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Die Erfindung betrifft eine CoNiCrMo-Legierung für Aufzugsfedern in mechanischen Uhrwerken.
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Das Anforderungsprofil an eine Uhrentriebfeder wurde von Krüger in der Zeitschrift für Metallkunde, Bd. 51, 1960, S. 35–40, angegeben:
- 1. hohes Drehmoment (M = Eφ = Ebt3 π N/6L = max)
- 2. geringer Drehmomentabfall (dM/dφ = min)
- 3. hohes Energiespeichervermögen = hohe Gangreserve ([Rp0.2]2/E = max)
- 4. bruchsicher
- 5. hohe Korrosionsfestigkeit
- 6. unmagnetisch
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Hierbei bedeutet
- E:
- Elastizitätsmodul
- φ:
- Drehwinkel
- Rp0.2:
- Elastizitätsgrenze
- b:
- Breite der Feder
- t:
- Dicke der Feder
- L:
- Länge der Feder
- N:
- effektive Windungszahl
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Daraus ergibt sich, dass das Federmaterial eine möglichst hohe Festigkeit und einen hohen Elastizitätsmodul aufweisen soll wobei das Federmaterial noch eine ausreichende Duktilität aufweisen muß.
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Welche Werkstoffe dieses Anforderungsprofil am besten erfüllen, sind von Reinhard Streumann in der
US 2 859 149 „Manufacture of watch springs utilizing wire converted into springs” angegeben worden. Beispielhaft seien die als type I in obiger Patentschrift bezeichenten Zusammensetzungen genannt (alle Angaben in Gew.%): 10–68% Ni, 5–25% Fe, 5–50% Co, 10–25% Cr, 1–20% (Mo + W), 0.1–2% Be, 0.1–3% Ti, 0.05–0.6% C, 1–4% (Mn + Si). In der
GB 745106 hat Streumann vorgeschlagen, dass für weniger anspruchsvolle Uhren auch rostfreie Stähle vom Typ 18/8 verwendet werden können.
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Für den vorgesehen Zweck als Uhrenaufzugsfeder eignen sich insbesondere Legierungen auf der Basis CoCr. Sie zeigen eine hohe Kaltverfestigung und einen hohen Elastizitätsmodul (~220 GPa). Eine weitere vorteilhafte Besonderheit ist, dass diese Legierungen im kaltverformten Zustand aushärtbar sind obwohl sie keine aushärtbaren Zusätze in Übersättigung enthalten. Außerdem sind sie korrosionsbeständig und unmagnetisch.
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Aus den in der
US 2 859 149 angegeben Zusammensetzungen hat sich eine spezielle Legierung als besonders geeignet erwiesen. Sie hat die Zusammensetzung Co-18Cr-21Ni-5Fe-4Mo-4W-0.9Mn-0.5Si-1.0Ti. Diese Legierung ist unter dem Handelsnamen Nivaflex bekannt und wird praktisch von allen europäischen Uhrenherstellern eingesetzt. Für besonders hohe Ansprüche enthält diese Legierung noch 0.2 Gew.% Be. Nach Herstellerangaben (Vacuumschmelze Hanau) erreicht diese Legierung als kaltverformter Draht, 70% kaltverformt, eine Streckgrenze von 1690 MPa und eine Zugfestigkeit von 2115 MPa. Nach Aushärtung 2 h 550°C erhöht sich die Streckgrenze auf 2155 MPa, die Zugfestigkeit auf 2695 MPa.
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Es sind verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen worden, die Gangreserve im Vergleich zu der Standardlegierung Nivaflex zu erhöhen. In der
US 2009/0303842 A1 wurde vorgeschlagen, amorphe Metalle als Uhrentriebfeder zu verwenden. Diese haben zwar eine hohe Festigkeit, ~3000 MPa, jedoch einen niedrigen Elastizitätsmodul, ~130 GPa, und eine geringe Plastizität.
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In der
EP 2447387 A1 wurde vorgeschlagen, den stickstofflegierten Stahl 1.4452 als Aufzugsfeder zu verwenden. Dieser hat zwar eine hohe Festigkeit jedoch einen niedrigen Elastizitätsmodul, ~190 GPa.
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In der
US 2011/0079944 A1 wurde vorgeschlagen, als Material für Federn eine CoNiCr-Legierung zu verwenden, die enthält 28–42 Gew.% Co, 15–40 Gew.% Ni, 10–27 Gew.% Cr, 3–12 Gew.% Mo, 0.1–1.0 Gew.% Ti, 0.1–26 Gew.% Fe, < 1.5 Gew.% Mn, < 0.1 Gew.% C. Weiter kann diese Legierung noch enthalten: bis zu 3.0 Gew.% Nb, bis zu 5.0 Gew.% W, bis zu 0.5 Gew.% Al, bis zu 0.1 Gew.% Zr, bis zu 0.01 Gew.% B. Vom Uhrenhersteller Seiko wird eine Uhrenfederlegierung von diesem Typ unter dem Handelsnamen SPRON 510 eingesetzt. Sie hat die Zusammensetzung 30.4 Gew.% Ni, 21.0 Gew.% Cr, 10.0 Gew.% Mo, 0.8 Gew.% Ti, 0.5 Gew.% Mn, 2.1 Gew.% Fe, 1.5 Gew.% Nb, 0.018 Gew.% C, Rest Co. Diese Legierung entspricht im wesentlichen der Legierung MP35N, die im medizinischen Bereich z. B. für stents und Zuleitungsdrähte für Herzschrittmacher eingesetzt wird. Diese Legierung muß als „medical alloy” die
Normen ASTM F-562 bzw.
ISO 5832/6 erfüllen. Die Legierung Nivaflex kann ebenfalls als „medical alloy” verwendet werden. Für diese Anwendung muß sie allerdings Be-frei sein. Für diese Legierung gilt die
Norm ASTM F-563 bzw.
ISO 5832/8.
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Die handelsüblichen CoNiCr-Legierungen Nivaflex, SPRON 510, MP35N enthalten als Verarbeitungszusatz Titan. Dieser gewährleistet in diesen Legierungen eine ausreichende Desoxidation der Schmelze und dies gewährleistet eine problemlose Warmverformbarkeit. Ohne diesen Titanzusatz tritt Rissbildung auf.
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Bei Anwesenheit von Titan bilden sich jedoch in der Schmelze Titankarbonitride (Ti(C, N)) wobei C und N aus den eingesetzten Rohstoffen stammen. Bei den in Rede stehenden CoNiCr-Legierungen sind diese grob ausgebildet, ~5 μm, und sind nicht rund sondern kuboid. Beim Drahtziehen und Walzen an dünnere Abmessungen geraten diese Teilchen vermehrt an die Oberfläche und führen aufgrund ihrer hohen Härte zu einem Verschleiß der Ziehsteine bzw. Walzen und als Folge zu Oberflächenfehlern am gezogenen Draht bzw. gewalzten Band. Dies wiederum wirkt sich negativ auf die Ermüdungsfestigkeit aus. Weiter wirken diese harten und kuboidisch ausgebildeten Teilchen als Keime für Rissbildung.
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Es ist nun wünschenswert, das Auftreten von Ti-Karbonitriden zu vermeiden. Außerdem besteht ein Bedarf, die Gangreserve, d. h., die Festigkeit, im Vergleich zum Stande der Technik weiter zu erhöhen.
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In den Druckschriften
US 8 048 369 B2 und
DE 10 2013 104 935 A1 wurde der Vorschlag gemacht, den Ti-Gehalt auf < 0.01 Gew.% zu begrenzen. Damit wird die Bildung von Ti(C, N) verhindert. Da aber Ti zur Desoxidation der Schmelze nicht mehr zur Verfügung steht, müssen andere Methoden der Desoxidation eingesetzt werden. In den o. a. Druckschriften wird vorgeschlagen, die Schmelze mit Ca, Mg, Cer bzw. Cermischmetall zu desoxidieren. Die Desoxidationszusätze müssen im Überschuß gesetzt werden. Bei Titan ist dies kein Problem, das überschüssige, d. h, nicht verbrauchte, Titan wird im Mischkristall gelöst. Bei Verwendung von Ca, Mg, Ce ist dies kritisch, es darf nicht zuviel überschüssiges Ca, Mg, Ce vorhanden sein weil diese aufgrund der begrenzten Löslichkeit im Mischkristall nicht mehr gelöst werden können und dann als intermetallische Phasen im Gefüge vorliegen.
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Diese sind ebenfalls nicht erwünscht. Dies bedeutet, dass für jede Schmelze der Sauerstoffgehalt bestimmt werden muß und für diesen Gehalt die passende Menge an Ca, Mg oder Ce gesetzt wird. Dies bedeutet einen erheblichen Aufwand im Fertigungsprozess.
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In der DE 10 2013 104 935 A11 wurde zur Steigerung der Festigkeit vorgeschlagen, die Legierung aufzusticken. Dazu muß die Stickstofflöslichkeit genügend groß sein. Das wichtigste Element, das die Stickstofflöslichkeit erhöht, ist Chrom. Der Chromgehalt muß demnach möglichst hoch sein. In der
DE 10 2013 104 935 A1 wurde ein Chromgehalt < 25 Gew.% vorgesehen. Dieser ist zu niedrig um hohe Anteile an Stickstoff einzubringen. Aus der Arbeit von
Lee, Nomura und Chiba „Significant Improvement in Mechanical Properties of Biomedical CoCrMo Alloys with Combination of N-Additions and Cr-Enrichment", Materials Transactions 49(2008) 260–264 kann man entnehmen, dass die Stickstofflöslichkeit bei 25% Cr sehr niedrig ist.
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In der vorliegenden Erfindung wird gezeigt wie diese Nachteile vermieden werden können.
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Vorgeschlagen wird, in der Legierung nicht nur Stickstoff sondern auch Kohlenstoff interstitiell zu lösen, wobei der Kohlenstoffzusatz primär als Desoxidationszusatz wirkt. Ein Problem mit überschüssigem Kohlenstoff besteht nicht – dieser wird im Mischkristall gelöst.
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Weiter wird vorgeschlagen, einen Chromanteil von 27–32 Gew.% vorzusehen, um die Stickstofflöslichkeit zu erhöhen. Es ist bekannt, dass derartige CoNiCr-Legierungen eine niedrige Stapelfehlerenergie haben, was bei hohen Verformungsgraden zu einer hohen Scherbanddichte führt und dies zu einer Beeinträchtigung der Duktilität und der Biegewechselfestigkeit führt. In der
DE 10 2009 01 442 A1 beispielsweise wurde gezeigt, dass den üblichen Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung Grenzen gesetzt sind. In dieser Druckschrift wurden die Proben hochkaltverformt, ~90%. Die Proben wurden dann auf maximale Festigkeit ausgehärtet. Die Duktilität ist jedoch so niedrig geworden, dass bei einem Zugversuch kein elastischer Bereich mehr auftrat. Eine technische Nutzung dieser Methode zur Festigkeitssteigerung ist daher nicht möglich.
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Es wurde gefunden, dass das in der
DE 10 2009 01 442 A1 angegebene Festigkeitsniveau bei niedrigeren Kaltverformungsgraden erreicht werden kann wenn man die Weichhärte, d. h. die Härte im rekristallisierten Zustand, erhöht auf Werte > 260 HV. In der bekannten Aufzugsfederlegierung Nivaflex wurde die Erhöhung der Weichhärte mit einem Be-Zusatz in Höhe von 0.1–0.3 Gew.% erreicht. Die Weichhärte dieser bekannten CoNiCrMo-Legeirung beträgt 240–260 HV im Vergleich zu 190–210 HV in der Be-freien Legierung. Erfindungsgemäß wird vorgeschlagen, die Weichhärte auf Werte > 260 HV anzuheben. Dies gelingt erfindungsgemäß mit Zusätzen von C + N > 300 ppm. C + N wird interstitiell im Gitter gelöst und dies erhöht durch Mischkristallhärtung besonders stark die Weichhärte. Dadurch wird erreicht, dass das in der
DE 10 2009 01 442 A1 genannte Festigkeitsniveau mit Kaltverformungsgraden < 90% erreicht wird womit die Versprödung der Legierung vermieden wird. Es wurde gefunden, dass im Zugversuch bei den erfindungsgemäßen CoCrNiMo-Legierungen immer noch eine Rp
0.2-Dehngrenze gemessen werden kann was bei den in der
DE 10 2009 01 442 A1 genannten CoNiCrMo-Legierungen nicht der Fall war.
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Ein Stickstoffzusatz wirkt besonders effektiv mischkristallverfestigend. Um diesen Effekt zu nutzen, muß jedoch die Stickstofflöslichkeit genügend hoch sein. In der
DE 10 2013 104 935 A1 wurde versucht, die CONiCrMo-Legierungen aufzusticken was aber nur unzureichend gelang: aufgrund der niedrigen Cr-Gehalte war die Stickstofflöslichkeit zu gering.
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Dieser Nachteil kann vermieden werden, wenn man erfindungsgemäß höhere Chromgehalte wählt. Vorgeschlagen werden 27–32 Gew.%.
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Die CONiCr-Legierungen der
DE 10 2013 104 935 A1 enthalten einen Be-Zusatz in Höhe von 0–0.3 Gew.%. Be ist jedoch giftig. Beim Schmelzen Be-haltiger Legierungen tritt ein Abbrand auf, der in die Atmosphäre gelangt. Die erfindungsgemäßen CoNiCr-Legierungen sind deswegen Be-frei.
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Beispiel 1
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Im Vakuuminduktionsofen wurde eine Legierung erschmolzen mit der Zusammensetzung Co-30Cr-25Ni-8Mo-0.25Fe-0.9Mn-0.4Si-0.08C-0.25N und in eine Rundkokille abgegossen. Der Stickstoff wurde durch Zugabe von Cr2N der Schmelze zugesetzt. Der Rundbolzen wurde bei 1100–1200°C zu Vorziehdraht 6 mm warmgewalzt. Dieser wurde bei 1100 C/2– 4h einer Homogenisierungsglühung unterzogen und in Wasser abgeschreckt. Nach Beizen erfolgte Kaltwalzen an 1.1 mm Durchmesser mit Zwischenglühungen nach Kaltverformungen von 75–90%. Bei dieser Abmessung erfolgte die letzte Zwischenglühung im Durchlauf bei 1100–1150°C und Abschrecken in Wasser. Der Draht wurde an 0.60 mm Durchmesser gezogen was einer Kaltverfestigung von 70% entspricht. Im Zugversuch wurden die mechanischen Eigenschaften ermittelt:
Härte nach letzter Zwischenglühung: 290 HV10
Kaltverformt (70% KV)
Rp0.2 = 2310 MPa
Rm = 2450 MPa
Dehnung Al50 = 1%
E-Modul: 230 GPa
Nach Aushärtung 2 h 550°C
Rp0.2 = 2550 MPa
Rm = 2750 MPa
Dehnung Al50 = 0.2%
E-Modul: 240 GPa
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Im Zugversuch konnte noch eine Dehngrenze gemessen werden.
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Beispiel 2
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Im Vakuuminduktionsofen wurde eine Legierung erschmolzen mit der Zusammensetzung Co-31Cr-30Ni-12W-0.30Fe-0.9Mn-0.4Si-0.07C-0.30N. Die Verarbeitung erfolgte wie in Beispiel 1. Im Zugversuch wurden folgende Eigenschaften ermittelt:
Härte nach letzter Zwischenglühung: 300 HV10
Kaltverformt (70% KV)
Rp0.2 = 2390 MPa
Rm = 2510 MPa
Dehnung Al50 = 1%
E-Modul: 235 GPa
Nach Aushärtung 2 h 600°C
Rp0.2 = 2620 MPa
Rm = 2850 MPa
Dehnung Al50 = 0.2%
E-Modul: 245 GPa
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Nach Aushärtung konnte noch eine Dehngrenze gemessen werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2859149 [0005, 0007]
- GB 745106 [0005]
- US 2009/0303842 A1 [0008]
- EP 2447387 A1 [0009]
- US 2011/0079944 A1 [0010]
- US 8048369 B2 [0014]
- DE 102013104935 A1 [0014, 0016, 0021, 0023]
- DE 10200901442 A1 [0019, 0020, 0020, 0020]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Krüger in der Zeitschrift für Metallkunde, Bd. 51, 1960, S. 35–40 [0002]
- Normen ASTM F-562 [0010]
- ISO 5832/6 [0010]
- Norm ASTM F-563 [0010]
- ISO 5832/8 [0010]
- Lee, Nomura und Chiba „Significant Improvement in Mechanical Properties of Biomedical CoCrMo Alloys with Combination of N-Additions and Cr-Enrichment”, Materials Transactions 49(2008) 260–264 [0016]