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Verfahren zur Wärmebehandlung von bainitischen Stählen Bainitische
Stähle, deren Gefüge, wie der Name sagt, teilweise aus Bainit = Zwischenstufe besteht,
haben im allgemeinen höhere Streckgrenzen als niedriglegierte ferritisch-perlitische
Werkstoffe. Dieses gilt insbesondere für höhere Prüf- und Betriebstemperaturen,
wie sie z. B. im Falle des Kessel- und Reaktorbetriebs vorliegen. Mit steigender
Streckgrenze werden einem allgemeinen Naturgesetz zufolge die Zähigkeitseigenschaften
meistens schlechter. Die bainitischen Stähle weisen infolgedessen bei tieferer Prüftemperatur
meistens nicht so gute Kerbschlagzähigkeitswerte auf wie neuzeitliche ferritisch-perlitische
Werkstoffe für die Schweißtechnik.
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In früheren Jahren wurde der Zähigkeit der warmfesten schweißbaren
Stähle nur bei der Prüftemperatur von -1-20°C Beachtung geschenkt. Es war durch
eine Zähigkeitsvorschriftfür diese Temperatur sichergestellt, daß während der Fertigung
von Druckbehältern aus diesen Werkstoffen keine Sprödbrüche entstehen konnten, und
man ging automatisch sicher, daß bei der höheren Betriebstemperatur der Stahl eine
hinreichende Plastizität aufwies. In Fällen, bei denen das Sprödbruchrisiko besonders
groß ist, z. B. bei Atomreaktordruckgefäßen, sind jedoch auch die Zähigkeitswerte
bei tieferen Temperaturen von Bedeutung, da die Tieftemperaturzähigkeit ein Maß
für die Sprödbruchempfindlichkeit des Werkstoffes ist. Das hat die Metallurgen veranlaßt,
Wege zu suchen, auf denen warmfesten bainitischen Stählen die Eigenschaften kaltzäher
Werkstoffe gegeben werden können.
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Es ist bekannt, daß durch eine Legierung mit höheren Anteilen an Nickel
die sogenannte Übergangstemperatur der Kerbschlagzähigkeit zu tieferen Werten verschoben
wird. Dieser Weg ist aber mit zwei Nachteilen verbunden: Die Kosten steigen, besonders
wenn es sich um den Zusatz von einigen Prozenten Nickel handelt, und die Herstellungs-und
Verarbeitungsschwierigkeiten werden größer.
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Es ist außerdem bekannt, daß Werkstoffe, die ganz oder weitgehend
über die Martensitstufe vergütet werden, häufig ebenfalls eine gute Kaltzähigkeit
aufweisen. Die Vergütung über die Martensitstufe setzt ebenfalls bei größeren Wanddicken
hohe, die Schweißeignung in Frage stellende Legierungsgehalte voraus, und es gibt
außerdem eine Grenze in der Abmessung, die man vergütungstechnisch nicht mehr beherrschen
kann. Im Falle von sehr großen und dickwandigen Druckgefäßen ist dieser Weg kaum
gangbar.
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Nach dem bisher üblichen Wärmebehandlungsverfahren werden bainitische
Stähle, d. h. Stähle, deren Gefüge teilweise aus Zwischenstufe besteht, bei einer
Temperatur, die 30°C über dem Umwandlungspunkt Ac, liegt, vollständig austenitisiert,
wobei man die Zeit im allgemeinen so bemißt, daß je Millimeter Blech- oder Werkstückdicke
die Haltedauer 1 Minute beträgt. Von dieser sogenannten Normalisierungstemperatur
kühlen die Werkstücke im allgemeinen an Luft ab. Dabei tritt der Austenitzerfall
ein, wodurch neben Ferrit und Perlit auch Zwischenstufe und eventuell noch etwas
Martensit gebildet werden kann.
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Die Zwischenstufe hat, besonders wenn es sich um die sogenannte untere
Zwischenstufe handelt, eine relativ hohe Härte und geringe Verformbarkeit. Stähle,
die teilweise aus Zwischenstufe bestehen, müssen deshalb nachträglich angelassen
werden, damit der instabile Gefügezustand durch Kohlenstoffdiffusion in einen stabilen,
leichter verformbaren Zustand übergeht. Die Anlaßglühung erfordert bei Temperaturen
über 500°C - im allgemeinen 600 bis 680°C - normalerweise Haltezeiten von 2 Minuten
je Millimeter Werkstückdicke.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein Verfahren zur Wärmebehandlung
von bainitischen Stählen anzugeben, bei dem eine verminderte Sprödbruchempfindlichkeit
bei hoher Warmstreckgrenze erzielt wird.
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Gemäß der Erfindung werden bainitische Stähle der Zusammensetzung
bis 0,20 °/o, vorzugsweise 0,12 bis 0,16 °/o Kohlenstoff, 1,0 bis 1,8 °/o Mangan,
0,4 bis 0,7 °/o Molybdän, Rest Eisen mit den üblichen Gehalten an Begleitelementen
und Verunreinigungen, wie Phosphor und Schwefel, einer Glühbehandlung unterworfen,
die eine Norrnalisierungsglühung oberhalb des Ac3-Punktes und
ein
Anlassen zwischen 500°C und dem Ac,-Punkt umfaßt und dadurch gekennzeichnet ist,
daß nach dem Normalisieren der Stahl bis zu einer Temperatur unterhalb 500°C, im
Extremfall bis auf Raumtemperatur, abgekühlt, anschließend bei einer Temperatur
zwischen den Umwandlüngspünkten Ac,, und Ac3 geglüht und danach abgekühlt wird,
worauf das Anlassen erfolgt.
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Bei Stählen, deren Molybdängehalt an der unteren Grenze des angebenen
Bereiches liegt, soll der Mangangehalt nicht in der Nähe der unteren Grenze des
hierfür angegebenen Bereiches liegen und umgekehrt.
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Außer den genannten Legierungselementen können die Stähle noch Gehalte
von bis 0,5 °/o Silizium, bis 1,0 °/o Kupfer, bis 2,00/, Nickel, bis 0,8 °/a Chrom,
bis 0,10/0 Aluminium, bis 0,2 °/o Vanadin, bis 0,05 °/o Niob, einzeln oder zu mehreren,
enthalten.
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Das Anlassen erfolgt vorzugsweise bei einer Temperatur zwischen 500
und 580°C.
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Stähle der genannten Zusammensetzung, die nach dem angegebenen Verfahren
wärmebehandelt sind, zeichnen sich durch eine hervorragende Schweißbarkeit aus.
Die Schweißnähte brauchen nach dem Schweißen keiner Wärmebehandlung mehr unterworfen
zu werden, falls nicht aus, anderen Gründen, beispielsweise ein Spannungsfreiglühen,
vorgeschrieben ist.
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Die Wärmebehandlung, der die erfindungsgemäß zu verwendenden Stähle
unterworfen werden, unte> scheidet sich von der bisher für bainitische Stähle üblichen
Wärmebehandlung durch eine zusätzliche Glühung, die in dem Luftvergütungsprozeß,
der in jedem Falle zu erfolgen hat und sonst nur aus Normalisieren und Anlassen
besteht, als Zwischenschritt eingeschoben ist. Diese zusätzliche Glühung wird vorgenommen,
nachdem das Werkstück von der Normalisierungstemperatur bis zu Temperaturen unter
500°C, im Extremfalle bis auf Raumtemperatur, abgekühlt worden ist. Die Glühtemperatur
dafür liegt zwischen den Umwandlungspunkten Ac, und Ac3, meistens bei 750°C. In
diesem Temperatur-Bereich ist das Stahlgefüge nur teilweise austenitisch. Die Dauer
der Glühung muß ausreichend bemessen sein, so daß für Platzwechselvorgänge im Gitter
genügend Zeit zur Verfügung steht. Eine Haltezeit von 2 Stunden hat sich als günstig
erwiesen. Nach der Glühung findet die Abkühlung an Luft statt. Es wird in der Regel
bis auf Raumtemperatur abgekühlt.
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Überraschenderweise hat der Stahl nach der Glühung zwischen Acl und
Ac" bei einer Prüftemperatur von 350°C eine Warmstreckgrenze (z. B. ß 0,2 kp/mm2),
die gleich oder größer ist als die bei Raumtemperatur gemessene Kaltstreckgrenze.
Jedoch ist der Stahl wegen der Bildung von Zwischenstufe und eventuell auch etwas
Martensit zu wenig verformbar. Erfolgt aber nach dieser Glühung ein nochmaliges
Anlassen bei einer Temperatur oberhalb 500°C, bevorzugt im Bereich von 500 bis 580°C,
dann steigt bei einer niedrigen Prüftemperatur die Kerbschlagzähigkeit um 100 °/o
oder mehr an. Gleichzeitig wird die Übergangstemperatur der I<-erbschlagzähigkeit
beträchtlich abgesenkt; eine Absenkung der Übergangstemperatur bedeutet eine Verminderung
der Sprödbruchempfindlichkeit.
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Beispiele Bei einem Stahl mit 0,2 °/ä Kohlenstoff, 1,4 °/o Mangan,
0,5 °/o Molybdän, Rest Eisen mit den üblichen Verunreinigungen, ergibt sich nach
dem bisher üblichen, eingangs beschriebenen Wärmebehandlungsverfahren in Längsrichtung
eine Kerbschlagzähigkeit - ermittelt mit der Charpy-V-Kerb-Probe - von 5,2 mkp/cm2
bei -10°C.
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Der gleiche Stahl hatte nach der erfindungsgemäßen Wärmebehandlung
in Längsrichtung eine Kerbschlagzähigkeit von 5 mkp/cml bei -110°C. Ein Stahl mit
0,160/, Kohlenstoff, 1,55 °/o Mangan, 0,440/, Molybdän, 0,7 °/o Nickel, 0,12 °/o
Vanadin, Rest Eisen mit den üblichen Begleitelementen, hatte nach dem bisher üblichen
Verfahren in Querrichtung eine Kerbschlagzähigkeit von 4 mkp/cm2 bei -20°C.
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Der gleiche Stahl erreichte nach dem erfindungsgemäßen Wärmebehandeln
einen Wert von 4 kmp/cma bei -110°C. Ein Stahl mit 0,1 4 °/o Kohlenstoff,
0,22 °/o Silizium, 1,240/, Mangan, 0,048 °/o Aluminium, 0,73 °/o Kupfer, 0,02°/o
Chrom, 1,340/, Nickel, 0,49 °/o Molybdän, 0,031 °/a Niob, Rest Eisen mit
den üblichen Verunreinigungen, hatte nach der bisher üblichen Wärmebehandlung bei
-3.5°C eine Kerbschlagzähigkeit von 5 mkp/cm2, Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
behandelt erreichte der gleiche Stahl die Kerbschlagzähigkeit von 5 mkp/cm2 bei
-125°C.