-
Verfahren zur Extraktion biologischer Wirkstoffe aus zellularem organischem
Material Die Erfindung betrifft die Extraktion biologischer Wirkstoffe aus zellularem
organischem Material und insbesondere ein Verfahren zur Extraktion von Vitamin B12
aus tierischer Leber oder von Insulin aus Pankreasdrüsen. Das Verfahren ist auch
bei der Extraktion anderer Vitamine, Hormone, Enzyme, Alztibiotica wie Penicillin
usw. aus zellularem organischem Material, auch aus Hefen und Schimmelpilzen, wie
auch tierischen Geweben, anwendbar.
-
In der deutschen Patentschrift 848 680 ist ein Verfahren und eine
Apparatur zur Gewinnung von Fett beschrieben, bei welchem zellulare, fetthaltige
Materialien kräftigen Stößen mit Hämmern oder Schlägern in einer geeigneten Vorrichtung,
wie beispielsweise einer Hammermühle, in Gegenwart von und umgeben von relativ großen
Mengen Wasser oder anderer Flüssigkeit unterworfen werden. Hierbei werden die Stöße
weitgehend durch das Flüssigkeitsmedium ausgeübt. Die Hammermühle hat einen Rotor,
der Hämmer trägt, deren äußere Enden einen Abstand. von dem Rotorgebäuse und von
Auslaßgittern. haben, in denen öffnungen zur schnellen Ausbringung des behandelten
Gewebes angeordnet sind, so daß dieses Material nicht wesentlich mehr als 10 Sekunden,
oft dagegen weniger, in der Mühle bleibt und der Stoßbehandlung unterworfen wird.
Das fetthaltige Gewebe wird nicht bis zur Zellgröße oder darunter zerkleinert, jedoch
werden nahezu alle fetthaltigen Zellen zerrissen und ihr Inhalt in die umgebende
Flüssigkeit ausgeschleudert. Bei dem bekannten Verfahren ist das Fett in der verwendeten
Flüssigkeit unlöslich und wird durch Absetzen oder Zentrifugieren gewonnen, da es
leichter ist als die Flüssigkeit. Auch der größte Teil des verbleibenden Bindegewebes
ist in dem Wasser oder der sonst verwendeten Flüssigkeit unlöslich und ist schwerer
als die Flüssigkeit, so daß eine Dreiwegtrennung auf Grund des Unterschiedes der
spezifischen Gewichte durchgeführt werden kann.
-
Gemäß der vorliegenden Erfindung können. biologische Wirkstoffe ohne
Lipoidcharakter aus zellularem organischem Material durch Verwendung einer vorzugsweise
wäßrigen Flüssigkeit, in, der die zu gewinnenden Wirkstoffe löslich und die meisten
der Begleitstoffe unlöslich sind, gewonnen werden. Wein man ein solches zellulares
organisches Material, wie z. B. tierische Leber, einschließlich Fischleber, der
oben angeführten kräftigen Stoßbehandlung in Gegenwart relativ großer Mengen Wasser
unterwirft, wobei die Stöße weitgehend durch das Wasser vermittelt werden, werden
die Zellen des Lebergewebes zerrissen und ihr Inhalt in innige Berührung mit dem
Wasser gebracht, obwohl das Lebergewebe nicht bis zu Teilchen von annähernd Zellgröße
zerkleinert wird. Der Gehalt der Leber an Vitamin B12 ist bekannlich wasserlöslich
und wird fast völlig im Wasser gelöst. Für die Durchführung des Verfahrens sind
an der Hammermühle Gitter mit Austrittslöchern von einem Durchmesser von 1,6 bis
6.4 mm oder mit Schlitzen von 1,6 bis 6,4 mm Breite angeordnet, so daß die verbleibenden
festen: Teile der Leber ausgebracht werden, während sie noch groß genug sind, so
daß sie leicht unter Gewinnung einer wäßrigen Lösung von Vitamin B12 abfiltriert
oder abzentrifugiert werden können. Die Vitamin-B12 Lösung kann leicht geklärt und
das enthaltene Vitamin B12 nach bekannten Verfahren gewonnen werden.
-
Es ist bekannt, bei der Insulinge-winnung von Pankreasdrüsen auszugehen,
die vor der Extraktion mit Alkohol oder einem anderen geeigneten Lösungsmittel zunächst
auf beliebige Weise zu einem feinen Brei vermahlen wurden (vgl. B o m s k o v, Methodik
der Hormonforschung, Bd. I, 1937, S. 661 bis 667). Dieses bekannte Verfahren
ist umständlich, und insbesondere sind die für die Extraktion erforderlichen Zeiten
ziemlich lang. Trotzdem blieben die Ausbeuten verhältnismäßig niedrig. Einerseits
besteht die Gefahr eines Insulinabbaues, andererseits verblieb ein Teil des Insulins
in dem festen Rückstand, und schließlich konnte der feste Rückstand wegen der dabei
angewendeten Behandlung nicht mehr als Viehfutter verwendet werden.
-
Das Verfahren der vorliegenden Erfindung weist diese Nachteile nicht
auf. Da das Gewebe nach der Behandlung, in Partikeln vorliegt, die größer sind als
die
Zellen, werden die Wirkstoffe nicht merklich an den Oberflächen dieser Partikeln
adsorbiert, d. h., es verbleiben keine wesentlichen Mengen im Rückstand. Außerdem
werden. bei dem neuen Verfahren die Zellstrukturen so schnell zerstört, und der
Zellinhalt wird so schnell intensiv mit dein Lösungsmittel in Berührung gebracht,
daß die Wirkstoffe sich praktisch nicht zersetzen. Die gesamte Behandlungszeit beträgt
bis zur Filtration nicht mehr als 10 Sekunden. Demgegenüber beträgt z. B. bei den
in der Publikation von B o m s k o v erwähnten Verfahren die Behandlungszeit bis
zur Filtration meist mehrere Stunden.
-
Da die bei dem Verfahren der Erfindung entstehenden Gewebsfetzen verhältnismäßig
groß sind, lassen sie sich außerordentlich leicht, beispielsweise durch einfaches
Filtrieren oder Zentrifugieren oder sogar durch Absetzenlassen, abtrennen. Dagegen
werden bei den bekannten Verfahren feinere Partikeln gebildet, die eine Filtration
erschweren.
-
Da gemäß dem vorliegenden Verfahren ziemlich grobteilige Gewebsreste
erhalten werden, können sie als wertvolles Futtermittel verwendet werden und müssen
nicht verworfen oder als Düngemittel verwendet werden.
-
Für das neue Verfahren ist nur eine einfache Apparatur, nämlich eine
Hammermühle, erforderlich. Bei den bekannten Verfahren würde dagegen in typischen
Fällen eine Kolloidkugelmühle verwendet, die für gleichen Materialdurchsatz das
Mehrfache kostet und die einen höheren Energieaufwand erfordert. Die Anwendung einer
Hammermühle erfordert außerdem im Gegensatz zur Anwendung einer Kugelmühle keinerlei
besondere Geschicklichkeit.
-
Weiterhin ist die Abtrennung von feinverteiltem suspendiertem Protein
aus der gefilterten, von der Extraktionsbehandlung kommenden- Lösung bei den früheren
Verfahren ein komplexer und langwieriger Arbeitsgang, der durchgeführt werden muß,
wenn z. B. Vitamin B12 in der erforderlichen Reinheit gewonnen werden soll.
-
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Extrahieren von Vitamin B12
ist die Verwendung von Wasser, in welchem die meisten der Zellinhaltsstoffe nahezu
unlöslich sind, zweckmäßig, und die Kosten gegenüber den Verfahren, bei denen Alkohol
oder andere Lösungsmittel allein oder mit Wasser verwendet werden, werden dadurch
beträchtlich vermindert. Es können aber auch andere Lösungsmittel oder Lösungsmittelgemische,
wie die für die bisherigen Verfahren verwendeten Alkoholwassergemische, bei der
Durchführung des vorliegenden sehr schnellen Verfahrens verwendet werden. Das heißt,
das vorliegende Verfahren ist mit jeder Flüssigkeit durchführbar, die ein gutes
Lösungsmittel für die zu gewinnenden Wirkstoffe und ein schlechtes Lösungsmittel
für die Begleitstoffe ist, aus denen sich das Rohmaterial zusammensetzt. In jedem
Fall kann. die Flüssigkeit mit weiterem Rohmaterial zu der Stoßbehandlung mehrmals
eingesetzt werden, um die Wirkstoffkonzentratio:n auf eine gewünschte Höhe zu bringen.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren ist auch auf die Extraktion von Insulin
aus Pankreasdrüsen anwendbar. Die Behandlung solcher Drüsen zum Extrahieren von
Insulin kann in gleicher Weise durchgeführt werden wie die oben beschriebene Behandlung
von Leber zur Extraktion von Vitamin B12. Wasser stellt ein geeignetes Lösungsmittel
für die Extraktion. von Insulin dar,- da es darin löslich ist. Jedoch werden bessere
Ergebnisse mit gegebenenfalls Wasser und/ oder Säuren enthaltendem Alkohol erzielt.
Auch in diesen Fällen kann der durch die kurzzeitige Stoßbehandlung von Pankreasdrüsen
erhaltene Extrakt leicht durch eine einfache Filtration ohne eine Filterhilfe oder
durch Zentrifugieren von dem festen Rückstand abgetrennt werden. Spuren von feinverteiltem
suspendiertem Protein können leicht, wie oben beschrieben, durch Ausflocken und
anschließendes Filtrieren entfernt werden. Bei der Extraktion von Insulin wird die
Ausbeute gegenüber der Ausbeute bei bekannten Extraktionsverfahren um ungefähr 20°/o
erhöht, und bei den Verfahren zur Extraktion von löslichen Wirkstoffen aus zellularen
organischen Materialien gemäß der vorliegenden Erfindung beträgt die Ersparnis an
Material und Betriebskosten etwa 401/o.
-
Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Gewinnung
von Vitamin B12 wird möglichst frische tierische Leber in Stücken von zweckmäßiger
Größe in den Einlaß einer Hammermühle der beschriebenen Art eingebracht und gleichzeitig
ein Strom Wasser oder eines Gemisches von Alkohol und Wasser oder eines anderen
Lösungsmittels oder Lösungsmittelgemisches für das Vitamin B12 in die Mühle eingeleitet.
Die Menge Flüssigkeit beträgt zweckmäßig das Drei- bis Dreißigfache und vorzugsweise
das Drei- bis Siebenfache der Gewichtsmenge Leber. Die Geschwindigkeit der äußeren
Enden der Hämmer liegt gewöhnlich zwischen 760 und 6100 m pro Minute. Dabei werden
die Leberzellen fast sämtlich zerrissen und das Lösungsmittel in innige Berührung
mit ihrem Inhalt gebracht. Die Mühle ist mit einem Auslaufgitter versehen, das Öffnungen
oder Schlitze mit einem Durchmesser bzw. einer Weite von 1,6 bis 6,4 mm aufweist,
so daß das behandelte Gewebe nur so lange in der Mühle bleibt, bis es weit genug
zerkleinert ist, um durch das Gitter ausgelassen zu werden. Die Flüssigkeit, durch
welche die Stöße übertragen werden, dringt durch die Stöße in die zerrissenen Zellen
ein und kommt in innige Berührung mit deren gesamtem Inhalt, so daß der größte Teil
des Vitamins B12 in der Flüssigkeit gelöst wird. Die mittlere Zeit, für die das
Material und die Flüssigkeit in der Mühle bleiben, beträgt nur Sekunden, und zwar
niemals mehr als etwa 10 Sekunden.
-
Die behandelte Leber kann normale Temperatur, beispielsweise 0 bis
25° C, haben. Auch gefrorene Leber kann mit Erfolg behandelt werden, jedoch wird
das Verfahren gewöhnlich unter Verwendung von Leber von Temperaturen über dem Gefrierpunkt
durchgeführt. Die Temperatur des Wassers oder des sonst verwendeten Lösungsmittels
kann die von üblichem Leitungswasser sein, d. h. über dem Gefrierpunkt und unter
25° C liegen. Die Flüssigkeit, die das Vitamin B12 gelöst enthält, wird mit den
restlichen Leberbestandteilen aus der Mühle ausgebracht, und die Lösung wird leicht
durch einfaches Filtrieren, Zentrifugieren od. dgl. geklärt. Die aus der Mühle kommende
abgetrennte Flüssigkeit kann gegebenenfalls zum Einlaß der Hammermühle zurückgeleitet
und noch einmal für die Stoßbehandlung neuer Leber verwendet werden, bis ein bestimmter
Gehalt an Vitamin B12 erzielt ist. Wenn die Flüssigkeit zurückgeleitet wird, kann
sie zum Teil kontinuierlich oder in Abständen aus dem Umlauf entfernt und das darin
enthaltene Vitamin B12 gewonnen werden. Die filtrierte Flüssigkeit enthält gewöhnlich
eine geringe Menge an feinverteiltem Protein suspendiert. Es wird durch eine kurzfristige
Erwärmung, beispielsweise durch eine Erwärmung auf 80° C für weniger als 1 Minute,
koaguliert und ausgeflockt. Dieses Erwärmen kann in einem Wärmeaustaüscher durchgeführt
werden. Anschließend
wird sofort und schnell gekühlt. Dann kann
das ausgeflockte Protein durch eine weitere Filtration entfernt werden.
-
Das enthaltene Vitamin B12 wird dann in üblicher Weise gewonnen. Die
vorliegende Erfindung betrifft nur die Gewinnung einer Lösung der gewünschten Wirkstoffe
durch eine schnelle und wirksame Extraktion. Das Verfahren kann mit einem Bruchteil
der Kosten der früheren Verfahren durchgeführt werden, und man erzielt ebenso. gute
oder bessere Ausbeuten als nach früheren Extraktionsverfahren. Beispiel 2 kg Ochsenleber
wurden in Stücke zerschnitten und in den Einlaß einer Hammermühle gebracht, die
mit einem Rotor ausgestattet ist, der an seiner Peripherie mit Hämmern versehen
ist. Die äußeren Enden der Hämmer weisen eine lineare Geschwindigkeit von 5200 m
pro Minute auf. Gleichzeitig wurde ein Strom Wasser in den Einlaß der Hammermühle
eingeleitet, so daß nahezu viermal soviel Wasser wie Leber, bezogen auf das Gewicht,
eingebracht wurde. Der untere Teil des Gehäuses der Mühle ist mit einem Auslaßgitter
versehen, das parallel zur Achse des Rotors laufende Schlitze von 6,4 mm Breite
hat. Die Enden der Hämmer laufen in einem gewissen Abstand vom Rotorgehäuse und
vom Gitter. Durch die Stoßbehandlung wurden nahezu alle Zellen des Lebergewebes
zerrissen und deren Inhalt gut im Wasser verteilt. Die Leber blieb nur für Sekunden
in der Mühle. Die austretenden, relativ großen Leberpartikel wurden sofort vom Wasser
abfiltriert und ergaben nach dem Trocknen 8 % des ursprünglichen Gewichtes der Leber.
Der schnell vom Rückstand abfiltrierte Extrakt enthielt nahezu das gesamte Vitamin
131,1 Der Extrakt enthält natürlich noch andere wasserlösliche biologisch aktive
Stoffe, wie Riboflavin und Nikotinsäure, die in bekannter Weise gewonnen werden.
-
Die Gewinnung einer Insulinlösung aus Pankreasdrüsen z. B. von Ochsen
erfolgt fast genau so" wie es für die Gewinnung von Vitamin B12 Extrakt beschrieben
ist. Vorzugsweise werden jedoch als Extraktionsmittel für Insulin die aus früheren
Verfahren bekannten Gemische von Wasser und Äthylalkohol verwendet, um gewisse Pankreasenzyme,
die Insulin zerstören, wie beispielsweise Trypsin, in dem Extrakt unlöslicher zu
machen. Es können auch andere bekannte Lösungsmittel oder Lösungsmittelgemische
verwendet werden, wie z. B. angesäuertes Aceton oder angesäuerter Äthylalkohol,
etwa 95 o/oiger Äthylalkohol, der mit Salzsäure auf ein p$ von 2 oder mit Phosphorsäure
auf ein PH von 3 bis 6 angesäuert ist. Der verbleibende Rückstand ist eine wertvolle
Quelle für Pankreasenzyme, die in dem Extrakt unlöslich sind.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren ist auch auf andere zellulare organische
Materialien, wie Hefen und Schimmelpilze, anwendbar, deren Wirkstoffe häufig ganz
oder teilweise in den Zellen enthalten sind. Als Beispiel hierfür sei die Gewinnung
von Penicillin in hoher Ausbeute aus Penicillium notatum unter Verwendung von Wasser
als Lösungsmittel genannt.