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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines geformten Bauteils, das Verfahren umfassend: Vorformen eines Werkstücks zu einem vorgeformten Bauteil mit einem Bodenbereich, einem Zargenbereich und optional einem Flanschbereich, wobei in dem vorgeformten Bauteil eine Materialmengenanpassung eingestellt wird; und Kalibrieren des vorgeformten Bauteils zu einem zumindest bereichsweise endgeformten Bauteil mit einem Bodenbereich, einem Zargenbereich und optional einem Flanschbereich, wobei während des Kalibrierens zumindest bereichsweise ein Stauchen des vorgeformten Bauteils erfolgt. Die Erfindung betrifft weiterhin ein geformtes Bauteil.
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Bei der Herstellung von Bauteilen, insbesondere offenen, im Querschnitt u-förmigen Profilbauteilen beispielsweise mittels Tiefziehen kommt es nach der Entnahme des Bauteils aus dem Werkzeug aufgrund der unvermeidbaren elastischen Rückfederung meistens zu einer Auffederung zwischen dem Boden und den Zargen, bzw. zwischen den Zargen und den optional vorhandenen Flanschen des Bauteils. Diese Formänderung ist zusätzlich durch eine Krümmung der Zargen überlagert, welche in der Regel nach außen gerichtet ist. In der Folge sind die Bauteilenden aufgespreizt. Der Effekt tritt verstärkt bei hochfesten Stahlwerkstoffen und geringen Blechdicken, aber auch bei der Umformung sonstiger metallischer Werkstoffe wie zum Beispiel Aluminium auf.
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Um dem entgegenzuwirken, wird beispielsweise ein vorgeformtes Bauteil (Vorform) mit einer gleichmäßigen Materialmengenanpassung in Form einer Materialzugabe oder Stauchzugabe mittels eines Tiefziehschritts oder anderen Umformverfahren oder deren Kombination wie einem „Prägen und Hochstellen“ oder Biegen, Kanten etc. hergestellt. Die dabei auftretende starke und indifferente Rückfederung des Bauteils wird anschließend durch einen Kalibrierschritt mittels Druckspannungsüberlagerung neu ausgerichtet, so dass ein zumindest bereichsweise endgeformtes und maßhaltiges Bauteil entstehen kann.
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Kommt beispielsweise ein Tiefziehen mit einem distanzierten Niederhalter für das Vorformen zum Einsatz, konzentrieren sich die Rückfederungseffekte meist auf die Zargen- und die Radienbereiche (Zieh- und Bodenradien). Die Zargen krümmen sich dann meist nach außen, was daran liegt, dass diese ab einer bestimmten Länge mindestens zwei Biegungen durchlaufen müssen: eine Biegung um den Ziehradius beim Einziehen des Werkstücks in das Werkzeug und die darauf folgende Rückbiegung im geraden Zargenteil des Werkzeugs. Bei den Bodenradien dagegen erfolgt nur eine einfache Biegung.
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Im Detail entstehen bei der Herstellung der Teile durch eine einfache Biegung auf der Innenseite der eingebrachten Krümmung ein Druckbereich und auf der Außenseite ein Zugbereich. Bei einer doppelten, entgegengesetzt wirkenden Biegung kehren sich unter einer weiteren Verfestigung die Verhältnisse zwar um, die Spannungsdifferenzen bleiben jedoch, wenn auch reduziert, erhalten. Mit der Bauteilentnahme aus dem Werkzeug werden dann die inhomogenen, elastischen Spannungsanteile frei und deformieren das Bauteil mehr oder weniger stark, was u. a. zu einem Aufbiegen sowie einer unerwünschten Krümmung der Bauteilzargen führt.
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Seit längerem ist bekannt, dass die ungewollte elastische Rückfederung vor allem dadurch entsteht, dass die betroffenen Bereiche eine zu geringe Abstreckung erhalten. Gezielte Abstreckungsmaßnahmen oder Ziehsicken können den Effekt nur reduzieren und bedingen häufig eine anlagentechnische Modifizierung. Auch führen derartige Abstreckungsmaßnahmen zu einer zusätzlichen Dehnung des Materials, was wiederum zu Rissen führen kann.
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Das beschriebene Verfahren ist aufgrund der Einbeziehung auf vorzugsweise alle Flächenbereiche des Bauteils in den Prozess besser als beispielsweise ein herkömmliches Tiefziehen in der Lage, die Eigenspannungen des Bauteils neu auszurichten. Dennoch verbleibt je nach Material und Stauchsituation ein geringer Rest an Auffederung. Dies resultiert hauptsächlich aus einer Vergrößerung des Boden- und Flansch-Biegeradius und des Boden- und Flanschbiegewinkels.
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Vor diesem Hintergrund stellt sich der Erfindung die Aufgabe, ein Verfahren und ein Bauteil bereitzustellen, wobei die Maßhaltigkeit weiterhin verbessert wird und insbesondere eine Aufspreizung der Zargen von u-förmigen Bauteilen oder Teileabschnitten gezielt beeinflusst werden kann, um so die Maßhaltigkeit der Bauteile weiter zu verbessern.
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Die Aufgabe wird gemäß einer ersten Lehre bei einem gattungsgemäßen Verfahren dadurch gelöst, dass die Materialmengenanpassung mit einer bodenspezifischen Materialmengenanpassung, einer zargenspezifischen Materialmengenanpassung, einer radienspezifischen Materialmengenanpassung und/oder optional einer flanschspezifischen Materialmengenanpassung eingestellt wird.
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Es wurde gemäß der vorliegenden Lehre erkannt, dass eine verbesserte Maßhaltigkeit insbesondere des Zargenbereichs des Bauteils erreicht werden kann, wenn die im vorgeformten Bauteil vorgesehene Materialmengenanpassung spezifisch für den Bodenbereich, den Zargenbereich, einen Radienbereich und/oder optional den Flanschbereich eingestellt wird. Es hat sich insbesondere gezeigt, dass durch eine Materialmengenanpassung im vorgeformten Bauteil, welche spezifisch für den Bodenbereich, den Zargenbereich, einen Radienbereich und/oder Flanschbereich eingestellt wird, Einfluss auf den Zargenöffnungswinkel und auf den Zargenkrümmungsradius genommen werden kann. Unter dem Zargenöffnungswinkel wird dabei der Winkel zwischen der Zarge und dem Boden des Bauteils verstanden. Dadurch kann unerwünschten Deformationen im zumindest bereichsweise endgeformten Bauteil entgegengewirkt werden und eine verbesserte Maßhaltigkeit beim zumindest bereichsweise endgeformten Bauteil erreicht werden. Eine vergleichbare Möglichkeit, bei Verfahren aus dem Stand der Technik den Zargenöffnungswinkel derart zu beeinflussen, war bisher nicht bekannt. Eine Materialmengenanpassung wird in der Regel als relative Angabe in Prozent (%) im Vergleich zu der im gewünschten (Teil-)Abschnitt durch die gewünschte Endform eigentlich vorgegebenen Materialmenge angegeben.
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Unter einem Radienbereich wird insbesondere ein gekrümmter Übergangsbereich zwischen dem Bodenbereich und dem Zargenbereich oder zwischen dem Zargenbereich und dem Flanschbereich (sofern vorhanden) verstanden.
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Unter einer Materialmengenanpassung wird insbesondere verstanden, dass beispielsweise mehr oder weniger Material in dem entsprechenden Bereich vorgesehen wird als es die Geometrie des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils vorgibt. Unter einer bereichsspezifischen Materialmengenanpassung wird dabei insbesondere verstanden, dass die Materialmenge in dem individuell betrachteten Bereich individuell eingestellt wird.
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Beispielsweise wird die zargenspezifische, bodenspezifische, radienspezifische und/oder optional flanschspezifische Materialmengenanpassung zuvor bestimmt. Beispielweise wird eine gewünschte zargenspezifische, bodenspezifische, radienspezifische und/oder optional flanschspezifische Materialmengenanpassung mittels einer Simulation ermittelt, beispielsweise mit einer finite-Element-Methode.
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Das Einstellen einer Materialmengenanpassung erfolgt vorzugsweise dadurch, dass das Werkstück angepasst ist. Beispielsweise wird bereits in dem Werkstück mehr oder weniger Material in dem entsprechenden Bereich vorgesehen oder die Geometrie des Werkstücks führt dazu, dass in dem vorgeformten Bauteil eine entsprechende Materialmengenanpassung eingestellt wird.
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Das Werkstück ist beispielsweise eine im Wesentlichen ebene Platine, beispielsweise ein Blech. Bevorzugt ist das Werkstück aus einem Stahlwerkstoff hergestellt. Alternativ können auch Aluminiumwerkstoffe oder andere formbare Metalle verwendet werden. Das geformte Bauteil ist dementsprechend vorzugsweise ein Blechbauteil.
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Das Vorformen kann dabei mittels beliebig kombinierbaren Formgebungsverfahren in einem oder mehreren Schritten hergestellt werden. Das Vorformen kann beispielsweise einen tiefziehartigen Formgebungsschritt umfassen. Insbesondere kann auch eine mehrstufige Formgebung umfassend beispielsweise ein Prägen des zu erstellenden Bodens und Hochstellen der zu erstellenden Zargen bzw. optional Abstellen der zu erstellenden Flansche erfolgen. Insbesondere können auch ein- oder mehrstufige Formgebungen aus z. B. (Ab-) Kanten und Biegen beispielsweise im U-Gesenk zum Einsatz kommen. Denkbar sind auch beliebige Kombinationen aus Abkanten und/oder (Ver-)Prägen. Der Weg zur Herstellung des vorgeformten Bauteils kann demnach individuell beschritten werden. Das durch das Vorformen erhaltene vorgeformte Bauteil kann insbesondere als ein endformnahes Bauteil angesehen werden, welches der beabsichtigten Fertigteilgeometrie unter Berücksichtigung gegebener Randbedingungen wie Rückfederung und Umformvermögen des verwendeten Werkstoffes möglichst gut entspricht.
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Unter dem Kalibrieren kann insbesondere ein Fertigformen oder Endformen des vorgeformten Bauteils verstanden werden, welches beispielsweise durch einen oder mehrere Pressvorgänge erreicht werden kann. Allerdings ist es möglich, dass das zumindest bereichsweise endgeformte Bauteil noch weiteren, das Bauteil modifizierenden Verarbeitungsschritten unterzogen werden kann, wie etwa einem Einbringen von Anbindungslöchern oder einem Beschnittvorgang oder auch einem lokalen Nach- bzw. Endformen. Allerdings wird angestrebt, die Kalibrierform derart zu gestalten, dass keine weiteren Formgebungsschritte mehr notwendig sind.
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Das beschriebene Vorformen und Kalibrieren erfolgt vorzugsweise nacheinander. Das Kalibrieren kann zudem nur in Bezug auf einige Bereiche oder auf das gesamte Bauteil durchgeführt werden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist die bodenspezifische Materialmengenanpassung, die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialanpassung und/oder optional die flanschspezifische Materialmengenanpassung eine Materialzugabe. Bei einer Materialmengenanpassung in Form einer Materialzugabe wird zusätzliches oder (im Vergleich zur Endform) überschüssiges Material zur Verfügung gestellt, welches beim Kalibriervorgang zu einem gezielten Stauchen führt und insbesondere zu einem Materialfluss und/oder zu einer Verfestigung führen kann. Insofern wird die Materialzugabe auch als Stauchzugabe bezeichnet. Beispielsweise wird im Bodenbereich, Zargenbereich, Radienbereich und/oder Flanschbereich eine Materialzugabe von mindestens 1%, mindestens 2% oder mindestens 3% vorgesehen. Vorzugsweise ist sowohl die bodenspezifische Materialmengenanpassung als auch die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialanpassung und optional die flanschspezifische Materialmengenanpassung eine Materialzugabe. Eine Materialmengenanpassung kann jedoch insbesondere lokal auch als Materialverminderung ausgebildet sein. Dabei wird weniger Material als durch die Endform vorgegeben zur Verfügung gestellt. Beispielsweise wird im Bodenbereich, im Zargenbereich, im Radienbereich und/oder optional im Flanschbereich eine Materialverminderung von mindestens -1%, mindestens -2% oder mindestens -3% vorgesehen. Absolut betrachtet und zur Sicherstellung einer Kalibrierwirkung weist das vorgeformte Bauteil gegenüber dem endgeformten Bauteil einen positiven Materialüberschuss auf.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens unterscheiden sich die bodenspezifische Materialmengenanpassung die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialanpassung und/oderoptional die flanschspezifische Materialmengenanpassung. Unter unterschiedlichen Materialanpassungen wird verstanden, dass sich die prozentualen Werte für die bodenspezifische Materialmengenanpassung, die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialanpassung bzw. die flanschspezifische Materialmengenanpassung unterscheiden. Mit anderen Worten wird hinsichtlich des Bodenbereichs, des Zargenbereichs, des Radienbereichs und/oder optional des Flanschbereichs eine asymmetrische oder ungleichmäßige Materialmengenanpassung vorgesehen. Es hat sich gezeigt, dass unterschiedliche Materialmengenanpassungen zu einem Materialfluss von einem Bereich in den anderen Bereich während des Stauchens beim Kalibrieren führen und dadurch insbesondere der Zargenöffnungswinkel und/oder der Zargenkrümmungsradius beeinflusst werden kann. Im Ergebnis können somit besonders maßhaltige Bauteile bereitgestellt werden.
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In einem Beispiel ist die bodenspezifische Materialmengenanpassung +2% (Materialzugabe) und die zargenspezifische Materialmengenanpassung +3% (Materialzugabe). In einem anderen Beispiel ist die bodenspezifische Materialmengenanpassung +2% (Materialzugabe) und die zargenspezifische Materialmengenanpassung -2% (Materialverminderung). In Summe ist die Materialzugabe über den gesamten betrachteten Querschnitt jedoch so groß, dass der Querschnitt zumindest bereichsweise gestaucht und damit kalibriert wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die bodenspezifische Materialmengenanpassung und die zargenspezifische Materialmengenanpassung derart eingestellt, dass während des Kalibrierens ein Materialfluss vom Zargenbereich in den Bodenbereich und/oder vom Bodenbereich in den Zargenbereich erfolgt. Gemäß einer weiteren Ausgestaltung ist ein Flanschbereich vorhanden und die zargenspezifische Materialmengenanpassung und die flanschspezifische Materialmengenanpassung werden derart eingestellt, dass während des Kalibrierens ein Materialfluss vom Zargenbereich in den Flanschbereich und/oder vom Flanschbereich in den Zargenbereich erfolgt. Wie bereits ausgeführt, kann ein derartiger Materialfluss insbesondere durch unterschiedliche Materialmengenanpassungen im Bodenbereich, im Zargenbereich und/oder optional im Flanschbereich des vorgeformten Bauteils erreicht werden und vorteilhaft zu einer gezielten Anpassung des Zargenöffnungswinkels und/oder des Zargenkrümmungsradius verwendet werden, sodass im Ergebnis eine hohe Maßhaltigkeit erzielt werden kann. Es hat sich gezeigt, dass sowohl ein Materialfluss vom Zargenbereich in den Bodenbereich als auch vom Bodenbereich in den Zargenbereich und/oder wenn ein Flanschbereich vorhanden, ein Materialfluss vom Zargenbereich in den Flanschbereich als auch vom Flanschbereich in den Zargenbereich zu diesem Effekt führt.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens sind zumindest zwei Materialmengenanpassungen aus der Gruppe der bodenspezifischen Materialmengenanpassung, der zargenspezifischen Materialmengenanpassung, der radienspezifischen Materialmengenanpassung und/oder optional der flanschspezifischen Materialmengenanpassung eine Materialzugabe, wobei zumindest eine Materialzugabe größer ist als zumindest eine andere Materialzugabe. Beispielsweise ist die bodenspezifische Materialzugabe größer ist als die zargenspezifische Materialzugabe und/oder optional die flanschspezifische Materialzugabe oder die zargenspezifische Materialzugabe größer ist als die bodenspezifische Materialzugabe und/oder optional die flanschspezifische Materialzugabe. Hierunter wird verstanden, dass die jeweilige relative Materialzugabe in % größer sein soll. Auf diese Weise kann eine hohe stauchbedingte Verfestigung erzielt werden und zudem während des Kalibrierens ein Materialfluss zwischen Bodenbereich, Zargenbereich, Radienbereich und/oder optional Flanschbereich provoziert werden, sodass der Zargenöffnungswinkel und/oder der Zargenkrümmungsradius wie gewünscht beeinflusst werden kann.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens unterscheiden sich zumindest zwei Materialmengenanpassungen aus der Gruppe der zargenspezifischen Materialmengenanpassung, der bodenspezifischen Materialmengenanpassung, der radienspezifischen Materialmengenanpassung und/oder optional der flanschspezifischen Materialmengenanpassung um mindestens 0,2 Prozentpunkte, um insbesondere mindestens 0,5 Prozentpunkte, bevorzugt um mindestens 1 Prozentpunkt, weiter bevorzugt um mindestens 2 Prozentpunkte. Es hat sich gezeigt, dass durch diesen Mindestunterschied der Materialmengenanpassungen der Effekt auf den Zargenöffnungswinkel und/oder den Zargenkrümmungsradius prozesssicher für eine Vielzahl von Bauteilen erreicht werden kann. Beträgt beispielsweise die bodenspezifische Materialzugabe +2% und die zargenspezifische Materialzugabe +3%, beträgt der Unterscheid 1 Prozentpunkt. Beträgt beispielsweise die bodenspezifische Materialzugabe +2% und die zargenspezifische Materialverminderung -2%, beträgt der Unterscheid 4 Prozentpunkte.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die bodenspezifische Materialmengenanpassung, die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialmengenanpassung und/oder optional die flanschspezifische Materialmengenanpassung derart eingestellt, dass der Zargenöffnungswinkel und/oder der Zargenkrümmungsradius des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils gezielt beeinflusst wird. Mit anderen Worten werden die bodenspezifische Materialmengenanpassung, die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialmengenanpassung und/oder optional die flanschspezifische Materialmengenanpassung in Abhängigkeit eines gewünschten Zargenöffnungswinkels und/oder eines gewünschten Zargenkrümmungsradius eingestellt. Beispielsweise werden zunächst im Rahmen einer Simulation oder von Versuchen die erforderlichen Materialmengenanpassungen bestimmt und dann entsprechend am vorgeformten Bauteil eingestellt.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Unterschied zwischen zumindest zwei Materialmengenanpassungen aus der Gruppe der bodenspezifischen Materialmengenanpassung, der zargenspezifischen Materialmengenanpassung, der radienspezifischen Materialmengenanpassung und/oder optional der flanschspezifischen Materialmengenanpassung ausreichend groß eingestellt, so dass ein Aufspreizen des Zargenbereichs des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils im Wesentlichen vermieden wird. Dieser Ausgestaltung des Verfahrens liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Erhöhung des Unterschieds der Materialmengenanpassungen, insbesondere im Bodenbereich und im Zargenbereich, zu einer Verringerung des Zargenöffnungswinkels führt. Beispielsweise beträgt der Unterscheid mindestens 0,2 Prozentpunkte, insbesondere mindestens 0,5 Prozentpunkte, vorzugsweise mindestens 1 Prozentpunkt, weiter vorzugsweise mindestens 2 Prozentpunkte. Der notwendige Unterschied kann dabei vom Einzelfall abhängen und durch die Geometrie des jeweils herzustellenden Bauteils und/oder das Material beeinflusst werden. Wie bereits ausgeführt, kann die jeweils notwendige Materialmengenanpassung jedoch versuchsbasiert oder durch Simulationen ermittelt werden. Ein Aufspreizen wird insbesondere dann im Wesentlichen vermieden, wenn der Zargenöffnungwinkel nach oben weniger als 2°, vorzugsweise, weniger als 1°, besonders bevorzugt weniger als 0,5° vom Sollwinkel abweicht.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Unterschied zwischen zumindest zwei Materialanpassungen aus der Gruppe der bodenspezifischen Materialmengenanpassung, der zargenspezifischen Materialmengenanpassung, der radienspezifischen Materialmengenanpassung und/oder optional der flanschspezifischen Materialmengenanpassung ausreichend gering eingestellt, so dass ein Einklappen des Zargenbereichs des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils im Wesentlichen vermieden wird. Dieser Ausgestaltung des Verfahrens liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Verringerung des Unterschieds der Materialmengenanpassungen, insbesondere im Bodenbereich und im Zargenbereich, zu einer Erhöhung des Zargenöffnungswinkels führt. Beispielsweise beträgt der Unterscheid höchstens 5 Prozentpunkte, vorzugsweise höchstens 4 Prozentpunkte, weiter vorzugsweise höchstens 3 Prozentpunkte. Ein Einklappen wird insbesondere dann im Wesentlichen vermieden, wenn der Zargenöffnungswinkel nach unten weniger als 2°, vorzugsweise, weniger als 1°, besonders bevorzugt weniger als 0,5° vom Sollwinkel abweicht.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist die bodenspezifische Materialmengenanpassung, die zargenspezifische Materialmengenanpassung, die radienspezifische Materialmengenanpassung und/oder optional die flanschspezifische Materialmengenanpassung eine Materialzugabe und wird ausreichend groß eingestellt, so dass ein Aufspreizen des Zargenbereichs des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils im Wesentlichen vermieden wird, beispielsweise größer als +0,5%, vorzugsweise größer als +1%.
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Vorzugsweise wird zudem im Falle einer zargenspezifischen und/oder bodenspezifischen Materialzugabe und/oder optional flanschspezifischen Materialmengenanpassung diese ausreichend gering ausgebildet, beispielsweise geringer als +5%, vorzugsweise geringer als +4%, weiter vorzugsweise geringer als +3%, um ein Einklappen des Zargenbereichs im Wesentlichen zu vermeiden.
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Diesen Ausgestaltungen des Verfahrens liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine vergrößerte zargenspezifische, bodenspezifische, radienspezifischen und/oder optional flanschspezifische Materialzugabe zu einer Verringerung des Zargenöffnungswinkels führt.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist die zargenspezifische Materialmengenanpassung eine Materialzugabe und wird ausreichend groß eingestellt, so dass eine zu große Zargenkrümmung des Zargenbereichs des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils im Wesentlichen vermieden wird. Dieser Ausgestaltung des Verfahrens liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Erhöhung einer zargenspezifischen Materialzugabe in der Regel zu einer Verringerung der Zargenkrümmung bzw. zu einer Vergrößerung des Zargenkrümmungsradius führt. Beispielsweise beträgt die zargenspezifische Materialzugabe mindestens +0,5%, vorzugsweise mindestens +1%, weiter vorzugsweise mindestens +2%. Eine zu große Zargenkrümmung wird insbesondere dann im Wesentlichen vermieden, wenn der Zargenkrümmungsradius größer als 103 mm, bevorzugt größer als 104 mm, weiter bevorzugt größer als 105 mm ist.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens weist das geformte Bauteil einen u-förmigen Querschnitt auf. Beispielsweise ist das geformte Bauteil ein u-förmiges Profil oder ein napfförmiges oder wannenförmiges Bauteil. Vor allem bei derartigen Bauteilen besteht geometrisch bedingt die Problematik einer besonders hohen Rückfederung im Zargenbereich nach dem Umformen. Durch das erfindungsgemäße Verfahren kann diese Problematik vermieden oder zumindest reduziert werden. Das geformte Bauteil ist beispielsweise ein flanschloses oder flanschbehaftetes Bauteil. Im letzteren Fall weist das Bauteil neben dem Bodenbereich und dem Zargenbereich auch einen Flanschbereich auf. Der Zargenbereich verläuft vorzugsweise schräg oder im Wesentlichen senkrecht zum Bodenbereich und/oder zum Flanschbereich.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist das geformte Bauteil aus einem Stahlwerkstoff gefertigt. Der Stahlwerkstoff ist vorzugsweise ein zumindest hochfester Stahlwerkstoff. Derartige Stahlwerkstoffe weisen bei klassischen Umformverfahren eine besonders hohe Rückfederung auf. Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht daher das Einstellen einer hohen Maßhaltigkeit auch bei Stahlwerkstoffen mit einer werkstoffbedingten hohen Rückfederung.
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Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist das geformte Bauteil aus einem Aluminiumwerkstoff gefertigt. Der Aluminiumwerkstoff ist vorzugsweise ein zumindest hochfester Aluminiumwerkstoff. Derartige Aluminiumwerkstoffe weisen bei klassischen Umformverfahren eine besonders hohe Rückfederung auf. Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht daher das Einstellen einer hohen Maßhaltigkeit auch bei Aluminiumwerkstoffen mit einer werkstoffbedingten hohen Rückfederung.
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Gemäß einer zweiten Lehre wird die eingangs genannte Aufgabe bei einem geformten Bauteil mit einem Bodenbereich, einem Zargenbereich und optional einem Flanschbereich dadurch gelöst, dass das Bauteil mit einem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt ist. Im Unterschied zu bekannten geformten Bauteilen aus dem Stand der Technik weisen die erfindungsgemäßen Bauteile aufgrund des Stauchens mit der beschriebenen Materialmengenanpassung eine vorteilhafte Spannungsverteilung auf, sodass eine hohe Maßhaltigkeit erreicht werden kann.
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Im Weiteren soll die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen in Verbindung mit der Zeichnung näher erläutert werden. Die Zeichnung zeigt in
- 1, 2 jeweils schematische Querschnittsdarstellungen eines Zargenbereichs und eines Bodenbereichs eines Bauteils zur Veranschaulichung der Auswirkungen eines Ausführungsbeispiels des Verfahrens auf das Bauteil;
- 3 eine schematische Querschnittsdarstellung eines Bauteils gemäß dem Stand der Technik;
- 4 eine schematische Querschnittsdarstellung eines Bauteils, welches gemäß einem Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellt wurde;
- 5 Versuchsergebnisse für die Zargenendendistanz und den Zargenkrümmungsradius in Abhängigkeit der bodenspezifischen Materialzugabe nach dem Kalibrieren; und
- 6 Versuchsergebnisse für die Zargenendendistanz und den Zargenkrümmungsradius in Abhängigkeit der zargenspezifischen Materialzugabe nach dem Kalibrieren.
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1, 2 zeigen jeweils schematische Querschnittsdarstellungen eines Zargenbereichs 2, 2' und eines Bodenbereichs 4,4' eines Bauteils 1, 1' zur Veranschaulichung der Auswirkungen eines Ausführungsbeispiels des Verfahrens auf das Bauteil 1, 1'.
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In 1a weist das Bauteil 1 eine bodenspezifische Materialmengenanpassung in Form einer Materialzugabe oder Stauchzugabe von +2% und eine zargenspezifische Materialmengenanpassung in Form einer Materialzugabe oder Stauchzugabe von +3% auf. Durch das durch die Pfeile 6 dargestellte Stauchen während des Kalibrierens erfolgt ein Materialfluss vom Zargenbereich in den Bodenbereich wie durch Pfeil 8 veranschaulicht. Wie durch Simulationen ermittelt und in 1b dargestellt, führt dies dazu, dass der Zargenöffnungswinkel bzw. die Distanz der Zargenenden zueinander verringert werden kann (Pfeile 10, 12). Dadurch können CAD-genaue Bodenradien erreicht werden und einem Rückfedern der Zargenbereiche 2 nach außen entgegengewirkt werden, sodass die Maßhaltigkeit verbessert werden kann.
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In 2a weist das Bauteil 1' eine bodenspezifische Materialmengenanpassung in Form einer Materialzugabe oder Stauchzugabe von +2% und eine zargenspezifische Materialmengenanpassung in Form einer Materialverminderung von -2% auf. Durch das durch die Pfeile 6' dargestellte Stauchen während des Kalibrierens erfolgt ein Materialfluss vom Bodenbereich 4' in den Zargenbereich 2' wie durch Pfeil 8' veranschaulicht. Wie durch Simulationen ermittelt und in 2b dargestellt, führt dies auch in diesem Fall dazu, dass der Zargenöffnungswinkel bzw. die Distanz der Zargenenden zueinander verringert werden kann (Pfeile 10', 12'). Somit können auch hier CAD-genaue Bodenradien erreicht werden und einem Rückfedern der Zargenbereiche 2' nach außen entgegengewirkt werden, sodass die Maßhaltigkeit verbessert werden kann.
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3 zeigt eine schematische Querschnittsdarstellung eines flanschbehafteten Bauteils 30 gemäß dem Stand der Technik. Das Bauteil 30 ist durch herkömmliches Tiefziehen hergestellt. Das Bauteil 30 weist aufgrund des Übergangs von dem Bodenbereich 34 zu dem Zargenbereich 32 ein Aufspreizen der Zargen auf. Zudem weist der Zargenbereich 32 eine Restkrümmung auf.
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4 zeigt eine schematische Querschnittsdarstellung eines flanschbehafteten Bauteils 40, welches gemäß einem Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellt wurde. Dabei wurden eine bodenspezifische Materialzugabe und eine zargenspezifische Materialzugabe ungleichmäßig verteilt. Es ist zu erkennen, dass das Bauteil 40 im Gegensatz zum Bauteil 30 aufgrund des Übergangs von dem Bodenbereich 44 zu dem Zargenbereich 42 kein Aufspreizen der Zargen aufweist. Zudem weist der Zargenbereich 42 keine Restkrümmung auf.
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5 zeigt Versuchsergebnisse für die Zargenendendistanz respektive Bauteilendendistanz und den Zargenkrümmungsradius in Abhängigkeit der bodenspezifischen Materialzugabe („Bodenzugabe“) nach dem Kalibrieren.
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Die bodenspezifischen Material- oder Stauchzugaben wurden in Form von zwei gleichmäßigen Wellen im Bodenbereich aus Kreissegmentbögen mit gleichen Radien umgesetzt.
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In 5 ist links die Distanz der Zargenenden in mm über der Bodenzugabe in % aufgetragen. Die gestrichelte Linie repräsentiert dabei die Sollweite der Zargenenden. Rechts ist hingegen der Radius der Zargenkrümmung in mm über der Bodenzugabe in % aufgetragen. Dabei wurden Bodenzugaben von 0,5%, 1,0%, 1,5% und 2,0% gewählt. Die zargenspezifische Materialzugabe war stets 3,0%.
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6 zeigt Versuchsergebnisse für die Zargenendendistanz und den Zargenkrümmungsradius in Abhängigkeit der zargenspezifischen Materialzugabe („Zargenzugabe“) nach dem Kalibrieren.
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Die zargenspezifischen Material- oder Stauchzugaben wurden hier in Form von drei gleichmäßigen bzw. tangentenstetigen Wellen im Bodenbereich aus Kreissegmentbögen mit gleichen Radien umgesetzt.
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Links ist die Distanz der Zargenenden in mm über der Zargenzugabe in % aufgetragen. Die gestrichelte Linie repräsentiert dabei die Sollweite der Zargenenden. Rechts ist hingegen der Radius der Zargenkrümmung in mm über der Zargenzugabe in % aufgetragen. Dabei wurden Zargenzugaben von 0%, 0,5%, 1,0%, 1,5%, 2,0%, 2,5% und 3,0% gewählt. Die bodenspezifische Materialzugabe war stets 2,0%.
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Es ist zu erkennen, dass durch ein Aufteilen einer allgemeinen Materialzugabe in eine bodenspezifische Materialzugabe und eine zargenspezifische Materialzugabe die Zargenendendistanz (bzw. der Zargenöffnungswinkel) und der Zargenkrümmungsradius eingestellt werden kann. Es ist zu erkennen, dass durch ein Erhöhen der zargenspezifischen Materialzugabe die Zargenkrümmung verringert bzw. der Zargenkrümmungsradius vergrößert werden kann, da dieser primär von der zargenspezifischen Materialzugabe beeinflusst wird (6, rechts im Vergleich mit 5, rechts). Somit kann die zargenspezifische Materialzugabe ausreichend groß eingestellt werden, so dass eine zu große Zargenkrümmung der Zargen des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils im Wesentlichen vermieden werden kann.
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Zudem ist zu erkennen, dass die bodenspezifische und/oder zargenspezifische Materialzugabe ausreichend groß eingestellt werden sollte, so dass ein Aufspreizen der Zargen des zumindest bereichsweise endgeformten Bauteils im Wesentlichen vermieden wird, jedoch auch ausreichend gering ausgebildet werden sollte, um ein Einklappen im Wesentlichen zu vermeiden (vgl. 5, links, 6 links).
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Das beispielhafte Verfahren und die beispielhafte Vorrichtung wurden hier anhand eines flanschlosen Bauteils näher erläutert. Flanschbehaftete Bauteile unterliegen einer analogen Prozedur.