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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern eines Kraftfahrzeugs, ein Steuergerät für ein System zum Steuern eines Kraftfahrzeugs, ein Kraftfahrzeug sowie ein Computerprogramm zur Durchführung des Verfahrens.
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Eine der Hauptherausforderungen für Fahrassistenzsysteme, die eine Längsbewegung und eine Querbewegung eines Kraftfahrzeugs teilweise automatisiert steuern, und vor allem für vollständig automatisiert fahrende Kraftfahrzeuge besteht darin, eine konkrete Situation, in der sich das Kraftfahrzeug befindet, zu analysieren und basierend darauf entsprechende sinnvolle Fahrmanöver für das Kraftfahrzeug herzuleiten.
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Die Komplexität der Berechnung der Fahrmanöver steigt im Allgemeinen mit der Zeitdauer der einzelnen Fahrmanöver an. Sollen verschiedene, mögliche Fahrmanöver für einen längeren Zeitraum, beispielsweise länger als drei Sekunden, bestimmt werden oder handelt es sich um komplexe Fahrmanöver mit mehreren Spurwechseln, so sind bisher bekannte Verfahren oft nicht mehr in der Lage, diese in Echtzeit zu ermitteln.
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Eine besondere Herausforderung stellt dabei dar, dass es in beinahe jeder Verkehrssituation sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt, wie das Kraftfahrzeug gesteuert werden kann. Die verschiedenen Möglichkeiten können sich stark voneinander unterscheiden, beispielsweise hinsichtlich der benötigten Fahrzeit. Vor allem bei dichtem Verkehr sind die bisher bekannten Verfahren oft nicht mehr in der Lage, aus den verschiedenen Möglichkeiten, das Kraftfahrzeug zu steuern, die passende auszuwählen.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren sowie ein Steuergerät für ein System zum Steuern eines Kraftfahrzeugs bereitzustellen, bei dem die Nachteile aus dem Stand der Technik verbessert sind.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Steuern eines Kraftfahrzeugs, das auf einer Straße in einer momentanen Fahrspur fährt, wobei die Straße wenigstens eine weitere Fahrspur aufweist, die zur momentanen Fahrspur des Kraftfahrzeugs benachbart ist. Das Verfahren weist die folgenden Schritte auf: Wenigstens ein mögliches Fahrmanöver für das Kraftfahrzeug wird generiert und/oder empfangen. Ein Kostenfunktional wird bestimmt, wobei das Kostenfunktional dem wenigstens einen möglichen Fahrmanöver einen Kostenfaktor zuordnet. Wenigstens eine zeitvariante Nebenbedingung wird bestimmt und/oder empfangen. Das Kostenfunktionals wird unter der wenigstens einen zeitvarianten Nebenbedingung extremiert und das mögliche Fahrmanöver wird auf Basis des extremierten Kostenfunktionals angepasst, sodass ein Ziel-Fahrmanöver erhalten wird.
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Unter einem „Fahrmanöver“ ist dabei und im Folgenden stets auch eine entsprechende Raum-Zeit-Trajektorie zu verstehen, die das Fahrmanöver in einem Koordinatensystem mit im Allgemeinen zwei Raumdimensionen und einer Zeitdimension beschreibt. Dementsprechend ordnet das Kostenfunktional jeder dieser Raum-Zeit-Trajektorien einen entsprechenden Kostenfaktor zu.
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Bei dem Ziel-Fahrmanöver handelt es sich um dasjenige Fahrmanöver, welches das Kostenfunktional extremiert. Anders ausgedrückt hat das Kostenfunktional beim Ziel-Fahrmanöver zumindest ein lokales Extremum, insbesondere ein globales Extremum. Dementsprechend handelt es sich beim Ziel-Fahrmanöver um ein Fahrmanöver, das gegenüber ähnlichen möglichen Fahrmanövern optimiert ist, insbesondere um ein optimales Fahrmanöver, das gegenüber allen anderen möglichen Fahrmanövern optimiert ist.
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Im Folgenden ist unter einem „optimierten Fahrmanöver“ stets ein solches Fahrmanöver zu verstehen, dessen zugeordnete Raum-Zeit-Trajektorie das Kostenfunktional zumindest lokal extremiert, insbesondere global extremiert.
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Erfindungsgemäß werden beim Extremieren des Kostenfunktionals, also beim Optimieren des Fahrmanövers, zeitvariante Nebenbedingungen berücksichtigt. Dadurch wird die momentane Straßenverkehrssituation, in der sich das Kraftfahrzeug befindet, bei der Optimierung des Fahrmanövers berücksichtigt. Dementsprechend kann mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens in jeder Straßenverkehrssituation in Echtzeit ein passendes Fahrmanöver für das Kraftfahrzeug generiert werden.
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Anders ausgedrückt handelt es sich bei den Nebenbedingungen nicht um zeitlich statische Nebenbedingungen, sondern vielmehr um Nebenbedingungen, die sich mit der Zeit ändern und die momentane und/oder die zukünftige Verkehrssituation beschreiben, in der sich das Kraftfahrzeug befindet.
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Beispielsweise fließt wenigstens ein Straßenverkehrsparameter in die zeitvariante Nebenbedingung ein, der die aktuelle Verkehrssituation beschreibt. Bei dem wenigstens einen Straßenverkehrsparameter kann es sich um einen oder mehrere der folgenden Größen handeln: eine momentane oder eine zukünftige Position des Kraftfahrzeugs, eine momentane oder eine zukünftige Position wenigstens eines weiteren Verkehrsteilnehmers, eine momentane oder eine zukünftige Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs, eine momentane oder eine zukünftige Geschwindigkeit des wenigstens einen weiteren Verkehrsteilnehmers, eine prognostizierte Raum-Zeit-Trajektorie von wenigstens einem weiteren Verkehrsteilnehmer, eine momentane Geschwindigkeitsbegrenzung und/oder eine Änderung der Anzahl befahrbarer Spuren.
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In einer Ausgestaltung wird das Kostenfunktional minimiert, um das Ziel-Fahrmanöver zu erhalten. Da der Kostenfaktor umso kleiner ist, je günstiger das entsprechende Fahrmanöver ist, kann so auf einfache Art und Weise das optimale Fahrmanöver, also das Ziel-Fahrmanöver bestimmt werden.
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Es sei darauf hingewiesen, dass bei einer anderen möglichen Definition des Kostenfunktionals, zum Beispiel bei einem mit (-1) multiplizierten Kostenfunktional, das Kostenfunktional maximiert werden muss, um das Ziel-Fahrmanöver zu erhalten. Jedoch entspricht die oben gewählte Definition des Kostenfunktionals, nämlich, dass der Kostenfaktor umso kleiner ist, je günstiger das entsprechende Fahrmanöver ist, dem intuitiven Verständnis eines Kostenfaktors.
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Vorzugsweise umfasst das Kostenfunktional Terme, die einen oder mehrere Aspekte des jeweiligen Fahrmanövers charakterisieren. Beispielsweise umfasst das Kostenfunktional Terme, die einen Fahrkomfort während der Fahrt und/oder eine gewünschte zu erreichende Geschwindigkeit berücksichtigen. Alternativ oder zusätzlich kann das Kostenfunktional Strafterme umfassen, die den Kostenfaktor für vordefinierte Fahrmanöverbestandteile erhöhen. Beispielsweise kann ein Strafterm für Spurwechsel vorgesehen sein, sodass solche Fahrmanöver unterdrückt werden, die viele solcher Spurwechsel erfordern.
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Weiter bevorzugt ist das Kostenfunktional quadratisch im jeweiligen möglichen Fahrmanöver. Genauer gesagt ist das Kostenfunktional quadratisch in der Raum-Zeit-Trajektorie des jeweiligen möglichen Fahrmanövers. Insbesondere umfasst das Kostenfunktional einen quadratischen Term und einen linearen Term.
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Ein Aspekt der Erfindung sieht vor, dass jeweils wenigstens ein, insbesondere jeweils genau ein mögliches Fahrmanöver aus mehreren voneinander verschiedenen Fahrmanöverklassen generiert und/oder erhalten wird, wobei zu jedem möglichen Fahrmanöver ein Ziel-Fahrmanöver bestimmt wird. Dementsprechend wird für jede der Fahrmanöverklassen, aus denen ein Fahrmanöver erhalten oder generiert wird, jeweils wenigstens ein Ziel-Fahrmanöver bestimmt, insbesondere genau ein Ziel-Fahrmanöver. Dadurch wird für jede der verschiedenen Fahrmanöverklassen ein zugeordnetes, optimiertes Fahrmanöver erhalten.
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Anders ausgedrückt werden also voneinander konzeptionell verschiedene Fahrmanöver, also die Fahrmanöver aus unterschiedlichen Fahrmanöverklassen, jeweils optimiert. Dadurch werden mehrere voneinander konzeptionell verschiedene Ziel-Fahrmanöver erhalten. Dabei bedeutet „konzeptionell verschieden“ beispielsweise, dass die entsprechenden Raumzeit-Trajektorien der Fahrmanöver nicht zueinander homotop sind, also nicht stetig ineinander überführt werden können, ohne ein Hindernis zu überschreiten.
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Beispielsweise unterscheiden sich die einzelnen Fahrmanöverklassen in der zeitlichen Reihenfolge, in der einzelne weitere Verkehrsteilnehmer überholt werden und/oder in der zeitlichen Reihenfolge, in der einzelne weitere Verkehrsteilnehmer am Kraftfahrzeug in Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs oder in Gegenrichtung am Kraftfahrzeug vorbeifahren.
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Die Fahrmanöverklassen sind vorzugsweise disjunkt, das heißt jedes Fahrmanöver kann nur genau einer Fahrmanöverklasse zugeordnet sein. Fahrmanöver aus zwei verschiedenen Fahrmanöverklassen unterscheiden sich dementsprechend durch eine oder mehrere charakteristische Größen, welche die wesentlichen Merkmale des jeweiligen Fahrmanövers beschreiben.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung wird eines der Ziel- Fahrmanöver ausgewählt und das Kraftfahrzeug wird gemäß dem ausgewählten Ziel-Fahrmanöver gesteuert, insbesondere wobei das eine der Zielmanöver basierend auf vordefinierten Kriterien ausgewählt wird. Das Kraftfahrzeug wird dabei basierend auf dem ausgewählten Ziel-Fahrmanöver wenigstens teilweise automatisch gesteuert, insbesondere vollautomatisch.
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Die vordefinierten Kriterien können ab Werk im Kraftfahrzeug hinterlegt sein und/oder können vom Fahrer des Kraftfahrzeugs angepasst werden. Beispielsweise umfassen die vordefinierten Kriterien eine oder mehrere der folgenden Größen: eine maximale Zeitdauer des Fahrmanövers, eine maximale und/oder eine minimale Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs, eine maximal auftretende Längsbeschleunigung des Kraftfahrzeugs, und/oder eine maximal auftretende Querbeschleunigung des Kraftfahrzeugs.
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Alternativ oder zusätzlich kann vorgesehen sein, dass ein entsprechend trainiertes Maschinenlernmodul eines der Ziel-Fahrmanöver auswählt, wobei das Kraftfahrzeug gemäß dem ausgewählten Ziel-Fahrmanöver gesteuert wird.
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Ferner können die vordefinierten Kriterien von einem gewählten Fahrmodus des Kraftfahrzeugs abhängen. So könnte in einem Sportmodus zum Beispiel mehr Wert auf eine geringe Dauer des Fahrmanövers gelegt werden, während hohe auftretende Beschleunigungen weniger negativ bewertet werden.
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Vorzugsweise werden die mehreren voneinander verschiedenen Ziel-Fahrmanöver dabei an ein Entscheidungs-und Steuerungsmodul des Kraftfahrzeugs übertragen, das vollautomatisch eines der Ziel-Fahrmanöver auswählt und das Kraftfahrzeug basierend auf dem ausgewählten Ziel-Fahrmanöver wenigstens teilweise automatisiert steuert, insbesondere vollautomatisch.
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In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird die wenigstens eine zeitvariante Nebenbedingung basierend auf der Fahrmanöverklasse bestimmt. Die zeitvarianten Nebenbedingungen werden dementsprechend individuell an die jeweilige Fahrmanöverklasse angepasst, sodass die Besonderheiten der Fahrmanöver aus den jeweiligen Fahrmanöverklassen berücksichtigt werden.
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Die wenigstens eine zeitvariante Nebenbedingung kann eine Sicherheitsbedingung, eine Komfortbedingung und/oder eine Machbarkeitsbedingung umfassen. Ein Beispiel für eine Machbarkeitsbedingung ist, ob das Kraftfahrzeug einen bestimmten Raum-Zeit-Bereich aufgrund einer maximalen Beschleunigung oder einer maximalen Verzögerung des Kraftfahrzeugs überhaupt erreichen kann. Ein Beispiel für eine Komfortbedingung ist, ob die Beschleunigung in Längs- und/oder Querrichtung einen vordefinierten Grenzwert übersteigt, der von Fahrzeuginsassen erfahrungsgemäß als unangenehm empfunden wird. Ein Beispiel für eine Sicherheitsbedingung ist ein einzuhaltender Mindestabstand von anderen Verkehrsteilnehmern oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung.
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Insbesondere umfasst die wenigstens eine Sicherheitsbedingung einen vorbestimmten räumlichen Sicherheitsabstand und/oder einen vorbestimmten zeitlichen Sicherheitsabstand. Dabei ist unter einem „zeitlichen Sicherheitsabstand“ ein Zeitraum zu verstehen, in dem sich das Fahrzeug ausgehend vom momentanen Zeitpunkt definitiv noch kollisionsfrei bewegen kann, auch wenn das Kraftfahrzeug seinen Bewegungszustand nicht ändert, also beispielsweise nicht bremst. Dieser Zeitraum kann auch als „Zeit bis zur Kollision“ bezeichnet werden.
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Dabei entspricht ein räumlicher Sicherheitsabstand stets auch einem zeitlichen Sicherheitsabstand, wobei der zeitliche Sicherheitsabstand jedoch von der aktuellen Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs abhängt. Genauer gesagt ergibt sich der zeitliche Sicherheitsabstand als Quotient aus dem räumlichen Sicherheitsabstand und der momentanen Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs.
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Vorzugsweise werden zur Bestimmung der wenigstens einen zeitvarianten Nebenbedingung die folgenden Schritte durchgeführt:
- - Ermitteln freier Bereiche und/oder belegter Bereiche, die durch andere Verkehrsteilnehmer belegt sind, zumindest in der momentanen Fahrspur des Kraftfahrzeugs und in der wenigstens einen weiteren Fahrspur, wobei die freien Bereiche und die belegten Bereiche räumlich-zeitliche Bereiche sind; und
- - Bestimmen der wenigstens einen zeitvarianten Nebenbedingung basierend auf den ermittelten freien Bereichen und/oder den ermittelten belegten Bereichen.
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Eine oder mehrere Nebenbedingungen ergeben sich automatisch durch die oben genannten Verfahrensschritte. Beispielsweise ist offensichtlich, dass sich das Kraftfahrzeug nicht in einem belegten räumlich-zeitlichen Bereich aufhalten soll, da dies einem Crash entspricht. Jedoch können basierend auf den ermittelten belegten Bereichen und/oder den ermittelten freien Bereichen auch noch weitere zeitvariante Nebenbedingungen ermittelt werden.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung sieht vor, dass die zeitvariante Nebenbedingung einen minimalen Abstand zu einem Rand eines freien Bereichs und/oder einen minimalen Abstand zu einem belegten Bereich an einem vordefinierten Zeitpunkt umfasst, insbesondere wobei der minimale Abstand für das wenigstens eine mögliche Fahrmanöver zu mehreren vordefinierten Zeitpunkten berücksichtigt wird. Bei dem minimalen Abstand kann es sich um einen räumlichen Abstand und/oder um einen zeitlichen Abstand handeln. Anders ausgedrückt umfasst die zeitvariante Nebenbedingung also einen räumlichen Sicherheitsabstand und/oder einen zeitlichen Sicherheitsabstand von belegten Bereichen.
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In einer weiteren Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der minimale Abstand basierend auf einer Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs zum vordefinierten Zeitpunkt, insbesondere unter Berücksichtigung eines vorbestimmten räumlichen Sicherheitsabstandes und/oder basierend auf einem vorbestimmten zeitlichen Sicherheitsabstand bestimmt. Insbesondere wird der minimale Abstand mit steigender Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs erhöht. Auf diese Weise wird unter anderem der längere Bremsweg bei höheren Geschwindigkeiten berücksichtigt.
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Insbesondere wird jeweils wenigstens ein der momentanen Fahrspur entsprechendes Raum-Zeit-Polygon, wenigstens ein der wenigstens einen weiteren Fahrspur entsprechendes Raum-Zeit-Polygon und wenigstens ein den belegten Bereichen entsprechendes Raum-Zeit-Polygon bestimmt, wobei aus den bestimmten Raum-Zeit-Polygonen den freien Bereichen der beiden Spuren entsprechende Raum-Zeit-Polygone mittels Polygonclipping ermittelt werden, insbesondere wobei diejenigen Polygone, die den belegten Bereichen entsprechen, jeweils aus den Polygonen entfernt werden, die einer der beiden Fahrspuren entsprechen, um die freien Bereiche zu ermitteln. Die Ermittlung der freien Bereiche bzw. der belegten Bereiche wird also auf eine geometrische Operation reduziert, die sehr schnell und ressourcenschonend durchgeführt werden kann. Dadurch wird Rechenzeit bei der Ermittlung der zeitvarianten Nebenbedingungen eingespart.
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Eine Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass zumindest die momentane Fahrspur und/oder die wenigstens eine weitere Fahrspur in ein Frenet-Serret-Koordinatensystem transformiert werden bzw. wird. In diesem Koordinatensystem ist jede Straße krümmungsfrei, sodass unabhängig von einem tatsächlichen Verlauf der Straße jede Straßenverkehrssituation auf die gleiche Art und Weise behandelt werden kann.
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Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein Steuergerät für ein System zum Steuern eines Kraftfahrzeugs oder für ein Kraftfahrzeug, wobei das Steuergerät dazu ausgebildet ist, ein oben beschriebenes Verfahren durchzuführen. Hinsichtlich der Vorteile und Merkmale wird auf die obigen Erläuterungen bezüglich des Verfahrens verwiesen, die entsprechend auch für das Steuergerät gelten.
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Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein Kraftfahrzeug mit einem oben beschriebenen Steuergerät. Hinsichtlich der Vorteile und Merkmale wird auf die obigen Erläuterungen bezüglich des Verfahrens verwiesen, die entsprechend auch für das Kraftfahrzeug gelten.
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Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein Computerprogramm mit Programmcodemitteln, um die Schritte eines oben beschriebenen Verfahrens durchzuführen, wenn das Computerprogramm auf einem Computer oder einer entsprechenden Recheneinheit ausgeführt wird, insbesondere einer Recheneinheit eines oben beschriebenen Steuergeräts. Hinsichtlich der Vorteile und Merkmale wird auf die obigen Erläuterungen bezüglich des Verfahrens verwiesen, die entsprechend auch für das Computerprogramm gelten.
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Unter „Programmcodemitteln“ sind dabei und im Folgenden computerausführbare Instruktionen in Form von Programmcode und/oder Programmcodemodulen in kompilierter und/oder in unkompilierter Form zu verstehen, die in einer beliebigen Programmiersprache und/oder in Maschinensprache vorliegen können.
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Weitere Vorteile und Eigenschaften der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und den beigefügten Zeichnungen, auf die Bezug genommen wird. In diesen zeigen:
- - 1 schematisch eine Straßenverkehrssituation;
- - 2 ein schematisches Blockschaltbild eines erfindungsgemäßen Systems zum Steuern eines Kraftfahrzeugs;
- - 3 ein Ablaufdiagramm der Schritte eines erfindungsgemäßen Verfahren;
- - die 4(a) und 4(b) schematisch eine Straße vor einer Transformation in ein Frenet-Serret-Koordinatensystem bzw. die Straße nach einer Transformation in ein Frenet-Serret-Koordinatensystem; und
- - die 5 bis 10 jeweils eine Illustration einzelner Schritte des erfindungsgemäßen Verfahrens von 3.
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In 1 ist schematisch eine Straßenverkehrssituation gezeigt, in der ein Kraftfahrzeug 10 auf einer Straße 12 in einer momentanen Fahrspur 14 fährt. Neben der momentanen Fahrspur 14 verläuft eine weitere Fahrspur 16.
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Auf der Straße 12 fahren außerdem ein erster weiterer Verkehrsteilnehmer 18 sowie ein zweiter weiterer Verkehrsteilnehmer 20 in der momentanen Fahrspur 14 bzw. in der weiteren Fahrspur 16. Im gezeigten Beispiel handelt es sich bei den weiteren Verkehrsteilnehmern 18, 20 um Personenkraftwagen, es könnte sich jedoch auch um Lastkraftwagen, Krafträder oder um beliebige andere Verkehrsteilnehmer handeln.
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Zwischen der momentanen Fahrspur 14 und der weiteren Fahrspur 16 liegt eine Spurwechselzone 21, die teilweise mit der momentanen Fahrspur 14 und der weiteren Fahrspur 16 überlappt.
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Durch die gestrichelten Linien 22 und 24 ist angedeutet, dass der erste weitere Verkehrsteilnehmer 18 in naher Zukunft plant, von der momentanen Fahrspur 14 über die Spurwechselzone 21 in die weitere Fahrspur 16 zu wechseln bzw. dass der zweite weitere Verkehrsteilnehmer 20 in naher Zukunft plant, von der weiteren Fahrspur 16 über die Spurwechselzone in die momentane Fahrspur 14 des Kraftfahrzeugs 10 zu wechseln. Dies zeigen die weiteren Verkehrsteilnehmer 18, 20 zum Beispiel durch Verwendung des entsprechenden Fahrtrichtungsanzeigers an.
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Zudem ist in 1 ein Koordinatensystem mit einer Längsachse und einer Normalenachse gezeigt, wobei die Längsachse eine Längsrichtung L definiert und wobei die Normalenachse eine Querrichtung N definiert. Der Ursprung des Koordinatensystems liegt in Längsrichtung L an der momentanen Position der Spitze des Kraftfahrzeugs 10 und, in Längsrichtung L gesehen, am rechten Straßenrand.
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Bei diesem speziellen Koordinatensystem, das auch im Folgenden verwendet wird, handelt es sich um ein straßenfestes Koordinatensystem, das sich also folglich nicht mit dem Kraftfahrzeug 10 mitbewegt. Natürlich kann aber auch ein beliebiges, anderes Koordinatensystem verwendet werden.
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Wie in 2 gezeigt ist, weist das Kraftfahrzeug 10 ein System 26 zum Steuern des Kraftfahrzeugs 10 auf. Das System 26 umfasst mehrere Sensoren 28 und zumindest ein Steuergerät 30.
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Die Sensoren 28 sind vorne, hinten und/oder seitlich am Kraftfahrzeug 10 angeordnet und dazu ausgebildet, die Umgebung des Kraftfahrzeugs 10 zu erfassen, entsprechende Umgebungsdaten zu generieren und diese an das Steuergerät 30 weiterzuleiten. Genauer gesagt erfassen die Sensoren 28 Informationen zumindest über die momentane Fahrspur 14, die weitere Fahrspur 16 und über die weiteren Verkehrsteilnehmer 18, 20.
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Bei den Sensoren 28 handelt es sich jeweils um eine Kamera, um einen Radarsensor, um einen Abstandssensor, um einen LIDAR-Sensor und/oder um eine beliebige andere Art von Sensor, die dazu geeignet ist, die Umgebung des Kraftfahrzeugs 10 zu erfassen.
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Alternativ oder zusätzlich kann zumindest einer der Sensoren 28 als Schnittstelle zu einem Leitsystem ausgebildet sein, das wenigstens dem gezeigten Abschnitt der Straße 12 zugeordnet und dazu ausgebildet ist, Umgebungsdaten über die Straße 12 und/oder über die weiteren Verkehrsteilnehmer an das Kraftfahrzeug 10 und/oder an die weiteren Verkehrsteilnehmer 18, 20 zu übermitteln. Der eine Sensor 28 kann in diesem Fall als Mobilfunkkommunikationsmodul ausgeführt sein, zum Beispiel zur Kommunikation gemäß dem 5G Standard.
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Allgemein ausgedrückt verarbeitet das Steuergerät 30 die von den Sensoren 28 erhaltenen Umgebungsdaten und steuert das Kraftfahrzeug 10 basierend auf den verarbeiteten Umgebungsdaten wenigstens teilweise automatisiert, insbesondere vollautomatisch. Auf dem Steuergerät 30 ist also ein Fahrassistenzsystem implementiert, das eine Querbewegung und/oder eine Längsbewegung des Kraftfahrzeugs 10 wenigstens teilweise automatisiert steuern kann, insbesondere vollautomatisch.
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Zu diesem Zweck ist das Steuergerät 30 dazu ausgebildet, die im Folgenden anhand der 3 bis 10 erläuterten Verfahrensschritte durchzuführen. Genauer gesagt umfasst das Steuergerät 30 einen Datenträger 32 und eine Recheneinheit 34, wobei auf dem Datenträger 32 ein Computerprogramm gespeichert ist, das auf der Recheneinheit 34 ausgeführt wird und das Programmcodemittel umfasst, um die Schritte des im Folgenden erläuterten Verfahrens durchzuführen.
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Zunächst wird die Straße 12, genauer gesagt ein auf den von den Sensoren 28 erhaltenen Umgebungsdaten basierendes Abbild der momentanen Fahrspur 14 und der weiteren Fahrspur 16 in ein Frenet-Serret-Koordinatensystem transformiert (Schritt S1).
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Der Schritt S1 ist in 4 illustriert. 4 (a) zeigt die Straße 12, wie sie tatsächlich verläuft. Im gezeigten Beispiel weist die Straße, in Längsrichtung L gesehen, eine Krümmung nach links auf. Durch eine lokale Koordinatentransformation wird die Straße 12 in das Frenet-Serret-Koordinatensystem transformiert, in dem die Straße 12 keine Krümmung mehr aufweist, wobei das Ergebnis dieser Transformation in 4 (b) gezeigt ist. Wie klar zu erkennen ist, verläuft die Straße 12 in diesem Koordinatensystem gerade und ohne Krümmung entlang der Längsrichtung L.
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Als nächstes werden freie Bereiche Bf und belegte Bereiche Bb in der momentanen Fahrspur 14 und in der weiteren Fahrspur 16 ermittelt (Schritt S2), wobei es sich bei den freien Bereichen Bf und bei den belegten Bereichen Bb jeweils um räumlich-zeitliche Bereiche handelt.
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Dabei sind die freien Bereiche Bf diejenigen räumlich-zeitlichen Bereiche, die frei von den anderen Verkehrsteilnehmern 18, 20 und anderen Hindernissen sind, die ein Befahren der jeweiligen Fahrspur 14, 16 verhindern.
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Die belegten Bereiche Bb sind hingegen diejenigen räumlich-zeitlichen Bereiche, die durch die anderen Verkehrsteilnehmer 18, 20 und/oder durch andere Hindernisse belegt sind, sodass die belegten Bereiche Bb vom Kraftfahrzeug 10 nicht befahren werden können.
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Um die belegten Bereiche zu ermitteln, benötigt das Steuergerät 30 prognostizierte Trajektorien 22, 24 der weiteren Verkehrsteilnehmer 18, 20. Das Steuergerät 30 kann die Trajektorien 22, 24 selber bestimmen, beispielsweise basierend auf den von den Sensoren 28 erhaltenen Umgebungsdaten, wie der Information, dass ein Richtungsanzeiger eines weiteren Verkehrsteilnehmers 18, 20 aktiviert ist, oder basierend auf per Inter-Fahrzeug-Kommunikation ausgetauschten Daten. Alternativ kann das Steuergerät 30 die Trajektorien 22, 24 direkt von den weiteren Verkehrsteilnehmern 18, 20 oder vom Leitsystem erhalten.
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Wie in 5 anhand des konkreten Beispiels von 1 gezeigt ist, werden die freien Bereiche Bf und die belegten Bereiche Bb zunächst jeweils für die momentane Fahrspur 14 und für die weitere Fahrspur 16 ermittelt, und zwar jeweils in einem t-L-Diagramm, wobei t die Zeit ist.
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In diesem Beispiel startet der erste weitere Verkehrsteilnehmer 18 zum Zeitpunkt t = 1s ein Spurwechselmanöver von der momentanen Fahrspur 14 hin zur weiteren Fahrspur 16, das zum Zeitpunkt t = 5s abgeschlossen ist. In den in 5 gezeigten Diagrammen belegt der erste weitere Verkehrsteilnehmer 18 jeweils den oberen der beiden belegten Bereiche Bb . Während des Spurwechselvorgangs belegt der erste weitere Verkehrsteilnehmer 18 zumindest zeitweise beide Fahrspuren 14, 16.
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Der zweite weitere Verkehrsteilnehmer 20 startet zum Zeitpunkt t = 3s ein Spurwechselmanöver von der weiteren Fahrspur 16 hin zur momentanen Fahrspur 14, das zum Zeitpunkt t = 7s abgeschlossen ist. In den in 5 gezeigten Diagrammen belegt der zweite weitere Verkehrsteilnehmer 20 jeweils den unteren der beiden belegten Bereiche Bb .
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Die Steigung der belegten Bereiche Bb entspricht dabei der Geschwindigkeit des entsprechenden weiteren Verkehrsteilnehmers 18 bzw. 20. Im in den 5 bis 10 gezeigten Beispiel ist die Geschwindigkeit der weiteren Verkehrsteilnehmer 18, 20 also konstant.
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Zur Vereinfachung wird dabei die Koordinate in Querrichtung N diskretisiert, sie kann also nur die drei verschiedenen Werte annehmen, die der momentanen Fahrspur 14, der weiteren Fahrspur 16 bzw. der Spurwechselzone 21 entsprechen. Die drei in 5 gezeigten Diagramme sind also jeweils ein t-L-Diagramm für die momentane Fahrspur 14, für die weitere Fahrspur 16, und für die Spurwechselzone 21.
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Dabei entsprechen die schraffierten Abschnitte in den Diagrammen jeweils den belegten Bereichen Bb der jeweiligen Fahrspur 14, 16. Die unschraffierten Abschnitte in den Diagrammen entsprechen hingegen den freien Bereichen Bf der jeweiligen Fahrspur 14, 16.
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Zur Bestimmung der freien Bereiche Bf wird zunächst für jede Fahrspur 14, 16 ein Raum-Zeit-Polygon P14 bzw P16 bestimmt, das der gesamten Fahrspur 14 bzw. 16 vor dem Kraftfahrzeug 10 entspricht, insbesondere dem Anteil der Fahrspuren 14, 16, der in Reichweite der Sensoren 28 liegt. In 5 sind die Polygone P14 und P16 die durch die gestrichelten Linien angedeuteten Vierecke.
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Ferner werden für die beiden Fahrspuren 14, 16 jeweils Raum-Zeit-Polygone P14,b bzw. P16,b ermittelt, welche die belegten Bereichen Bb der jeweiligen Fahrspur 14, 16 umschließen.
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Die freien Bereiche
Bf in der momentanen Fahrspur
14 oder besser gesagt ein Polygon
P14,f , das den freien Bereichen
Bf entspricht, wird dann durch Polygonclipping ermittelt, indem die Polygone
P14,b aus dem Polygon
P14 entfernt werden. Anders ausgedrückt handelt es sich dabei also um die Operation
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Analog dazu werden die freien Bereiche Bf in der weiteren Fahrspur 16 durch Polygonclipping ermittelt, indem die Polygone P16,b aus dem Polygon P16 entfernt werden. Es wird also die Operation P16,f = P16\ P16,b durchgeführt.
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Als nächstes werden, wie in 6 illustriert, die freien Teilbereiche der Spurwechselzone 21 bestimmt (Schritt S3). Dabei ist die Spurwechselzone 21 genau dann frei, wenn sowohl die momentane Fahrspur 14 als auch die weitere Fahrspur 16 frei sind und wenn die Spurwechselzone 21 nicht aus anderen Gründen unbefahrbar ist, beispielsweise aufgrund von Hindernissen oder von einem Überholverbot.
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Daher werden die freien Teilbereiche der Spurwechselzone 21 oder besser gesagt ein Polygon P21,f , das den freien Teilbereichen der Spurwechselzone 21 entspricht, als Schnittmenge der beiden Polygone P14,f und P16,f ermittelt. Ist die Spurwechselzone 21 aufgrund eines Hindernisses oder anderweitig nicht befahrbar, so wird ein entsprechendes Raum-Zeit-Polygon Ph, das den nicht befahrbaren Teilbereich der Spurwechselzone 21 umschließt, ermittelt und aus der oben genannten Schnittmenge entfernt.
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Anders ausgedrückt ergeben sich die freien Teilbereiche
P21,f der Spurwechselzone
21 also durch die Operation
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Nun werden die Diagramme für die momentane Fahrspur 14 und für die weitere Fahrspur 16 jeweils in Zeitstreifen eingeteilt (Schritt S4), wobei bei jedem Ereignis ein neuer Zeitstreifen beginnt. In 7 sind die verschiedenen Zeitstreifen durch vertikale Trennlinien E voneinander getrennt, die jeweils bei einem Ereignis in das Diagramm eingefügt sind. Unter einem Ereignis ist dabei und im Folgenden jegliche Art von Änderung der Belegung der jeweiligen Fahrspur 14, 16 zu verstehen.
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Beginnt oder endet also zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Belegung eines beliebigen Teilbereichs der momentanen Fahrspur 14 oder der weiteren Fahrspur 16, so beginnt im Diagramm für die momentane Fahrspur 14 bzw. für die weitere Fahrspur 16 zu diesem Zeitpunkt ein neuer Zeitstreifen.
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Die Trennlinien E zwischen den einzelnen Zeitstreifen in den Diagrammen für beide Fahrspuren 14, 16 werden zudem auf das Diagramm für die Spurwechselzone 21 übertragen.
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Um eine zwischen den drei Diagrammen für die momentane Fahrspur 14, für die weitere Fahrspur 16 und die Spurwechselzone 21 konsistente Einteilung der Diagramme zu erreichen, werden in den Diagrammen für die momentane Fahrspur 14 und die weitere Fahrspur 16 schräge Trennlinien T eingefügt, die jeweils eine Verlängerung eines der belegten Bereiche Bb darstellen. Diese zusätzlichen schrägen Trennlinien T sind in den 8 bis 10 gezeigt.
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Die vertikalen Trennlinien E, die schrägen Trennlinien T und die belegten Bereiche Bb teilen jedes der drei Diagramme in mehrere Teilbereiche Ti ein, wobei i eine natürliche Zahl größer null ist, die Werte von 1 bis zu einer Gesamtzahl von Teilbereichen Ti annehmen kann.
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Wie in 8 gezeigt ist, wird als nächstes jedem der Teilbereiche Ti der Diagramme für die momentane Fahrspur 14 und für die weitere Fahrspur 16 jeweils ein Spurvertex Vi zugeordnet, während jedem Teilbereich Ti des Diagramms für die Spurwechselzone 21 jeweils ein Wechselzonenvertex Wi zugeordnet wird (Schritt S5). Dabei ist i wiederum eine natürliche Zahl größer null, die Werte von 1 bis zu einer Gesamtzahl von Teilbereichen Ti annehmen kann.
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In 8 sind die Spurvertices Vi und die Wechselzonenvertices Wi jeweils diagrammintern zeitgeordnet, d.h. diejenigen Vertices, die Teilbereichen Ti mit kleineren Zeiten entsprechen, stehen weiter links als diejenigen Vertices, die Teilbereichen Ti mit größeren Zeiten zugeordnet sind.
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Als nächstes werden die Spurvertices Vi der momentanen Fahrspur 14 paarweise durch Kanten verbunden (Schritt S6), genauer gesagt durch gerichtete Kanten, wenn ein Fahrmanöver des Kraftfahrzeugs 10 zwischen den Teilbereichen Ti möglich ist, denen die Spurvertices Vi zugeordnet sind.
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Dabei ist ein Fahrmanöver genau dann als „möglich“ definiert, wenn die beiden Teilbereiche Ti unmittelbar aneinandergrenzen, also nicht durch einen belegten Bereich Bb voneinander getrennt sind. Zudem ist ein Fahrmanöver natürlich stets nur in positiver Zeitrichtung möglich.
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Die gleiche Prozedur wird für die Spurvertices Vi der weiteren Fahrspur 16 und für die Wechselzonenvertices Wi der Spurwechselzone 21 wiederholt.
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Es sei darauf hingewiesen, dass in den 9 und 10 aus Übersichtsgründen die Buchstaben „T“, „V“ und „W“ weggelassen sind. Stattdessen wurden die Teilbereiche und die Vertices einfach mit der entsprechenden Nummer versehen. In den 9 und 10 sind Zahlen also keine Bezugszeichen, sondern stellen den Index des entsprechenden Teilbereichs bzw. des entsprechenden Vertex dar.
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Das Resultat von Schritt S6 ist in 9 gezeigt. Der in Schritt S6 gewonnene Graph enthält bereits alle möglichen Fahrmanöver für das Kraftfahrzeug 10 innerhalb der beiden Fahrspuren 14, 16 und innerhalb der Spurwechselzone 21.
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Als nächstes werden diejenigen Spurvertices Vi der momentanen Fahrspur 14 mit denjenigen Wechselzonenvertices Wi über gerichtete Kanten verbunden, deren zugeordnete Teilbereiche Ti der momentanen Fahrspur 14 bzw. der Spurwechselzone 21 einander überlappen (Schritt S7). Anders ausgedrückt werden diejenigen Spurvertices Vi mit denjenigen Wechselzonenvertices Wi verbunden, deren zugeordnete Teilbereiche Ti eine Schnittmenge haben, die nicht leer ist, wenn man die beiden Diagramme für die momentane Fahrspur 14 und für die Spurwechselzone 21 übereinanderlegt.
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Zudem werden diejenigen Wechselzonenvertices Wi mit denjenigen Spurvertices Vi der weiteren Fahrspur 16 über gerichtete Kanten verbunden, deren zugeordnete Teilbereiche Ti der Spurwechselzone 21 bzw. der weiteren Fahrspur 16 einander überlappen. Es werden also diejenigen Spurvertices Vi mit denjenigen Wechselzonenvertices Wi verbunden, deren zugeordnete Teilbereiche Ti eine Schnittmenge haben, die nicht leer ist, wenn man die beiden Diagramme für die weitere Fahrspur 16 und für die Spurwechselzone 21 übereinanderlegt.
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Anders ausgedrückt werden in Schritt S7 die einzelnen Teilbereiche Ti der freien Bereiche Bf in Wechselbereiche, in denen ein Fahrspurwechsel zwischen den beiden Fahrspuren 14, 16 möglich ist, und in Spurhaltebereiche eingeteilt, in denen ein Fahrspurwechsel zwischen den beiden Fahrspuren 14, 16 nicht möglich ist.
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Das Ergebnis von Schritt S7 ist in 10 gezeigt. Der in Schritt S7 gewonnene Graph enthält alle möglichen Fahrmanöver für das Kraftfahrzeug 10, die einen Wechsel von der momentanen Fahrspur 14 in die weitere Fahrspur 16 beinhalten. Jedes der möglichen Fahrmanöver entspricht dabei einem ununterbrochenen Zug von Kanten im in 10 gezeigten Graphen.
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Die so ermittelten verschiedenen möglichen Fahrmanöver werden dann von einem Optimierungsmodul 36 des Steuergeräts 30 bzw. von einem weiteren Optimierungsmodul des Computerprogramms weiterverarbeitet.
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Das Optimierungsmodul 36 klassifiziert zunächst die möglichen Fahrmanöver in verschiedene Fahrmanöverklassen (Schritt S8).
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Grundsätzlich unterscheiden sich die Fahrmanöverklassen voneinander dahingehend, dass Fahrmanöver aus verschiedenen Fahrmanöverklassen nicht homotop zueinander sind. Anders ausgedrückt können die den Fahrmanövern entsprechende Raum-Zeit-Trajektorien, welche die Bewegung des Kraftfahrzeugs 10 in einem Raum-Zeit-Diagramm beschreiben, nicht stetig durch Deformation ineinander überführt werden, ohne einen der belegten Bereiche Bb zu überschreiten.
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Anschaulich ausgedrückt bedeutet dies, dass das Kraftfahrzeug 10 an verschiedenen Hindernissen, beispielsweise den weiteren Verkehrsteilnehmer 18, 20 oder anderen Hindernissen, in einer anderen zeitlichen Reihenfolge vorbeifährt oder dass weitere Verkehrsteilnehmer in einer anderen zeitlichen Reihenfolge am Kraftfahrzeug 10 in Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs 10 oder in Gegenrichtung vorbeifahren.
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Ferner kann das Kraftfahrzeug 10, zumindest in einer anderen als der in 1 gezeigten Verkehrssituation, andere Verkehrsteilnehmer prinzipiell auch rechts überholen. Ebenso können andere Verkehrsteilnehmer links oder rechts am Kraftfahrzeug 10 vorbeifahren.
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Die einzelnen Varianten unterscheiden sich jeweils dadurch, dass die entsprechenden Raum-Zeit-Trajektorien nicht homotop zueinander sind. Die Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Varianten können auch als charakteristische Größen für die Fahrmanöver bezeichnet werden, welche die wesentlichen Merkmale des jeweiligen Fahrmanövers beschreiben.
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Die Fahrmanöverklassen sind disjunkt, das heißt jedes Fahrmanöver kann nur genau einer Fahrmanöverklasse zugeordnet sein. Fahrmanöver aus zwei verschiedenen Fahrmanöverklassen unterscheiden sich dementsprechend durch wenigstens eine oder mehrere charakteristische Größen.
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Für die Klassifikation reicht es aus, wenn für jedes der möglichen Fahrmanöver eine einzelne Raum-Zeit-Trajektorie erzeugt wird, beispielsweise indem ein einzelner Punkt aus den einzelnen Raum-Zeit-Bereichen, denen ein Spurvertex Vi oder eine Wechselzonenvertex Wi zugeordnet ist, ausgewählt wird und die Punkte dann miteinander verbunden werden. Die resultierende Trajektorie sollte jedoch glatt sein, also keine Knicke oder ähnliches aufweisen. Beispielsweise werden die einzelnen Punkte über Spline-Funktionen miteinander verbunden, um die Raum-Zeit-Trajektorien zu erhalten.
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Zusammenfassend werden in Schritt S8 also die verschiedenen möglichen Fahrmanöver mittels einer Homotopieanalyse der entsprechenden Raum-Zeit-Trajektorien in die Fahrmanöverklassen klassifiziert.
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Nun wird aus jeder der Fahrmanöverklassen ein einzelnes, repräsentatives Fahrmanöver ausgewählt und jedes der repräsentativen Fahrmanöver wird optimiert (Schritt S9), wie im Folgenden detaillierter erläutert wird.
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Das repräsentative Fahrmanöver für jede Fahrmanöverklasse wird dabei basierend auf vordefinierten Kriterien oder zufällig aus den möglichen Fahrmanövern der entsprechenden Fahrmanöverklasse ausgewählt.
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Zur Optimierung der repräsentativen Fahrmanöver wird ein Kostenfunktional F bestimmt, das der Raum-Zeit-Trajektorie
die das jeweilige repräsentative Fahrmanöver beschreibt, einen Kostenfaktor K = F(x) zuordnet.
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Genauer gesagt ist das Kostenfunktional F quadratisch in der Raum-Zeit-Trajektorie x und ist wie folgt definiert:
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Dabei enthalten die Matrix P und der Zeilenvektor qT sämtliche Kostenparameter, die nötig sind, um dem jeweiligen repräsentativen Fahrmanöver den entsprechenden Kostenfaktor zuzuordnen. Ein Fahrmanöver ist dabei umso ungünstiger, je höher der ihm zugeordnete Kostenfaktor ist.
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Genauer gesagt umfasst das Kostenfunktional Kostenparameter, die einen Fahrkomfort während der Fahrt und/oder eine gewünschte zu erreichende Geschwindigkeit berücksichtigen. Alternativ oder zusätzlich umfasst das Kostenfunktional Strafterme, die den Kostenfaktor für vordefinierte Fahrmanöverbestandteile erhöhen. Beispielsweise kann ein Strafterm für Spurwechsel vorgesehen sein, sodass solche Fahrmanöver unterdrückt werden, die viele solcher Spurwechsel erfordern.
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Um das jeweilige mögliche Fahrmanöver zu optimieren, wird das Kostenfunktional extremiert, genauer gesagt minimiert. Es wird also dasjenige Fahrmanöver bestimmt, dessen Raum-Zeit-Trajektorie zu einem lokalen Minimum des Kostenfunktionals führt. Dem optimierten Fahrmanöver ist also ein lokal minimaler Kostenfaktor zugeordnet, insbesondere ein global minimaler Kostenfaktor.
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Das Kraftfahrzeug 10 unterliegt diversen intrinsischen Beschränkungen. Beispielsweise hat das Kraftfahrzeug 10 eine maximale Beschleunigung und eine maximale Verzögerung, die es jeweils nicht überschreiten kann. Außerdem unterliegt das Kraftfahrzeug 10 diversen externen Beschränkungen. Beispielsweise darf es sich nicht am gleichen Ort aufhalten wie ein Hindernis, was einem Crash gleichkommen würde. Ferner gilt auf den meisten Straßen eine Geschwindigkeitsbeschränkung.
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Um die intrinsischen und externen Beschränkungen zu berücksichtigen, werden basierend auf den Beschränkungen Nebenbedingungen ermittelt, unter denen das Kostenfunktional dann minimiert wird. Auf diese Weise wird ein Ziel-Fahrmanöver erhalten, wobei das Ziel-Fahrmanöver das, unter den gegebenen Nebenbedingungen, optimale Fahrmanöver aus der jeweiligen Fahrmanöverklasse darstellt.
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Bei zumindest einer der Nebenbedingungen handelt es sich dabei um eine zeitvariante Nebenbedingung, die individuell für die jeweilige Fahrmanöverklasse bestimmt wird (Schritt S10).
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Die zumindest eine zeitvariante Nebenbedingung wird basierend auf den in Schritten S1 bis S5 ermittelten Raum-Zeit-Polygonen ermittelt, welche die freien Raum-Zeit-Bereiche Bf und die belegten Raum-Zeit-Bereiche Bb sowie die Teilbereiche Ti beschreiben.
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Das Kraftfahrzeug 10 darf sich zu keinem Zeitpunkt in einem der belegten Bereiche Bb aufhalten. Dies allein ist jedoch als Nebenbedingung im Allgemeinen zu schwach, denn normalerweise ist ein gewisser Sicherheitsabstand notwendig.
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Daher wird die wenigstens eine zeitvariante Nebenbedingung derart bestimmt, dass sie einen vorbestimmten zeitlichen und/oder einen vorbestimmten räumlichen Sicherheitsabstand zu den belegten Bereichen Bb umfasst.
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Dabei ist unter einem „zeitlichen Sicherheitsabstand“ ein Zeitraum TTTC zu verstehen, in dem sich das Fahrzeug ausgehend vom momentanen Zeitpunkt definitiv noch kollisionsfrei bewegen kann, auch wenn das Kraftfahrzeug seinen Bewegungszustand nicht ändert, also beispielsweise nicht bremst. Dieser Zeitraum kann auch als „Zeit bis zur Kollision“ bezeichnet werden.
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Dabei entspricht ein räumlicher Sicherheitsabstand stets auch einem zeitlichen Sicherheitsabstand, wobei der zeitliche Sicherheitsabstand jedoch von der aktuellen Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs abhängt. Genauer gesagt ergibt sich der zeitliche Sicherheitsabstand als Quotient aus dem räumlichen Sicherheitsabstand und der momentanen Geschwindigkeit v(t) des Kraftfahrzeugs.
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Die wenigstens eine zeitvariante Nebenbedingung kann dabei allgemein so formuliert werden:
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Zu jedem gegebenen Zeitpunkt t muss die longitudinale Koordinate L der Raum-Zeit-Trajektorie x(t) also einen Mindestabstand von den belegten Bereichen Bb aufweisen, wobei der Mindestabstand von der aktuellen Geschwindigkeit v(t) abhängig ist.
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Dabei ist die zeitvariante Nebenbedingung auch abhängig davon, wo sich das Kraftfahrzeug
10 gerade befindet. Befindet es sich beispielsweise im Teilbereich T
5 (siehe
8), so lautet die entsprechende Nebenbedingung
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Es sei darauf hingewiesen, dass die obere Ungleichung eher konzeptionell als buchstäblich zu verstehen ist. Unter „maxP“ ist dabei zu verstehen, dass das entsprechende Polygon den Teilbereich T5 oberseitig begrenzt.
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Bildlich gesprochen darf sich also das Kraftfahrzeug 10 also auch dann nicht in dem vom Polygon P14,b begrenzten Bereich befinden, wenn das Kraftfahrzeug für die Zeit TTTC seine Bewegung gleichförmig fortsetzt.
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Befindet sich das Kraftfahrzeug hingegen im Teilbereich
T15 , so lautet die zeitvariante Nebenbedingung wie folgt:
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Analog zum oben beschriebenen Fall beschreibt min P16,b(t + TTTC) hier das Polygon, das den Teilbereich T15 unterseitig begrenzt.
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Die zeitvariante Nebenbedingung, unter der das Fahrmanöver optimiert wird, wird also für jede Fahrmanöverklasse und/oder für die einzelnen Teilbereiche Ti individuell bestimmt. Dementsprechend kann sich die zeitvariante Nebenbedingung auch über den Verlauf der Raum-Zeit-Trajektorie hinweg ändern.
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Es können noch weitere Nebenbedingungen vorgesehen sein, beispielsweise eine Sicherheitsbedingung, eine Komfortbedingung und/oder eine Machbarkeitsbedingung. Ein Beispiel für eine Machbarkeitsbedingung ist, ob das Kraftfahrzeug einen bestimmten Raum-Zeit-Bereich aufgrund einer maximalen Beschleunigung oder einer maximalen Verzögerung des Kraftfahrzeugs überhaupt erreichen kann. Ein Beispiel für eine Komfortbedingung ist, ob die Beschleunigung in Längs- und/oder Querrichtung einen vordefinierten Grenzwert übersteigt, der von Fahrzeuginsassen erfahrungsgemäß als unangenehm empfunden wird. Ein Beispiel für eine Sicherheitsbedingung ist ein einzuhaltender Mindestabstand von anderen Verkehrsteilnehmern oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung.
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Zusammenfassend werden also in Schritt S9 voneinander konzeptionell verschiedene Fahrmanöver, also die Fahrmanöver aus unterschiedlichen Fahrmanöverklassen, jeweils unter der wenigstens einer zeitvarianten Nebenbedingung und gegebenenfalls unter weiteren Nebenbedingungen optimiert. Dementsprechend wird für jede der Fahrmanöverklassen das jeweils optimale Fahrmanöver, also jeweils das Ziel-Fahrmanöver, erhalten.
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Das Ergebnis von Schritt S9 ist also ein Satz von optimalen Fahrmanövern aus voneinander verschiedenen Fahrmanöverklassen.
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Es sei darauf hingewiesen, dass die Optimierung in zwei Stufen erfolgen kann, wobei zunächst die longitudinale Trajektorie und dann die transversale Trajektorie des Kraftfahrzeugs 10 optimiert wird.
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Schließlich wird eines der Ziel-Fahrmanöver ausgewählt und das Kraftfahrzeug 10 wird gemäß dem ausgewählten Fahrmanöver vom Steuergerät 30 wenigstens teilweise automatisiert gesteuert, insbesondere vollständig automatisiert (Schritt S11).
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Das Ziel-Fahrmanöver kann basierend auf vordefinierten Kriterien ausgewählt werden. Die vordefinierten Kriterien können ab Werk im Kraftfahrzeug 10 bzw. im Steuergerät 30 hinterlegt sein und/oder können vom Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 angepasst werden. Beispielsweise umfassen die vordefinierten Kriterien eine oder mehrere der folgenden Größen: eine maximale Zeitdauer des Fahrmanövers, eine maximale und/oder eine minimale Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs 10, eine maximal auftretende Längsbeschleunigung des Kraftfahrzeugs 10 und/oder eine maximal auftretende Querbeschleunigung des Kraftfahrzeugs 10.
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Alternativ oder zusätzlich kann vorgesehen sein, dass ein entsprechend trainiertes Maschinenlernmodul eines der Ziel-Fahrmanöver auswählt, wobei das Kraftfahrzeug 10 gemäß dem ausgewählten Ziel-Fahrmanöver gesteuert wird.
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Denkbar ist auch, dass alternativ oder zusätzlich einem Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 Informationen über die verschiedenen Ziel-Fahrmanöver angezeigt werden. Insbesondere werden mehrere mögliche Ziel-Fahrmanöver ausgewählt und der Fahrer kann entscheiden, welches der Ziel-Fahrmanöver ausgeführt werden soll.