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Verfahren zur Herstellung von Fäden aus Vinylidencyanid-Mischpolymeren
Fäden aus Copolymeren des Vinylidencyanids mit Vinylacetat, deren physikalische
und textile Eigenschaften bekannt sind (Angewandte Chemie, 74, S. 23, 1962),
werden
durch ein Naßspinnverfahren hergestellt, wobei eine etwa 20 0/,ige Lösung des Polymeren
in Acetonitril in ein etwa 70'C warmes Spinnbad gepreßt wird, das aus einer
15- bis 25 0/,igen wäßrigen Acetonitrillösung besteht. Die koagulierten
Fäden werden in einem zweiten Acetonitrilbad verstreckt, wobei sie ihre Gebrauchseigenschaften
erhalten.
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Die nach diesem bekannten Verfahren erhaltenen Fäden sind nicht transparent.
Bei mikroskopischer Betrachtung ist die Ursache ihrer Opazität in einer Unzahl von
kleinen Hohlräumen von etwa ly Größe zu erkennen. Diese Flohlräume oder Lunker im
Faden wirken sich beim Färben nachteilig aus, da ein lunkerbehafteter Faden infolge
der durch die Lunker hervorgerufenen Lichtstreuung trotz gleicher Farbaufnahme erheblich
heller erscheint als ein transparenter Faden. Da außerdem die Verteilung der Lunker
in den Fäden nicht gleichmäßig ist, ist auch eine gleichmäßige Anfärbung der Fäden
im allgemeinen nicht möglich.
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Es ist bekannt, dieseNachteile dadurch zu vermeiden, daß man nach
dem Verstrecken der Fäden die Lunker dadurch entfernt, daß man die Fäden auf Temperaturen
über 120'C erhitzt, wobei die Hohlräume zusammenschrumpfen und die Fäden
transparent werden. Es hat sich jedoch gezeigt, daß die durch die Temperaturbehandlung
beim Entfernen der Lunker hervorgerufenen Veränderungen im Faden sich bei den weiteren
Bearbeitungsprozessen, z. B. beim Kräuseln und Fixieren der Fäden, nachteilig auswirken.
So wird beispielsweise dadurch eine mangelhafte Kräuselbeständigkeit und ein Festigkeitsabfall
des Fadens hervorgerufen.
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Überraschenderweise wurde nun gefunden, daß transparente, funkerfreie
Fäden aus Mischpolymeren des Vinylidencyanids mit mindestens einer Vinylverbindung
durch Auspressen einer die Mischpolymeren enthaltenden Spinnlösung in ein Fällbad
und anschließendes Verstrecken der Fäden erhalten werden können, wenn die Fäden
in einem Fällbad oder in einem anschließenden Quellbad, welche aus einer mehr als
250/,igen wäßrigen Acetonitrillösung bestehen, angequollen und in diesem Zustand
mindestens auf das Dreifache verstreckt werden, wobei die Verweilzeit der Fäden
in dem Bad vor der Verstreckung mindestens so groß ist, daß der Quotient aus dem
Titer eines Fadens und der Verweilzeit den Wert von 10 den/sec unterschreitet.
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Die Quellwirkung des Bades auf die Fäden besteht in einer Lockerung
ihres molekularen Gefüges und ist notwendig, damit die bei der Verdehnung in den
Fäden auftretenden Querkräfte die Lunker zusammendrücken können. Die Quellwirkung
hängt ab von der chemischen Natur des Fadenmaterials und des Bades sowie von Konzentration
und Temperatur des letzteren. Das Zusammenwirken dieser vier Einflußgrößen läßt
sich überraschenderweise durch eine einzige einfache Messung bestimmen, nämlich
durch die Messung der Schrumpfung eines bereits orientiert verstreckten Fadens aus
dem gleichen Material in dem Bad.
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Die für die Durchführung des Verfahrens nach der Erfindung notwendige
Quellwirkung ist dann erreicht, wenn ein mindestens um den Faktor 6 orientierend
verstreckter Faden des gleichen Materials in dem Quellbad spannungslos um mindestens
30 0/,) schrumpft. Daß dieser Prüffaden für das Bad mindestens um den Faktor
6 orientierend verstreckt ist, geht aus seiner Schrumpfung in trockener Luft
hervor, die bei Temperaturen dicht unter seinem Zersetzungspunkt mindestens den
Betrag von 6: 1 haben muß. Andererseits darf die Quellwirkung des Fadens
nicht zu groß werden, sonst tritt eine zu starke Lockerung des molekularen Gefüges
ein. Die Verstreckung des Fadens bewirkt dann nur, daß die Kettenmoleküle aneinander
vorbeifließen, ohne daß eine merkliche Orientierung eintritt. Dies ist verbunden
mit einer stark erniedrigten Verstreckungsspannung und somit auch der Querkräfte,
so daß lunkerfreie Fäden nicht mehr erhalten werden können.
Durch
die vorstehend beschriebene und festgelegte Quellwirkung des Bades erhalten die
Fäden einen Quellungszustand, der von ihrem Einzeltiter und ihrer Verweilzeit im
Quellbad vor der Verstreckung abhängt. Der für die Durchführung des Verfahrens nach
der Erfindung notwendige Quellungszustand ist dann erreicht, wenn der Quotient aus
dem Einzeltiter der Fäden vor der Verdehnung und ihrer Verweilzeit im Quellbad vor
der Verdehnung den Wert von 10 den/sec unterschreitet.
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Das erflndungsgemäße Verfahren läßt sich zur Herstellung von transparenten,
lunkerfreien Fäden aus Co- bzw. Terpolymeren des Vinylideneyanids mit mindestens
einer Vinyl- oder Acrylverbindung anwenden. Als Vinyl- bzw. Acrylkomponente kommen
vorzugsweise Vinylacetat, daneben Vinylehloracetat, Vinylpropionat, Vinylbenzoat,
Äthylen, Propylen, Butylen, Butadien, Styrol, oc-Methylstyrol, Chlormethylstyrol,
Acrylnitril, Methacrylnitril und Ester der Acryl- und Methacrylsäure in Frage. Besonders
vorteilhaft werden Polymere mit gleichen Anteilen an Monomerkomponenten in der Kette
verwendet. Zur Herstellung von Terpolymerisaten, auf die das erflndungsgemäße Verfahren
angewendet werden kann, kommen neben den obengenannten Verbindungen als dritte Monomerkomponente
Vinylsulfonsäure, Vinylphosphonsäure, Itaconsäureanhydrid, Styrolsulfonsäure in
Frage.
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Das Verfahren nach der Erfindung ist jedoch nicht auf Co- bzw. Terpolymerisate
des Vinylidencyanids mit mindestens einer Vinyl- bzw. Acrylverbindung beschränkt,
sondern läßt sich prinzipiell auf alle nicht oder nur wenig kristallisierenden hochpolymeren
Produkte, z. B. auf Polyacrylnitril, anwenden. Es ist vorteilhaft, als die Mischpolymeren
enthaltende Spinnlösung eine 10- bis 30 0/,ige Polymerlösung in Acetonitril
zu verwenden.
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Als Quellmittel für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens
kommen alle zur Herstellung von Spinnlösungen bzw. Fällbädern für die genannten
Polymeren geeigneten Lösungsmittel in Frage. Vorzugsweise geeignet ist Acetonitril;
außerdem eignen sich noch beispielsweise Dimethylformamid, Dimethylsulfoxyd und
Butyrolacton. Als inerte Phase dienen Wasser oder andere mit den Quellmitteln inischbare,
gegenüber dem Polymeren indifferente Flüssigkeiten.
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Die Durchführung des erflndungsgemäßen Verfahrens kann auf verschiedene
Weise erfolgen. So kann einmal der nach dem erflndungsgemäßen Verfahren notwendige
Quellzustand der Fäden dadurch erreicht werden, daß man eine Lösung des Polymeren
durch Düsenlöcher direkt in das Quellbad spritzt. Der Faden koaguliert in dem Bad
und wird nach einer den Bedingungen der Eifindung entsprechenden Verweilzeit von
einer rotierenden Walze aufgenommen oder um einen feststehenden Körper reibend geführt
und durch eine schneller laufende Walze abgezogen. Die Verstreckung erfolgt dabei
direkt im Quellbad, das gleichzeitig als Koagulationsbad dient.
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Zur Erreichung des notwendigen Quellungszustandes ist es dabei vorteilhaft,
die Temperatur des Quell- und Koagulationsbades bei der Verwendung von Polymeren
aus Vinylideneyanid und Vinylacetat nicht unter 55'C, am besten zwischen
55 und 80'C,
zu halten.
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Die Wirkungsweise des erfindungsgemäßen Verfahrens bei dieser Art
seiner Durchführung läßt sich wie folgt veranschaulichen: Werden hochgequollene
Fäden, z. B. aus Vinylidencyanid-Vinylacetat, d. h. frisch gesponnene, lösungsmittelhaltige
Fäden, in einem wäßrigen Acetonitrilbad, dessen Quellwirkung den Be-i dingungen
der Erfindung nicht genügt, koaguliert, so entstehen in den Fäden Lunker, weil in
diesem Acetonitrilbad ein gewisser Quellzustand sehr schnell unterschritten wird
und die Fäden sich im geringeren Quellzustand sehr schnell verfestigen. Die inneren
Spannungen, die beim weiteren Herausdiffundieren des Lösungsmittels im Bad auftreten
können, können dann nicht mehr durch Volumenkonzentration ausgeglichen werden. Der
restliche Anteil an Acetonitril und Wasser in den Fäden kann diese beim weiteren
Austrocknen nur verlassen, wenn er hohle Räume zurückläßt. Läßt man nun in einem
kritischen Quellzustand, nämlich dann, wenn erst eine geringe Verfestigung erreicht
ist, wie dies beim Verfahren der Erfindung der Fall ist, eine Längsspannung auf
die Fäden wirken, so wird das Entstehen der Lunker dadurch vermieden, daß die Längsspannung
einen radialen Druck auf die Fäden bewirkt. Hierdurch wird die beim Herausdiffundieren
des Lösungsmittels eintretende Volumenkontraktion begünstigt.
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In einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens
kann man bereits nicht transparent hergestellte, lunkerbehaftete Fäden in transparente
Fäden verwandeln. Dazu werden sie kontinuierlich in ein Quellbad eingeführt und
darin durch ein Liefer- und ein Abzugswerk verstreckt. Die Quellwirkung des Bades,
die Verweilzeit in dem Bad vor der Verstreckung und deren Betrag müssen dabei den
erfindungsgemäßen Bedingungen entsprechen.
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Die Wirkungsweise des erfindungsgemäßen Verfahrens bei dieser Durchführungsform
läßt sich wie folgt veranschaulichen: Der lunkerbehaftete Faden ,quillt in dem Quellbad
an, wobei durch die Quellwirkung des Bades bewirkt wird, daß die Molekülketten erhebliche
Beweglichkeit erreichen. Die dazu notwendige Verweilzeit hängt nach den Bedingungen
der Erfindung vom Titer ab. Wird der Faden dann mindestens um den Faktor
3 verdehnt und kontinuierlich aus dem Bad geführt, so hat die dabei auftretende
Querkontraktion die Lunker zusammengedrückt. Der Faden ist transparent.
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Die nach dem Verfahren der Erfindung erhaltenen transparenten Fäden
zeigen bei mikroskopischer Betrachtung keinerlei Lunker mehr. Aus Messung der Röntgenkleinwinkelstreuung
an solchen Fäden ist zu folgern, daß gleichzeitig mit den sichtbaren Hohlräumen
auch die kleineren Lunker verschwinden. Fäden, die nach dem Verfahren der Erfindung
erhalten wurden, haben Festigkeiten von 1,9 bis 3,4 g/den, je
nachdem,
wie hoch die Verstreckung des Fadens gewählt wurde. Die Reißdehnungen liegen zwischen
13
und 35 %.
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Die für die Durchführung des Verfahrens nach der Erfindung notwendige
Quellwirkung des Quellbades hängt von seiner Konzentration und seiner Temperatur
ab. Diese Abhängigkeit läßt sich für jede Kombination von Polymer- und Quellmittel
durch eine Kurve darstellen. Die Zeichnung stellt eine solche Kurve für die Kombination
des Polymeren aus Vinylidencyanid und Vinylacetat mit gleichen Anteilen Monomereinheiten
in der Kette mit Acetonitril als Quellmittel dar. Sie zeigt die Abhängigkeit der
Temperatur des Bades von seiner Konzentration, wobei als Konzentration der Gehalt
an Acetonitril in Wasser angegeben ist. Die von
dem Verfahren der
Erfindung geforderte Quellwirkung ist dann gegeben, wenn für jede Konzentration
des Quellbades die Temperatur den durch die Kurve festgelegten Wert erreicht oder
überschreitet.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird im folgenden an einzelnen Beispielen
näher erläutert. Beispiel 1
Eine 23gewichtsprozentige, 68'C warme Lösung des
Copolymeren Vinylidencyanid -Vinylacetat mit gleichen Anteilen Monomereinheiten
in der Kette in Acetonitril wird durch 90 Löcher von 0,06 min Durchniesser
in ein 74'C heißes Bad einer 36 0/,igen wäßrigen Acetonitrillösung gespritzt.
Nach einer Fällstrecke von 53 cm und einer Fällzeit von 4,4 Sekunden werden
die Fäden um drei angetriebene Walzen mit glatter Oberfläche geführt, die den auf
der Oberfläche haftenden Fäden eine Geschwindigkeit von 7,25 m/min erteilen.
Der Quotient aus Spinntiter und Verweilzeit beträgt 4,7 den/sec. Ein um den Faktor
6 orientierend verstreckter Faden schrumpft in dem Bad um 81 %.
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Die Fäden werden aus dem Bad gef ührt und mit einer Geschwindigkeit
von
50 m/min abgezogen. So gesponnene Fäden haben einen Einzeltiter von
3 den und sind vollkommen transparent. Selbst bei mikroskopischer Beobachtung
im Dunkelfeld sind keinerlei Streuflächen mehr zu erkennen. Bei einer Dehnung von
22
% beträgt die Festigkeit dieser Fäden
2,3 g/den. Beispiel 2 Aus
einer
23 0/,igen Lösung aus Vinylidencyanid-Vinylacetat mit gleichen Anteilen
Monomereinheiten in der Kette in Acetonitril wurden, wie im Beipiel
1
beschrieben,
verschiedene Monofil- und Multifilfäden gesponnen, indem Spritzgeschwindigkeit,
Fällstrecke und Abzugsgeschwindigkeit variiert wurden. Die wichtigsten Werte einiger
Fäden sind in der Tabelle wiedergegeben.
Einzeltiter |
der nicht Zeit bis Titer Lieferge- Abzugsge- Spezifische |
Versuch orientierten zur Ver- zeit schwindigkeit schwindigkeit
Reißfestigkeit Reiß- Bemerkungen |
Nr. Fäden (den) Streckung (den/sec) (m/Min) (m/Min)
(g/den) dehnung |
+ Düsenloch- (Sekunden) |
zahl |
1 19,5/60 3,0 6,5 8,1 56,5 2,70 17,8 |
2 10,5/60 2,2 4,7 9,3 78,0 2,80 15,5 |
3 21,0/60 5,7 3,7 10,0 62,5 2,25 20,0 |
4 13,0/90 2,8 4,7 5,0 40,0 2,10 24
() |
, transp. |
5 93,0/1 17,2 5,4 1,9 10,8 1,90 29:0 |
6 38,0/1 6,0 6,3 3,6 19,3 2,10 30,3 |
7 50,011 3,3 15,2 2,9 17,4 1,30 35,0 |
8 13,0/90 0,4 32,5 8,1 56,5 0,65 440 opak |
9 67,0/60 3,0 22,3 6,0 35,4 0,70 49:0 |
Die Spinnbadtemperatur betrug 74'C, die Konzentration an Acetonitril im Spinnbad
35 0/,. Ein um den Faktor
6 orientierend verstreckter Faden schrumpft
in diesem Bad um 810/0.
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Die Zahlen des Beispiels lehren, daß nur diejenigen Fäden transparent
erhalten wurden, bei denen der Quotient aus Titer von der Verdehnung durch Verweilzeit
kleiner als 10 den/sec war. Beispiel 3
Ein opaker Faden aus Vinylidencyanid-Vinylacetat
mit gleichen Anteilen Monomereinheiten in der Kette mit 150 Einzelfäden vom
Titer 13,5, der zu einem Drittel seines Volumens aus Hohlräumen bestand,
wurde durch ein 70'C heißes Bad einer 350/,)igen Acetonitrillösung so geführt,
daß die Verweilzeit im Bad etwa 10 Sekunden betrug.
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Der Faden wurde dann zwischen zwei verschieden schnell laufenden Walzen,
um die er geschlungen war, verdehnt. Das Verhältnis der Oberflächengeschwindigkeiten
der beiden Walzen betrug 1: 6. Nach Verlassen der zweiten Walze war der Faden
transparent und wies keine Hohlräume mehr auf.
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Ein um den Faktor 6 orientierend verstreckter Faden schrumpft
in dem Bad um 80 %. Der Quotient aus Titer und Verweilzeit betrug
1,35 den/sec.
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Beispiel 4 Aus einer 23 0/,igen Lösung von Vinylidencyanid-Vinylacetat
mit gleichen Anteilen Monomereinheiten in der Kette in Acetonitril wird ein Monofilfaden
in ein 70'C heißes Bad einer 250/.igen Acetonitrillösung gespritzt. Nach
einer Fällstrecke von 55 cm wird dem Faden in dem Bad durch ein Walzentrio
eine Geschwindigkeit von 4,6 m/min erteilt. Der Faden wird dann aus dem Bad mit
einer Geschwindigkeit von 25,8 in/min abgezogen. Der Quotient aus dem Titer
vor der Verstreckung und der Verweilzeit betrug 3,8 den/sec. Ein um den Faktor
6 orientierend verstreckter Faden schrumpft in dem Bad spannungslos um 300/,.
Der gesponnene Faden war transparent.
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Unter Konstanthaltung aller übrigen Bedingungen wurde die Konzentration
des Bades auf 15 "/, Acetonitril verringert. Der Prüffaden schrumpft dann
nur um 16 0/,. Die in das Bad gesponnenen und darin verdehnten Fäden sind
opak.