DE19904794A1 - Verfahren zur Verbesserung des Primärstoffwechsels von Säugerzelllinien - Google Patents
Verfahren zur Verbesserung des Primärstoffwechsels von SäugerzelllinienInfo
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Abstract
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung des Primärenergiestoffwechsels von Säurezelllinien, bei dem in die Säurezellen gentechnisch ein Strukturgen für eine cytoplasmatische Hefe-Pyruvatcarboxylase eingeführt und zur Expression gebracht wird.
Description
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung des Pri
märenergiestoffwechsels von Säugerzellinien, Expressionsvek
toren zur Verwendung in dem Verfahren und nach dem Verfahren
erhältliche rekombinante Säugerzellen mit verbessertem Pri
märenergiestoffwechsel.
Glucose, eine der Hauptenergiequellen, kann nur zu einem sehr
geringen Anteil vollständig zu CO2 oxidiert werden. Der Groß
teil wird als Lactat und Alanin freigesetzt. Da der Energiege
winn bei der aeroben Glycolyse nur gering ist, wird der Ener
giebedarf durch die Glutaminolyse gedeckt. Dabei entsteht als
toxisches Nebenprodukt Ammonium.
Verschiedene Arbeiten haben gezeigt, dass die entscheidenden
Enzyme, die das Endprodukt der Glycolyse, Pyruvat, in den Ci
tratzyklus (TCA) überführen bei Zellinien nur schwache Ak
tivität aufweisen (Fitzpatrick et al., 1993; Petch und Butler,
1994; Neermann und Wagner, 1996) (eine Aufstellung der zitier
ten Literaturstellen befindet sich am Ende dieser Beschrei
bung). Eine Verbindung zwischen der Glycolyse und dem Citrat
zyklus sollte den Anteil an Glucose zum Energiestoffwechsel
erhöhen und den Bedarf an Glutamin vermindern.
Bei der Kultivierung von Säugetierdauerzellinien besitzen
Glucose und Glutamin unter den zahlreichen, essentiellen Kom
ponenten des relativ komplexen Nährmediums eine Sonderstel
lung. Denn anders als bei Bakterien oder Hefen sind beide Sub
strate als Energielieferanten nötig, wobei Glutamin als Haupt
quelle der zellulären Energie (ATP) dient. Der Grad der zel
lulären Energieversorgung aus Glutamin hängt dabei von der
individuellen Zellinie sowie von der Präsenz und Konzentra
tion von Glucose ab.
Der Primärenergiestoffwechsel von Säugetierzellen setzt sich
somit aus der Glucose- und Glutaminoxidation zusammen und um
fasst die Stoffwechselwege der Glycolyse, der Glutaminolyse
und des Citratzyklus'. Ein vereinfachter Überblick über diese
Primärstoffwechselwege mit Verzweigungen und entscheidenden
Enzymfunktionen wird in Fig. 1 gegeben.
Über die Glycolyse werden in Säugerzellinien zwischen 80% und
97% der Glucose umgesetzt. Doch im Gegensatz zu Insekten- oder
Primärzellen wird in transformierten Säugerzellinien fast die
gesamte in der Glycolyse umgesetzte Glucose zu Lactat verar
beitet, und nur ein sehr kleiner Teil (etwa 0,2 bis 5%) des
Glucosekohlenstoffs bzw. der glycolytischen Intermediate ge
langt in den energieliefernden Citratzyklus.
Auf welche Ursachen der annähernd durchgängige Umsatz von Glu
cose zu Lactat bzw. die Blockade des Übergangs von glycolyti
schen Intermediaten in den Citratzyklus bei fast allen Säu
gerzellinien zurückzuführen ist, ist weitgehend ungeklärt.
In erster Linie wird vermutet, dass die Aktivität des vermit
telnden Enzyms Pyruvatdehydrogenase, aufgrund niedriger Ex
pressionsraten oder permanenter Inhibierung durch eine irre
versible Phosphorylierung sehr gering ist. Als Resultat dieser
Fehlregulation werden große Mengen Lactat in das Nährmedium
abgegeben und führen dort zu einer unkontrollierten Ansäuerung
der Kultur. Diese Umstände bedeuten eine geringe Effizienz bei
der Ausnutzung der Nährstoffe, einen hohen Glucoseverbrauch
und eine geringe Energieaubeute.
Die Glutaminolyse stellt keinen einzelnen, durchgängigen
Stoffwechselweg wie die Glycolyse dar, sondern bildet ein
Netzwerk von bis zu acht, teilweise miteinander verknüpften,
alternativen metabolischen Routen, auf denen Glutamin zu un
terschiedlichen Graden oxidiert werden kann und die damit zu
verschiedenen Energieausbeuten und Produktkombinationen füh
ren.
Ein großer Teil des Glutamins wird deaminiert und über das In
termediat a-Ketoglutarat in den Citratzyklus eingeschleust, wo
es vollständig zu CO2 oxidiert werden kann. Außerdem kann Glut
amin auch teilweise zu den Aminosäuren Aspartat, Alanin oder
auch zu Lactat umgewandelt werden. Diese können entweder ins
Kulturmedium sekretiert oder, im Fall von Aspartat, über Oxal
acetat in den Citratzyklus geschleust werden.
Die Wahl der Wege zur vollständigen oder nur teilweisen Oxida
tion des Glutamins entscheidet über den Beitrag des Glutamins
zum Energiehaushalt der Zelle. Untersuchungen an verschiedenen
Säugerzellinien zeigten, dass Glutamin in Gegenwart von Glu
cose den Energiebedarf der Zelle zu 30% bis 65% deckt, unter
Umständen sogar zu 98%. Generell ist der Beitrag von Glutamin
zum Energiehaushalt der Säugerzelle umso höher, je niedriger
die Glucosekonzentration im Medium ist.
Ein entscheidendes Nebenprodukt des Glutaminabbaus ist Ammo
nium. In Abhängigkeit vom glutaminolytischen Stoffwechselzweig
können pro Mol Glutamin ein oder zwei Mol Ammonium freigesetzt
werden, welches eine wachstumsinhibierende bis toxische Wir
kung auf die Zellen hat. Einerseits kommt es zu einer Ernie
drigung des intrazellulären pH-Wertes, andererseits führen
hohe Mengen an Ammonium zu Veränderungen des Nucleotid- und
Zuckernucleotidpools (Ryll et al., 1994; Valley et al., 1999),
was einen deutlichen Einfluss auf die Expression der N-gly
cosidisch gebundenen Kohlenhydratseitenketten von Glycopro
teinen hat und somit die Produktqualität des Therapeutikums
verändert (Gawlitzek et al. 1998; Grammatikos et al. 1998).
Versuche, das Wachstum und die Produktivität von zellulären
Systemen entscheidend zu verbessern, bedürfen wahrscheinlich
der radikalen Veränderung bestimmter Substratflüsse des Ener
giestoffwechsels. Dazu sind sehr genaue Kenntnisse über
Schlüsselpunkte des Stoffwechsels notwendig.
Da aber ein irreversibler Eingriff in den Stoffwechsel gerade
in den sensitiven Säugetierzellen mit größeren Schwierigkeiten
verbunden ist, sind in Säugerzellen im Vergleich zu Bakterien
und Hefen, erst sehr wenige Versuche zu einem rationalen De
sign des Stoffwechsels erfolgt.
Tatsächlich haben nach heutigem Kenntnisstand erst sechs er
folgreiche Versuche eines Metabolic Engineering im sog. Pri
märstoffwechsel von Säugerzellen stattgefunden.
Den ersten Ansatz in Säugerzellinien veröffentlichten Pendse
und Bailey (1994). Unter der Voraussetzung, ein erhöhtes in
nerzelluläres ATP- bzw. Energieniveau steigere die Produkti
vität, wurde das Gen für das bakterielle Vitreoscilla-Hämo
globin (Vhb) in eine tPA-produzierende CHO-Zellinie kloniert.
Die resultierende Vhb exprimierende Zellinie zeigte im Ver
gleich zur nicht transfizierten Kontrollzellinie ein vermin
dertes Wachstum, aber eine um 40% bis 100% gesteigerte spezi
fische tPA-Produktion. Offensichtlich kann über erhöhte zellu
läre Energiezustände sowohl Wachstum als auch Produktivität
beeinflusst werden.
Renner et al. (1995) stellten durch Untersuchungen mit Wachs
tumsfaktoren wie bFGF (basic fibroblast growth factor) einen
Zusammenhang zwischen Zellzyklusphasen, Wachstum und Cyclin-E-
Expression fest. Bei hoher Cyclin-E-Expression liegt in be
stimmten CHO-Zellen ein Zellzyklus mit relativ langer G1-Phase
und kurzer S-Phase vor, und das Zellwachstum ist relativ hoch.
Daraufhin klonierten die Autoren einen Cyclin-E-Expressions
vektor in CHO-Zellen. Die transfizierte Zellinie zeigte auf
grund der nun erhöhten Cyclin-E-Menge höhere Vermehrungsraten
als die nicht transfizierten Kontrollzellen, besonders in pro
teinfreien Basalmedien. Zudem waren die Zellmorphologie und
die Zellzyklusphasenverteilung ähnlich der mit bFGF stimulier
ten CHO-Zellen. Durch dieses metabolische Design des Zellzyk
lus kann also Zellwachstum und -morphologie beeinflusst wer
den.
Bell et al. (1995) klonierten einen Vektor mit einem Glutamin
synthetasegen in eine Hybridomzellinie. Die transfizierte Hy
bridomzellinie konnte aufgrund ihrer Glutaminsynthetaseak
tivität im Gegensatz zur nicht transfizierten Kontrollzell
inie in glutaminfreiem Nährmedium wachsen.
Diese Transfektion stellte einen entscheidenden Eingriff in
den Glutaminmetabolismus und damit in den Primär- und Energie
stoffwechsel der Säugerzelle dar. Gleichzeitig wurde das Prob
lem der Vergiftung durch aus Glutamin gebildetes Ammonium über
die Möglichkeit der glutaminfreien Kultivierung stark vermin
dert.
Rees und Hay (1995) klonierten den kompletten bakteriellen
Threonin-Stoffwechselweg in eine Säugerzellinie, so dass die
se Zellinie in threoninfreiem Nährmedium wachsen konnte. Die
Zellinie wurde mit zwei Vektoren transfiziert, von denen die
Gene für Aspartokinase, Aspartatsemialdehyddehydrogenase,
Homoserindehydrogenase, Homoserinkinase und Threonin-Syn
thetase konstitutiv exprimiert wurden. Somit wurde der voll
ständige bakterielle Biosyntheseweg für Threonin aus Aspartat
in eine Säugerzellinie kloniert, für deren Kultivierung die
relativ teuere Aminosäure Threonin nicht länger notwendig ist.
Die transfizierte Zellinie zeigte bei hohen Aspartat-Konzen
trationen in threoninfreiem Medium das gleiche Wachstumsver
halten wie die nicht transfizierte Kontrollzellinie in threo
ninhaltigem Medium.
Durch diesen Metabolic-Engineering-Ansatz könnten Nährmedien
wesentlich einfacher und preisgünstiger gestaltet werden, ohne
dabei Wachstum und Produktivität zu vermindern.
Ein weiterer Metabolic-Engineering-Ansatz zielte zwar nicht
auf den direkten Primärstoffwechsel, aber auf die Glycosylie
rung und damit die Funktionalität und Qualität von Glycopro
teinen wie beispielweise EPO.
Schienke et al. (1997) cotransfizierten eine BHK-Zellinie mit
Vektoren, die die Information für 2,6-Sialyltransferase und
EPO gemeinsam trugen. Im Vergleich zu einer nur mit der EPO-
cDNA transfizierten BHK-Zellinie wies das von dieser cotrans
fizierten Zellkultur produzierte EPO am Ende der Kohlenhydrat
seitenketten einen stark erhöhten N-Acetylneuraminsäure-Anteil
auf, was auf die coklonierte 2,6-Sialyltransferase zurückzu
führen ist.
Im Gegensatz zu der natürlicherweise in der BHK-Zellinie vor
kommenden 2,3-Sialyltransferase kann die 2,6-Sialyltransferase
N-Acetylneuraminsäure an N-Acetylgalactosamin-Reste der Koh
lenhydratseitenketten anbinden. Nur mit dieser Veränderung be
sitzt das EPO humanidentische Eigenschaften, die für die
therapeutische Anwendung wichtig sein können.
Analysen, welche die Erfinder zum Glucose-Stofffluss in Säu
gerzellinien vornahmen, ergaben einen Engpass bei der Ein
gangsreaktion der Glycolyse, die von dem Enzym Hexokinase
katalysiert wird.
Mit einem Ansatz zum Metabolic Engineering haben die Erfinder
ein rekombinantes Hexokinase-Gen aus Rattenhirn in BHK-Zellen
kloniert, um mit zusätzlicher Hexokinaseaktivität die ge
schwindigkeitsbestimmende Reaktion der Glycolyse zu erweitern
und den Stofffluss sowie die Zellenergiemenge in Form von ATP
zu erhöhen.
In den rekombinanten Zellen lag die Hexokinaseaktivität bis zu
3fach höher als gewöhnlich, der Glucoseverbrauch stieg, der
Stofffluss in der Glycolyse nahm zu und die intrazelluläre
ATP-Konzentration stieg ebenfalls. Auch wurde der Glutamin
metabolismus aktiviert. Allerdings sank die Zellwachstumsrate
bei den Zellinien mit starker Hexokinaseaktivität und hohen
ATP-Raten. Die Produktionsraten der Zellen für rekombinante
Proteinprodukte stiegen hingegen. Ein hoher ATP-Gehalt scheint
die Wachstumsraten der Zellen nicht zu fördern, unter Umstän
den aber ihre Produktivität.
Aus den Ergebnissen ergab sich sehr deutlich ein Zusammenhang
zwischen glycolytischem Stofffluss und Zellwachstum: Ein er
höhter relativer oder absoluter glycolytischer Fluss hat ein
vermindertes Zellwachstum oder eine verringerte Zellkonzentra
tion zur Folge, da wahrscheinlich der Fluss des Pentosephos
phat-Weges verringert und die Bildung von wachstumsreduzieren
den Metaboliten wie UDP-N-Acetylhexosaminen erhöht wird.
Darüber hinaus scheint ein hoher ATP-Gehalt jedoch für die Er
höhung der Produktivität bedeutend zu sein. Denn verschiedene
Schritte der Proteinbiosynthese können direkt mit der Konzen
tration von ATP oder GTP zusammenhängen. So stellte Jackson
(1991) die Translationsrate für bestimmte rekombinante Pro
teine direkt proportional zu Verfügbarkeit von ATP in Bezie
hung.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die von den Erfindern
gefundene höhere Produktbildungsrate in Zellen mit gesteiger
tem ATP-Gehalt.
Insgesamt deutet sich also ein direkter Zusammenhang zwischen
dem zellulären ATP-Gehalt bzw. der Menge an produziertem ATP
und der Produktionsrate bzw. -menge von rekombinantem Protein
an. Die Produktivität einer Zelle könnte direkt auch vom ATP-
Gehalt und damit vom Energiemetabolismus der Zelle abhängen.
Aufgabe der Erfindung ist daher die Bereitstellung eines Ver
fahrens zur Verbesserung des Primärstoffwechsels von Säuger
zellinien.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe mit einem Verfahren zur
Verbesserung des Primärenergiestoffwechsels von Säugerzell
inien gemäß Patentanspruch 1 gelöst.
Die Erfindung betrifft ferner Expressionsvektoren zur Ver
wendung in dem Verfahren sowie nach dem Verfahren erhältliche
rekombinante Säugerzellen mit im Vergleich zum Wildtyp ver
bessertem Primärenergiestoffwechsel.
Die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erhaltenen rekombi
nanten Zellinien zeigen vermehrte vollständige Glucoseoxida
tion, verringerte Lactatproduktion, verminderten Glutaminver
brauch, höheren ATP-Gehalt und höheren Sauerstoffverbrauch.
Ferner wachsen die rekombinanten Zellinien in Batch-Kulturen
deutlich länger als Wildtyp-Zellinien und kommen mit den vor
handenen Nährstoffressourcen länger aus.
Die rekombinanten Zellinien können mit den vorhandenen Nähr
stoffen deutlich länger produzieren, so dass der Gesamtertrag
des Produktes steigt und die Prozesskosten im Vergleich zu
herkömmlichen Zellinien reduziert werden.
Weitere Vorteile, die sich mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
erzielen lassen, werden im Laufe der sich anschließenden de
taillierteren Beschreibung klar.
Vorteilhafte und bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung
sind Gegenstand der Unteransprüche.
Fig. 1 ist ein Überblick über den Primärstoffwechsel in
Säugerzellen.
Fig. 2a ist eine schematische Darstellung der gewöhnlichen
Glucoseoxidation in Säugerzellinien.
Fig. 2b veranschaulicht die erfindungsgemäße Strategie für
ein Metaboilic Engineering durch die Einschleusung eines cyto
solisch exprimierten Pyruvatcarboxylase-Gens (PYC2) aus Hefe
in die Zellen nach einer bevorzugten Ausführungsform der Er
findung.
Fig. 3 zeigt die Befreiung des 5'- und 3'-Bereiches des
PYC2-Gens von flankierenden hefespezifischen Sequenzen.
Fig. 4 ist eine schematische Zeichnung des Expressionsvektors
pCMVSHE-PYC2 sowie des Selektionsvektors pAG60.
Im folgenden wird die Erfindung unter Bezugnahme auf die Fi
guren detaillierter erläutert.
Um den negativen Effekt eines hohen glycolytischen Stoffflus
ses zu umgehen, jedoch die Ausnutzung der Glucose im Hinblick
auf die ATP Produktion zu verbessern, musste eine anderer Weg
als im Stand der Technik eingeschlagen werden.
Dieser setzte bei der Tatsache an, dass die Aktivitäten aller
Enzyme, die die Glycolyse mit dem Citratzyklus verbinden, wie
Pyruvatdehydrogenase, Phosphoenolpyruvatcarboxylase und Pyru
vatcarboxylase (PC), bei Zellinien im Vergleich zu Primärzel
len wenig oder gar nicht vorhanden sind (Fig. 2a).
Insbesondere das Fehlen der Pyruvatcarboxylase ist bereits als
Erbkrankheit gut bekannt, wobei die Patienten an einer starken
Azidose leiden, die zu einem frühen Tod führt. Um eine Schleu
sung von Glucose- und Pyruvat-Kohlenstoff in den Citratzyklus
bei Zellinien zu gewährleisten, wurde erfindungsgemäß ein zu
sätzlicher metabolischer Seitenweg durch die Einführung einer
cytoplasmatisch exprimierten Pyruvatcarboxylase (PC) einge
führt.
Die natürliche PC wird in den Mitochondrien exprimiert und ist
strikt abhängig von der Anwesenheit ausreichender Mengen Ace
tyl-CoA. Da jedoch die Menge an Acetyl-CoA in Zellinien auf
grund der fehlenden Versorgung mit diesem Metaboliten über
Pyruvat als kritisch einzustufen war, konnte der Weg über die
Erhöhung der Gendosis, ähnlich wie bei der Hexokinase, hier
nicht beschritten werden.
In der Hefe Saccharomyces cerevisiae jedoch ist die Pyruvat
carboxylase, auch ohne die Anwesenheit von Acetyl-CoA aktiv
ist (Colowick und Kaplan).
Nach Bereinigung des Gens für PYC2 von hefespezifischen Se
quenzen, die zu Problemen bei der Expression in Säugerzell
inien führen könnten, wurde ein Expressionsplasmid in BHK-
Zellen transfiziert und im Cytoplasma zur Expression gebracht.
Mit der Expression einer cytoplasmatischen Pyruvatcarboxylase
(PYC2) aus Saccharomyces cerevisiae ist zum erstenmal die Ex
pression eines Hefegens in Säugerzellinien gelungen.
Dieser neue Schritt ermöglicht nun den Zellen, Pyruvat aus der
Glycolyse noch im Cytoplasma zunächst in Oxalacetat und dann
mit der schon vorhandenen cytoplasmatischen Malatdehydrogenase
zu Malat umzuwandeln, welches dann via Malat-Aspartat-Shuttle
in die Mitochondrien zur weiteren Oxidation eingeschleust wer
den kann (Fig. 2b).
Fig. 2a zeigt eine schematische Darstellung der gewöhnlichen
Glucoseoxidation in Säugerzellinien. In den Mitochondrien von
Primärzellen wird Pyruvat normalerweise zu Acetyl-CoA durch
den Pyruvatdehydrogenase-Komplex (PDHC) decarboxyliert und in
den Citratzyklus eingeschleust. In Säugerzellinien wird wenig
oder keine PDHC-Aktivität gefunden. Ebenfalls sind die Pyru
vatcarboxylase- (PC) und Phosphoenolpyruvatcarboxykinase-
(PEPCK) Aktivitäten sehr gering.
Fig. 2b zeigt die Strategie für ein Metabolic Engineering
durch die Einschleusung eines cytosolisch exprimierten Pyru
vatcarboxylase-Gens (PYC2) aus Hefe in die Zellen. Pyruvat
wird jetzt zu Oxalacetat konvertiert und in die Mitochondrien
als Malat via Malat-Aspartat-Shuttle geschleust. PYC2 konkur
riert mit der Lactatdehydrogenase (LDH) um den cytoplasmati
schen Pyruvat-Pool, wodurch weniger Substrat für die Lactat
bildung zur Verfügung steht. Darüber hinaus wird NAD+ durch die
cytoplasmatische Malatdehydrogenase (MDHcyt) zurückgebildet.
Außerdem bietet die Rückreaktion über das Malatenzym (ME)
einen weiteren nützlichen Zyklus zur Bildung des wichtigen
NADPH. 1 = MDHcyt, 2 = ME
Mit diesem Schritt wurden nun 3 wesentliche Vorteile in den
neuen rekombinanten Zellen erreicht:
- 1. Mehr Glucose-Kohlenstoff kann im Citratzyklus vollständig oxidiert werden.
- 2. Die rekombinante cytoplasmatische Pyruvatcarboxylase kon kurriert mit der Lactatdehydrogenase um das Substrat Py ruvat und entzieht dieser Substratmengen für die Bildung von Lactat.
- 3. Die Malatdehydrogenase-Reaktion führt zur Rückbildung von NAD+ aus NADH, welches der Glycolyse wieder auf der Stufe der Glycerinaldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase zur Ver fügung steht. Dieser Schritt vermindert die Bedeutung der Lactatdehydrogenase-Reaktion zur Rückbildung von NAD+. In Abhängigkeit der Einschleusrate von Malat über den Shutt le-Mechanismus in die Mitochondrien kann außerdem ein Malatüberschuss unter Bildung von NADPH durch die Anwe senheit des Malatenzyms unter Rückbildung von Pyruvat de carboxyliert werden. NADPH wird für viele aufbauende Pro zesse und Synthesen gebraucht.
In den rekombinanten BHK-Zellen konnte der Glucoseverbrauch um
den Faktor 4, sowie der Glutaminverbrauch um das 2fache im
Vergleich zu den herkömmlichen BHK-Zellen reduziert werden.
Darüber hinaus ließ sich ein 1,4fach höherer ATP-Gehalt bei
vergleichbar gutem Wachstum nachweisen (Tab. 1).
Die Bestätigung, dass auch wirklich Glucose-Kohlenstoff in den
Citratzyklus gelangt, wurde mit Hilfe radioaktiv markierter
Glucose und markiertem Pyruvat über die Freisetzung von ra
dioaktivem 14CO2 geführt und eine höhere Glucoseoxidation unter
mauert.
Der zellspezifische Sauerstoffverbrauch, der ein Indiz für den
oxidativen Stoffwechsel ist, stieg bis um den Faktor 3 bei der
rekombinanten, PYC2 exprimierenden Zellinie im Vergleich zur
Ursprungszelle an. Durch die geringeren Substratverbrauchsmen
gen ergibt sich eine höhere Produktmenge pro verbrauchtem Sub
strat, so dass sich nun mit diesen rekombinanten Zellinien
Pharmaproteine über einen längeren Zeitraum mit dem vorhan
denen Kulturmedium herstellen lassen, welches letztendlich zur
Verminderung der Gesamtherstellungskosten beiträgt.
Hierzu wurden auf an sich bekannte Weise Plasmide hergestellt,
die das PYC2-Gen aus Hefe tragen und BHK-Zellen entprechend
damit transfiziert. Dem Fachmann ist klar, dass statt der BHK-
Zellen auch andere Zellen verwendet werden können. Der Erfolg
wurde über stoffwechselspezifische Daten verifiziert. Der Flux
von Glucose in den TCA ist leicht erhöht. Die Sauerstoffver
brauchsrate, ein Indiz für den oxidativen Phosphorylierungs
grad, ist ebenfalls erhöht.
Es zeigt sich außerdem, dass die metabolisch veränderten PYC-
tragenden rekombinanten Zellen einen geringeren Glucose- und
Glutaminverbrauch aufweisen. Gleichzeitig sinkt die Lactatpro
duktionsrate. Als Folge ist der Wachstumszyklus der PYC-Zellen
in Batchkultur gegenüber den unveränderten Zellen verlängert.
Das bedingt für eine Batchfermentation eine verbesserte Sub
stratnutzung und damit eine verlängerte Produktionsphase.
In kontinuierlichen Kulturen konnten die Erfinder zeigen, dass
aufgrund des reduzierten Substratverbrauchs der rekombinanten
Zellen die verbesserte Substratverwertung zu einer höheren
Zellkonzentration im Fließgleichgewicht des Chemostaten führt.
In Zukunft soll unter Verwendung von EPO als Modellprotein un
tersucht werden, ob die zellspezifische Produktivität bzw. die
Raum-Zeit-Ausbeute im Fermenter erhöht werden kann.
Die cDNA der Pyruvatcarboxylase (PYC2, Isoenzym 2) aus Saccha
romyces cerevisiae wurde von R. Stucka (Stucka et al., 1991)
bezogen. Um mögliche Wechselwirkungen des an den codierende
Bereich angrenzenden Hefevektor-Fragments zu vermeiden, wurde
die cDNA durch Endonuclease-Restriktion und Ligation nach im
Stand der Technik gut bekannten Verfahren mit kleinen PCR-
Fragmenten bis auf die essentiellen codierenden Sequenzen
zurechtgeschnitten (Fig. 3).
Die veränderte cDNA wurde unter die Transcriptions-Kontrolle
eines CMV-Promotors gestellt. Das resultierende pCMVPYC2-Plas
mid enthält darüberhinaus ein Ampicillin-Resistenz-Gen. Es ist
klar, dass auch andere Promotoren und Resistenz-Gene oder all
gemein Selektionsmarker verwendet werden können.
Fig. 3 zeigt die Befreiung des 5'- und 3'-Bereiches des
PYC2-Gens von flankierenden hefespezifischen Sequenzen.
Zunächst wurde mit PvuII ein 678-bp-Fragment vom 5-Ende
herausgeschnitten, mit PCR (Polymerasekettenreaktion) über
spezifische Primer die fehlenden 381 bp ligiert und eine
HindIII-Schnittstelle vor der codierenden Sequenz angebaut.
Für das 3'-Ende wurde entsprechend über die ClaI-Schnittstelle
durch Entfernung von 469 bp und Ligation mit einem 176 bp
langen Fragment verfahren. Das Fragment wurde mit einer
HindIII- und SmaI-Schnittstelle am 3'-Ende versehen.
Das Plasmid pCMVSHE-PYC2 wurde mit einem Neomycin-Resistenz-
Plasmid (pAG60) mit Hilfe der Calciumphosphat-Copräzipita
tions-Methode (Maitland and McDougall, 1977) in BHK-21A Zellen
nach einem veränderten Protokoll von Kriegler (Kriegler, 1990)
transfiziert (Fig. 4). Nach Entfernen der Präzipitate wurde
kein osmotischer Schock durch die Zugabe von Glycin angewandt.
Die letzteren Maßnahmen können aber durchgeführt werden, wenn
die praktischen Gegebenheiten es erfordern. Es sind auch an
dere, im Stand der Technik bekannte Transfektionsverfahren
anwendbar.
Fig. 4 ist eine schematische Zeichnung des Expressionsvektors
pCMVSHE-PYC2, basierend auf dem Standardexpressionsvektor
pCMVSHE. Es bedeuten: CMV: Cytomegalovirus immediate early
enhancer promotor; SVpA: late polydenylation signal, splice
sites, SV40 early late splice sites.
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Claims (9)
1. Verfahren zur Verbesserung des Primärenergiestoffwechsels
von Säugerzellinien, bei dem
- a) geeignete Säugerzellen mit einem oder mehreren Ex
pressionsvektoren, der/die
- a) ein Strukturgen für eine cytoplasmatische Hefe- Pyruvatcarboxylase,
- b) einen geeigneten Promotor zur Transkriptionskon trolle und
- c) einen oder mehrere Selektionsmarker enthält/ent halten,
- b) die Zellen unter zur Expression und Selektion geeig neten Bedingungen gezüchtet und
- c) überlebende Zellklone isoliert und/oder fermen tiert/kultiviert werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei es sich bei den Säuger
zellen um BHK-Zellen handelt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei es sich bei der
Hefe um Saccharomyces cerevisiae handelt.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei
es sich bei dem Promotor um den CMV-Promotor handelt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei
es sich bei dem Selektionsmarker um ein Ampicillin-Resis
tenz-Gen handelt.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei
es sich bei dem Selektionsmarker um ein Geneticin-Resis
tenz-Gen handelt.
7. Expressionsvektor zur Verwendung in einem Verfahren nach
einem der Ansprüche 1 bis 6, der ein Strukturgen für eine
cytoplasmatische Hefe-Pyruvatcarboxylase enthält.
8. Expressionsvektor nach Anspruch 7, wobei es sich bei der
Hefe um Saccharomyces cerevisiae handelt.
9. Rekombinante Säugerzellen mit verbessertem Primärenergie
stoffwechsel, erhältlich nach einem Verfahren nach einem
der Ansprüche 1 bis 6.
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