DE2440516C3 - Verfahren zur Gewinnung von Reinkulturen von Lactobacillus bavaricus sowie seine Verwendung zur milchsauren Vergärung von pflanzlichem Material - Google Patents

Verfahren zur Gewinnung von Reinkulturen von Lactobacillus bavaricus sowie seine Verwendung zur milchsauren Vergärung von pflanzlichem Material

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DE2440516C3 DE19742440516 DE2440516A DE2440516C3 DE 2440516 C3 DE2440516 C3 DE 2440516C3 DE 19742440516 DE19742440516 DE 19742440516 DE 2440516 A DE2440516 A DE 2440516A DE 2440516 C3 DE2440516 C3 DE 2440516C3
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Description

Die milchsaure Vergärung verschiedener Gemüse und Früchte gehört zu den ältesten Arten der Haltbarmachung und Steigerung der Bekömmlichkeit pflanzlicher Produkte (Sauerkraut, saure Gurken, Mixed Pickles usw.). Üblicherweise erfolgt eine spontane Gärung mit einer gemischten Bakterienflora. Bakteriologische Untersuchungen ergaben, daß im wesentlichen vier verschiedene Milchsäurebakterienarten an der milchsauren Gärung beteiligt sind, nämlich die heterofermentativen Leuconostoc mesenteroides und Lactobacillus brevis (synonym L buchneri) und die homofermentativen Lactobacillus plantarum (synonym L cucumeris) und Pediococcus cerevisiae. Es ist ferner bekannt, Reinkulturen der vorstehend genannten und anderer Organismen als Animpfkulturen zuzusetzen, um eine raschere Säuerung und einen besseren Geschmack zu erzielen bzw. um unerw ünschte Fremdinfektionen zu vermeiden.
Ferner ist aus der DT-AS 20 01 874 ein Verfahren zur Herstellung von milchsauren Gemüse- und Fruchtsäften bekannt, bei dem Gemüse- oder Fruchtmaischen bzw. -safte mit Milchsäurebakteriengemischen von Stämmen der Arten Lactobacillus salivarius und L. casei und Streptococcus lactis und Str. cremoris vergoren werden. Dbse Milchsäurebakterien bilden fast nur L(+^Milchsäure, die vom menschlichen Organismus physiologisch sehr gut verwertet wird, was für die D(-)-Milchsäure nicht der Fall ist
Bei dem bekannten Verfahren ist es notwendig, das Ausgangsmaterial vor dem Vergären durch Erhitzen zu entkeimen, um eine durch die immer vorhandene Wildflora bedingte Spontangärung zu vermeiden. Weiterhin wird die Gärung bei relativ hohen Temperaturen, z. B. bei etwa 30 bis 40° C, durchgeführt
Bei Gemüsen und Früchten ist jedoch in der Regel eine auch teilweise Entkeimung vor dem Animpfen mit der Reinkultur bzw. dem Reinkulturgemisch nicht möglich. Dies gilt besonders für Sauerkraut and alle anderen Gemüse, deren Verarbeitung in der kalten Jahreszeit erfolgt Die Vergärung dieses Materials erfolgt bei sehr niederen Temperaturen von meist unter 10°C vielfach sogar unter 50C, da ein Aufwärmen technisch schwierig und kostspielig ist
Auch andere bekannte Arten von Milchsäurebakterien, die L(+^Milchsäure bilden, eignen sich nicht zur milchsauren Vergärung von pflanzlichen Lebensmitteln bei niedrigen Temperaturen, da sie unter diesen Bedingungen viel zu langsam wachsen. Bei der Vergärung von Weißkohl, Gurken usw. kommt als weiterer wachstumshemmender Faktor noch der relativ hohe Salzgehalt des Ausgangsmaterials hinzu. Es gelang beispielsweise nicht. Streptococcus lactis, der L(+)-Milchsäure bildet, in Sauerkraut zur Entwicklung zu bringen. Auch Lactobacillus salivarius und Lactobacillus casei, die beiden anderen bekannten L(+)-Milchsäurebildner, erwiesen sich als ungeeignet, bei niederen Temperaturen pflanzliche Lebensmittel, wie Früchte, Gemüse und daraus hergestellte Maischen und Säfte, zu säuern und die spontane Flora zu verdrängen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine neue Art von Milchsäurebakterien zu finden, die auch bei niedrigen Temperaturen, z. B. bei weniger als 100C und möglichst auch noch bei weniger als 50C, in pflanzlichem Material, wie Gemüse, Früchten und den daraus hergestellten Maischen und Säften, ein gutes Wachstum zeigt und praktisch ausschließlich L(+)-MiIchsäure erzeugt
Es konnte nun überraschenderweise ein Mikroorganismus aufgefunden und in Reinkultur gewonnen werden, der diesen Anforderungen genügt Der Mikroorganismus erwies sich als eine neue Art die als Lactobacillus bavaricus bezeichnet werden solL Ein Stamm dieser Art mit der Bezeichnung 136 wurde bei der Deutschen Sammlung für Mikroorganismen (DSM) am 10. August 1974 unter der Nr. 20269 und bei der American Type Culture Collection (ATCC) am 8. August 1974 unter der Nr. 31063 hinterlegt
Beschreibung von L bavaricus
Folgende Eigenschaften zeigen, daß der neu isolierte Organismus zur Gattung Lactobacillus zu stellen ist; gram-positive unbewegliche Stäbchen, etwa 1 μ dick •und 2-5μ lang, gelegentlich leicht gebogen (Fig. 1), keine Sporenbildung, Katalase negativ; Benzidintest (Oxydasetest) negativ, mikroaerophil; stark saccharolytisch, mehr als 95% der vergorenen Glucose liegen als Milchsäure vor(homofermentativ).
Innerhalb der Gattung Lactobacillus ist der neue
Organismus in die Untergattung Streptobacterium einzuordnen, denn er wächst bei 150C, zeigt Tendenz zur Kettenbüdung, vergärt im Gegensatz zur Untergattung Thermobactenum neben Hexosen auch Ribose (Essigsäure und Milchsäure als Gärprodukte), bildet aber nicht, wie die 3. Untergattung Betabacterium, aus Hexosen CO2. Die Abgrenzung von allen anderen bis heute beschriebenen Arten der Streptobakterien (Bergey) ergibt sich aus der Zusammenstellung der Merkmale in der Tabelle.
Tabelle: Vergleich der Merkmale von L. bavaricus mit denea der anderen Arten der Untergattung Streptobacterium — = negativ bzw. fehlend; + = positiv; (+) = schwach positiv.
Konfiguration der Milchsäure
NAD-abhängige: D-LDH L-LDH
L-LDH aktivierbar durch FDP + Mn++ Etektrophore tische
Wanderung
der L-LDH
(Kaninchen
iso I - 1.0)
pH = 7,8
Mflchsäureracemasse
Peptidogtycan-Typ
G +
C%
Lplantanun DL + + - L28
L. coryniformis ssp. DL + ? — — coryniformis
ssp. torquens D + - — — Lcasei
ssp. casri L(D) (+) + + 0,93
ssp. rhamnosus L(D) (+) + +
ssp. alactosus L(D) (+) + +
ssp. tolerans L(D) (+) + + 0,93
ssp. pseudo-plan- DL (+) + + tarum
Lcurvatus DL (+) + + 1,6
L. sake DL (+) + + 1,6
Lxylosus L - + + 1,44
L bavaricus L - + + 1,6
meso-DAP direkt 45 Lys-D-Asp 45
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
Lys-D-Asp
45.4
46,4 46,4 46.4 463 453
433
343 403
Vergärung von verschiedenen Kohlehydraten
2
S JS
ί
L. plantarum — L. coryniformis — ssp. coryniformis
ssp. torquens Lcasei:
ssp. casei ssp. rham- + nosus
ssp. alactosus — ssp. tolerans — ssp. pseudo- — plantarum
L curvatus -
L sake —
L xylosus —
L bavaricus -
— — J- ^m.
Bestimmung der in der Tabelle angegebenen Parameter
Konfiguration der Milchsäure
Die Konfiguration der Milchsäure wurde mit stereospezifischen Lactatdehydrogenasen im optischen Test bestimmt (vgL H ο h ο r s t, H. J.: L-Lactatbestimmung in Methoden der enzymatischen Analyse (H. U. B e r fe m e y e r) 266 - 270, Weinheim [1966]).
NAD-abhängige D-LDH bzw. L-LDH
Das vorkommen der stereospezifischen Lactatdehydrogenasen (D-LDH und L-LDH) wurde im partikelfreien Homogenisat der Mikroorganismen geprüft
Dazu wurden die Substrate D- bzw. L-Lactat und das Coenzym I (Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid=NAD+) zugesetzt und die im positiven Fall eintretende Extinktionsänderung bei 366 mm auf Grund der Reduktion der NAD gemessen (vgL Hohorst a.a.O.).
L-LDH aktivierbar durch FDP+Mn+ +
Die Aktivierbarkeit der L-LDH durch Fruktose-1,6-Diphosphat (FDP) und zweiwertige Manganionen wurde in ähnlicher Weise wie die NAD-Abhängigkeit geprüft; zusätzlich wurde der Einfluß dieser beiden Reagenzien auf die Reaktionsgeschwindigkeit geprüft (vgL De Vries. W. Kapteijn, W. M. C, Van der Beek, E.G. und A. H. Stouthamer: Molar growth yields and fermentation balances of Lactobacillus casei L3 in batch cultures and in continuous cultures. J. Gen. MicrobioL 63,333 - 345 [1970]).
Milchsäureracemase
Die Anwesenheit der Milchsäureracemase wurde durch 3stflndige Inkubation des partikelfreien Homogenats der Mikroorganismen mit D- bzw. L-Laktat und anschließende Prüfung der Entstehung des jeweils anderen Stereoisomeren des Laktats nachgewiesen (vgL Steuer, K.O.undO. Kandier: Untersuchungen zur Entstehung von DL-Milchsäure bei Lactobacillen und Charakterisierung einer Milchsäureracemase bei einigen Arten der Untergattung Streptobacterium. Arch. MicrobioL 94,221 -247 [1973]).
Elektrophoretische Wanderung der L-LDH
Das partikelfreie Homogenat der Mikroorganismen wurde der Polyacrylamid-Gelelektrophorese bei pH 73 unterworfen (vgL Stetter, Karl O.: Physiologischbiochemische Untersuchungen zur Bildung von Milchsäureisomerengemischen bei Lactobacillen. Dissertation T. U. München S. 44 - 55 [1973]).
Die Fehlerbreite der Bestimmung beträgt rd. 3%. Alle voneinander verschiedenen Werte wurden durch Coelektrophorese der jeweiligen Lactatdehydrogenasen in der gleichen Gelsäule abgesichert
Peptidoglycantyp
45
Der Peptidoglycantyp wurde durch Bestimmung der Aminosäurezusammensetzung der isolierten Zellwände nachgewiesen (vgL Schleifer, K. H. und O. Kandier: The peptidoglycan types of bacterial cell walls and their taxonomic implications. BacterioL Rev. 36.407-477[1972]).
G+C%
Der Anteil von Guanin (G) und Cytosin (C) in der Desoxyribonucleinsäure des Organismus wurde auf Grund der optisch ermittelten Schmelztemperatur bestimmt (vgL Marmur, J. und Doty, P^ Determination of the base composition of deoxyribonudeie acid from its thermal denaturation temperature. J. MoL BioL 5, 109 [1962]). Die Fehlerbreite der Bestimmung beträgt ±1%.
Wachstum bei 45° C
Bestimmung der Trübungszunahme in MRS-Bouillon nach zweitägiger Bebrütung (Man, J. C de, Rogosa, M. and M. E Sharpe: A medium for the cultivation of LactobadUL J. AppL Bact 23, 130-135 [I960]) bei 45°C
Vergärung von verschiedenen Kohlehydraten
Ersatz der Kohlenhydratquelle der MRS-Bouillon durch das betreffende Kohlenhydrat und Bestimmung der Säurebildung während des Wachstums durch Indikatorumschlag (Chlorphenolrot).
Von dem als häufiger Vertreter in Sauerkraut und anderen milchsauer vergorenen Gemüsen beschriebenen Lplantarum unterscheidet sich L. bavaricus in zahlreichen biochemischen Merkmalen, die besonders in jüngster Zeit in den Vordergrund gestellt werden. So liegt der Prozentgehalt der Purinbasen Guanin und Cytosin (G+C%) an der genetischen Substanz (Desoxyribonukleinsäure) um rund 4% niedriger, das Peptidoglycan (Zellwandsubstanz) ist von einem anderen Chemotyp, und durch das Vorkommen beider sterisch verschiedener Milchsäurehydrogenase (LDH) in L. plantarum bildet dieser DL-Milchsäure. L. bavaricus besitzt demgegenüber nur eine L-LDH und bildet daher ausschließlich L(+^Milchsäure. Außerdem ist diese L-LDH durch FDP und Mn++ in spezifischer Weise aktivierbar. Auch die Ladung der L-LDH, wie sie in der Wandergeschwindigkeit bei der Gel-Elektrophorese zum Ausdruck kommt ist unterschiedlich. Schließlich bestehen Unterschiede im Spektrum der vergärbaren Kohlenhydrate, doch werden diese Merkmale neuerdings nicht so stark bewertet, da auch zwischen den Stämmen einer Art Unterschiede hinsichtlich der Zuckervergärung auftreten können, die also mehr stamm- als artspezifisch sind.
Ähnlich zahlreiche Unterschiede wie zu L. plantarum bestehen auch zu L. coryniformis, wenn man vom Peptidoglycantyp absieht der mit Ausnahme von L. plantarum innerhalb der Untergattung einheitlich ist Mit L. casei und dessen Unterarten hat L. bavaricus die FDP und Mn++ aktivierbare L-LDH gemeinsam, aber der G+C%-Gehalt ist ebenso wie die elektrophoretische Beweglichkeit der L-LDH deutlich verschieden. Die beiden Arten L curvatus und L. sake sind hinsichtlich einiger Eigenschaften der L-LDH dem L. bavaricus gleich, liegen aber hinsichtlich des G+C%-Gehalts etwas höher und weisen eine Milchsäureracemase auf, die zur Bildung von DL-Milchsäure führt Das unterscheidet sie eindeutig von L bavaricus. Der wie L. bavaricus reine L( + )-Milchsäurebildner L. xylosus ist durch die andere elektrophoretische Beweglichkeit der L-LDH und einen sehr niedrigen Wert des G+C%-Gehalts ebenfalls klar unterschieden.
Weitere Merkmale von L. bavaricus
Die Temperaturabhängigkeit des Wachstums von L. bavaricus im Bereich von 3 bis 16°C ist in Fig.2 im Vergleich zu anderen L(+)-Milchsäure bildenden Milchsäurebakterien dargestellt Die Wachstumskurven beziehen sich auf folgende Mikroorganismen:
(1) L bavaricus,
(2) L. casei ssp. alactosus,
(3) L. casei ssp. tolerans,
(4) L. casei ssp. rhamnosus,
(5) L. casei ssp. casei,
(6) L casei ssp. xylosus.
Die Werte von Fig.2 wurden hierbei wie folgt erhaben:
Die Kulturen wurden 1 %ig in je 10 ml MRS-Bouillon angeimpft und bei verschiedenen Temperaturen bebrütet Nach 6 Tagen wurde mit Hilfe eines Photometers
die Trübungszunahme (optische Dichte ο. D.) bei einer Wellenlänge von 578 mm als Maß für das Wachstum bestimmt
Die Temperaturabhängigkeit des Wachstums von L bavaricus im Bereich von 3 bis 16°C ist in Fig.3 im Vergleich zu den wichtigsten Vertreiern der auf Sauerkraut wachsenden Spontanflora dargestellt Die Wachstumskurven beziehen sich auf folgende Mikroorganismen:
(1) L bavaricus,
(2) L. plantarum,
(3) Lcurvatus,
(4) Pediococcus cerevisiae,
(5) Leuconostoc mesenteroides,
(6) Lbrevis.
IO
•5
Die Werte von F i g. 3 wurden in entsprechender Weise wie die Werte von F i g. 2 erhalten.
Es ist offensichtlich, daß L. bavaricus in Bereichen unter 100C wesentlich besser als andere L(+)-Milchsäurebildner und zumindest ebenso gut wie die anderen Arten der Spontanflora wächst Bei einer Animpfung des Gemüses mit einem 10- bis lOOfachen Überschuß an L. bavaricus gegenüber der Spontanflora kommt es daher mit Sicherheit zu einer mehr oder weniger vollständigen Verdrängung der letzteren und daher zum starken Dominieren der L(+)-Milchsäure, was bei Verwendung anderer L(+)-Milchsäure bildenden Stämme nicht der Fall wäre.
So wurde z. B. bei einer entsprechenden Animpfung von geschnittenem Kohl, Blumenkohl, Karotten, Zwiebeln und anderen Gemüsen (etwa 10 Liter Stammkultur mit 10s bis 109 Keimen pro ml auf 1000 kg Gemüse) und sonstiger üblicher Behandlung (z.B. Zusatz von Kochsalz) festgestellt, daß L. bavaricus bei Temperaturen von 3 bis 300C eine fast reine L(+)-Milchsäuregärung bewirkt und die auf den Gemüsen normalerweise zur Entwicklung kommende Milchsäureflora, die zu DL-Milchsäure führt, verdrängt
Das Endprodukt enthält 0,3 -1,2% Milchsäure, die zu mehr als 75% aus L(+)-Milchsäure besteht Darüber hinaus werden die häufigen Fehler, wie Schleimbildung (bedingt durch die Bildung von Dextran und Lävan in saccharosehaltigen Lösungen), Erweichen des Gemüses, Verfärbung oder Fehlgeschmack verhindert, da die dafür verantwortlichen Infektionskeime dank der raschen Säuerung durch L. bavaricus ebenfalls unterdrückt werden. Das Produkt zeichnet sich daher auch durch seine Regelmäßigkeit in Geschmack und Aussehen gegenüber den bisherigen Produkten aus. Da L. bavaricus zu den homofermentativen Bakterien gehört, werden nur Spuren von flüchtigen Säuren, wie Essigsäure oder Ameisensäure, und von Alkohol gebildet Im Falle von Sauerkraut macht sich dies durch einen milden Geschmack (kein Essigstich) bemerkbar, und es entstehen auch beim Kochen sehr viel weniger, der vielfach als lästig empfundenen flüchtigen Aromastoffe (Ester; unangenehmer Sauerkohlgeruch).
Ein weiterer überraschender Effekt des L. bavaricus besteht darin, daß er trotz einer nur mittleren Endsäuerung bis auf einen pH-Wert von etwa 3,7 bis 4,0 das Aufkommen von normalerweise stärker säuernder Spontanflora hemmt Es wäre zu erwarten gewesen, daß diese Spontanflora nach dem Aufhören des Wachstums von L. bavaricus weiterwächst, bis der für diese Flora charakteristische niedrige End-pH-Wert erreicht ist Dies ist aber nicht der FaIL Der Grund für dieses Verhalten ist noch nicht bekannt; man nimmt an, daß L. bavaricus dem Medium in größerem Umfang bestimmte Nährstoffe entzieht, welche die Spontanflora für ihr normales Wachstum bei niedrigeren pH-Werten benötigt.
Das gute Wachstum des L bavaricus bei niedrigen Temperaturen ist insbesondere bei der Herstellung von Sauergemüse, insbesondere von Sauerkraut, vorteilhaft, da das Gemüse, wie schon gesagt in der Regel in der kalten Jahreszeit verarbeitet wird und eine vorherige Sterilisierung zur Unschädlichmachung der Spontanflora praktisch nicht möglich ist Die Tieftemperaturaktivität von L bavaricus kann aber auch vorteilhaft bei der Vergärung von Gemüse- und Fruchtmaischen und -saften ausgenützt werden, da bei einer Vergärung dieser Produkte bei niedrigen Temperaturen die temperaturempfindlichen Bestandteile, wie Vitamine, Aromastoffe und Farbstoffe, geschont werden. Es ist auch nicht unbedingt notwendig, die Vergärung unter Ausschluß von Luftsauerstoff durchzuführen.
Eine weitere überraschende Eigenschaft des L. bavaricus besteht darin, daß er auch bei verhältnismäßig hohen Salzkonzentrationen, z.B. bei einer Kochsalzkonzentration von 5%, im Gegensatz zu anderen L-Laktatbildnem noch gut wächst was insbesondere für die Vergärungen in Salzlake, z.B. von Salzgurken, wichtig ist
Fig. 4 zeigt das Wachstum von L(+)-laktatbildenden Milchsäurebakterien in Gegenwart von Kochsalz bei einer Temperatur von 16° C in MRS-Bouillon nach einer Inkubationszeit von 48 Stunden. Die Wachstumskurven, die wie in den F i g. 2 und 3 bestimmt wurden, beziehen sich auf folgende Mikroorganismen:
(1) L. bavaricus,
(2) L. casei ssp. alactosus,
(3) L casei ssp. tolerans,
(4) L casei ssp. rhamnosus,
(5) L. casei ssp. casei,
(6) Lcaseissp.xylosus,
(7) Sc.lactisl44.
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von Reinkulturen von Lactobacillus bavaricus ATCC 31063 ( = DSM 20269) aus einer Verdünnung von milchsauer vergorenem Material, das eine Mischflora von aktiven Keimen der Gattung Lactobacillus enthält unter Verteilung auf eine Anzahl von Nährmedier und Anwendung von mehreren Selektionsschritten; das Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß man als Selektionsschritte einmal die Bebrütung bei tiefen Temperaturen auf einem Agar-Nährboden, der eine KohlenhydratqueUe enthält, durchführt und die KoIo- nien mit einem schleimigen Aussehen eliminiert, die hinterbleibenden Kolonien dann auf einem kochsalzhaltigen Nährboden weiterzüchtet, um diejenigen Kolonien zu eliminieren, die auf diesem Nährboden nicht wachsen, wobei diese beiden Selektionsschritte auch zusammen auf dem kohlenhydrathaltigen Nährboden, dem Kochsalz in einer Menge von etwa 5% zugesetzt worden ist, durchgeführt werden können, dann diejenigen Kolonien eliminiert, die ein schleimiges Aussehen haben und die keine stäbchenförmigen unbeweglichen und gram-positiven Bakterien enthalten, hierauf die Kolonien mit den gasbildenden Keimen und die D(—)- oder DL-Milchsäure bildenden Kolonien eliminiert und dann die verbleibenden, L(+)-Milchsäure bildenden Kolonien in der üblichen Weise weiterzüchtet
703609/362
Die Patentansprüche 2 und 3 beinhalten vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1.
Man geht von milchsauer vorgorenem Pflanzenmaterial, insbesondere von Sauerkraut aus. Obwohl Sauer- S kraut ein bakteriologisch besonders gut untersuchtes Material darstellt enthält die Literatur keine Hinweise auf die Isolierung eines dem L bavaricus vergleichbaren Mikroorganismus, was vermutlich darauf zurückzuführen ist daß L bavaricus unter den bei den üblichen Isolierverfahren angewendeten Bedingungen gegenüber der anderen Bakterienflora nicht in Erscheinung tritt und erst unter den Bedingungen des erfindungsgemäßen Selektionierungsverfahrens isoliert und vermehrt werden kann. ι s
Die Bebrütung bei den tiefen Temperaturen, z. B. bei etwa 5 bis 10° C, wird gerne als erster Schritt durchgeführt Die Bebrütung erfolgt zweckmäßig auf einem Agarnährboden, der als Kohlenhydratquelle vorzugsweise Saccharose enthält Der Saccharosezusatz ist insofern günstig, als gewisse Lactobacillen mit Saccharose Dextran bzw. Lävan bilden, was sich in einem schleimigen Aussehen der Kolonien äußert Diese unerwünschten Kolonien können also schon auf Grund ihres Aussehens eliminiert werden.
Die hinterbleibenden Kolonien werden dann gewöhnlich auf einem kochsalzhaltigen Nährboden weitergezüchtet um diejenigen Kolonien zu eliminieren, die auf diesem Nährboden nicht wachsen. In günstiger Weise werden aber die beiden ersten Selektionsschritte miteinander kombiniert d.h., man setzt dem saccharosehaltigen Agarnährboden bereits Kochsalz zu, vorzugsweise in einer Menge von etwa 5%.
Von den nach diesen beiden Selektionsschritten hinterbleibenden Kolonien werden dann diejenigen eliminiert die ein schleimiges Aussehen haben und die keine stäbchenförmigen unbeweglichen und gram-positiven Bakterien enthalten. Diese Eliminierungsschritte können durch einfache bzw. mikroskopische Betrachtung der Kulturen vorgenommen werden.
Die Kolonien mit den gasbildenden Keimen können im Prinzip ebenfalls bereits auf dem Agarnährboden erkannt werden. Die Erkennung ist aber einfacher, wenn die Kulturen in sterilen Gemüsesaft, insbesondere Sauerkrautsaft, übertragen werden. Die Bebrütung kann nun bei normalen Temperaturen, beispielsweise bei etwa 15 bis 35° C, vorgenommen werden, weil bei diesen Temperaturen das Wachstum schneller ist und die Gasbildung rascher festgestellt werden kann.
Auch die Eliminierung der D(—)- oder DL-Milchsäure bildenden Kolonien erfolgt zweckmäßig in der Saftkultur bei den angegebenen Bedingungen, da die enzymatischen Bestimmungen bei Verwendung der abffltrierten Saftlösung einfacher durchzuführen sind als bei Verwendung des Agarnährbodens.
Es bleiben dann die L(+^Milchsäure bildenden Kolonien zurück, die nur aus L. bavaricus bestehen, der dann in der üblichen Weise weitergezüchtet wird. Zur Sicherheit können dann gegebenenfalls noch die in der te Tabelle angegebenen Parameter bestimmt werden.
Das Gewinnungsverfahren ist durch das nachstehende Beispiel erläutert
B e i s ρ i e 1 1 6,
5 in München aus dem Handel gezogene Proben von rohem Sauerkraut wurden in üblicher Weise verdünnt, und jeweils IO-7 ml wurden auf 10 Parallelplatten mit Agarnährboden (modifiziertes MRS-Medium,, bei dem die Glucose durch Saccharose ersetzt wurde, mit Zusatz von 5% Kochsalz ausgespatelt Im einzelnen hatte der Nährboden folgende Zusammensetzung:
Pepton aus Casein, 10g
tryptisch verdaut 2g
Fleischextrakt 4 g.
Hefeextrakt 20 g
Saccharose
Polyoxyäthylensorbitan- ImI
monooleat 50 g
Kochsalz 2g
K2HPO4 5g
Natriumacetat · 3 H2O 2g
Diammoniumcitrat 200 mg
MgSO4 · 7 H2O 50 mg
MnSO4 · H2O 15 g
Agar 1 Liter
Destilliertes Wasser
Nach 8tägiger Bebrütung unter N2+5% CO2 bei einer Temperatur von 60C wurden die Einzelkolonien mikroskopisch untersucht 356 Kolonien, die nicht schleimig waren und stäbchenförmige, gram-positive Bakterien enthielten, wurden mit der öse in Röhrchen mit sterilem Krautsaft eingeimpft und die Röhrchen wurden 3 Tage bei 15°C bebrütet Von den kein Gas bildenden Kolonien in den bewachsenen Röhrchen wurde die Konfiguration der Milchsäure des Krautsaftes enzymatisch bestimmt Nur eine der 356 Kulturen hatte ausschließlich L(+)-Milchsäure gebildet und ergab bei der genaueren Untersuchung die in Tabelle 1 für L. bavaricus angegebenen Merkmale. Alle anderen Kolonien hatten D( - )- oder DL-Milchsäure gebildet
Zum Nachweis der Reproduzierbarkeit des Gewinnungsverfahrens wurden 4 Sauerkrautproben aus Schleswig-Holstein verwendet, die in der gleichen Weise wie vorstehend angegeben selektioniert wurden. Von den 212 geprüften Kolonien der vier verschiedenen Sauerkrautproben zeigte nur eine Kolonie die für L. bavaricus in der Tabelle angegebenen Eigenschaften.
Gegenstand der Erfindung ist weiterhin die Verwendung von L. bavaricus ATCC 31063 (=DSM 20269) zur milchsauren Vergärung von pflanzlichem Material, insbesondere von Gemüse, Früchten und daraus gewonnenen Maischen und Säften. Die Vorteile der Verwendung von Lactobacillus bavaricus ATCC 31063 (—DSM 20269) zur milchsauren Vergärung von pflanzlichem Material sind vorstehend bereits genannt
Die erfindungsgemäße Verwendung ist durch die nachstehenden Beispiele erläutert
Beispiel 2 Herstellung von Sauerkraut
a) Stammhaltung
Für die Versuche wurde der nach Beispiel 1 gewonnene Lbavaricus-Stamm verwendet
Der Stamm kann als Agarstichkultur 1 Monat bei 4° C aufbewahrt werden, dann muß er wieder in neues Medium überimpft werden. Als Medium kann halbsynthetischer MRS-Agar oder besser steriler Weißkohlsaft der mit 1,5% Agar verfestigt ist, verwendet werden. Vor dem Beimpfen des Kohls wird die Kultur zur Aktivierung an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils in 10 ml sterilen Weißkohlsaft geimpft Die Bebrütung erfolgt bei 30°C Anschließend werden 3
Liter steriler Weißkohlsaft mit 10 ml der letzten ( = aktivsten) Kultur beimpft Nach 15 Stunden Bebrütung (30° C) wird damit die Vorkultur beimpft
b) Vorkultur
300 Liter Weißkohlsaft (am einfachsten Ablaufsaft) werden in einem heiz- und kühlbaren Gefäß mit Rührer 20 Minuten auf 95°C erhitzt, dann wird auf 32°C abgekühlt Anschließend wird mit 3 Liter der unter (a) angegebenen Kultur beimpft und zur Verteilung der Bakterien kurz das Rührwerk eingeschaltet Nach 12 bis 14 Stunden ist die Vorkultur zum Beimpfen der Kohlschnitzel geeignet Der pH-Wert ist dann von 6 auf 4 abgefallen, und das mikroskopische Bild der Vorkultur zeigt Massen (ungefähr 1-5 · 109ZmI) von Kurzstäbchen, einzeln und in kurzen Ketten.
c) Herstellung des Sauerkrauts
30 000 kg Weißkohl werden gründlich geputzt, und die Strünke werden ausgebohrt Es wird mit 300 Liter Vorkultur (l%ig) beimpft Die Beimpfung der Kohlschnitzel erfolgt am günstigsten an der Schneidemaschine, wobei die Vorkulturlösung über eine Dosierpumpe auf das Messer tropft (ca. 50 liter/Std, je nach Einschneidegeschwindigkeit). Somit ergibt sich zwangsweise eine sehr gleichmäßige Beimpfung des Kohls. Die beimpften Kohlschnitzel werden in üblicher Weise gesalzen, beispielsweise mit 0,7% Kochsalz, und im vorher gründlich gereinigten Gärbassin eingestampft Am Ende der Füllung wird das Gärbassin in üblicher Weise mit einer mit Wasser gefüllten Kunststoffblase als Beschwerung abgedeckt Bei einer Kohltemperatur von 2 bis 3° C beim Einschneiden ergibt sich eine Gärdauer von etwa 28 Tagen, bei 5 bis 60C eine solche von etwa 20 Tagen. Der pH-Wert sinkt in dieser Zeit von 6,2 auf 3,9 ab. Die gebildete Milchsäure hat eine Konzentration von ungefähr 1,1% (Gewicht/Volumen) und liegt zu mehr als 90% in der L(+)-Form vor.
Beispiel 3
Herstellung von Salzgurken
Die Stammhaltung und die Herstellung der Vorkultur erfolgen grundsätzlich wie bei der Sauerkrautherstellung, jedoch kann der Weißkohlsaft durch Gurkensaft (Abpressen von billigen großen Gurken Handelsqualität »E«) ersetzt werden.
350 kg Gurken (Handelsqualität »B«) werden gründlich gewaschen. Danach werden die Gurken in üblicher Weise gestichelt und in ein vorher 30 Minuten mit strömendem Dampf entkeimtes Faß (650 Liter) eingefüllt, wobei auch die entsprechenden Gewürze, wie Dill, Estragon, Senfkörner, Basilikum, Knoblauch usw. in der üblichen Menge zugegeben werden. Anschließend wird das Faß mit ungefähr 300 Liter Salzlake aufgefüllt, der vorher 30 Liter Vorkulturlösung zugegeben worden waren. Das Faß wird dann verschlossen und wie üblich, beispielsweise unter freiem Himmel, vergoren. Die Gärzeit beträgt bei einer mittleren Temperatur der Lake von 10 bis 12°C etwa 20 Tage. Nach dieser Zeit liegt der pH-Wert bei 3,8, der Milchsäuregehalt beträgt etwa 0,7%. Die Milchsäure liegt zu über 90% als L(+)-Isomer vor. Anschließend werden die Salzgurken in Gläser abgefüllt und pasteurisiert
Hierzu 4 Blatt Zeichnungen

Claims (4)

Patentansprache:
1. Verfahren zur Gewinnung von Reinkulturen von Lactobacillus bavaricus ATCC 31063 (»DSM 20269) aus einer Verdünnung von milchsauer vergorenem Material, das eine Mischflora von aktiven Keimen der Gattung Lactobacillus enthält, unter Verteilung auf eine Anzahl von Nährmedien und Anwendung von mehreren Selektionsschritten, dadurch gekennzeichnet, daß man als Selektionsschritte einmal die Bebrütung bei tiefen Temperaturen auf einem Agar-Nährboden, der eine Kohlenhydratquelle enthält, durchfuhrt und die Kolonien mit einem schleimigen Aussehen eliminiert, die hinterbleibenden Kolonien dann auf einem kochsalzkaliigen Nährboden weiterzüchtet, um diejenigen Kolonien zu eliminieren, die auf diesem Nährboden nicht wachsen, wobei diese beiden Selektionsschritte auch zusammen auf dem kohlenhydrathaltigen Nährboden, dem Kochsalz in einer Menge von 5% zugesetzt worden ist, durchgeführt werden können, dann diejenigen Kolonien eliminiert, die ein schleimiges Aussehen haben und die keine stäbchenförmigen unbeweglichen und grampositiven Bakterien enthalten, hierauf die Kolonien mit den gasbildenden Keimen und die D(-)- oder DL-MUchsäure bildenden Kolonien eliminiert und dann die verbleibenden, L(+)-Milchsäure bildenden Kolonien in der üblichen Weise weiterzüchtet
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man die Kolonien mit den gasbildenden Keimen nach einer Bebrütung in sterilem Gemüsesaft bei normalen Temperaturen eliminiert
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man die D(-)- oder DL-Milchsäure bildenden Kolonien nach einer Bebrütung in sterilem Gemüsesaft bei normalen Temperaturen eliminiert.
4. Verwendung von Lactobacillus bavaricus ATCC 31063 (-DSM 20269) zur milchsauren Vergärung von pflanzlichem Material, insbesondere von Gemüse, Früchten und daraus gewonnenen Maischen und Säften.
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