-
Verfahren zum Lösen oder Quellen von linearen Polyestern Es ist bekannt,
Polyalkylenterephthalate, insbesondere Polyäthylenterephthalat, in Trifluoressigsäure
zu lösen.
-
Auch Mischungen aus Trifluoressigsäure und Hilfslösemitteln wie Methylenchlorid
sind zur Herstellung solcher Lösungen schon vorgeschlagen worden. Bis jetzt ist
aber Trifluoressigsäure das einzige unterhalb 1400 C siedende organische Lösungsmittel
für Polyester der Terephthalsäure. Für die technische Verwendung ist die Säure jedoch
nicht leicht genug zugänglich. Außerdem ist beim Austrocknen der Lösungen die Bildung
eines höhersiedenden Azeotrops mit Wasser wegen der unvermeidlichen Wasseranreicherung
ein Nachteil. Diese Schwierigkeit kann auch bei ursprünglich wasserfreien Lösungen
auftreten, weil bei der Verdunstung aus der Atmosphäre Wasser aufgenommen werden
kann.
-
Es wurde nun gefunden, daß entgegen der Erwartung die bei 121° C
siedende Difluorchloressigsäure lineare Polyester mit aromatischen Kernen in der
Kette, vor allem Polyterephthalsäure-alkylenglykolester, wie Polyäthylenterephthalat,
ebenso gut löst wie Trifinoressigsäure, dabei aber den Vorteil besitzt, mit Wasser
kein höhersiedendes azeotropes Gemisch zu bilden wie letztere, was für die gleichmäßige
Verdunstung des Lösemittels unter Vermeidung einer Wasseranreicherung ein Vorzug
ist, namentlich wenn die Verdunstung in der Wärme erfolgt. Das günstige Lösevermögen
war keineswegs vorauszusehen, denn schon ganz geringfügige Änderungen im Molekül
können bei Halogenverbindungen erfahrungsgemäß die Lösewirkung für Hochpolymere
ganz wesentlich beeinträchtigen. Die Difluorchloressigsäure kann für sich allein
wie auch insbesondere in Verbindung mit anderen Lösemitteln oder Hilfslösemitteln
verwendet werden. Hervorragend geeignet sind z. B. Mischungen von Trifluoressigsäure
und Difluorchloressigsäure. Diese zeichnen sich nicht nur durch besonders gute Lösefähigkeit
aus, sondern erlauben auch durch passende Wahl des Mengenverhältnisses die Verdunstungsgeschwindigkeit
beim Trocknungsprozeß nach Belieben zu regeln. Als zusätzliche Lösemittel eignen
sich auch hier halogenierte, niedrigmolekulare, aliphatische Kohlenwasserstoffe,
von den niedrigsiedenden insbesondere Methylenchlorid und von den höhersiedenden
vor allem Tetrachloräthan; weniger wirksam sind Chloroform und Äthylenchlorid.
-
Für die Verarbeitung der Lösungen unter Verdunstung des Lösemittels
(Trockenspinnen, Filmgießen) eignen sich besonders Mischungen aus Difluorchloressigsäure
bzw.
-
Trifluoressigsäure und Difluorchloressigsäure einerseits mit Methylenchlorid
andererseits. Für Lösungen, bei denen ein langsamer Trocknungsverlauf erwünscht
ist, z. B. bei der Herstellung von lackartigen Überzügen, ist ein Zusatz von Tetrachloräthan
wirkungsvoll.
-
In manchen Fällen, z. B. bei Mischungen mehrerer Polyester mit wenigstens
einer schwerlöslichen Komponente, ist es ein Vorzug, daß man bei Difluorchloressigsäure
eine um 30 bis 40° C höherliegende Lösetemperatur anwenden kann als bei der Trifluoressigsäure,
ohne daß Druckgefäße benötigt würden.
-
Die Zahl der für das Verfahren geeigneten linearen Polyester ist
beträchtlich und umfaßt nicht nur Polykondensationsprodukte von Dicarbonsäure mit
aliphatischen Glykolen oder polymere Ester von Oxycarbonsäuren mit aromatischen
Kernen, sondern auch Polyester aus zweiwertigen Phenolen und Dicarbonsäuren. Im
einzelnen seien erwähnt die Polyester der Terephthalsäure mit Äthylenglykol, n-Propylenglykol,
n-Butylenglykol und Hexamethylenglykol, die Polyester der 2,6-Naphthalindicarbonsäure
mit n-Propylenglykol und Hexamethylenglykol, in Methylenchlorid nicht oder ungenügend
lösliche Polymischester aus Terephthalsäure, Isophthalsäure und Äthylenglykol, ferner
Polymischester aus Terephthalsäure, Pimelinsäure und Sebacinsäure und Äthylenglykol,
aus Terephthalsäure, Äthylenglykol und 2,2-Dimethylpropandiol, der polymere Ester
der 4-Oxyäthoxy-benzoesäure, der Polyester aus Isophthalsäure und Dimethyl-di-p-oxyphenylmethan,
der Polyester aus 1,1 O-Di-p-oxyphenyldecan und Isophthalsäure, der polymere Kohlensäureester
aus Dimethyl-di-p-oxyphenylmethan und Phosgen. Allgemein kann man sagen, daß in
der Regel alle diejenigen linearen Polyester in Frage kommen, welche sich wenigstens
in der Wärme im Phenol oder 2-Chlorphenol reichlich lösen. Wenn in Grenzfällen die
Polyester in niederen aliphatischen Halogenkohlenwasserstoffen, insbesondere Methylenchlorid,
bereits stark quellbar sind, können ganz geringe Mengen Difluorchloressigsäure bereits
genügen, um vollends Lösung herbeizuführen. Im übrigen sind in den meisten Fällen
bei Difluorchloressigsäure und Methylenchlorid Mischungen in den Verhältnissen 1:1
bis 1:3 zweckmäßig.
-
Die erfindungsgemäß hergestellten Lösungen, denen noch übliche Modifizierungsmittel,
wie Farbstoffe, Pigmente, Lichtschutzmittel, Weichmacher, vor allem auch makromolekulare
Weichmacher, zugesetzt sein können, sind vielseitiger Verwendung zugänglich, so
zur Herstellung von Folien und Filmen (fotografischen Filmen), Fäden und Überzügen,
die z. B. durch Spritzen oder Tauchen hergestellt werden können. Soweit die Gebilde
später nicht noch durch Recken orientiert werden sollen, verwendet man zur Bereitung
der Lösungen vorzugsweise Polyester bzw. Polymischester mit geringer Neigung zur
Kristallisation. Fäden und Flächengebilde aus Polyestern mit starker Kristallisationstendenz
werden zweckmäßig bald nach der Verformung molekular orientiert, ehe eine störende
Kristallisation einsetzt. Die Orientierung durch Recken, Walzen, Tiefziehen; Aufblasen,
gegebenenfalls in der Wärme, kann durch geringe Lösemittelrückstände günstig beeinflußt
werden.
-
Die Bereitung der Lösungen erfolgt zweckmäßig bei Raumtemperatur
oder mäßig erhöhter Temperatur. In manchen Fällen kann man aber auch den Vorteil
des höheren Siedepunktes ausnutzen und bei 90 bis 110"C arbeiten. Konzentrierte
Lösungen werden mitunter vorteilhafter durch Lösen in niedrigerer Konzentration
und späteres Eindampfen, gegebenenfalls unter vermindertem Druck, z. B. im Dünnschichtverfahren,
gewonnen als durch längeres Erhitzen mit geringen Mengen Lösemitteln, da in letzterem
Fall Umwandlung des Polyesters in eine schwerlösliche kristalline Modifikation eintreten
kann.
-
Die Verarbeitung der Lösungen erfolgt zweckmäßig bei niederer Luftfeuchtigkeit
oder unter Ausschluß von Luftfeuchtigkeit in einer zirkulierenden Verdampfungsatmosphäre,
wobei das Lösemittel in beliebiger Weise, z. B. durch Kondensation oder durch ein
Waschverfahren, zur Wiedergewinnung abgeschieden werden kann. Bei stark zur Kristallisation
neigenden Polymeren empfiehlt es sich, eine etwa notwendige molekulare Orientierung
kurz nach der Trocknung vorzunehmen.
-
Die Erfindung umfaßt auch die Verwendung der Difluorchloressigsäure
und deren Mischungen mit anderen Löse- bzw. Hilfslösemitteln zum Anquellen von linearen
Polyestern bzw. Formkörpern aus solchen, z. B. zum Zwecke der Verklebung. Selbstverständlich
können auch die erfindungsgemäß hergestellten Lösungen mit Vorteil zu Verklebungen
mit anderen Formteilen aus z. B. Polyestern oder Polyamiden oder mit Gegenständen
aus andersartigen indifferenten Stoffen, z. B. keramischen Materialien oder Glas,
Verwendung finden.
-
Trotz der geringen Wasseraufnahme der linearen Polyester kann das
Lösemittelgemisch auch Wasser in verhältnismäßig großer Menge enthalten. So löst
z. B. eine Mischung aus 80 Teilen Difluorchloressigsäure und 20 Teilen Wasser nicht
orientiertes Polyäthylenterephthalat in der Wärme noch gut. Größere Mengen Wasser
werden vertragen, wenn das Wasser in die fertige Lösung eingearbeitet wird. Die
Toleranz ist wie in ähnlichen Fällen abhängig vom Polymerisationsgrad der zu lösenden
Substanz, so daß man die Verträglichkeit mit Wasser auch als analytisches Kennzeichen
für die Beschaffenheit der Produkte verwenden kann (Trübungstitration).
-
Die in den nachfolgenden Beispielen genannten Teile sind jeweils
Gewichtsteile.
-
Die angegebenen relativen Viskositäten beziehen sich auf lvolumprozentige
Lösungen der Polyester in Mischung gen von Phenol und Tetrachloräthan im Verhältnis
3 : 2.
-
Die Meßtemperatur beträgt 20° C.
-
Beispiel 1 Man löst 30 Teile ungereckte Faser aus Polyäthylenterephthalat
(relative Viskosität 1,73) in 70 Teilen wasser-
freier Difluorchloressigsäure unter
Kneten bei Raumtemperatur, vergießt die wasserklare, farblose Lösung auf Folien
und trocknet bei Raumtemperatur über Ätzkalk bei 20 mm Torr.
-
Beispiel 2 Man löst 30 Teile Polyäthylenterephthalat in Pulverform
(relative Viskosität 1,73) bei Raumtemperatur in 70 Teilen einer Mischung aus 3
Teilen Trifluoressigsäure und 1 Teil Difluorchloressigsäure. Die Auflösung erfolgt
sehr rasch.
-
Beispiel 3 Man bereitet eine 15°/Oige Lösung von Polyäthylenterephthalat
(Faserabfall) in einem Lösungsmittelgemisch, bestehend aus einem Teil einer Mischung
aus 75 Teilen Trifluoressigsäure und 25 Teilen Difluorchloressigsäure einerseits
und 3 Teilen Methylenchlorid andererseits.
-
Beim Verdunsten der Lösung hinterbleibt ein Film, der sich bereits
in der Kälte auf das Mehrfache seiner Länge ausrecken läßt.
-
Beispiel 4 Man löst 15 Teile amorphes Polyäthylenterephthalat (relative
Viskosität 1,70) in 85 Teilen einer Mischung aus 1 Teil Difluorchloressigsäure und
3 Teilen Methylenchlorid und vergießt die Lösung auf einen Film. Der beim Verdunsten
hinterbleibende schwach trübe, geschmeidige und elastische Film läßt sich um das
Mehrfache seiner Länge kalt recken. Bei längerem Liegenlassen geht die Reckarbeit
zurück. Eine Reckung wird dann zweckmäßig bei höherer Temperatur, z. B. bei 60 bis
70" C, durchgeführt.
-
Beispiel 5 Man löst 15 Teile eines Polymischesters aus 75 Teilen
Äthylenglykol-terephthalat und 25 Teilen Äthylenglykolisophthalat (relative Viskosität
1,68) in 85 Teilen einer Mischung aus 1 Teil Difluorchloressigsäure und 3 Teilen
Methylenchlorid und vergießt auf Filme. Man erhält klaren, geschmeidigen, durch
Reckung orientierbaren Film.
-
Beispiel 6 3 Teile Polymischester aus 300/o Äthylenglykol-isophthalat
und 7001, Äthylenglykolterephthalat (Schmelzpunkt 180 bis 190 und relative Viskosität
1,46) werden in 17 Teilen Methylenchlorid angequollen. Hierauf gibt man 1 Teil Difiuorchloressigsäure
zu, worauf sofort schon bei Raumtemperatur eine klare Lösung entsteht.
-
Beispiel 7 Man löst 20 Teile des Polyesters aus Isophthaloylchlorid
und Dimethyl-di-p-oxyphenyl-methan (relative Viskosität 1,46) in 8 Teilen einer
Mischung aus Difluorchloressigsäure und Methylenchlorid im Verhältnis 1: 8.
-
Schon bei Raumtemperatur entsteht eine klare Lösung.
-
Beispiel 8 Das Polykohlensäureester aus Phosgen und Dimethyldi-p-oxyphenyl-methan
löst sich in einer Mischung aus 1 Teil Difluorchloressigsäure und 5 Teilen Methylenchlorid
leicht und vollständig auf.
-
Beispiel 9 Man löst 15 Teile Polyester aus Terephthalsäure und 1
,4-Dimethylolcyclohexan (vorwiegend trans-Verbindung) vom vom Schmelzpunkt 266 bis
1740 C (relative Viskosität
1,98) in 85 Teilen einer Mischung aus
1 Teil Difluorchloressigsäure und 3 Teilen Methylenchlorid.
-
Beispiel 10 Man löst 1 Teil Polyäthylenterephthalatfaser (relative
Viskosität 1,75) in 9 Teilen Difluorchloressigsäure und tropft unter Rühren 2,5
Teile Wasser langsam zu. Nach vorübergehender Trübung wird eine wasserklare haltbare
Lösung enthalten.