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Verfahren zur Schmutzspeicherung in der Mischwasserkanalisation Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Schmutzspeicherung in der Mischwasser-Kanalisation,
insbesondere für vorflutferne Entwässerungsgebiete. Die Erfindung bezieht sich gleichermaßen
auf eine Anordnung zur Durchführung dieses Schmutzspeicherverfahrens.
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Jede Kanalisation dient dem Zweck, einerseits das in einem Siedlungsgebiet
anfallende Niederschlagswasser, gegebenenfalls auch in Form von Quell- oder Grundwasser,
auf möglichst kurzem und damit billigem Weg in den Vorfluter und den natürlichen
Wasserkreislauf zurückzuführen. Andererseits ist es leider üblich geworden, zumindest
einen
erheblichen Teil des anfallenden Schmutzes, nämlich sämtliche
Fäkalien, alle flüssigen und einen großen 2i1 der halbfesten Haushaltsabfälle und
ähnlicher Substanzen aus der Industrie und dem Gewerbe im Abwasserkanal abzuschwemmen.
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Die heute üblichen Entwässerungsmethoden in der Siedlungswasserwirtschaft
kann man allgemein in zwei Gruppen unterteilen: Beim sog. Trennverfahren wird das
Regenwasser in einem Kanal direkt zum nächsten Vorfluter geleitet. Das Schmutzwasser
gelangt über einen zweiten Kanal zur Kläranlage, wo das Gemisch aus Wasser und Schmutz,
soweit technisch möglich, wieder getrennt und das Wasser anschließend dem Vorfluter
zugeführt wird.
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Beim sog. Mischverfahren werden Regen- und Schmutzwasser gemeinsam
in einem Kanal gesammelt. Da der Regen nicht vorher bestimmbar ist und zu stark
unterschiedlichen Regenwasserabflüssen im Kanalnetz führt, treten im Mischwasserkanal
außerordentlich starke Schwankungen in der Fließgeschwindigkeit und damit in der
Schleppkraft des Wassers auf. Andererseits stellen sich in Trockenwetterzeiten in
Abhängigkeit von den physikalischen Verhältnissen des jeweiligen Kanalstückes Schmutzablagerungen
ein, deren Ausmaß hauptsächlich durch die Dauer der Trockenperiode bestimmt und
beeinflußt wird, ferner durch den zivilisatorischen Faktor des spezifischen Schmutzanfalls
im jeweiligen Siedlungsgebiet, unterschiedlich nach Menge, Art und Verteilung, und
durch den physikalischen Faktor der hydraulischen Gegebenheiten im jeweiligen Kanalabschnitt.
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Eine weiterhin zu berücksichtigende Ansammlung von Schmut findet außerdem
an der Oberfläche des EntwEsserungsgebietds statt. Desweiteren spielt in Industriegebieten
mit starke
Abgas entwicklung auch noch die in der Luft enthaltene
Schmutzmenge eine bemerkbareRolle. Bei einsetzendem Regen vermischt sich dann das
zunächst als reines Kondensat vorliegende Regenwasser mit dem Schmutz der Luft,
nimmt chemisch und physikalisch den Schmutz an der Oberfläche auf und schwemmt infolge
der erhöhten Schleppkraft die Ablagerungen im Kanalnetz ab.
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Im Kanalnetz vermischt sich die Regenwasser-Flutwelle dann auch mit
dem gerade abfließenden Schmutzwasser aus dem Siedlungsgebiet, das überdies infolge
der höheren Geschwindigkeit der Schwallwelle aufgesammelt und konzentriert wird.
Die Folge dieser zwangsläufigen und sich immer wiederholenden Vorgänge ist, daß
zu Beginn des Regenabflusses im Abwasser - dem Gemisch aus Wasser und Schmutz -
der Schmutzanteil eine sehr starke Konzentration erfährt, die allerdings nach dem
vorstehend erläuterten Spülvorgang wieder genauso schnell abfällt.
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In der Schwallspitze der Regenwasserwelle im Kanalnetz können Schmutzkonzentrationen
auftreten, die weit über der Konzentration des normalen Trockenwetterabflusses liegen,
sogar den 10-fachen Wert erreichen oder überschreiten können. Nach dem Spülvorgang
treten aber in der Regel nur noch Konzentrationen auf, die unter dem Wert liegen,
der für die Einleitung min geklärtem Abwasser in den Vorfluter gelten.
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Die Wassermengenschwankungen im Mischwasserkanal können sich zwischen
lot100 bis los400 bewegen; mit den heute bekannte Methoden der Klärtechnik ist es
aber nicht möglich, derartig große Zuflußschwankungen gleichmäßig zu reinigen. Außerdem
gelingt es auch mit wirtschaftlichen Mitteln nicht, die Regenwassermengen über größere
Entfernungen zur Kläranlage abzuleiten.
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In der Entwässerungstechnik ist man deshalb im Laufe der EntwickLung
zu einem Kompromiß gelangt, der vorsieht, in gewissen Abständen im Kanalnetz Entlastungen
anzuordnen, über die bei stärkerem Regen das Mischwasser direkt in den Vorfluter
abgegeben wird. Diese Methode war nur solange befriedigend, als die Selbstreinigungskraft
der Gewässer diese Schmutzstöße noch schadlos verarbeiten konnte. Mit zunehmender
Verdichtung der Besiedelungen und zunehmender Vorbelastung der Gewässer führt diese
Art der hydraulischen Entlastung der Kanalnetz zu einer gefährlichen und deshalb
untragbaren Belastung der Gewässer. Obwohl diese Zusammenhänge seit langem bekannt
sind, finden sie aber nur langsam in der Entwässerungstechnik Berücksichtigung.
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Es ist ein System der Regenentlastungen im Mischwasserkanal bekannt,
das die Tatsache der hohen Schmutzkonzentrationen im Kopf der Abflußwelle derart
ausnutzt, daß die Wassermengen des anlaufenden Regenwasserabflusses in den geeigneten
Speichern aufgefangen und erst bei abklingendem Regen langsam wieder ins Netz abgegeben
werden und auf diese Weise zur Reinigung in die Kläranlage gelangen. Unter Beachtung
gewisser hydraulischer Gesetzmäßigkeiten des Abflusses kann über die Größe der Speicherbehälter
das Maß der Schmutzbelastung des Vorfluters gesteuert werden.
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Bei vorflutfernen Gebieten zeigt sich jedoch, daß der Abflußvorgang
zu einer für die Speicherung ungünstigen Verdünnung führt, die zur Folge hatR daß
die Speicherbehälter verhältnismäßig groß ausgeführt werden müssen. Der vorliegenden
Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, bei einer beliebig vorgegebenen Gewässerschutzforderung
(Belastbarkeit des Vorfluters) den zur Erfüllung dieser Forderung notwendigen technischen
Aufwand für Investitionen des Kanalnetzes so gering wie möglich zu halten, wobei
unter dem Kanalnetz
die Abflußkanäle an sich und die Regenwasserbecken
zu verstehen sind.
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Diese Aufgabe wird bei einem Verfahren der eingangs bezeichneten Art
erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß durch Einschaltung vieler, unter Umständen sehr
kleiner Becken im Netz die Schmutzkonzentration des jeweiligen Beckeninhalts möglichst
groß, d.h. die Verdünnung des Schmutzes möglichst klein gehalten wird. Bei einer
Ausführungsform des Verfahrens kann dies durch Schmutzspeicherbecken erreicht werden,
die nur den ersten durch Schmutz infolge Regenwasserabfluß hochbelasteten Wasserabfluß
während der Dauer des Regens speichern und erst nach Regenende über das Mischwasserkanalnetz
zur Kläranlage abgeben.
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Die Möglichkeit, den Schmutz konzentriert zu speichern, war bisher
nur bei vorflutnahen Entwässerungsgebieten gegeben, weil bei den bekannten Verfahren
immer die Schmutzspeicherung und die Regenwasserentlastung gekoppelt angewendet
wurden.
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Der neue Vorschlag besteht demgegenüber darin, das Kanalnetz unabhängig
vom Regenwasserabfluß von dem abfließenden Schmutz zu entlasten. Der Schmutz wird
somit aus dem Fließvorgang herausgeholt, gespeichert und erst nach Beendigung des
Regens zur Kläranlage abgegeben. Im Gegensatz zu der erfindungsgemäßen Schmutzentlastung
des Kanals wurde bisher nur eine Regenentlastung vor dem Vorfluter vorgesehen mit
der Absicht, Kläranlagen vom Wasser zu entlasten.
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Die Erfindung hat außerdem eine Anordnung zur Durchführung des vorbeschriebenen
Verfahrens zum Gegenstand, demgemäß das am Ende eines jeden Entwäserungsteilgebietes
ein oder mehrere Schmutzspeicherbecken angeordnet und so ausgebildet sind, daß
bei
einsetzendem Regen der erste, durch Schmutz hoch belastete Wasserabfluß gespeichert
und das nachfolgende unbedenkliche Wasser an dem Speicherbecken vorbeigeleitet wird.
Auf diese Weise wird die Verdünnung des mit Schmutz belasteten Wasserabflusses vermieden,
die durch das saubere Wasser des nachfolgenden Gebietes verursacht würde.
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Die Schmutzspeicherbecken können mit selbsttätig oder über Fernbedienung
betätigbaren Ventilen oder Schiebeeinrichtungen versehen sein, die nach Beendigung
des Regens den Beckenablauf öffnen, so daß der Schmutzablauf über den Sammlerkanal
in die Kläranlage gewährleistet wird.
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Die Erfindung ist nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen in
Verbindung mit den Zeichnungen näher erläutert.
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Es zeigt Fig. 1 eine schematische Darstellung eines verhesserten Mischverfahrens
mit wenigen Regenentlastungen nach dem Stand der Technik, Fig. 2 in ähnlicher Darstellung
die Erläuterung für ein verbessertes Mischverfahren mit vielen Regenentlastungen
nach dem Stand der Technik, Fig. 3 eine ähnliche Darstellung wie in Fig. 1, 2 zur
Erläuterung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Schmutzspeicherung und Fig. 4 eine
graphische Darstellung des zeitlichen Verlaufes des Wasserabflusses und des Schmutzabflusses,
jeweils im Vergleich zwischen den Anordnungen nach Fig. 1 und 3.
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Der in Fig. 3 gezeigte Vorschlag der Anordnung von Schmutzwasserspeicherbecken
SFB im Kanalnetz ermöglicht ohne direkte Vorflutentlastung eine praktikable Lösung
mit bisher bekannten Mitteln der Entwässerungstechnik. Das vorflutferne Entwässerungsgebiet
wird in Teilflächen aufgegliedert, die zu einer Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit
in der Schmutz-Ganglinie führen. Die Schmutzganglinien für die einzelnen Teilflächen
1, 2, 3, 4 sind in Fig. 4 durch die mit unterbrochenen Linien dargestellten Rechtecke
angegeben.
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Am Ende jeder Teilfläche bzw. eines jeden Teilentwässerungsgebietes
werden jeweils Speicherbecken, SSB 1, SSB 2 ...., angeordnet, die so auszulegen
sind, daß der erste Schmutzstoß voll gespeichert wird und das nachfolgende, für
die direkte Einleitung in den Vorfluter unbedenkliche Regenwasser an diesen Schmutzspeicherbecken
vorbei direkt in den.
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Vorfluter geführt werden kann. Damit wird das Kanalnetz nach dem Abfangen
der hochkonzentrierten Schmutzwelle zu einem Abflußsystem, in dem entlastungsfähiges
Regenwasser direkt zum Vorfluter fließt.
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Im Schaubild nach Fig. 4 sind die Wassermengenganglinien der einzelnen
Teilgebiete durch die trapezförmigen Kurven Q1' Q2' Q3 ... wiedergegeben. Erfindungsgemäß
brauchen nun in den Schmutzspeicherbecken nur die Inhalte gespeichert zu werden,
die sich in Fig. 4 aus der Überdeckung der Flächen unter den Schmutzmengenganglinien
und den zugehörenden Wassermengenganglinien ergeben. Diese Inhalte ISSB 1' SSB 2
.... sind in Fig. 4 getönt gezeigt.
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Bei einem Vergleich mit der Anordnung nach Fig. 1 ergibt sich unter
Bezugnahme auf Fig. 4, daß bei nur einem am Ende des Entwässerungsgebietes dem Vorfluter
vorgeschsteten
Speicherbecken eine Schmutzganglinie zu berücksichtigen
ist, die dem Umriß sämtlicher Schmutzganglinien Slr S4 entspricht, während die für
diesen Fall geltende Wassermengenganglinie der großen trapezförmigen Kurve entspricht.
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Um unter diesen Bedingungen einen gleichguten Schutz des Vorfluters
zu erreichen, muß der Beckeninhalt auf ein Vielfaches gesteigert werden.
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Mit diesem Entwässerungs- und Entlastungsverfahren können die Vorteile
des Mischverfahrens, die Anwendung von nur einem Kanal, in den sämtliche anfallenden
Abwasser eingeleitet werden, mit den Vorteilen des Trennverfahrens vereinigt werden,
bei dem die Transportwege des Regenwassers möglichst kurz gehalten werden. Kurze
Transportwege bedeuten eine Einsparunge an Querschnitt und Länge für die Kosten
der Kanalerstellung. Je nach den örtlichen Kanalverhältnissen und der Belastbarkeit
des Gewässers kann entschieden werden, ob vor der Einleitung des vom anfänglichen
Schmutzstoß befreiten Regenwassers in das Gewässer eine zusätzliche Regenwasserbehandlung
in Form der bisherigen Regenüberlaufbecken erforderlich wird oder nicht.
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Neben dem höheren Vorfluterschutz wird eine bessere Unterbringung
kleinerer Becken, z.B. im Bereich von Straßen und anderen bebauten Plätzen ermdglcht.
Außerdem ergeben sich geringere Bau- und Wartungskosten, wenn gegenüber einem großen
Becken eine Anzahl kleinerer Becken vorgesehen wird.
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Darüber hinaus läßt sich eine bessere Anpassung an die Ausbaustadien
bei der Erschließung von Siedlungsgebieten erreichen; dies gilt insbesondere bei
vorflutfernen Gebieten mit Siedlungszuwachs.
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Die Aufteilung eines oder mehrerer großer Becken nach dem neuen Verfahren
in eine Mehrzahl kleinerer, den Teilflächen zugeordneter Becken bringt eine Volumenverringerung
der Summe der Beckeninhalte. Bei gleichem Vorflutschutz müßten ohne Anwendung des
erfindungsgemäßen Verfahrens das oder die am Ende des Entwässerungsgebietes oder
Einzuggebietes befindliche Regenwasserbecken eine überproportionale Größe erhalten.
Bei einem praktischen Ausführungsbeispiel tritt anstelle eines Beckens von 6000
m3 ein Becken von 300 m3 an der gleichen Stelle, wobei an anderen Stellen des Kanalnetzes
weitere kleinere Becken vorgesehen worden sind. Die anderen Becken haben im Beispiel
einen Gesamtinhalt von 2500 m3, so daß insgesamt 2800 m3 dem Wert von 6000 m3 gegenüberstehen.
Bei mehreren kleineren Becken ist die Benutzungsdauer bzw. die Fließzeit des Schmutzes
im Kanal gering, so daß bei nachfolgendem Regen das Netz wieder zur Verfügung steht.
Auch bei einem Kostenvergleich bringt die erfindungsgemäße Entlastungskonzeption
erhebliche Einsparungen.