale Ceroid-Lipofuszinose (Batten disease).
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Bestandteil der Erfindung ist auch die Verwendung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung zur Behandlung und Vorbeugung von Augenerkrankungen wie Makulopathie einschließlich seniler Makuladegeneration, diabetischer Retinopathie, Glaukom und Retinitis pigmentosa.
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Bestandteil der Erfindung ist auch die Verwendung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung zur Behandlung einer Epilepsie in allen ihren klinischen Ausprägungsgraden.
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Bestandteil der Erfindung ist auch die Verwendung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zubereitung zur Behandlung von Tinnitus.
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Erfindungsgemäß ist die pharmazeutische Zubereitung mit Flupirtin und N-Acetylcystein sowohl für die Kurzzeit- als auch Langzeittherapie der oben genannten Erkrankungen geeignet. Bevorzugt wird die pharmazeutische Zubereitung aber für die Langzeittherapie, insbesondere von chronischen Erkrankungen, eingesetzt. Besonders bevorzugt ist die Verwendung der erfindungsgemäßen Zubereitung zur Langzeittherapie von chronischen Rückenschmerzen.
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Im Kontext der vorliegenden Erfindung bezeichnet der Ausdruck „Langzeittherapie” eine medizinische Anwendung der pharmazeutischen Zubereitung, die Flupirtin und N-Acetylcystein umfasst, für mindestens 4 Wochen, bevorzugt jedoch für mehr als 6 Wochen.
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Anhand nachfolgender Ausführungsbeispiele wird die Erfindung näher erläutert, ohne diese einzuschränken.
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Ausführungsbeispiele
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Beispiel 1 – Herstellung von Kapseln
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Die Komponenten der Acetylcysteinphase wurden einzeln eingewogen und gesiebt. Anschließend wurden die Komponenten zusammengemischt und wieder gesiebt. Die Komponenten der Flupirtinphase wurden eingewogen, kompaktiert, gesiebt und gemischt. Anschließend wurden die beiden Phasen miteinander gemischt. Diese Mischung wurde in Kapseln abgefüllt. Dabei wurden folgende Rezepturen für eine Kapsel gewählt.
Phase | Rezeptur | Menge (mg) |
Acetylcysteinphase | N-Acetylcystein | 400 |
Mannitol | 225 |
Flupirtinphase | Flupirtinmaleat | 275 |
Mannitol | 100 |
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Beispiel 2 – Herstellung von Portionsbeuteln
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Die Komponenten der Acetylcysteinphase wurden einzeln eingewogen und gesiebt. Anschließend wurden die Komponenten zusammengemischt und wieder gesiebt. Die ersten zwei Komponenten der Flupirtinphase wurden eingewogen und kompaktiert. Anschließend wurde der Rest der Komponenten der Flupirtinphase nach einer Siebung dazu gegeben. Anschließend wurden die beiden Phasen miteinander gemischt. Diese Mischung wurde in einzeln dosierte Beutel abgefüllt. Dabei wurde folgende Rezeptur (Menge pro Beutel) gewählt.
Phase | Rezeptur | Menge (mg) |
Acetylcysteinphase | N-Acetylcystein | 600 |
| Mannitol | 400 |
Zitronenaroma | 15 |
Aspartam | 7 |
Flupirtinphase | Flupirtinmaleat | 400 |
Mannitol | 100 |
Aspartam | 8 |
Summe | | 1530 |
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Beispiel 3 – Herstellung von Tabletten
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Man ging wie in Beispiel 2 vor, wobei man durch zusätzliche Zugabe und Zumischung der Außenphase Tabletten pressen konnte. Dabei wurde folgende Rezeptur (Mengenangaben pro Tablette) gewählt.
Phase | Rezeptur | Menge (mg) |
Innenphase | wie Beispiel 2 | 1530 |
Außenphase | Hochdisperses Siliciumdioxid | 4 |
Magnesiumstearat | 25 |
Summe | | 1559 |
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Beispiel 4 – Herstellung von Mantel- bzw. Schichttabletten
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Man ging wie in Beispiel 3 vor, wobei man jedoch die Flupirtinphase nicht mit der Acetylcysteinphase vermischte. Stattdessen wurde die Außenphase aus Beispiel 3 beiden Phasen zu gleichen Teilen zugeteilt. Durch die separate Zugabe bzw. Zumischung der Außenphase zu den beiden Phasen (Flupirtin- bzw. Acetylcysteinphase) können Mantel- bzw. Schichttabletten hergestellt werden. Dabei kann im Fall einer Schichttablette entweder der Mantel die Flupirtinphase und der Kern die Acetylcysteinphase enthalten oder auch umgekehrt. Dabei wurden die Rezepturen aus Beispiel 3 für eine Tablette gewählt.
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Beispiel 5 – Retardformulierung
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Der Wirkstoff Flupirtinmaleat aus der Flupirtinphase wird in einem Trockengranulator verdichtet (kompaktiert) und danach in einer bestimmten Korngröße fraktioniert. Das kompaktierte Flupirtinmaleat mit einer Korngröße von 180 bis 1000 μm wird in einem Wirbelschichtgranulator mit einer wässrigen Suspension aus Poly(ethylacrylatmethylmethacrylat)-Dispersion 30% (Eudragit NE 30 D) und Talkum befilmt. Das Granulat wird anschließend getrocknet und mit hochdispersem Siliciumdioxid gemischt.
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N-Acetylcystein, Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat und mikrokristalline Cellulose aus der Acetylcysteinphase wurden gesiebt und gemischt. Anschließend wurde diese Pulvermischung mit Methylhydroxypropylcellulose-Dispersion in einem Wirbelschicht-granulator granuliert und gesiebt. Nach Trocknung der Masse in einem Wirbelschichttrockner wurde die Mischung durch ein Sieb der Maschenweite 1 mm gesiebt. Die erhaltene Mischung aus Flupirtinphase und Acetylcysteinphase wird mit der Außenphase gemischt und zu Tabletten verpresst. Dabei wurden folgende Rezeptur gewählt:
Phase | Rezeptur | Menge (mg) |
Flupirtinphase | Flupirtinmaleat | 300 |
Eudragit NE 30 D (als Lacktrockensubstanz) | 22,5 |
Talkum | 22,5 |
Hochdisperses Siliciumdioxid | 1 |
Acetylcysteinphase | Acetylcystein | 600 |
Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat | 100 |
Mikrokristalline | 200 |
Methylhydroxypropylcellulose (Pharmacoat 606) | 40 |
Außenphase | Croscarmellose – Na | 50 |
Hochdisperses Siliciumdioxid | 0,5 |
Magnesiumstearat | 30 |
Summe | | 1366,5 |
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Beispiel 6 – Therapeutische Heilversuche
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Ein therapeutischer Heilversuch ist eine Kategorie des Arzneimittelgesetzes und erlaubt dem Arzt eine versuchsweise individuelle Anwendung eines Arzneimittels ohne den sonst notwendigen Formalismus einer klinischen Studie. Demzufolge sind die methodischen Voraussetzungen für derartige Anwendungen sehr begrenzt und können nicht mit einer klinischen Studie verglichen werden.
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Drei Patienten mit chronischen Schmerzen und einer entsprechenden chronischen Flupirtinbehandlung (d. h. in der Regel eine Behandlung von ≥ 4 Wochen) erhielten in einem sogenannten Heilversuch N-Acetylcystein (NAC) zusätzlich zum auslösenden Agens Flupirtin, weil sie im Verlauf der Therapie bei ursprünglich normalen Leberwerten (einer Grundvoraussetzung vor Beginn einer Flupirtintherapie) mit einer Erhöhung dieser Werte reagiert hatten. Die Erwartung des Versuches mit NAC war, einen weiteren Anstieg der Enzyme und somit keine Verschlechterung des Befundes zu erreichen und außerdem bei weitgehender Beibehaltung der Flupirtin Dosierung die notwendige Schmerz Therapie fortführen zu können.
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Die Werte der Leberenzyme wurden über den Behandlungszeitraum bestimmt. Die verabreichten Wirkstoffmengen und die gemessenen Laborwerte sind in den nachfolgenden Tabellen zusammengefasst Als Normwerte Bereich gelten für ALAT und ASAT 50,4 U/l für Männer und 35,4 U/l für Frauen und für γGT 60,0 U/l und 40,8 U/l für Männer bzw. Frauen.
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Bei allen drei dem Heilversuch unterzogenen Patienten (A, B, C) wurde eine medikamentös bedingte Erhöhung der ALAT-(SGPT)-Werte um das ca. 2-fache (Patient A) bzw. ca. 3-fache (Patienten B und C) beobachtet. Demgegenüber wurden die anderen beiden Enzyme der Leberzelle nicht wesentlich beeinflusst.
Patient A (#16223, weiblich) |
Therapiewoche | 0 | 1 | 2 | 3 | 5 | 7 | 10 | 12 |
NAC Dosis (mg/Tag) | - | - | - | 600 | 600 | 600 | 600 | - |
Flupirtin Dosis (mg/Tag) | 400 | 400 | - | 200 | 200 | 200 | 200 | - |
ASAT (SGOT) | 32 | 34 | 41 | 29 | 44 | 50 | 31 | 29 |
ALAT (SGPT) | 70 | 57 | 84 | 60 | 82 | 101 | 53 | 42 |
VGT | 26 | 23 | 26 | 26 | 21 | 23 | 26 | 23 |
Patient B (#16278,weiblich) |
Therapiewoche | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
NAC Dosis (mg/Tag) | - | 1200 | 1200 | 1200 | 3600 | 3600 |
Flupirtin Dosis (mg/Tag) | 400 | 400 | 400 | 400 | 400 | 400 |
ASAT (SGOT) | 33 | 50 | 31 | 34 | 33 | 29 |
ALAT (SGPT) | 109 | 84 | 77 | 96 | 78 | 47 |
γGT | 40 | 35 | 39 | 35 | 33 | 33 |
Patient C (#6743, weiblich) |
Therapiewoche | 0 | 2 | 3 | 4 | 6 |
NAC Dosis (mg/Tag) | - | 3600 | 3600 | 3600 | 3600 |
Flupirtin Dosis (mg/Tag) | 400 | 400 | 400 | 400 | 400 |
ALAT (SGOT) | 43 | 65 | 47 | 55 | 33 |
ASAT (SGPT) | 114 | 123 | 90 | 94 | 61 |
γGT | 34 | 27 | 21 | 22 | 23 |
Zusammenstellung der beobachteten Leber-Enzym Werte unter der Therapie mit Flupirtin (Katadolon S long; Gehalt 400 mg Flupirtin) und mit N-Acetylcystein (NAC, orale Gabe). Alle Werte für ASAT (Aspartat-Aminotransferase, SGOT), ALAT (Alanin-Aminotransferase, SGPT) und γ-GT (= Gamma(γ)-Glutamyl-Transterase) in U/l (Einheiten/Liter Blut).
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Unter verschiedener NAC-Dosierung (600 mg/Tag bei Patient A; 1200 mg/Tag bei Patient B; 3600 mg/Tag Patient C) konnte über einen Zeitraum von 4 Wochen (Patient B) bzw. 6 Wochen (Patient C) überraschender Weise nicht nur eine weitere Erhöhung vermieden werden, sondern es wurde sogar eine Normalisierung bzw. ein Trend zur Normalisierung der erhöhten Werte bei fortbestehender Flupirtintherapie (in der Regel 400 mg/Tag) – beobachtet. Der Befund bei Patient A ist nur begrenzt bewertbar, da zusätzlich zur NAC-Gabe die Flupirtindosis auf 200 mg/Tag reduziert worden war. Dennoch war auch hier keine weitere Verschlechterung sondern eine Besserung zu beobachten.
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Das übliche therapeutische Vorgehen bei Arzneistoff-bedingten Schädigungen ist das Absetzen des verursachenden Agens und die anschließende Therapie des entstandenen Schadens, z. B. mit einem Antidot, wie z. B. NAC. Im vorliegenden Heilversuch wurde die bestehende Therapie beibehalten und zusätzlich mit dem Antidot behandelt. Es wurde erwartet, daß es zu keiner Verschlechterung der Symptomatik (= weitere Erhöhung der Leberwerte) kommt und somit die Fortführung der analgetischen Therapie ermöglicht würde. Überraschend wurde festgestellt, daß unter der kombinierten Anwendung vor allem die Spiegel von ALAT tendenziell bzw. eindeutig vermindert werden.
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Da naturgemäß die Beeinflussung eines eingetretenen Schadens einen größeren Aufwand (= höhere Dosis) erfordert als deren Prophylaxe, sollte dieser überraschende Befund mit einer geringeren Dosis des Antidots in der gemeinsamen prophylaktischen Gabe von Wirkstoff plus Antidot erfolgreich das Auftreten von erhöhten Leberwerten verhindern.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- WO 1995005175 A1 [0010]
- DE 2124044 A1 [0020]
- DE 2304941 A1 [0021]
- DE 2435381 A1 [0022]
- DE 2461069 A1 [0023]
- DE 2625222 A1 [0024]
- DE 4438767 A1 [0025]
- WO 02/078627 A2 [0027]
- DE 60118172 T2 [0029]
- DE 3447732 A1 [0029]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Kornhuber J et al. Neuronale Kaliumkanalöffnung durch Flupirtin. Fortschr. Neurol. Psychiat 67 (1999a) 1–10 [0004]
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- Schwarz M et al. N-methyl-D-aspartate (NMDA)-mediated muscle relaxant action of flupirtine in rats. NeuroReport 5 (1994) 1981–84 [0005]
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- Kornhuber J et al. (1999) [0006]
- Kornhuber J et al. (1999a) [0006]
- Zieglgänsberger W. Neuronale Kaliumkanal-Öffnung und das besondere Wirkspektrum von Flupirtin. Schmerz 14 Suppl.1 (1999) S13 [0006]
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- Thomas, L „Labor und Diagnose: Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik”. 5. erweiterte Auflage, Frankfurt/Main: TH-Books-Verl.-Ges., 2000 [0014]
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