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Verfahren zur Herstellung von therapeutisch verwendbaren Darmbakterienmischungen
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Herstellung von lebensfähigen, therapeutisch
verwendbaren Darmbakterienmischungen durch Züchtung von apathogenen Stämmen von
Escherichia coli und Lactobacillus acidophilus in Milchmedien mit einem Zusatz von
tierischer Darmschleimhaut und Lyophilisation der erhaltenen Kulturen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren besteht darin, daß man gegenüber Antibiotika
resistente Stämme der genannten Mikroorganismen getrennt in einem Milchmedium züchtet,
das gleichzeitig 0,5 bis 150/o Schleimhaut (als trockenen Extrakt) sowie etwa je
0,5 0/o Lysin, Arginin und Histidin enthält, darauf die Kulturen lyophilisiert und
die Lyophilisate miteinander mischt oder daß man die Kulturen vor der Lyophilisierung
miteinander mischt, das Gemisch auf Raumtemperatur hält, bis kein Histamin mehr
nachweisbar ist, und es dann lyophilisiert.
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Die Züchtung von gegenüber Antibiotika resistenten Lactobacillus-acidophilus-Stämmen
durch Tierpassagen ist aus der deutschen Patentschrift 1 104 119 bekannt.
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Man hat bereits symbiotische Mikroorganismen in Nährlösungen gezüchtet,
denen ihrem natürlichen Medium entsprechende und aus Milch und/oder lebenden Geweben,
z. B. Darmschleimhaut, gewonnene Substrate zugesetzt wurden, wobei jedoch nur die
Stoffwechselprodukte, nicht aber die Mikroorganismen in lebensfähiger Form gewonnen
wurden (vgl. deutsche Patentschrift 1079 279).
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Man hat auch schon Mikroorganismen der Darmflora lyophilisiert und
die Lyophilisate in therapeutische Verabreichungsformen übergeführt (s. deutsche
Auslegeschrift 1 100 881). Bei diesem Verfahren werden jedoch Stämme verwendet,
die gegenüber Antibiotika nicht resistent sind und sich daher unter den durch eine
Antibiotikabehandlung gestörten Bedingungen im Darmtrakt nicht anzusiedeln und zu
vermehren mögen. Die bekannten Lyophilisate erfüllen damit nicht die an sie gestellte
Forderung der Wiederherstellung der geschädigten Darmflora nach einer Antibiotikatherapie.
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Für das erfindungsgemäße Verfahren verwendet man vorzugsweise handelsübliche
entrahmte, sterilisierte Milch.
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Die Schleimhaut wird vorzugsweise in Form einer Lösung (Trockengehalt
1 bis 2,50/0) zugegeben, die dadurch erhalten wird, daß man ein Gemisch aus roter
Schleimhaut und Schleimhaut aus der Pförtnerhöhle des Schweins mit einer wäßrigen
Ätznatronlösung extrahiert.
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Der Lactobacillus acidophilus wird vorzugsweise
aus dem Stuhl gesunder
Kinder isoliert und darauf in Gegenwart von Antibiotika kultiviert, um ihm die erforderliche
Resistenz zu verleihen. Hierfür eignen sich insbesondere die nachfolgend angegebenen
Antibiotika:
Menge je |
Antibiotika Kubikzentimeter |
Kultur |
Penicillin .. ........ . 200 Einheiten |
Streptomycin . . 5000 Einheiten |
Tetracyclin . 1000 Einheiten |
Chloramphenicol ........ 200 Einheiten |
Erythromycin ..... ..... 2000 Einheiten |
Spiramycin .................. 2000 Einheiten |
Oleandomycin . ..... 2000 Einheiten |
Novobiocin ..... ..... 2000 Einheiten |
Colymicin ..... 2000 Einheiten |
Als Nährmedium wird Milch verwendet, der man vorteilhaft Vitamin Bla zugibt. Das
Milchmedium kann folgende Zusammensetzung haben: Handelsübliche entrahmte, sterilisierte
Milch .............. 950 ccm 10/0ige wäßrige Schleimhautlösung .. 50 ccm Lysin ...
...... ...... . 0,5 g Arginin .. ..... 0,5 g Histidin .................. 0,5 g Kristallines
Vitamin B,2 ..... ..... 5 µg
Nach Erreichung der Antibiotikaresistenz
wird das in einem Zeitabstand von 24 Stunden zweimal bei 100"C steriliserte Milchmedium
in Abwesenheit von Antibiotika mit dem Lactobacillus geimpft und bei 41"C bebrütet,
bis eine homogene geronnene Masse entstanden ist. Hierfür sind etwa 24 Stunden erforderlich.
Gegebenenfalls kann man längere Zeit be brüten. Die gebildete Menge Milchsäure liegt
dann bei 0,8 bis 101, und die Anzahl der lebensfähigen Lactobacilli bei etwa 1Oll
bis 1014/ccm.
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Die geronnene Masse wird darauf lyophilisiert.
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Gegebenenfalls kann man zuvor mit einer sterilisierten wäßrigen Trinatriumphosphatlösung
auf einen pH-Wert von etwa 6,5 neutralisieren. Im allgemeinen sind hierfür 3 bis
4,5 g Trinatriumphosphat je Liter Kulturmedium erforderlich.
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Auch die Escherichia-coli-Stämme werden vorzugsweise aus dem Stuhl
gesunder Kinder isoliert. Bevorzugt werden Stämme verwendet, die Lactosemedien in
weniger als 24 Stunden säuern, Indol bilden, nicht auf dem Citrat-Medium nach 5
i m m o n s kultiviert werden können, keine hämolytische Wirkung besitzen und bereits
gegenüber den herkömmlichen Antibiotika resistent sind.
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Die Abwesenheit von Antigenen wird durch Agglutinationsverfahren
und passive Hämaglutination festgestellt.
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Das Fehlen pathogener Eigenschaften ermittelt man 1. durch orale
Applikation an Mäuse, 500 Bakterien in einer Dosis, an Meerschweinchen, 3 Milliarden
Bakterien in einer Dosis, an Schweine mit mehreren Litern einer Kultur, die 1014
Keime je Kubikzentimeter enthält, 3 Tage hintereinander; die Applikation führte
nicht zu nachteiligen Veränderungen im Darmtrakt, vielmehr wurden Aussehen und Geruch
des Stuhls, insbesondere beim Schwein, verbessert, 2. durch subkutane Injektion
bei Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen in einer Dosis von 50 Millionen Bakterien,
3. durch intraperitoneale Injektion bei Mäusen in einer Dosis von 20 Millionen Bakterien
und bei Meerschweinchen in einer Dosis von 50 Millionen Bakterien, 4. durch intravenöse
Injektion bei Kaninchen in einer Dosis von einer Milliarde Bakterien.
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Vorzugsweise verwendet man zwei verschiedene Stämme Escherichia coli,
die in Gegenwart von Antibiotika auf dem Standardmedium des Pasteur-Instituts kultiviert
werden, um ihnen Resistenz gegenüber Antibiotika zu verleihen.
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Nachdem die gewünschte Resistenz erreicht ist, wird jede Kultur gesondert
auf Gemischen aus peptonisiertem Wasser und Milch, die zunehmend mehr Milch enthalten,
gezüchtet. Die Milch enthält wie das Milchmedium für die Züchtung des Lactobacillus
acidophilus Schleimhaut, Lysin, Arginin und Histidin.
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Der Gehalt der Nährmedien an peptonisiertem Wasser kann etwa 50 01,,
darauf 350/o, dann 20 Oto und schließlich 10 Volumprozent betragen.
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Das peptonisierte Wasser enthält je Liter vorzugsweise 15 g Pepton,
5 g Natriumchlorid und 1 g
Lactose. Sein pH-Wert wird mit Natriumhydroxyd auf 7,6
eingestellt.
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Das endgültige Nährmedium hat folgende Zusammensetzung: Schleimhaut
und Aminosäuren enthaltende Milch . . ...... 950 ccm Peptonisiertes Wasser . . 100
ccm Die Zusammensetzung der Milch ist: Handelsübliche entrahmte, sterilisierte Milch
. . 950 ccm 1°/Oige wäßrige Schleimhautlösung.. 50 ccm Lysin . .... 0,5 g Arginin
.. 0,5 g Histidin.. . 0,5 g Das Medium für jede Kultur wird in einem Zeitabstand
von 24 Stunden zweimal bei 100"C sterilisiert, dann geimpft und anschließend 1 bis
2 Tage bei 37"C bebrütet. Der Milchsäuregehalt der erhaltenen geronnenen Masse liegt
dann bei 0,6 bis 0,8 0/o und die Anzahl der lebensfähigen Bakterien bei 10all bis
10l4/ccm Das Kulturmedium wird wiederum homogenisiert und dann lyophilisiert. Vor
der Homogenisierung kann die gebildete Milchsäure mit einer sterilisierten wäßrigen
Trinatriumphosphatlösung auf den pH-Wert etwa 6,5 neutralisiert werden. Gewöhnlich
sind etwa 3 g Phosphat je Liter Medium erforderlich.
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Anschließend wird im allgemeinen 1 Gewichtsteil der lyophilisierten
Lactobacillus-Kultur mit 1 Gewichtsteil eines Gemisches aus gleichen Teilen der
lyophilisierten Escherichia-Kulturen gemischt.
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An Stelle einer getrennten Lyophilisierung der Lactobacillus-acidophilus-Kultur
und der Escherichiacoli-Kulturen kann man die Kulturen zuerst mischen und das Gemisch
nach einer gewissen Zeit bei Raumtemperatur lyophilisieren.
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Escherichia-coli-Stämme sind bekanntlich proteolitische, Histamin
erzeugende Mikroorganismen. Die gebildete Menge Histamin hängt vom verwendeten Stamm
ab. Bestimmte Stämme wirken so schwach proteolytisch, daß nur 10 bis 30y Histamin
in 1 g lyophilisierten Produktes enthalten sind.
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Der Lactobacillus acidophilus galt bisher als nicht proteolytisch.
Überraschenderweise wurde jedoch jetzt in handelsüblichen therapeutischen Präparaten
auf der Basis von Lactobacillus acidophilus Histamin festgestellt. Bei der Züchtung
auf bestimmte Medien wurden bis 3000y je Gramm Lycophilisat ermittelt.
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Die Biosynthese des Histamins scheint dabei durch Acetat und Glucose
als Bestandteile des Kulturmediums begünstigt zu werden.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren nach Ablauf einer bestimmten Zeit
bei Raumtemperatur des Kulturengemisch aus Lactobacillus acidophilus und Escherichia
coli frei von Histamin. Das gebildete Histamin wurde wahrscheinlich in Histidin
umgewandelt.
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Erfindungsgemäß werden daher die Kulturen von Lactobacillus acidophilus
und Escherichia coli vorzugsweise vor dem Lyophilisieren gemischt und auf Raumtemperatur
gehalten, bis die Gegenwart von Histamin nicht mehr feststellbar ist, d. h. praktisch
12 bis 24 Stunden lang.
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Die pharmakologischen Eigenschaften des ertindungsgemäßen Darmbakterienpräparates
beruhen einerseits auf der Verwendung des Milchmediums für
die Züchtung
der Bakterien, andererseits auf dem Zusammenwirken der Lactobacillus-acidophilus-
und der Escherichia-coli-Stämme.
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Man hat bereits früher festgestellt, daß der Erfolg der intestinalen
Ansiedlung oder Wiederansiedlung von Lactobacillus- und Escherichia-coli-Stämmen
nach einer Antibiotikatherapie von zahlreichen Faktoren bestimmt wird und in erster
Linie davon abhängt, ob sich die verabreichten lebenden Bakterien überhaupt ansiedeln
und vermehren können.
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Man hat zwar bereits antibiotikaresistente Lactobacillus-Stämme erzeugt,
die in Gegenwart von Mikroorganismen, wie Proteus pseudomonas (pyocyanus) und Staphylococcus
aureus, jedoch nicht lebensfähig waren und gegenüber Escherichia coli nur schwache
Resistenz zeigten.
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Während bei Verabreichung nicht modifizierter, nicht pathogener Escherichia-coli-Stämme
diese sich nur schlecht oder gar nicht an die Lactobacillus-Stämme anpassen, ist
es bei Verabreichung der erfindungsgemäß hergestellten Bakterienmischung möglich,
ohne gefährliche Anpassungsperiode »in vivo« die gleichzeitige Ansiedlung und Vermehrung
von Lactobacillus-acidophilus- und nicht pathogenen Escherichia-coli-Stämmen in
einer gesunden enteralen Symbiose unter allmählicher Beseitigung der unerwünschten
Darmflora zu erreichen.
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Die dem Milchmedium zugesetzten Substanzen haben die folgenden günstigen
Wirkungen: a) Sie stimulieren die Sekretion der Verdauungssäfte und normalisieren
den Verdauungsvorgang.
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Die Fähigkeit der Schleimhaut, Histamin zu binden, verhindert dessen
nachteilige Wirkungen. b) Starke Schwankungen im Säuren-Basen-Gleichgewicht werden
durch die Gegenwart der basischen Aminosäuren verhindert, wobei zu berücksichtigen
ist, daß H+-Ionen das Wachstum der Lactobacillus-Stämme hemmen. c) Die verabreichten
Mikroorganismen werden durch die Schleimhaut (sie enthält bestimmte Vitamine, insbesondere
das Vitamin Bl2, das gegen Zerstörung durch die Einwirkung der Verdauungssäfte schützt)
und die auf dem Milchmedium erworbene Resistenz vor einem Angriff durch die Verdauungssäfte
geschützt. d) Die Schleimhaut, deren Unversehrtheit bei der immunobiologischen Symbiose
mit Escherichia coli wesentlich ist, wird geschützt.
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Schließlich sind in dem die Schleimhaut und die basischen Aminsäuren
enthaltenden Milchmedium Wachstumsfaktoren enthalten, die für die Lactobacillus-acidophilus-
und Escherichia-coli-Stämme notwendig sind, insbesondere der als »tierischer Proteinfaktor«
bezeichnete Faktor Bifidus, das Strepogenin und das Lysin.
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Die hauptsächlichen therapeutischen Indikationen für das Verfahrensprodukt
sind gastrointestinale Störungen allgemeiner Art, insbesondere Gastroenteritis und
Colitis bei Kindern und Erwachsenen.
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Zu diesen Störungen gehören Verstopfungen und Diarrhöen, primäre Dyspepsie,
sekundäre Dyspepsie bei Intoxikationen und toxischen Infektionen durch Lebensmittel,
primäre Dysbakterie, sekundäre Dys-
bakterie bei der Behandlung mit Antibiotika und
Sulfamiden, bei Gastrectomien, bei chirurgischen Eingriffen, bei der Radiotherapie,
Curietherapie sowie bei parasitären Infektionen.
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Andere Indikationen sind die Behandlung von Dermatosen intestinalen
Ursprungs, von Herpes und Pilzvergiftungen.
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Das Verfahrensprodukt kann in einer verdaubaren Umhüllung, insbesondere
in Gelatinekapseln verabreicht werden. Nachfolgend ist eine typische Zusammensetzung
für eine Gelatinekapsel angegeben (die therapeutische Menge kann in einer Schachtel
mit 16 bis 20 Gelatinekapseln enthalten sein): Lyophilisierte Kultur des Lactobacillus
acidophilus ......... 50 bis 100 mg Gemisch der lyophilisierten Kulturen der beiden
Escherichia-coli-Stämme ........ 50 bis 100 mg Bei Verabreichung an Kinder kann
man gegebenenfalls noch den Faktor Bifidus 11 nach R a y n a u d (die Schleimhaut
liefert ihrerseits den Faktor Bifidus I) und Strepogenin, insbesondere als enzymatisches
Fischleberautolysat, oder Casein zusetzen.
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Die Verabreichung des erfindungsgemäß erhältlichen Produktes an Kinder
führt bei schwerer Diarrhöe innerhalb weniger Tage zu einer Beseitigung der Störungen.
Die bakteriologische Untersuchung des Stuhls zeigte das völlige Verschwinden der
für diese Störungen verantwortlichen pathogenen Organismen an (pathogene Staphylococcen,
pathogene Escherichia coli, Shigella flexneri usw.).
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Bei der Verabfolgung an Kinder kann das Medikament etwa 2 Gewichtsteile
der Lactobacillus-acidophilus-Kultur und 1 Gewichtsteil der gemischten Escherichia-coli-Kultur
enthalten.
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Durch die Verabreichung an Ferkel wird die Sterblichkeitsquote, die
bei der Aufzucht noch immer verhältnismäßig hoch ist, beträchtlich herabgesetzt.