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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs. Ferner betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Computerprogramm und ein Computerprogrammprodukt.
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Bei abstandsbezogenen Fahrgeschwindigkeitsregelsystemen (zum Beispiel ACC, Adaptive Cruise Control) erfolgt eine Geschwindigkeitsregelung in Abhängigkeit von einem Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug. Dabei wird in einer sogenannten Freifahrt eine vom Fahrer vorgegebene Soll-Geschwindigkeit oder in einer sogenannten Folgefahrt ein vom Fahrer vorgegebener Soll-Abstand (weg- oder zeitbezogen) zum vorausfahrenden Fahrzeug auf der eigenen Spur eingehalten. Ein Einscheren eines vorausfahrenden Fahrzeugs auf die von dem nachfolgenden Fahrzeug genutzte Fahrspur wird von solch einem System jedoch in vielen Fällen erst sehr spät erkannt.
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Die Aufgabe, die der Erfindung zu Grunde liegt, ist es, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs sowie ein Computerprogramm und ein Computerprogrammprodukt zu schaffen, die einen Beitrag leisten, eine Zuverlässigkeit eines Fahrerassistenzsystems zu erhöhen.
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Die Aufgabe wird gelöst durch die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.
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Gemäß einem ersten Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Verfahren zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs. Hierbei wird abhängig von einer bereitgestellten aktuellen Position des Fahrzeugs sowie abhängig von zumindest zwei bereitgestellten Zielpositionen für das Fahrzeug und abhängig von einem bereitgestellten Fahrzustand des Fahrzeugs in der aktuellen Position jeweils eine kostenoptimale Trajektorie von der aktuellen Position zu der jeweiligen Zielposition ermittelt abhängig von einer vorgegebenen Optimierungsvorschrift. Die Optimierungsvorschrift umfasst eine vorgegebene Zielkostenfunktion und ein vorgegebenes dynamisches Fahrzeugmodell für das Fahrzeug. Des Weiteren wird abhängig von ersten Ableitungen oder höheren Ableitungen jeweiliger Minimalzielkostenfunktionen, die die Kosten der jeweiligen kostenoptimalen Trajektorien repräsentieren, ermittelt, auf welche der Zielpositionen das Fahrzeug sich voraussichtlich hinbewegt.
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Die Optimierungsvorschrift ist vorzugsweise derart parametriert, dass sie einen durchschnittlichen Fahrer nachbildet, also eine Optimaltrajektorie generiert, die von einem Anfangszustand zu einem Zielzustand einen sehr ähnlichen Trajektorienverlauf aufweist, wie ein von einem menschlichen Verkehrsteilnehmer erzeugter Trajektorienverlauf. Solche Parameter für die Optimierungsvorschrift werden beispielsweise abhängig von erfassten und/oder aufgezeichneten Messwerten und Erfahrungswerten während einer oder mehrerer Fahrten ermittelt, bei denen das Fahrzeug jeweils von einem oder verschiedenen Fahrern gesteuert wird.
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Der Fahrzeuglenker wird als Optimierer angesehen, der sich für eine von mehreren Hypothesen, zum Beispiel für einen Spurwechsel, ein Abbiegen oder ein Anhalten, entschieden hat und damit eine bestimmte Intention verfolgt und gemäß einer Optimaltrajektorie das Fahrzeug dorthin führt, zum Beispiel durch geeignetes Bremsen und/oder Gasgeben und/oder Lenken und/oder Blinken und so weiter.
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Beispielsweise wird zu einer Programmlaufzeit jeweils die kostenoptimale Trajektorie für jede mögliche Hypothese vom aktuellen (gemessenen/beobachteten) Fahrzustand berechnet und deren Kosten bis zur Zielposition (cost-to-go) überwacht. Die Kosten der kostenoptimalen Trajektorie zu der Zielposition, die der Fahrzeuglenker tatsächlich ansteuert, nehmen merklich schneller ab, als die Kosten zu den anderen Zielen.
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Vorteilhafterweise ermöglicht dies, eine Änderung einer Fahrzeugbewegung, zum Beispiel ein Linksabbiegen des Fahrzeugs, sehr früh zu erkennen, so dass erforderliche Fahrzeugreaktionen, zum Beispiel ein Abbremsen, wenn ein anderes Fahrzeug entgegenkommt, weniger heftig ausgeführt werden können. Mittels eines Vergleichs einer Änderung der jeweiligen Minimalzielkosten bis zur jeweiligen Zielposition kann ein aktuelles vom Fahrzeuglenker des Fahrzeugs angestrebtes Optimierungsziel geschlossen werden, womit dessen Absicht detektierbar ist.
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Insbesondere kann abhängig von der ersten Ableitung beziehungsweise den jeweiligen Gradienten der Zielkostenfunktionen erkannt werden, wann eine der Hypothesen verworfen werden kann.
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Das dynamische Fahrzeugmodell kann ein zeitdiskretes oder zeitkontinuierliches Modell sein. Das dynamische Fahrzeugmodell ist ausgebildet, eine Bewegung des Fahrzeugs zu beschreiben. Abhängig von dem Fahrzeugmodell können Stellgrößen berechnet werden, die die Bewegung des Fahrzeugs beeinflussen oder vorgeben. Die Zielkostenfunktion umfasst beispielsweise Integralkosten, das heißt summarische Kosten, die auf dem Weg zur Zielposition entstehen, und Endkosten, das heißt Kosten am Ziel oder in der Nähe vom Ziel. Die Zielkostenfunktion kann insbesondere ein Zielkostenfunktional umfassen.
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Gemäß einem zweiten Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Verfahren zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs. Hierbei wird abhängig von einer bereitgestellten aktuellen Position eines benachbarten Fahrzeugs in einer vorgegebenen Umgebung des Fahrzeugs sowie abhängig von zumindest zwei bereitgestellten Zielpositionen für das benachbarte Fahrzeug und abhängig von einem bereitgestellten Fahrzustand des benachbarten Fahrzeugs in der aktuellen Position jeweils eine kostenoptimale Trajektorie von der aktuellen Position zu der jeweiligen Zielposition ermittelt abhängig von einer vorgegebenen Optimierungsvorschrift. Die Optimierungsvorschrift umfasst eine vorgegebene Zielkostenfunktion und ein vorgegebenes dynamisches Fahrzeugmodell für das benachbarte Fahrzeug. Ferner wird abhängig von ersten Ableitungen oder höheren Ableitungen jeweiliger Minimalzielkostenfunktionen, die die Kosten der jeweiligen kostenoptimalen Trajektorien repräsentieren, ermittelt, auf welche der Zielpositionen das benachbarte Fahrzeug sich voraussichtlich hinbewegt.
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Vorteilhafterweise ermöglicht dies, eine Änderung einer Fahrzeugbewegung, zum Beispiel ein Einscheren eines benachbarten Fahrzeugs auf die Fahrspur des Fahrzeugs, sehr früh zu erkennen, so dass erforderliche Fahrzeugreaktionen, zum Beispiel ein Abbremsen, weniger heftig ausgeführt werden können. Mittels eines Vergleichs einer Änderung der jeweiligen Minimalzielkosten bis zur jeweiligen Zielposition kann ein aktuelles vom Fahrzeuglenker des benachbarten Fahrzeugs angestrebtes Optimierungsziel geschlossen werden, womit dessen Absicht detektierbar ist.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des ersten und zweiten Aspekts wird abhängig von der ermittelten voraussichtlichen Zielposition ein Warnsignal in dem Fahrzeug ausgegeben und/oder eine Änderung des Fahrzustandes des Fahrzeugs veranlasst. Durch das frühzeitige Erkennen, welche Zielposition das Fahrzeug beziehungsweise das benachbarte Fahrzeug tatsächlich ansteuert, kann ein Eingreifen des Fahrerassistenzsystem frühzeitiger erfolgen und eine Kollision und/oder ein Unfall in vielen Fällen vermieden werden. Aktuelle Notbremssysteme greifen überwiegend erst dann ein, wenn der Fahrzeuglenker des Fahrzeugs keine andere Möglichkeit hat, eine Kollision zu vermeiden. Für ein Notbremssystem ist es dann häufig zu spät, so dass nur noch eine Kollisionsfolgenminderung erzielt werden kann. Durch das frühzeitige Erkennen, welche Zielposition das Fahrzeug beziehungsweise das benachbarte Fahrzeug tatsächlich ansteuert, kann ein Eingreifen des Notbremsassistenten frühzeitiger erfolgen und eine Kollision vermieden werden. Das Eingreifen des Notbremssystem und/oder weiterer Fahrerassistenzsysteme kann früher erfolgen, da sogenannte Fehlwarnungen und/oder Fehlbremsungen und/oder Fehlfahrzeugeingriffe durch die Intentionserkennung weitestgehend vermieden werden können. Vorteilhafterweise ermöglicht dies eine vorausschauende Fahrweise beim hochautomatisierten Fahren.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des ersten und zweiten Aspekts umfasst der Fahrzustand des Fahrzeugs beziehungsweise des benachbarten Fahrzeugs eine Geschwindigkeit und/oder einen Radlenkwinkel und/oder eine Radlenkwinkelrate und/oder eine Bewegungsrichtung des Fahrzeugs beziehungsweise des benachbarten Fahrzeugs. Der Fahrzustand ist vorzugsweise eine Vektorgröße und umfasst vorzugsweise die für das Fahrzeugmodell notwendigen Eingangsgrößen zum Ermitteln von Stellgrößen.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des ersten und zweiten Aspekts umfasst die Optimierungsvorschrift zumindest eine vorgegebene Nebenbedingung für eine Fahrzeugbewegung des Fahrzeugs beziehungsweise des benachbarten Fahrzeugs. Die jeweilige Nebenbedingung kann auch als Restriktion bezeichnet werden. Bei der oder den Nebenbedingungen handelt es sich vorzugsweise um harte Bedingungen beziehungsweise Vorgaben, die bei dem Ermitteln der jeweiligen kostenoptimalen Trajektorie zwingend einzuhalten sind. Insbesondere handelt sich dabei beispielsweise um einen maximal möglichen Lenkwinkel und/oder eine maximale Lenkwinkelrate beziehungsweise Lenkmomente und/oder eine maximale Geschwindigkeit des Fahrzeugs beziehungsweise des benachbarten Fahrzeugs.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des ersten und zweiten Aspekts umfasst die Optimierungsvorschrift eine vorgegebene nichtlineare Zielkostenfunktion und/oder eine vorgegebene nichtlineare Nebenbedingung. Vorteilhafterweise ermöglicht dies, die jeweiligen kostenoptimalen Trajektorien sehr präzise und/oder zuverlässig zu ermitteln. Eine lineare Kostenfunktion und/oder eine lineare Nebenbedingung kann auch genutzt werden, jedoch ist hierbei problemabhängig nicht immer sichergestellt, dass eine lineare Formulierung gefunden wird.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des ersten und zweiten Aspekts wird die jeweils kostenoptimale Trajektorie ermittelt mittels eines modellprädiktiven Regelalgorithmus. Vorzugsweise wird die jeweils kostenoptimale Trajektorie ermittelt mittels eines nichtlinearen modellprädiktiven Regelungsalgorithmus. Vorteilhafterweise ermöglicht dies, die jeweiligen kostenoptimalen Trajektorien sehr präzise und/oder zuverlässig zu ermitteln.
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Gemäß einem dritten Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch eine Vorrichtung zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs, die ausgebildet ist, ein Verfahren gemäß dem ersten und/oder dem zweiten Aspekt auszuführen. Vorteilhafte Ausgestaltungen des ersten und zweiten Aspekts gelten hierbei auch für den dritten Aspekt.
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Gemäß einem vierten Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Computerprogramm zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs, wobei das Computerprogramm ausgebildet ist, das Verfahren zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs gemäß dem ersten und/oder des zweiten Aspekts oder eine vorteilhafte Ausgestaltung des Verfahrens gemäß dem ersten Aspekt beziehungsweise dem zweiten Aspekt auf einer Datenverarbeitungsvorrichtung durchzuführen.
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Gemäß einem fünften Aspekt zeichnet sich die Erfindung aus durch ein Computerprogrammprodukt, das ausführbaren Programmcode umfasst, wobei der Programmcode bei Ausführung durch eine Datenverarbeitungsvorrichtung das Verfahren zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem eines Fahrzeugs gemäß dem ersten Aspekt und/oder dem zweiten Aspekt oder einer vorteilhaften Ausgestaltung des Verfahrens gemäß dem ersten beziehungsweise dem zweiten Aspekt ausführt.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind im Folgenden anhand der schematischen Zeichnungen erläutert.
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Es zeigen:
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1a und 1b ein sehr vereinfachtes Anwendungsbeispiel für die Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem,
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2a und 2b Zielkostenfunktionen und eine jeweilige erste Ableitung der Zielkostenfunktionen,
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3 eine schematische Darstellung einer ersten Verkehrssituation,
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4 ein beispielhaftes Ablaufdiagramm für ein Programm zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation,
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5 zeitliche Verläufe einer ersten und zweiten Zielkostenfunktion für die erste Verkehrssituation und
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6 eine schematische Darstellung einer zweiten Verkehrssituation.
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Elemente gleicher Konstruktion oder Funktion sind figurenübergreifend mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
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1a zeigt ein sehr vereinfachtes Anwendungsbeispiel für die Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation für ein Fahrerassistenzsystem.
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Ein Umfeld des Fahrzeugs F wird hierbei mittels eines Gitters beschrieben. Dazu wird das Umfeld eines Fahrzeuges F in Gitterzellen unterteilt und jeder Zelle wird ein Merkmal oder mehrere Merkmale zur Umfeldbeschreibung zugeordnet. Das Fahrzeug F wird in diesem vereinfachten Fall als punktuelles Objekt OBJ modelliert. Die schraffierten Gitterzellen repräsentieren beispielsweise ein Hindernis NA.
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Das Fahrzeug F bewegt sich entlang eines Pfades, der mittels gestrichelter Gitterzellen gekennzeichnet ist. Dies ist jedoch für das Fahrerassistenzsystem so nicht bekannt. Für das Fahrerassistenzsystem ist zunächst nur der Pfad bis zu einer aktuellen Position des Fahrzeugs F bekannt, der weitere Teil des Pfades ist ihm nicht bekannt. Es gibt nun zwei Hypothesen für eine jeweilige Zielposition ZH1, ZH2 des Objekts OBJ. Eine erste Hypothese ist, dass die mit Z1 gekennzeichnete Gitterzelle das Ziel ist, auf die sich das Objekt OBJ zubewegt. Eine zweite Hypothese ist, dass die mit Z2 gekennzeichnete Gitterzelle das Ziel ist, auf die sich das Objekt OBJ zubewegt. Zu jedem Zeitschritt werden die Kosten für das Erreichen beider Zielpositionen ZH1, ZH2 bestimmt (cost-to-go), wobei, wie in 1b veranschaulicht, vereinfachend angenommen wird, dass das Objekt OBJ sich nur nach oben, unten, nach rechts und links bewegen kann und hierbei immer dieselben Bewegungskosten anfallen.
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In 2a sind zugehörige Minimalzielkostenfunktionen C1min, C2min für die beiden Zielpositionen ZH1, ZH2 gezeigt und in 2b eine jeweilige erste Ableitung G1min, G2min der Minimalzielkostenfunktionen C1min, C2min. Mithilfe der ersten Ableitung G1min, G2min der Minimalzielkostenfunktionen C1min, C2min kann bereits in dem mit X gekennzeichnete Gitterzelle erkannt werden, dass die Zielposition ZH1 die Zielposition ist, auf das sich das Objekt OBJ zubewegt. Zu einem Zeitpunkt TX, wenn die mit X gekennzeichnete Gitterzelle erreicht ist, ändert sich der Gradient der Minimalzielkostenfunktion C2min der zweiten Hypothese.
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3 zeigt eine schematische Darstellung einer ersten Verkehrssituation, bei der das Verfahren zur Bereitstellung einer prognostizierten Fahrzeugbewegung für eine Kollisionswarnung nutzbar ist, zum Beispiel für einen Kreuzungsassistenten.
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An Kreuzungen besteht wegen der Überschneidung der Fahrwege ein erhöhtes Unfallrisiko. Besonders im urbanen Bereich stellen Kreuzungen wegen der teilweise unübersichtlichen Verhältnisse und dem hohen Verkehrsaufkommen eine erhebliche Gefährdungsquelle dar. Ein Kreuzungsassistent ist ein Fahrerassistenzsystem, das Gefahren, welche von anderen Fahrzeugen ausgehen, erkennt, den Fahrer darauf aufmerksam macht und gegebenenfalls in die Fahrzeugsteuerung eingreift, um einen Unfall zu vermeiden.
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Für ein Warnkonzept bei einer drohenden Kollision ist es vorteilhaft, möglichst früh und verlässlich zu bestimmen, ob das eigene Fahrzeug F oder das andere Fahrzeug abbiegt oder geradeaus weiterfährt.
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3 zeigt ein Trajektorien-Diagramm für ein Fahrzeug F, das sich auf eine Kreuzung zu bewegt. Das Fahrzeug F befindet sich in einer aktuellen Position P. Die Kreuzung umfasst eine Geradeausspur und eine Rechtsabbiegespur. Ein Fahrzeugführer hat somit die Wahl, entweder geradeaus zu fahren oder nach rechts abzubiegen.
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Das Fahrerassistenzsystem ist beispielsweise ausgebildet zur Erkennung der Kreuzung. Das Erkennen der Kreuzung erfolgt beispielsweise abhängig von vorgegebenen digitalen Kartendaten. Alternativ oder zusätzlich ist es möglich, dass die Erkennung der Kreuzung abhängig von vorgegebenen Umfeldsensordaten ermittelt wird. Das Fahrzeug F weist hierzu beispielsweise eine Umfeldsensordatenerfassungseinrichtung auf, zum Beispiel eine Bilderfassungseinrichtung.
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Das Fahrerassistenzsystem ist beispielsweise ausgebildet, abhängig von einer vorgegebenen Umgebung des Fahrzeugs F zumindest zwei mögliche Zielpositionen ZH1, ZH2 des Fahrzeugs F zu ermitteln.
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Eine erste Zielposition ZH1 wird beispielsweise für eine mögliche Geradeausfahrt des Fahrzeugs F ermittelt und eine zweite Zielposition ZH2 für ein mögliches Abbiegen des Fahrzeugs F.
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Diese von dem Fahrerassistenzsystem ermittelten Daten werden beispielsweise einem Programm zur Bereitstellung einer prognostizierten Fahrzeugbewegung zugeführt.
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4 zeigt ein beispielhaftes Ablaufdiagramm für das Programm zur Bereitstellung einer prädiktiven Fahrzeugbewegungsinformation. Das Programm wird in einem Schritt S10 gestartet, beispielsweise durch ein Triggersignal des Fahrerassistenzsystems.
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In einem Schritt S12 werden die aktuelle Position P und die erste und zweite Zielposition ZH1, ZH2 eingelesen sowie ein aktueller Fahrzeugzustand des Fahrzeugs F, den das Fahrzeug F in der aktuellen Position P aufweist. Der Fahrzeugzustand wird beispielsweise von einer oder verschiedenen Steuervorrichtungen des Fahrzeugs F erfasst und/oder ermittelt und für das Programm bereitgestellt.
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Der Fahrzeugzustand umfasst beispielsweise eine Geschwindigkeit und/oder einen Radlenkwinkel und/oder eine Radlenkwinkelrate und/oder eine Bewegungsrichtung des Fahrzeugs F.
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In einem Schritt S14 wird abhängig von der bereitgestellten aktuellen Position P des Fahrzeugs F sowie abhängig von zumindest zwei bereitgestellten Zielpositionen ZH1, ZH2 für das Fahrzeug F und abhängig von dem bereitgestellten Fahrzustand des Fahrzeugs F jeweils eine kostenoptimale Trajektorie Trj1, Trj2 von der aktuellen Position P zu der jeweiligen Zielposition ZH1, ZH2 ermittelt abhängig von einer vorgegebenen Optimierungsvorschrift. Die Optimierungsvorschrift umfasst hierbei eine vorgegebene Zielkostenfunktion und ein vorgegebenes dynamisches Fahrzeugmodell für das Fahrzeug F.
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Die jeweils kostenoptimale Trajektorie Trj1, Trj2 wird beispielsweise mittels eines modellprädiktiven Regelalgorithmus ermittelt. Beispielsweise wird die jeweils kostenoptimale Trajektorie Trj1, Trj2 ermittelt mittels eines nichtlinearen modellprädiktiven Regelungsalgorithmus. Alternativ oder zusätzlich können jedoch auch andere Optimierungsvorschriften angewendet werden zur Ermittlung der kostenoptimalen Trajektorien Trj1, Trj2.
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Der nichtlineare modellprädiktive Regelalgorithmus umfasst beispielsweise drei Basisschritte. Zunächst wird mit Hilfe des Fahrzeugmodells eine Prädiktion einer Fahrzeugzustandsentwicklung in Abhängigkeit einer Stellgrößenfolge für einen festen endlichen Zeithorizont berechnet.
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Das Fahrzeugmodell kann ein zeitdiskretes oder zeitkontinuierliches dynamisches Modell sein. Der zu regelnde Prozess ist die Bewegung des Fahrzeugs F und die Zustandsentwicklung ist die Entwicklung des Fahrzustandes des Fahrzeugs F zusammen mit einer jeweiligen Position des Fahrzeugs F.
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Die so ermittelte Trajektorie und die verwendete Stellgrößenfolge werden dann mit Hilfe einer Zielkostenfunktion optimiert. Mit Hilfe von (direkten oder indirekten) Optimierungsalgorithmen, zum Beispiel einem Quasi-Newton-Algorithmus, wird nun die Stellgrößenfolge für diesen Zeithorizont bestimmt, die das gegebene Zielfunktional minimiert. Da die resultierende Stellgrößenfolge nur für einen endlichen Zeithorizont bestimmt wurde, wird diese noch erweitert, um den Prozess für unbestimmte Zeit möglichst kostenoptimal zu steuern und zugleich alle Nebenbedingungen zu beachten. Daher wird im zweiten Schritt das erste Element aus dieser Stellgrößenfolge auf den Prozess angewandt. Anschließend wird im dritten Schritt der Optimierungshorizont um die zeitliche Länge der Gültigkeit der implementierten Stellgrößenfolge nach vorne verschoben und der Regelprozess von vorne gestartet. Hierbei können im zweiten Schritt die restlichen Elemente der Stellgrößenfolge entweder gelöscht werden oder als Ausgangspunkt für die Optimierung im darauffolgenden nichtlinearen modellprädiktiven Regelungsschritt dienen.
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Die Optimierungsvorschrift ist vorzugsweise derart parametriert, dass sie einen durchschnittlichen Fahrer nachbildet, also eine Optimaltrajektorie generiert, die von einem Anfangszustand zu einem Zielzustand einen sehr ähnlichen Trajektorienverlauf aufweist, wie ein von einem menschlichen Verkehrsteilnehmer erzeugter Trajektorienverlauf.
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Die in 3 gezeigte erste kostenoptimale Trajektorie Trj1, Trj2 beschreibt den Bewegungsverlauf des Fahrzeugs F unter der hypothetischen Annahme, dass das Fahrzeug F die erste Zielposition ZH1 ansteuert, das heißt abbiegt. Die zweite kostenoptimale Trajektorie Trj2 beschreibt den Bewegungsverlauf des Fahrzeugs F unter der hypothetischen Annahme, dass das Fahrzeug F die zweite Zielposition ZH2 ansteuert, das heißt geradeaus fährt.
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In einem Schritt S16 (4) wird abhängig von ersten Ableitungen G1min, G2min oder höheren Ableitungen jeweiliger Minimalzielkostenfunktionen C1min, C2min, die die Kosten der jeweiligen kostenoptimalen Trajektorien Trj1, Trj2 repräsentieren, ermittelt, auf welche der Zielpositionen ZH1, ZH2 das Fahrzeug F sich voraussichtlich hinbewegt.
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Ist die voraussichtliche Zielposition bekannt, wird diese Bewegungsinformation in einem Schritt S18 an das Fahrerassistenzsystem weitergeleitet.
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Das Fahrerassistenzsystem wertet die Bewegungsinformation aus, insbesondere die ermittelte voraussichtliche Zielposition und gibt gegebenenfalls ein Warnsignal in dem Fahrzeug F aus und/oder veranlasst eine Änderung des Fahrzustandes des Fahrzeugs F.
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In 5 sind die zeitlichen Verläufe einer ersten und zweiten Minimalzielkostenfunktion C1min, C2min gezeigt, die zu der in 3 gezeigten ersten kostenoptimalen Trajektorie Trj1 beziehungsweise zu der zweiten kostenoptimalen Trajektorie Trj2 korrespondieren. Es ist zu erkennen, dass die zweite Minimalzielkostenfunktion C2min (5) ab einem gewissen Zeitpunkt TX einen ansteigenden Verlauf aufweist.
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Ferner sind in 5 jeweils die zeitlichen Verläufe einer ersten Ableitung G1min der ersten Minimalzielkostenfunktion C1min und zweiten Minimalzielkostenfunktion C2min gezeigt. Bis zu einem ersten Zeitpunkt T1 ist der jeweilige Gradientenwert der ersten und zweiten Minimalzielkostenfunktion C1min, C2min klein. Bis zu diesem ersten Zeitpunkt T1 ist noch keine Aussage möglich, welche der Zielpositionen ZH1, ZH2 das Fahrzeug F voraussichtlich ansteuert. Es sind noch beide Zielpositionen möglich. In einem zweiten Zeitpunkt T2 ist der Gradient der zweiten Minimalzielkostenfunktion C2min wesentlich größer als der der ersten Minimalzielkostenfunktion C1min. Zu diesem zweiten Zeitpunkt T2 ist eine Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrzeug F abbiegt, sehr hoch, da der Gradient der zweiten Minimalzielkostenfunktion C2min sehr groß ist.
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6 zeigt eine schematische Darstellung einer zweiten Verkehrssituation, bei der das Verfahren zur Bereitstellung einer prognostizierten Fahrzeugbewegung für eine Kollisionswarnung nutzbar ist, zum Beispiel für abstandsbezogenes Fahrgeschwindigkeitsregelsystem (ACC, Adaptive Cruise Control).
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6 zeigt ein Fahrzeug F, das sich auf einer ersten Fahrspur SP1 bewegt und ein benachbartes Fahrzeug F2, das sich auf einer zu der ersten Fahrspur SP1 benachbarten zweiten Fahrspur SP2 in eine gleiche Fahrtrichtung wie das Fahrzeug F bewegt. Sofern sich das benachbarte Fahrzeug F2 weiterhin auf der zweiten Fahrspur SP2 bewegt, gibt es zunächst keinen Grund für eine Warnung oder einen Eingriff für das abstandsbezogene Fahrgeschwindigkeitsregelsystem, in die Fahrzeugbewegung einzugreifen. Wechselt jedoch das benachbarte Fahrzeug F2 kurzfristig von der zweiten Fahrspur SP2 auf die erste Fahrspur SP1, da ein Fahrzeugführer des benachbarten Fahrzeugs F2 das Fahrzeug F auf der ersten Fahrspur SP1 nicht bemerkt, ist eine heftige Fahrzeugreaktion des Fahrzeugs F auf der ersten Fahrspur SPl erforderlich, beispielsweise eine Notbremsung. Wird jedoch frühzeitig erkannt, dass das benachbarte Fahrzeug F2 auf die erste Fahrspur SP1 einschert, kann der Eingriff des abstandsbezogenen Fahrgeschwindigkeitsregelsystem in die Fahrzeugbewegung weniger heftig sein.
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Das abstandsbezogene Fahrgeschwindigkeitsregelsystem des Fahrzeugs F auf der ersten Fahrspur SP1 ist beispielsweise ausgebildet, die aktuelle Position P des benachbarten Fahrzeugs F2 und die Zielpositionen ZH1, ZH2 des benachbarten Fahrzeugs F2 zu ermitteln. Das abstandsbezogene Fahrgeschwindigkeitsregelsystem ist beispielsweise ausgebildet, abhängig von Mess- und/oder Erfassungsdaten, die beispielsweise von Abstandssensoreinrichtungen des Fahrzeugs F bereitgestellt werden, den Fahrzustand des benachbarten Fahrzeugs F2 zu ermitteln. Alternativ oder zusätzlich ist es möglich, dass von dem benachbarten Fahrzeug F2 ein aktueller Fahrzustand des benachbarten Fahrzeugs F2 zu dem Fahrzeug F übertragen wird, beispielsweise im Rahmen einer Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation.
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Mittels des an Hand von 4 beschriebenen Programms, das andere Eingangsdaten nutzt, oder eines weiteren Programms kann die prädiktive Fahrzeugbewegungsinformation für das Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs F, insbesondere das abstandsbezogene Fahrgeschwindigkeitsregelsystem, bereitgestellt werden.
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Hierbei wird abhängig von einer bereitgestellten aktuellen Position P eines benachbarten Fahrzeugs F2 in einer vorgegebenen Umgebung des Fahrzeugs F sowie abhängig von den zumindest zwei bereitgestellten Zielpositionen ZH1, ZH2 für das benachbarte Fahrzeug F2 und abhängig von dem bereitgestellten Fahrzustand des benachbarten Fahrzeugs F2 in der aktuellen Position P jeweils eine kostenoptimale Trajektorie Trj1, Trj2 von der aktuellen Position P zu der jeweiligen Zielposition ZH1, ZH2 ermittelt abhängig von einer vorgegebenen Optimierungsvorschrift. Die Optimierungsvorschrift umfasst eine vorgegebene Zielkostenfunktion und ein vorgegebenes dynamisches Fahrzeugmodell für das benachbarte Fahrzeug F2. Ferner wird abhängig von den ersten Ableitungen G1imin, G2min oder höheren Ableitungen der jeweiligen Minimalzielkostenfunktionen C1min, C2min, die die Kosten der jeweiligen kostenoptimalen Trajektorien Trj1, Trj2 repräsentieren, ermittelt, auf welche der Zielpositionen ZH1, ZH2 das benachbarte Fahrzeug F2 sich voraussichtlich hinbewegt.
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Vorteilhafterweise ermöglicht dies ein komfortableres Regelverhalten des abstandsbezogenen Fahrgeschwindigkeitsregelsystems.
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Bezugszeichenliste
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- C1min, C2min
- Minimalzielkostenfunktion
- F
- Fahrzeug
- F2
- benachbartes Fahrzeug
- G1min, G2min
- erste Ableitung der Minimalzielkostenfunktion
- NA
- Hindernis
- OBJ
- Objekt
- P
- aktuelle Position
- SP1, SP2
- erste und zweite Fahrspur
- S10, ..., S20
- Programmschritte
- T1, T2
- erster und zweiter Zeitpunkt
- Trj1, Trj2
- optimale Trajektorie
- TX
- Zeitpunkt
- ZH1, ZH2
- Zielposition