DE102014014332B3 - Vorrichtung und Verfahren zur kontrollierten Splitterbildung mittels temperaturaktivierbarer Kerbladungen - Google Patents
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- F42B1/02—Shaped or hollow charges
Abstract
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur kontrollierten Zerlegung der Hülle eines Gefechtskopfes, wobei durch Ausnutzen des Hohlladungseffektes die Hülle in den betroffenen Bereichen erheblich geschwächt und/oder penetriert wird, so dass sich in der Folge Splitter gewünschter Größe bilden können.
Description
- 1. Technisches Problem
- Aktuelle und vermutlich auch künftige Einsatzszenarien erfordern grundsätzlich eine hohe Flexibilität beim Einsatz von Flugkörpern, Geschossen und Bomben, sofern diese gegen Ziele am Boden oder in Bodennähe eingesetzt werden sollen und sich insbesondere in einem urbanen Umfeld befinden können.
- Hierfür wurden u. a. Wirksystemkonzepte vorgeschlagen, in denen mit Hilfe zweier Initiierungseinrichtungen zur kontrollierten Deflagration sowie zur klassischen Detonation der Sprengladung eine flexible Leistungssteuerung ermöglicht wird. Damit lassen sich verschiedene Wirkmodi realisieren, von der reinen Deflagration als kleinster Wirkung über zeitlich versetzte, kombinierte Reaktionsmechanismen als Zwischenwirkungen bis hin zur Detonation mit der größten Wirkung.
- Bei subdetonativen Outputmodi, insbesondere im kleinsten Modus der Deflagration der Sprengladung, treten vergleichsweise große Splitter bei der Zerlegung der Hülle auf, was auf geringe quasistatische Drücke zurückzuführen ist. Daraus ergeben sich zwei Nachteile. Zum einen ist in diesen Fällen die Splitterdichte gering, so dass militärische Ziele, selbst wenn sie sich im Nahbereich befinden, nicht getroffen und beschädigt oder zerstört werden können. Zum anderen erhöhen große Splittermassen in Kombination mit kleinen Splittergeschwindigkeiten die Schadensbereiche des Gefechtskopfes, was insbesondere bei nicht kämpfenden/militärischen Personen und Objekten unerwünscht sein kann. Damit vergrößern sich die sogenannten Kollateralschadensbereiche.
- Die Größe und Form der Splitter hängt neben der Sprengladung und dessen Anzündung im Wesentlichen vom L/D-Verhältnis des Gefechtskopfes und den Materialeigenschaften der Gefechtskopfhülle ab. Dies sind die Wandstärke und quasistatische Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Streckgrenze und Bruchdehnung. Die infolge der Expansion der Hülle in Umfangsrichtung auftretenden Spannungen führen zu typischen Scherbrüchen. Insbesondere bei Metallen mit geringer Zugfestigkeit und duktilem Verhalten (hohe Streckgrenze und Bruchdehnung) und/oder zylindrischen Hüllen können die Hüllensplitter sehr lang sein und sich auch über die gesamte Länge der Gefechtskopfhülle erstrecken.
- Passive Maßnahmen zur kontrollierten Splitterzerlegung wie die Schwächung der Gefechtskopfhülle und/oder zusätzliche inerte Einlagen zwischen Hülle und Sprengladung funktionieren nur bedingt. Hinzu kommt, dass solche Maßnahmen in Fällen nicht anwendbar sein können, in denen eine vorgegebene Hülle genutzt werden muss und/oder aus Kompatibilitätsgründen Änderungen von aerodynamischen Eigenschaften und/oder physikalischen Eigenschaften (wie Schwerpunkt, Massen und Trägheitsmomenten) der Hülle nicht möglich sind. Dies schließt praktisch die Anwendung derartig geschilderter passiver Maßnahmen von vornherein aus.
- Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist daher eine Vorrichtung, die auch bei den im kleinsten Outputmodus auftretenden Drücken eine kontrollierte Splitterbildung ermöglicht. Damit können die Splittermassen signifikant reduziert und gleichzeitig die Splitterdichte erhöht werden. Dadurch lassen sowohl die Wirkung gegen militärische Ziele im Nahbereich verbessern als auch gleichzeitig Kollateralschadensbereiche reduzieren.
- 2. Stand der Technik
- Die vorliegende Erfindung baut z. T. auch auf bekannter Technik auf und/oder steht mit den nachfolgenden Patentschriften im Zusammenhang:
Es ist bekannt, verschiedene Vorrichtungen bei Gefechtsköpfen einzusetzen, um auch bei subdetonativen Outputs mit signifikant kleineren Drücken als bei einer Detonation die Gefechtskopf- oder Munitionshülle kontrolliert in Splitter einer gewünschten Größe und Masse zu zerlegen. - Passive Maßnahmen wie Kerben in der Außenhülle sind in Abhängigkeit von der Kerbtiefe und dem Hüllenmaterial nur bedingt erfolgreich, was sich in oftmals größeren Splittern als beabsichtigt äußert.
- Passive Maßnahmen in Form von verschiedenen Einlagen zwischen Gefechtskopfhülle und Sprengladung wie Diamantmuster-Einlagen, Loch-Einlagen, und Kerbringen führen zu ähnlichen Schwierigkeiten bei der kontrollierten Zerlegung der Außenhülle. Allerdings funktionieren manche Einlagen derart gut, dass sie kleine, zusätzliche Splitter generieren, die die Wirkung insbesondere gegen weiche Ziele im Nahbereich verbessern können.
- Insgesamt zeigt sich, dass eine gute Trennung der Splitter in Umfangsrichtung möglich ist, wie sie infolge der Expansion der Hülle auch bei geringen quasistatischen Drücken und Aufweitungsgeschwindigkeiten wie im kleinsten Wirkmodus auftreten können. Problematisch ist vor allem die Zerlegung in axialer Richtung, insbesondere bei unvorteilhaften Materialeigenschaften und Hüllenformen. Dies zeigt sich besonders an den Hüllenenden, wo typischerweise die Zerlegung schlechter funktioniert als in der Hüllenmitte mit größeren Reaktionsgeschwindigkeiten und -drücken.
- DE 101 15 011 950 C1 – Verfahren und Vorrichtung zur Entschärfung von Munition
- In dieser Patentanmeldung wird eine Vorrichtung zur kontrollierten Zerlegung der Hülle eines Gefechtskopfes beschrieben, welche eine als Kerbladung ausgeführte Hohlladung aufweist, die mittels Beaufschlagung mit einer Temperatur aktivierbar ist.
- DE 30 16 861 A1 – Munition mit einer Hülle zur Splitterbildung
- In dieser Druckschrift werden ausführlich verschiedene Methoden zur kontrollierten Zerlegung einer Hülle eines Gefechtskopfes beschrieben. Insbesondere wird die Verwendung von Kerbladungen angesprochen. Auch der Einsatz von inerten Materialien für die kontrollierte Bildung von Splittern unterschiedlicher Größe wird erwähnt.
- Allerdings ist anzumerken, dass der Einsatz von Metallen wie z. B. Stählen hoher Festigkeit und spröden Eigenschaften (geringe Streckgrenze und Bruchdehnung) und/oder konvex gekrümmten Hüllenformen bereits zu kleineren Splittern führt. Dies liegt daran, dass dann die Zerlegung in axialer Richtung besser funktioniert.
- US 8272330 B1 – Selectable Size Fragmentation Warhead
- Hier wird auf ein Paar von zylindrischen Linern abgestellt, die auch verdrehbar sein können. Als Material wird Kunststoff angegeben. Es werden verschiedene geometrische Formen als Öffnungen angegeben. Wie bei P700464 ergibt sich das Problem, dass die Drücke bei Kombination mit Initiiereinrichtungen zur Erzeugung subdetonativer Outputmodi typischerweise zu klein sind, um die äußere Hülle kontrolliert zu zerlegen. Dies gilt insbesondere im kleinsten Wirkmodus mit der Deflagration der Sprengladung.
- US 8272329 B1 – Selectable Lethality Warhead Patterned Hole Fragmentation Insert Sleeves
- In diesem Patent wird explizit auf runde Öffnungen abgestellt, wobei mindestens drei Einlagen in den Ansprüchen genannt werden, die wiederum verdrehbar sein können. Es gelten die gleichen Nachteile wie zuvor genannt.
- US 8276520 B1 – Adaptive Fragmentation Mechanism to Enhance Lethality
- Hier werden Ringeinlagen beschrieben, die bei detonativer Umsetzung mit einem Hohlladungseffekt die Außenhülle zerlegen. Hierbei ist anzumerken, dass die Wirkung bei deflagrativer/subdetonativer Umsetzung zu keinem Hohlladungseffekt führt, da der deflagrative Reaktionsmechanismus keine Schockfront mit hohen Drücken erzeugt.
- 3. Lösungsmöglichkeiten und technische Merkmale der Erfindung
- Die quasistatischen Drücke, die bei einer Deflagration auftreten, hängen von den Raten der Energiedissipation im Vergleich zur Energieerzeugung ab. Hierbei spielt auch die Verdämmung des Gefechtskopfes durch seine Hülle und eventuelle Deckel, konstruktive Maßnahmen zur Entlüftung sowie auch die Ausgangstemperatur der Sprengladung des Gefechtskopfes und seiner Umgebung eine Rolle.
- Aufgabengemäß soll die im Rahmen der Erfindung vorgeschlagene Vorrichtung besonders das axiale Zerlegen der Hülle in kürzere und insgesamt leichtere Splitter signifikant verbessern.
- Gemäß der vorgeschlagenen Lösung werden Kerbladungen (auch als Sprengstoffkerben, Schneidladungen oder lineare Hohlladungen bekannt) vorgeschlagen, die sich auf der Innenseite der Hülle befinden. Durch Ausnutzen des Hohlladungseffektes wird die Hülle in den betroffenen Bereichen erheblich geschwächt und/oder penetriert, so dass sich in der Folge kleinere Splitter bilden können. Beispiele möglicher Querschnitte der Kerbladungen sind in
1 angegeben, wobei sich diese nicht notwendigerweise darauf beschränken. - Derartige Kerbladungen funktionieren jedoch nicht in ihrer Standardausführung (wie in
1 gezeigt), da im Fall der subdetonativen Umsetzung der Sprengladung üblicherweise keine Detonationsfront mit entsprechend hohen Reaktionsgeschwindigkeiten und -drücken auftritt. Genau für diesen Fall soll eine Lösung vorgeschlagen werden, die eine sichere Initiierung der Kerbladungen ermöglicht. - Als Lösung dieser Aufgabe wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, dass die vorgenannten Kerbladungen temperaturaktivierbar ausgeführt werden. Dabei wird ausgenutzt, dass eine mehrphasige Reaktionszone bestehend aus Flammen- und Druckfront, wie sie bei einer Verbrennungs- oder auch Deflagrationsreaktion typischerweise auftritt, zu hohen Temperaturen von mehreren 1000 K führt.
- Die Kerbladungen werden dabei so ausgeführt, dass eine thermisch aktivierbare Anzündladung infolge der ablaufenden Reaktion den Druck lokal erhöht und in der Kerbladung nach einer vom verwendeten Sprengstoff und Initiierungsdruck abhängigen Anlaufstrecke letztlich zu einer schockinitiierten, selbständigen Reaktion führt. Sobald diese Detonationsfront auf das der Hülle zugewandte Ende der Kerbladung trifft, kollabiert diese und führt zu einer lokalen Schwächung der Hülle in Form einer Kerbwirkung. Die Auskerbung kann zusätzlich auch über eine Einlage aus einem Metall, Kunststoff oder beliebig anderem inerten Material bestehen. Zudem sind reaktive Einlagen möglich.
- Zur geschickten Erhöhung des Initierungsdruckes und damit auch Reduktion der Baulänge kann die Vorrichtung mit einem inerten Material verdämmt sein. Eine geschickte Kombination des Sprengstoffes der Kerbladung und ihrer Verdämmung kann dazu führen, dass auf eine Anzündladung verzichtet werden kann.
- Des Weiteren kann die Vorrichtung mit einer einzelnen oder mehreren Dämpfungsschichten aus inerten Materialien mit schockdämpfenden Eigenschaften umgeben sein, um eine unerwünschte sympathetische Initiierung der Sprengladung zu vermeiden. Dies hilft wiederum, die IM-Eigenschaften bei thermischen Stimuli zu verbessern.
-
2 zeigt den Querschnitt der Kerbladung mit Anzündladung, Verdämmungs- und Dämpfungsschichten, die vor einer äußeren Hülle angeordnet und in eine Hauptladung eingebettet ist. - Diese Kerbladungen können schließlich axial, quer und/oder schräg zur Gefechtskopfachse einzeln oder mehrere in parallelen und/oder sich kreuzenden Lagen angeordnet sein, um Splitter einer gewünschten Größe und Masse zu erzeugen. Beispiele derartiger Anordnungen sind in
3 zu finden, die an einem zylindrischen Gefechtskopf dargestellt sind. Daneben sind aber auch beliebige andere Formen, wie beispielsweise konvex geformte Gefechtsköpfe, wie sie typischerweise bei Bomben, Artillerie- und Mörsergeschossen angewendet werden, möglich.
Claims (2)
- Verfahren zur kontrollierten Zerlegung einer Hülle eines Gefechtskopfes, dadurch gekennzeichnet, dass eine Kerbladung, der eine Anzündladung vorgeschaltet ist, mittels Beaufschlagung durch eine hohe Temperatur und unter Ausnutzung eines DDT-Effektes (Deflagration-to-Detonation Transition) detonativ umgesetzt wird, wobei mittels Kerbwirkung die Hülle derart geschwächt wird, dass eine kontrollierte Zerlegung in Splitter ermöglicht wird.
- Verfahren zur kontrollierten Zerlegung einer Hülle eines Gefechtskopfes, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzündladung mittels eines heißen Gases anzündbar ist.
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