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Die Erfindung betrifft computerimplementierte Verfahren zur Ansteuerung eines Fahrzeugs, insbesondere zur Verhaltensplanung bzw. Trajektorienplanung oder Manöverplanung für ein zumindest teilautonomes Fahrzeug und zur Ansteuerung des zumindest teilautonomen Fahrzeugs abhängig von der Verhaltensplanung bzw. Trajektorienplanung oder Manöverplanung.
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Stand der Technik
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Ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung hochautomatisierter oder autonomer Fahrzeuge ist die Absicherung der Fahrfunktionen für eine möglichst große Anzahl an Situationen und Szenarien. Die Absicherung soll dabei sicherstellen, dass Fahrzeugsysteme in den jeweiligen Situationen bestimmte Anforderungen, insbesondere Sicherheitsanforderungen, erfüllen und so für ein gewünschtes Sollverhalten des Fahrzeugs sorgen.
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Unter den bisherigen Methoden gibt es beispielsweise starre Szenarienkataloge, welche eine feste Menge von beispielhaften Abläufen, meist länderspezifisch, beschreiben. Auf dieser Grundlage ist auch unter Nutzen von Ontologien allerdings die Bestimmung eines Abdeckungsmaßes für die Absicherung kaum möglich. Auch werden schnell sehr lange Szenarienlisten nötig, um auch nur ein Mindestmaß an Abdeckung erreichen zu können.
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Andere Maßnahmen zur Absicherung umfassen Auswertungen von Unfalldatenbanken oder Dauerläufe mit Sicherheitsfahrer. In beide Verfahren erfolgt eine stark dem Zufall unterworfene Abdeckung, gerade letztere Methode ist zudem sehr aufwendig und kostenintensiv.
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Durch Fuzzing bzw. optimierungsbasiertes Testen (z.B. Search-Based Testing) kann eine Variation von vorranging physikalischen Parametern eines gegebenen Simulationsszenarios erfolgen. Es erfolgt allerdings keine systematische Abstraktion vorliegender Verkehrssituationen, wodurch auch hier ein Abdeckungsmaß nur schwer bestimmt werden kann.
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Neben simulativen Tests von Fahrzeugsystemen ist es auch möglich, mit Modellen oder Simulationen im Fahrzeug online eine geeignete Verhaltensplanung bzw. Trajektorienplanung oder Manöverplanung für die Ansteuerung des Fahrzeugs zu erreichen.
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In der
DE 10 2017 207257 A1 sind Verfahren und Vorrichtung zum Erstellen und Bereitstellen einer hochgenauen Karte offenbart. Aus der
DE 10 2018 214999 A1 ist eine Vorrichtung zur Absicherung von Diagnosebefehlen an ein Steuergerät bekannt. Die
DE 10 2017 216801 A1 offenbart ein Verfahren zum Überwachen mindestens einer Komponente eines Kraftfahrzeugs, die zur Trajektorienplanung eingesetzt wird.
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Aus der
DE 10 2019 209 544 ist ein Verfahren zur Ansteuerung eines Fahrzeugs bekannt, in welchem Zonen aus einer digitalen Straßenkarte abgeleitet werden und für diese Zonen mögliche Abläufe von Fahr- bzw. Verkehrssituationen bestimmt werden.
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Im Kontext des Automatisierten Fahren ist der Begriff „Operational Design Domain“ (ODD, vorgesehener Betriebsbereich) bedeutend. Damit wird der Bereichs eines Betriebs des Fahrzeugs bezeichnet, für den das Fahrzeug entwickelt wurde und in dem somit ein ordnungsgemäßer und sicherer Betrieb des Fahrzeugs zu erwarten ist. Z.B. konzentrieren sich Tests bezüglich der funktionalen Sicherheit eines Fahrzeugs auf diesen Bereich.
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Offenbarung der Erfindung
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Vorgestellt wird ein computerimplementiertes Verfahren zur Steuerung eines Fahrzeugs, gekennzeichnet durch die Schritte:
- - Daten einer digitalen Straßenkarte werden eingelesen,
- - für die digitale Straßenkarte werden Zonen bestimmt,
- - abhängig von den bestimmten Zonen werden mögliche Abläufe von Fahrten entlang einer Straße der digitalen Straßenkarte ermittelt,
- - abhängig von Sensordaten und / oder aktuellen Fahrdaten des Fahrzeugs wird ermittelt, ob eine aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der möglichen Abläufe liegt oder einem möglichen Ablauf entspricht, der als außerhalb eines vorgesehenen Betriebsbereichs liegend bestimmt ist,
- - liegt die aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der möglichen Abläufe oder entspricht dem möglichen Ablauf außerhalb des vorgesehenen Betriebsbereich, ergreift ein computerimplementierter Sicherheitsmonitor im Fahrzeug eine Maßnahme,
- - das Fahrzeug wird abhängig von der ergriffenen Maßnahme angesteuert.
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Die digitale Straßenkarte kann dabei eine detaillierte Straßenkarte sein, aber auch durch Daten eines abstrakten Straßenschemas gegeben sein. Sie kann insbesondere Informationen über mindestens eine Straße oder Freifläche enthalten, beispielsweise über Fahrbahnbreite, Fahrbahnbegrenzungen, Positionen oder Ausdehnungen von Straße oder Freifläche, Kurvenradien, Fahrbahnmarkierungen, Kreuzungen, Ampeln und Verkehrszeichen.
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Mit den beschriebenen Verfahren können durch einen zonenbasierten Ansatz systematisch potentiell gefährliche Abweichungen von im Rahmen der Fahrzeugentwicklung vorgesehenen Verkehrssituationen identifiziert werden. Der dazu eingesetzte computerimplementierte Sicherheitsmonitor kann gemeinsam mit, aber auch ohne einen zonenbasierten Verhaltens- oder Trajektorienplaner eingesetzt werden. Ein besonderer Vorteil der beschriebenen Verfahren ist, dass der Ort und das dynamische Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer spezifisch berücksichtigt werden, indem sie in Beziehung zu den Annahmen und Einschränkungen aus einer morphologischen Analyse gebracht werden. Insbesondere können (Teile von) Verkehrssituationen identifiziert werden, die nicht Teil der Zonenmodellierung und der morphologischen Analyse waren.
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Die Verfahren können Information aus Zonengraphen und einer SCODE-Analyse, welche in der Entwicklung von Fahrzeugfunktionen aus Systemanalysen erstellt wurden, im Betrieb zur Laufzeit nutzen. Dabei können Annahmen, Anforderungen, Modelle etc. berücksichtigt werden, die z.B. von einem Verhaltens- oder Trajektorienplaner zur Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Aus einer Systemanalyse des Fahrzeugs zum Entwicklungszeitpunkt werden Annahmen getroffen, die bei einer Bewertung der funktionalen Sicherheit verwendet werden. Mit den beschriebenen Verfahren können Modelle, welche diese Annahmen beinhalten zur Laufzeit im Fahrzeugbetrieb eingesetzt werden, um festzustellen, wenn das System einen sicheren Kontext verlässt, sowie um eine sichere und proaktive Systemreaktion darauf auszulösen oder vorzuschlagen.
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Hierdurch werden Sicherheit und Verfügbarkeit des Fahrzeugsystems erhöht, durch proaktives Verhalten werden riskante oder unsichere Situationen vermieden und Situationen, für welche das System nicht entwickelt wurden, werden auf sichere Art und Weise bewältigt.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung umfasst die Ermittlung, ob die aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der möglichen Abläufe liegt, eine Ermittlung, ob ein erfasstes Objekt, insbesondere ein Verkehrsteilnehmer, außerhalb der bestimmten Zonen aufgrund seiner bestimmten oder angenommen Bewegung relevant für die aktuelle oder prognostizierte Fahrsituation werden kann.
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In einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung umfasst die Ermittlung, ob die aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der möglichen Abläufe liegt, eine Ermittlung, ob sich ein erfasstes Objekt, insbesondere ein Verkehrsteilnehmer, innerhalb einer der bestimmten Zonen befindet, in welcher es nicht erwartet wird.
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In weiteren bevorzugten Ausgestaltungen umfasst die ergriffene Maßnahme eine Ersatzreaktion für das Fahrzeug bzw. ein Ersatzverhalten des Fahrzeugs, insbesondere eine Initiierung eines Sicherheitsmanövers für das Fahrzeug, ein Generieren eines zusätzlichen möglichen Ablaufs, abhängig von dem das Fahrzeug angesteuert wird, oder eine Ausgabe einer Information an eine Verhaltensplanung oder eine Trajektorienplanung des Fahrzeugs.
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Aufgrund einer bestehenden Zonen-Abstrahierung kann der Sicherheitsmonitor dazu in der Lage sein, dynamisch eine oder mehrere zusätzliche Zonen zu generieren oder bestehende Zonen in der Größe anzupassen, und somit Bedingungen für eine sichere Ersatzreaktion des Fahrzeugs zu berechnen.
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Ebenfalls kann der Sicherheitsmonitor ein sicheres Ersatz-Fahrmanöver bereitstellen, vorschlagen oder anstoßen, welches Gefahr für das Fahrzeug vermeidet und es gegebenenfalls in einen sicheren Zustand überführt. Die Zulässigkeit einer solchen Ersatzreaktion kann wiederum gegen die Zonen geprüft werden. Beispielsweise kann im Fall einer als Ersatzreaktion vorgesehenen Notbremsung aufgrund eines anderen Fahrzeugs außerhalb des vorgesehenen Betriebsbereichs diese abgelehnt werden, wenn ohne die Ersatzreaktion die Passagiere des betrachteten Fahrzeugs nicht gefährdet sind, aber durch die Ersatzreaktion ein schwererer Unfall mit einem dritten Fahrzeug droht.
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Der Sicherheitsmonitor kann ebenso ein Signal ausgeben, dass ein vorgesehener Betriebsbereich verlassen wird oder wurde, insbesondere an einen Verhaltens- oder Trajektorienplaner.
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In bevorzugten Ausgestaltungen kann in den Verfahren ein dynamischer Online-Planer für autonome oder zumindest teilautonome Fahrzeuge generiert werden, der aufgrund der erkannten, aktuellen Kartensegment-Konfiguration und Subjekt-Population online die möglichen Szenarien analysiert und das Verhalten des Fahrzeugs plant und vorsteuert bzw. steuert. Dabei kann ein solcher Verhaltensplaner bzw. Trajektorienplaner oder Manöverplaner selbstständig oder gemeinsam mit weiteren Verhaltensplanern, Trajektorienplanern oder Manöverplanern eingesetzt werden. Wird ein solcher Verhaltens- oder Trajektorienplaner eingesetzt, kann der vorgesehene Sicherheitsmonitor eng mit diesem gekoppelt vorgesehen werden, um bei der Steuerung des Fahrzeugs frühzeitig zu erkennen, wenn dieses außerhalb des in der Entwicklung vorgesehenen Kontexts operiert, um proaktiv geeignete Maßnahmen wie Ersatzreaktionen einleiten zu können.
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In einer möglichen Variante kann die insbesondere von einem Sicherheitsmonitor ergriffene Maßnahme eine Überprüfung der Verhaltensplanung oder Trajektorienplanung umfassen und gegebenenfalls einen Eingriff in die Verhaltensplanung oder Trajektorienplanung umfassen, falls dieser aufgrund der Überprüfung notwendig erscheint.
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In einer weiteren möglichen Variante kann die Verhaltensplanung oder Trajektorienplanung abhängig von der ergriffenen Maßnahme erfolgen.
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Die Verfahren können insbesondere auf einem Rechner online im Fahrzeug durchgeführt werden. Dazu wird ein Computerprogramm abgearbeitet, welches zur Durchführung der Verfahren eingerichtet ist und zur Verarbeitung in einem maschinenlesbaren Speicher abgelegt ist.
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Die beschriebenen Verfahren erlauben eine strukturierte Ableitung von gewünschtem Verhalten eines Fahrzeugsystems bzw. Fahrzeugs. Dabei wird insbesondere auch die Garantie einer Vollständigkeit der betrachteten Szenarien in Bezug auf bekannte Einflussfaktoren möglich, vorzugsweise durch strukturierte Definition von Äquivalenzklassen auf Basis von bekannten Merkmalen und Effekten, die im Straßenverkehr auftreten. Eine automatisierte Redundanz- und Lückenanalyse ist ebenso möglich wie eine Definition und Ermittlung von Abdeckungsmaßen.
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Weiterhin leisten die beschriebenen Verfahren eine erhebliche Reduzierung der Beschreibungskomplexität der abzusichernden Szenarien, der Umfang der Beschreibung kann exponentiell reduziert werden.
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Die beschriebenen Verfahren sind sehr flexibel und modular. Wichtige Einflussfaktoren können additiv hinzugefügt werden, bestehende Szenarien bleiben erhalten, können aber auch automatisch um die neuen Einflussfaktoren erweitert werden. Das modellbasierte Vorgehen erlaubt einfache Übertragbarkeit auf andere Länder. Durch eine Abstraktion von Verkehrssituationen in logische Zonen wird eine modulare Beschreibung der Einzeleffekte ermöglicht, die zu einer komplexen Verhaltensentscheidung beitragen (z.B. Betrachtung eines Fußgängerüberwegs getrennt von der Kreuzung, an der er sich befindet). Dadurch ergibt sich eine hohe Reduktion der Komplexität und ein hoher Grad an Wiederverwendbarkeit.
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Es wird eine strukturierte, weitgehend automatisierte Ableitung vollständiger Szenarienbetrachtung für autonome Fahrzeuge (Auto, Roboter, autonomes Flurförderfahrzeug etc.) basierend auf generischen Verkehrssegmenten und Subjekt-Populationen erreicht, welche eine Absicherung der HAD-Systeme des Fahrzeugs ermöglichen, insbesondere zur Verhaltens- und Trajektorienplanung.
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Nachfolgend werden Ausführungsformen der Erfindung unter Bezugnahme auf die beiliegenden Zeichnungen näher erläutert. In den Zeichnungen zeigen schematisch:
- 1 den beispielhaften Ablauf eines Verfahrens zum Ansteuern eines Fahrzeugs,
- 2 einen ersten beispielhaften Ausschnitt aus einer digitalen Straßenkarte mit eingezeichneten Zonen,
- 3 zwei aus Zonen einer digitalen Straßenkarte abgeleitete Zonengraphen,
- 4 ein erstes Verhaltensmodell für ein Verhalten eines Fahrzeugs,
- 5 ein zweites Verhaltensmodell für ein Verhalten eines Fahrzeugs,
- 6 einen zweiten beispielhaften Ausschnitt aus einer digitalen Straßenkarte mit eingezeichneten Zonen,
- 7 einen aus Zonen einer digitalen Straßenkarte abgeleiteten Zonengraphen,
- 8 einen ersten aus einem Zonengraphen abgeleiteten Phasengraphen,
- 9 einen dritten beispielhaften Ausschnitt aus einer digitalen Straßenkarte mit eingezeichneten Zonen,
- 10 einen zweiten aus Zonen einer digitalen Straßenkarte abgeleiteten Zonengraphen,
- 11 einen zweiten aus einem Zonengraphen abgeleiteten Phasengraphen,
- 12 eine beispielhafte Verkehrssituation, in welcher sich ein Fußgänger außerhalb eines vorgesehenen Kontexts verhält,
- 13 eine beispielhafte Verkehrssituation mit zwei Fahrzeugen, einem Fußgänger und einem Fußgängerüberweg,
- 14 den beispielhaften Ablauf eines Verfahrens zum Ansteuern eines Fahrzeugs abhängig von Ausgaben eines Sicherheitsmonitors,
- 15 eine weitere beispielhafte Verkehrssituation, in welcher sich ein Fußgänger außerhalb eines vorgesehenen Kontexts verhält,
- 16 eine beispielhafte Verkehrssituation, in welcher ein Fahrzeug in einer nicht für Fahrzeuge vorgesehenen Zone erfasst wird,
- 17 eine beispielhafte Ersatzreaktion für eine Verkehrssituation entsprechend 16,
- 18 eine beispielhafte Verkehrssituation, in welcher das Verhalten eines Fußgängers das Fahrzeug aus einem vorgesehenen Betriebsbereichs herausbringt,
- 19 eine beispielhafte Ersatzreaktion für eine Verkehrssituation entsprechend 18.
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Beschreibung der Ausführungsbeispiele
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Die beschriebenen Verfahren zur Ansteuerung eines Fahrzeugs ermöglichen es insbesondere, auf Basis von aus einer digitalen Karte abgeleiteten Zonen und Abläufen von Verkehrssituationen eine Verletzung von bei der Entwicklung des Fahrzeugs definierten Annahmen und Anforderungen festzustellen.
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Die Verfahren werden im Folgenden anhand eines zumindest teilautonomen bzw. eines hochautomatisierten Fahrzeugs bzw. eines Fahrzeugsystems des Fahrzeugs beschrieben. Ein Fahrzeugsystem kann dabei insbesondere ein Teilsystem des Fahrzeugs sein. In besonders bevorzugten Ausgestaltungen umfasst das Fahrzeug bzw. Fahrzeugsystem zumindest ein Computerprogramm, welches abhängig von Sensorwerten Aktoreingriffe veranlasst, insbesondere indem es abhängig von den Sensorwerten eine Verhaltensplanung für das Fahrzeug vornimmt und zu deren Realisierung Aktoreingriffe veranlasst. So können beispielsweise Umgebungsinformationen von Sensoren des Fahrzeugs erfasst werden und eine Lenkung, Beschleunigung oder Bremsung abhängig von den erfassten Sensorwerten veranlasst werden. Die Verfahren können insbesondere für vollautomatisierte Fahrzeuge oder teilautomatisierte Fahrzeuge, beispielsweise Fahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen eingesetzt werden. Solche Fahrzeuge können Autos, Roboter, Züge, Schiffe oder Fluggeräte umfassen.
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Mögliche Fahrzeugsysteme eines solchen Fahrzeugs können eine Perzeptions- oder Sensorschicht, eine Schicht zur Situationsanalyse und Prädiktion, eine Schicht zur Auswahl eines gewünschten Fahrzeugverhaltens aus möglichen Verhaltensmustern und / oder eine Schicht zur Ansteuerung von Aktoren zum Erreichen des gewünschten Fahrzeugverhaltens umfassen.
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Bei der Verhaltens-, Trajektorien- oder Manöverplanung für ein solches Fahrzeugsystem bzw. dessen Ansteuerung kann berücksichtigt werden, wann bzw. wie dieses gewisse Anforderungen, insbesondere Sicherheitsanforderungen erfüllt, insbesondere, ob auf bestimmte Situationsanalysen oder Prädiktionen hin tatsächlich korrektes bzw. sicheres Fahrzeugverhalten veranlasst wird.
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1 zeigt den beispielhaften Ablauf eines Verfahrens zum Steuern eines Fahrzeugsystems.
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In der ersten Spalte des Diagramms sind folgende mögliche Eingangsgrößen 101 bis 106 gezeigt:
- - maschinenlesbare Anforderungen 101 an das System aus verschiedenen Quellen, z.B. abgeleitet aus der Straßenverkehrsordnung (z.B. Abstände zwischen Fahrzeugen etc.), Sicherheitsvorschriften oder Fahrzeug(system)spezifikationen.
- - Daten einer digitalen Straßenkarte 102, insbesondere mit Verzeichnung der Positionen von Fußgängerüberwegen, Schildern, Ampeln, Spuren, Kreuzungen, Kreisverkehren etc.; z.B. im Format OpenDrive oder aus einer aktuellen Umfelderkennung ermittelt oder von einem Navigationssystem des Fahrzeugs übermittelt;
- - Routeninformation 103, beispielsweise mögliche Routen auf einem betrachteten Straßenkartenelement oder eine für das Fahrzeug ausgewählte oder prädizierte Route,
- - Fahrzeuginformation 104, beispielsweise mögliche Fahrzeugzustände oder ein aktueller Fahrzeugzustand, insbesondere jeweils inklusive bestimmter Fahrzeugeigenschaften wie Gewicht, Länge, Höhe etc.,
- - Information über mögliche Subjekte und / oder Objekte 105, insbesondere Verkehrsteilnehmer wie Fahrzeuge (Fahrrad, PKW, Motorrad etc.) oder Fußgänger, vorzugsweise inkl. Verhaltensmodellen oder Objekte, welche ein intendiertes Verhalten eines das Fahrzeugsystem umfassenden Fahrzeugs behindern können; dabei kann eine Population mit den möglichen Subjekten und / oder Objekten abhängig von einer Umfelderkennung des Fahrzeugs erfolgen,
- - Informationen über externe Einflüsse 106 wie beispielsweise Wetterdaten.
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In den weiteren Spalten des Diagramms in 1 sind Verfahrensschritte 111, 121, 131, 132, 141, 151, 152, 161, 162, 171 und 172 gezeigt.
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In Schritt 111 werden auf Basis bestimmter Eingangsgrößen, insbesondere abhängig von der digitalen Karte 102, der Routeninformation 103 und der Fahrzeuginformation 104, beispielsweise der Fahrzeuglänge, statische Zonen für die digitale Karte abgeleitet. Die statischen Zonen lassen sich automatisch aus solchen Informationen berechnen. Die so berechneten logischen Zonen sind insbesondere fest und können auf die entsprechenden physikalischen Elemente der Karte (also die Straßen bzw. Straßenspuren, die Fußgängerwege etc.) abgebildet werden. Die statischen Zonen können zu einem statischen Zonengraph zusammengefügt werden.
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Statische Zonen sind dabei insbesondere Zonen mit einer von der Geschwindigkeit des betrachteten Fahrzeugs unabhängigen Größe, wie z.B. ein gegebener Fußgängerüberweg oder ein Kreuzungsbereich. Sie können automatisch aus der Karte abgeleitet werden.
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In Schritt 121 erfolgt eine Erweiterung um dynamische Zonen, insbesondere kann der statische Zonengraph um die dynamischen Zonen zu einem dynamischen Zonengraph erweitert werden. Dynamische Zonen werden vorzugsweise auf Basis von Modelle der einzelnen Subjekte, auf Basis von Anforderungen zulässigen Manövern des Fahrzeugs und den Fahrzeuginformationen automatisch berechnet. Vorteilhafterweise erweitert sich diese Berechnung automatisch durch die Verwendung von Modellen auf andere zu berücksichtigende Verkehrsteilnehmer und ist auf beliebige Straßenarten anwendbar (urban, Autobahn, ...). Die Modelle wie insbesondere Verhaltensmodelle werden insbesondere dafür verwendet, um zu berechnen, aus welchen Bereichen (Zonen) kommend andere Verkehrsteilnehmer noch für eine (mögliche) spätere Entscheidung des betrachteten Fahrzeugs berücksichtigt werden müssen.
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Dynamische Zonen sind dabei insbesondere Zonen mit geschwindigkeitsabhängiger Größe wie z.B. die Zone vor einer Ampel, in der das betrachtete Fahrzeug bei Umschalten der Ampel auf „Gelb“ mit komfortabler Verzögerung gerade noch oder gerade nicht mehr vor der Haltelinie anhalten kann. Die dynamischen Zonen sind insbesondere abhängig von Position, Geschwindigkeit und Verhaltensmodellen des betrachteten Fahrzeugs und / oder den Positionen, Geschwindigkeiten und Verhaltensmodellen anderer Subjekte bzw. Verkehrsteilnehmer. Dabei handelt es sich bei den Verhaltensmodellen insbesondere um (physikalische) für die jeweiligen Objekte. Die dynamischen Zonen können optionaler Weise auch von äußeren Einflüssen wie z.B. dem Wetter abhängig sein, z.B. aufgrund eines verlängerten Bremswegs bei Eisglätte.
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Es gibt Zonen, deren Lage relativ zur Position des betrachteten Fahrzeugs ist, wie z.B. die notwendige Freifläche vor dem betrachteten Fahrzeug und Zonen, die eine absolute Lage haben, wie z.B. eine gegebene Kreuzungszone in einer realen Karte.
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Die Zonen in den Zonengraphen und damit die Zonengraphen stellen Abstraktionen der jeweiligen Situationen derart dar, dass sie von konkreten Strukturen der digitalen Karte wie Kurvenradien oder Winkel einer Kreuzung unabhängig sind. Diese logischen Zonen können als physikalische Zonen auf die Karte abgebildet sein.
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In einem Schritt 132 können Verdeckungszonen abgeleitet werden. Verdeckungszonen bezeichnen damit insbesondere definierte Zonen, für Sensorik wie Kameras, Radar etc. des betrachteten Fahrzeugs ganz oder teilweise verdeckt sind. Das Ermitteln, welche der zuvor identifizierten bzw. abgeleiteten Zonen Verdeckungszonen sind, kann insbesondere abhängig von Informationen der digitalen Karte, von Informationen über externe Einflüsse (Sicht, Schnee auf der Straße und / oder der Fahrzeugposition abgeleitet werden. Insbesondere kann ein Abgleich zwischen für ein Szenario (potentiell) relevanten Zonen und den in einem Szenario verdeckten Zonen erfolgen, um eine Schwäche des Fahrzeugsystems daraus abzuleiten.
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Eine Verdeckung kann sich dabei beispielweise aus äußeren Einflüssen (z.B. Wetter wie Nebel), Straßenrandbebauung, anderen Verkehrsteilnehmern etc. ergeben.
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In einem Schritt 131 kann je identifizierte bzw. abgeleiteter Zone eine Menge möglicher Unterräumen bzw. Zonenzuständen bestimmt werden. Als mögliche Zonenzustände werden vorzugsweise die Zustände frei, belegt und bedroht definiert. Belegt bedeutet insbesondere, dass sich dort ein anderes Subjekt als das betrachtete Fahrzeug befindet, also beispielsweise ein Verkehrsteilnehmer. Bedroht bedeutet insbesondere, dass ein anderes Subjekt, insbesondere ein Verkehrsteilnehmer, auf Basis seines zugeordneten Modells potentiell die Zone belegt, wenn das betrachtete Fahrzeug diese passieren möchte. Frei bedeutet insbesondere, dass die Zone nicht belegt und nicht bedroht ist. Die Menge möglicher Unterräume bzw. Zonenzustände wird vorzugsweise über eine Zwicky-Box bestimmt, welche alle relevanten Eigenschaften der vorhandenen Subjekte und alle für die Eigenschaften zulässigen Ausprägungen zusammenfasst, unter denen die Zone entweder frei oder belegt oder bedroht ist.
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Durch eine Verhaltensanalyse kann nun systematisch und vollständig der Raum der möglichen Szenarien analysiert und vollständig und konsistent in Äquivalenzklassen aufgeteilt werden. Dabei gehören in eine Äquivalenzklasse alle Situationen, in denen das betrachtete Fahrzeug sich gleich verhalten sollte bzw. verhält.
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Hierzu wird in einem Schritt 141 aus dem bestimmten dynamischen Zonengraphen und unter Verwendung der ermittelten Unterräume die vollständige Menge an möglichen Abläufen bzw. Szenarien für die bestehende Kombination aus digitaler Karte, betrachtetem Fahrzeug, Subjektverhalten und weiterer Eingangsgrößen ermittelt und in Äquivalenzklassen unterteilt. Dabei wird jede Kombination aus Einflussfaktoren, unter denen das betrachtete Fahrzeug in einer bestimmten Zone ein bestimmtes gleiches Verhalten zeigen soll oder zeigt, in die gleiche Äquivalenzklasse eingeordnet.
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In einem Schritt 151 werden jeder Äquivalenzklasse die relevanten Anforderungen zugeordnet. Die Anforderung liegt dazu in maschinenlesbarer Form vor. Sie können beispielsweise als „erlaubte Verhaltensweise“, „nicht erlaubte Verhaltensweise“ oder „verpflichtende Verhaltensweise“ vorliegen. Es können auch verpflichtende schadensreduzierende Verhaltensweisen als Anforderungen hinterlegt sein.
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In einem Schritt 161 werden für jede Äquivalenzklasse automatisch einer oder mehrere Monitore generiert. Zu den Monitoren gehört ein Sicherheitsmonitor. Dieser ermittelt abhängig von Sensordaten und / oder aktuellen Fahrdaten des Fahrzeugs, ob eine aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der möglichen Abläufe liegt oder einem möglichen Ablauf entspricht, der als außerhalb eines vorgesehenen Betriebsbereichs liegend bestimmt ist. Liegt die aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der möglichen Abläufe oder entspricht dem möglichen Ablauf außerhalb des vorgesehenen Betriebsbereichs, kann der computerimplementierte Sicherheitsmonitor im Fahrzeug eine Maßnahme ergreifen, von welcher abhängig das Fahrzeug angesteuert wird. Weitere Monitore können überwachen bzw. prädizieren, ob sich das betrachtete Fahrzeug in der entsprechenden Äquivalenzklasse befindet und ob das Fahrzeugsystem die dieser Äquivalenzklasse zugeordneten Anforderungen erfüllt, also insbesondere sich entsprechend der Anforderungs- oder Testspezifikationen verhält.
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Die Generierung der Monitore kann dabei gezielt zur Überwachung der ODD (Operative Design Domain, vorgesehener Betriebsbereich) erfolgen, d.h. für die Klasse an Szenarien bzw. Anforderungen, für welche das Fahrzeugsystem ausgelegt sein soll bzw. getestet werden soll.
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Dabei können die Monitore in anderer, insbesondere langsamerer Taktung laufen als mögliche Regler im betrachteten Fahrzeugsystem.
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In einem Schritt 152 kann auf Basis des Zonengraphen und der definierten Äquivalenzklassen ein Phasengraph automatisch generiert werden.
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Der Phasengraph ermöglicht in Schritt 162 die Ermittlung eines Abdeckungsmaßes für die ermittelten möglichen Abläufe durch ein systematisches Erfassen aller möglichen Verhaltensverläufe für das betrachtete Fahrzeug und den Abgleich mit den davon berücksichtigten Varianten.
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Dabei entspricht ein bestimmter Verlauf im Phasengraph einer Abfolge bestimmter Zonen in bestimmter Reihenfolge mit jeweils definierter Äquivalenzklasse je Zone. Dadurch kann unter Verwendung eines Abdeckungsmaßes (z.B. Pfadabdeckung) automatisch sichergestellt werden, dass eine bestimmte, insbesondere vollständige Abdeckung der möglichen Abläufe erfüllt ist.
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In einem Schritt 172 kann eine Verhaltens-, Trajektorien- oder Manöverplanung für das Fahrzeug oder eine Ansteuerung des Fahrzeugs auf Basis der betrachteten und auf die Erfüllung von Anforderungen analysierten möglichen Abläufe erfolgen.
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Die Populationen der einzelnen Zonen mit konkreten Subjekten und die Bestimmung von deren Startpunkten und -zuständen (d.h. Geschwindigkeiten, etc.) können auf Basis einer Umfelderkennung des Fahrzeugs erfolgen.
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Zusätzlich leiten sich aus den in den Äquivalenzklassen enthaltenen Informationen über das Fahrzeug und über die anderen Subjekte, insbesondere Verkehrsteilnehmer, automatisch kontinuierliche Parameter ab (sogenannte kontinuierliche Unterräume innerhalb der Äquivalenzklassen), die man variieren kann. Beispiele für solche kontinuierlichen Parameter sind beispielsweise Reibwerte, Geschwindigkeiten oder Kurvenradien.
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Die Ausgabe in Schritt 171 ist vorzugsweise das Ergebnis einer Verhaltens-, Trajektorien-, oder Manöverplanung oder Ansteuerbefehle für das Fahrzeug bzw. Aktoren des Fahrzeugs.
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Die Verfahren können umfassen, dass aus den physikalischen Zonen kritische Sichtbereiche einer Perzeption des Fahrzeugsystems abgeleitet werden und mit der tatsächlichen Perzeption des Fahrzeugsystems verglichen werden. Dazu kann insbesondere ermittelt werden, ob das Einsehen einer bestimmten Zone für die Erfüllung von Anforderungen an das Fahrzeugsystem notwendig ist oder nicht. Hieraus können wiederum Anforderungen an eine Sensorarchitektur des Fahrzeugsystems bzw. des Fahrzeugs abgeleitet werden. Dabei können auch entfernungsabhängige Metriken eingesetzt werden, d.h. die Abhängigkeit einer Perzeption von dem Abstand des betrachteten Fahrzeugs zu einer bestimmten, einzusehenden Zone wird berücksichtigt.
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Für die Beurteilung einer Perzeption des Fahrzeugs können dabei weitere Eingangsgrößen berücksichtigt werden. Solche Eingangsgrößen können Perzeptionsmetriken umfassen, insbesondere Standardmetriken für die Bewertung einer Perzeptionsgüte.
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Die Ansteuerung des Fahrzeugs kann dann auch abhängig von der erfolgten Analyse der Perzeption erfolgen.
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2 zeigt schematisch ein einfaches Straßen-Segment einer digitalen Straßenkarte mit zwei Spuren sowie dem betrachteten Fahrzeug 203. Ebenfalls dargestellt ist ein Verkehrszeichen mit Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60. Aus dem Verkehrszeichen mit Geschwindigkeitsbegrenzung ergibt sich in der betroffenen Spur eine statische Zone 201, ab welcher die neue Geschwindigkeitsvorgabe gilt, sowie eine statische Zone 200, in welcher die neue Geschwindigkeitsvorgabe noch nicht gilt. Zudem kann abhängig von der Geschwindigkeit des betrachteten Fahrzeugs 203 eine dynamische Zone 202 abgeleitet werden, in welcher das Fahrzeug 203 noch ausreichend vor dem Verkehrsschild auf die erlaubte Geschwindigkeit verzögern kann (dadapt), insbesondere bei sicherer und vorzugsweise komfortabler Verzögerung.
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In 3 sind nun zwei zu dem in 2 gezeigten Szenario abgeleitete Zonengraphen gezeigt. Dabei entsprechen die Zonengraphen einer Verknüpfung logischer Zonen, welche aus den physikalischen Zonen der Karte abgeleitet werden. Abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs ergeben sich zwei mögliche Zonengraphen. Im ersten Zonengraph ist neben den statischen Zonen 301 und 300 auch die zu 2 erläuterte dynamische Zone 302 enthalten, welche einer noch ausreichenden Verzögerungsstrecke entspricht. Im zweiten Zonengraph ist diese von der Fahrzeuggeschwindigkeit abhängige dynamische Zone nicht enthalten, beispielsweise, weil das Fahrzeug sowieso bereits ausreichend langsam fährt.
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Als Verhaltensraum ergeben sich nun Abläufe, die zum Beispiel von den folgenden Größen und ihren möglichen Ausprägungen abhängig sind:
- - aktuelle Maximalgeschwindigkeit
- ◯ kleiner Zielgeschwindigkeit ab Verkehrsschild
- ◯ gleich Zielgeschwindigkeit ab Verkehrsschild
- ◯ größer Zielgeschwindigkeit ab Verkehrsschild
- - aktuelle Geschwindigkeit
- ◯ kleiner aktuelle Zielgeschwindigkeit
- ◯ gleich aktuelle Zielgeschwindigkeit
- ◯ größer aktuelle Zielgeschwindigkeit
- - Abstand Fahrzeug zu Verkehrsschild
- ◯ kleiner als Adaptionsdistanz
- ◯ gleich Adaptionsdistanz
- ◯ größer Adaptionsdistanz
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Dabei bezeichnet die Adaptionsdistanz die bereits beschriebene Verzögerungsstrecke, in welcher noch eine insbesondere sichere und komfortable Verzögerung möglich ist.
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Auf Basis einer solchen Auflistung können alle möglichen Szenarien systematisch betrachtet bzw. prädiziert werden. Die Komplexität der Szenarien wird durch die Abstraktion in logische Zonen, durch die Auswahl relevanter Parameter und die Aufteilung in relevante Parameterbereiche stark reduziert. Durch die Auswahl der Parameter und Parameterbereiche in gegenseitig ausschließende Alternativen, können voneinander unabhängige Szenarien bestimmt werden, welche den Raum an möglichen Szenarien vollständig abdecken.
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4 zeigt ein Diagramm zu einem parametrischen Verhaltensmodell des betrachteten Fahrzeugs zugehörig zum ersten Zonengraph aus 3. Dabei ist eine Zielgeschwindigkeit vtarget über einer Distanz s aufgetragen. Die statischen Zonen aus 3, hier 400 bzw. ds und 401 bzw. nls, und die dynamische Zone aus 3, hier 402, sind ebenfalls gezeigt. Die maximale Geschwindigkeit der aktuellen Zone vmax(cls) und damit die aktuelle Geschwindigkeit des betrachteten Fahrzeugs liegt über der ab dem Verkehrsschild maximal zulässigen Geschwindigkeit vmax(nls), entsprechend findet innerhalb der dynamischen Zone 402 bzw. dadapt eine Verzögerung ddecel(AV) von aktueller Geschwindigkeit vmax(cls) auf die dann maximal zulässige Geschwindigkeit vmax(nls) statt.
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5 zeigt ein Diagramm zu einem parametrischen Verhaltensmodell des betrachteten Fahrzeugs zugehörig zum zweiten Zonengraph aus 3. Dabei ist eine Zielgeschwindigkeit vtarget über einer Distanz s aufgetragen. Die statischen Zonen aus 3 sind ebenfalls gezeigt, hier als 500 bzw. ds und 501 bzw. nls. Die maximale Geschwindigkeit der aktuellen Zone vmax(cls) und damit die aktuelle Geschwindigkeit des betrachteten Fahrzeugs liegt unterhalb der ab dem Verkehrsschild maximal zulässigen Geschwindigkeit vmax(nls), entsprechend findet innerhalb der statischen Zone 500 bzw. ds eine Beschleunigung aaccel(AV) von aktueller Geschwindigkeit vmax(cls) auf die dann maximal zulässige Geschwindigkeit vmax(nls) statt.
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Solche Verhaltensmodelle berücksichtigen vorzugsweise Verkehrsregeln, fahrdynamische Einschränkungen, Systemeinschränkungen und Komforteinschränkungen. Die konkrete Form der Modelle ist weitgehend irrelevant. Die anhand der Zonengraphen erfolgende Verhaltensanalyse inklusive der dort verwendeten Konzepte, wie bestimmte Abstände, Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und Komfortgrößen wie Fahrruhe, ist vorzugsweise so durchzuführen, dass sie auch bei Verändern der Modellparameter der Verhaltensmodelle in weiten Bereichen stabil bleibt. Dadurch wird die Verhaltensanalyse weitgehend unabhängig von den konkreten Parametern der Verhaltensmodelle und damit auf viele verschieden Situationen anwendbar. Voraussetzung dafür ist die geeignete Wahl der Abstraktionen in der Verhaltensanalyse.
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Das in den 2-5 dargestellte generische Verhalten für „Folgen einer leeren Spur mit statischen Einschränkungen“ ist hierarchisch jedem Verhalten in einer spezifischeren Situation, wie z.B. dem „Rechtsabbiegen in einer Kreuzung mit Lichtzeichenanlage und Fußgängerüberwegen“ untergeordnet.
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Vorzugsweise sind die entsprechenden Verhaltensräume hierarchisch aufgebaut. Das Grundverhalten für jedes Straßensegment ist insbesondere durch das longitudinale Verhalten „Folgen einer leeren Spur mit statischen Einschränkungen“ gegeben. Leer bedeutet hier leer von anderen Subjekten bzw. Verkehrsteilnehmern. Statische Einschränkungen (statische Constraints) können Geschwindigkeitsbeschränkungen, Spurverengungen, Kurven, etc. sein, die zu einer anderen Höchstgeschwindigkeit für das nächste Straßensegment führen. Aufgrund des Abstands zur zukünftigen Einschränkung und der aktuellen Geschwindigkeit muss das betrachtete Fahrzeug gegebenenfalls eine entsprechende Anpassung der Geschwindigkeit vornehmen.
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In 6 ist das Schemabild einer vierarmigen Kreuzung mit Lichtzeichenanlagen, Verkehrsschildern, Fußgängerüberwegen 6011 und 6012, dem betrachteten Fahrzeug 600 sowie weiteren Verkehrsteilnehmern (weitere Fahrzeuge, z.B. 60, und Fußgänger 6) dargestellt, in der das betrachtete Fahrzeug 600 rechts abbiegen soll.
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Eingezeichnet sind auch die relevanten Zonen 600, 602, 603, 604, 605, 606, 607, 608, 609, 610, 611 für die in den nachfolgenden Abbildungen 7 und 8 skizzierte Verhaltensanalyse.
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Dabei ergeben sich die statischen Zonen:
- - Kreuzungsbereich 600
- - Naher Fußgängerüberweg 6011
- - Entfernter Fußgängerüberweg an sich (auf der Straße) 601
- - Entfernter Fußgängerüberweg im weiteren Sinn (z.B. inkl. Wartebereich) 6012
- - Abschnitt nach dem entfernten Fußgängerüberweg 602
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Zudem ergeben sich die dynamischen Zonen:
- - Fahrzeugzone des westlichen Fahrzeugs 603
- - Fahrzeugzone des südlichen Fahrzeugs 604
- - Fahrzeugzone des nördlichen Fahrzeugs 605
- - Zonen für Fußgänger auf beiden Seiten des entfernten Fußgängerüberwegs 609, 610
- - Zone südlich, weit entfernt von der Kreuzung (Zone hinter dem betrachteten Fahrzeug in 6) 608
- - Haltezone vor nahem Fußgängerüberweg 611
- - Gefährdungszonen von Fußgängern, die auf den entfernten Fußgängerüberweg eintreten könnten, auf beiden Seiten des entfernten Fußgängerüberwegs 606, 607
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In der zugehörigen Verhaltensanalyse werden beispielsweise nur die Spezifika des „Rechts-Abbiegen in einer 4-armigen Kreuzung mit Fußgängerüberwegen“ betrachtet. Es wird dann also vorausgesetzt, dass das Verhalten des „Rechts-Abbiegens bei grünem Licht, ohne Fußgänger und ohne weitere andere Verkehrsteilnehmer“, was dem „Folgen einer leeren Spur mit statischen Einschränkungen“ entspricht, bereits beherrscht wird und deswegen nicht mehr explizit beschrieben wird. Die statischen Einschränkungen sind hier im Wesentlichen durch die generell erlaubte Höchstgeschwindigkeit, die Spurweiten, Spurneigungen (längs und quer) und den Kurvenradius der notwendigen Abbiegetrajektorie gegeben.
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In 7 ist ein entsprechender Zonengraph für die in 6 gezeigten Zonen abgebildet.
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Statische Zonen:
- - Kreuzungsbereich 701
- - Naher Fußgängerüberweg 702
- - Entfernter Fußgängerüberweg an sich (auf der Straße) 7022
- - Entfernter Fußgängerüberweg im weiteren Sinn (z.B. inkl. Wartebereich) 7021
- - Abschnitt nach dem entfernten Fußgängerüberweg 703
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Dynamische Zonen:
- - Fahrzeugzone des westlichen Fahrzeugs 704
- - Fahrzeugzone des südlichen Fahrzeugs 705
- - Fahrzeugzone des nördlichen Fahrzeugs 706
- - Zonen für Fußgänger auf beiden Seiten des entfernten Fußgängerüberwegs 710, 711
- - Zone südlich, weit entfernt von der Kreuzung 709
- - Haltezone vor nahem Fußgängerüberweg 712
- - Gefährdungszonen von Fußgängern, die auf den entfernten Fußgängerüberweg eintreten könnten, auf beiden Seiten des entfernten Fußgängerüberwegs 707, 708
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In 8 ist für das Szenario aus den 6 und 7 ein Phasengraph abgebildet. Dabei befindet sich das betrachtete Fahrzeug zunächst in Phase 801 in der Zone (in 6 die Zone südlich, weit entfernt von der Kreuzung), in Phase 802 in der Fahrzeugzone des südlichen Fahrzeugs (in 6 die Zone des betrachteten Fahrzeugs), in Phase 803 in der Zone des Haltebereichs vor dem nahen Fußgängerüberweg, in Phase 804 in einer der Zonen Kreuzungsbereich, naher Fußgängerüberweg oder entfernter Fußgängerüberweg und in Phase 805 in der Zone hinter dem entfernten Fußgängerüberweg. Die möglichen Übergänge sind mit Pfeilen gekennzeichnet. So kann das Fahrzeug je nach Situation im Haltebereich vor dem nahen Fußgängerüberweg zum Halten kommen oder nicht, also ein Phasenübergang von Phase 802 zu Phase 804 direkt oder über Phase 803 erfolgen.
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Als Äquivalenzklassen sind dabei vorzugsweise Parameterkombinationen für Parameter wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Position in der Spur, des betrachteten Fahrzeugs definiert, welche zu einem gleichen Sollverhalten des betrachteten Fahrzeugs führen. Für jede Äquivalenzklasse sind Monitore generierbar, die das beobachtete und prädizierte Verhalten des betrachteten Fahrzeugs bzw. Fahrzeugsystems daraufhin prüfen, ob die Spezifikationen der Äquivalenzklassen eingehalten werden.
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Eine Projektion der Äquivalenzklassen auf die Zonen für ein betrachtetes analysiertes Straßen-Segment mit einer potentiellen Subjekt-Population und einer vorgegebenen Intention (Mission) des betrachteten Fahrzeugs liefert die Phasen der Bewegung des betrachteten Fahrzeugs durch die Zonen des Straßensegments unter Berücksichtigung des Verhaltens der betrachteten Subjekt-Population.
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Eine Phase wird durch die Teilmenge der Äquivalenzklassen der Verhaltensanalyse des Straßensegments gebildet, die in der betreffenden Zone auftreten können. Je nach Größe der Zone kann das betrachtete Fahrzeug innerhalb der Zone auch zwischen den Äquivalenzklassen der Phase hin und her wechseln, z.B. in einer großen Zone bei Stop-&-Go-Verkehr mehrfacher Wechsel zwischen Anfahren, Rollen, Anhalten, Warten.
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Die Aufeinanderfolge der Phasen beim Durchfahren des Straßensegments bildet einen Phasengraphen. Das betrachtete Fahrzeug befindet sich stets in einer Phase und in jeder Phase in genau einer der Äquivalenzklasse, die diese Phase bilden.
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Komplexere Phasengraphen können dynamisch entstehen, wenn z.B. die intendierte Route des betrachteten Fahrzeugs dauerhaft blockiert ist, z.B. durch einen Unfall. Dann kann eine neue Route berechnet werden, was typisch zu einer lokal anderen Intention des betrachteten Fahrzeugs führt und damit zu neuen Phasen, Zonen etc. Dies kann vom betrachteten Fahrzeug beherrscht werden, sofern die notwendigen Manöver (z.B. Umkehren bzw. Zurücksetzen in der Spur und frühestmögliches Wenden) beherrscht werden und die auf der Ersatzroute zu erwartenden Straßen-Segmente ebenfalls vom betrachteten Fahrzeug beherrscht werden.
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Die Phasen liefern die Grundlage der Kompositionalität für das Verhalten des betrachteten Fahrzeugs. Sofern jede Analyse eines Straßensegments eine Eingangszone und eine Ausgangszone besitzt und damit eine Eingangsphase und eine Ausgangsphase, ist Kompositionalität auf der topologischen Ebene der Straßensegmente und auf der Verhaltensebene der Phasen möglich. Dabei enthält insbesondere die Eingangszone des Folgesegments die Ausgangszone des Vorgängersegments.
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Die Ausgangszone eines Straßen-Segments kann vorzugsweise das betrachtete Fahrzeug vollständig aufnehmen, sollte aber nicht viel größer sein, damit das Verlassen des jeweiligen Segments unter minimalen Bedingungen möglich wird. Die Eingangszone eines Straßensegments ist üblicherweise eine weit vom betrachteten Fahrzeug entfernte Zone bezüglich des relevanten Anteils des Straßensegments (Kreuzung, Kreisverkehr, ...).
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Vorzugsweise werden für bestimmte, generische Straßensegmente (einfache Straßenabschnitte, einfache Kreuzungen, einfacher Kreisverkehr, einfacher Parkplatz etc.) Analysen durchgeführt und als Modelle in einer entsprechenden Modell-Bibliothek abgelegt. Für die Abdeckung eines großen Anteils aller möglichen bzw. real vorkommenden Straßensegmente genügen relativ wenige solcher generischen Modelle. Mit einer Auswahl der relevanten Eigenschaften solcher generischen Straßensegmente kann somit eine kleine, konfigurierbare und parametrierbare Modell-Bibliothek angelegt werden, auf deren Basis dann komplexere Straßenkarten einfach berechnet werden können. So können z.B. aus dem generischen Modell einer vierarmigen Kreuzung durch Weglassen eines Kreuzungsarms T-Kreuzungen unterschiedlicher Art erzeugt werden. Die Winkel zwischen den Kreuzungsarmen, die Spurweiten, die Anzahl der Spuren, die Bestückung mit Vorfahrtszeichen und Lichtzeichenanlagen können insbesondere Parameter in den Modellen sein.
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In 9 sind zwei Straßenkartensegmente in Form von Straßenschematas gezeigt, welche kombiniert werden können. Die Straßenkartensegmente weisen auf:
- - das betrachtete Fahrzeug startend auf der linken Seite unten, dessen intendiertes Manöver mit einer Folge von dünnen Pfeilen gekennzeichnet ist und das Fahrzeug auf die rechte Seite unten führt,
- - weitere Verkehrsteilnehmer (Fahrzeuge mit intendierten Manövern gekennzeichnet durch dicke Pfeile, Fußgänger als Kasten),
- - Ampeln und Verkehrszeichen,
- - Fußgängerüberwege.
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10 zeigt einen Zonengraphen zu den Straßenkartensegmenten in 9. Dabei wurden die Zonen auf der linken bzw. die Zonen auf der rechten Seite in 10 zum linken bzw. rechten Straßenkartensegment in 9 ermittelt. Gleichartige Zonen sind mit dem gleichen Bezugszeichen bezeichnet:
- - Kreuzungszone 1001,
- - weit entfernte Zone 1009,
- - naher Fußgängerüberweg 1002,
- - entfernter Fußgängerüberweg mit zugehörigen Zonen für Fußgänger und Gefährdungszonen für Fußgänger (10021, 10022, 1010, 1011, 1007, 1008),
- - Fahrzeugzonen 1004, 1005, 1006,
- - Haltezonen 1012,
- - Zone hinter dem entfernten Fußgängerüberweg 1003.
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11 zeigt einen Phasengraphen zu den Zonengraphen in 10. Dabei wurden die Phasen 1101-1104 auf der linken bzw. die Phasen 1106-1109 auf der rechten Seite in 11 zum linken bzw. rechten Teil des Zonengraphen in 10 ermittelt. Die Phase 1105 zwischen den beiden Abschnitten stellt den Übergang dar und entspricht einem Übergang zwischen den Zonengraphen in 10 sowie zwischen den Kartensegmenten in 11.
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Sind zwei oder mehrere Straßenkartensegmente bereits betrachten worden, beispielsweise in einer Modellbibliothek abgelegt, so reicht für ein komplexeres Straßenkartenszenario, welches aus den Straßenkartensegmenten mit Übergängen aufgebaut ist, wenn nur die unbekannten Übergänge noch einmal betrachtet werden. Davon abgesehen kann auf die bereits erfolgten Analysen zurückgegriffen werden.
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Durch automatische Abstraktion einer gegebenen Karte in einen logischen Zonengraphen für die auf der Karte möglichen Manöver können exakte Informationen darüber ermittelt werden, welche Bestandteile der Karte in den mit dem Verfahren durchgeführten Analysen bereits beherrscht werden und welche noch zusätzlich betrachtet werden müssen.
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Durch die gewählten Abstraktionen (Zonen, Äquivalenzklassen, Phasen) wird eine strukturelle Kompositionalität und eine Verhaltenskompositionalität erreicht. Die strukturelle Kompositionalität ermöglicht das Verbindung mehrerer Basiselemente (z.B. gerade Straße und Kurve) auf der Basis von Zonen. Durch die Verhaltenskompositionalität, ermöglicht durch die Definition von Phasen, erhält man die Sicherheit, dass eine Betrachtung von Einzelelementen in der Analyse hinreichend für korrektes Verhalten auf komplexen Karten ist.
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12 zeigt eine beispielhafte Verkehrssituation, in welcher sich ein Fußgänger außerhalb eines vorgesehenen Kontexts verhält. Alle sechs Szenen beinhalten ein Fahrzeug auf einer Fahrbahn, einen Fußgänger neben bzw. am Rand der Fahrbahn, sowie für die Fahrsituation bestimmte Zonen. Eine Zone G beinhaltet einen Bereich der Fahrbahn vor einem Fußgängerüberweg. Eine Zone M beinhaltet einen Bereich eines Gehwegs neben der Fahrbahn auf Höhe des Fußgängerüberwegs. Eine Zone P beinhaltet einen Bereich aus der Zone M, welcher direkt an die Fahrbahn und den Beginn des Gehwegs angrenzt. Die den Gehweg-Zonen P bzw. M entsprechenden Zonen auf der anderen Seite der Fahrbahn sind als Q bzw. L bezeichnet.
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In den drei Szenen der oberen Reihe wird ein Szenario ohne Anwendung eines der vorgestellten Verfahren gezeigt.
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In der ersten Szene nähert sich das Fahrzeug dem Fußgängerweg in der Zone G und der Fußgänger läuft Richtung Zone M und Fußgängerüberweg, befindet sich aber nicht in einer der bestimmten Zonen, welche das Fahrzeug für seine Steuerung heranziehen kann. Somit wird der Fußgänger als (noch) nicht relevant für das Verhalten bzw. die Entscheidungsfindung des Fahrzeugs angesehen. Die Größe der Zonen L und M hängt von der (prognostizierten) Zeit ab, welche das Fahrzeug benötigt, bis es den Fußgängerüberweg überquert hat, sowie von der angenommenen Maximalgeschwindigkeit von Fußgängern entsprechend dem vorgesehenen Betriebsbereich (ODD) des Fahrzeugs.
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In der zweiten Szene nähert sich das Fahrzeug weiter dem Fußgängerüberweg, wodurch die Zeit reduziert wird, die bis zu einem Überqueren des Fußgängerüberwegs erwartet wird, und somit die Größe der Zonen L und M reduziert wird. Der Fußgänger nähert sich ebenfalls weiter dem Fußgängerüberweg, wird aber weiterhin als nicht relevant eingeschätzt, da er sich außerhalb der bestimmten Zonen, insbesondere Zone M befindet.
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In der dritten Szene hat sich das Fahrzeug weiter dem Fußgängerüberweg genähert, wodurch wiederum die Größe der Zone M reduziert wird. Das Fahrzeug hat den Fußgängerüberweg allerdings noch nicht erreicht. Der Fußgänger hat dagegen mittlerweile die Zonen M und P überquert und befindet sich am Beginn des Fußgängerüberwegs, wird also sehr relevant für den sicheren Betrieb des Fahrzeugs. Es hat sich somit eine gefährliche, unerwünschte Situation realisiert, in welcher der Fußgänger unmittelbar vor dem Fahrzeug die Fahrbahn betritt.
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In den drei Szenen der unteren Reihe wird ein Szenario unter Anwendung eines der vorgestellten Verfahren gezeigt, wodurch die gefährliche, unerwünschte Situation antizipiert werden kann.
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Die erste Szene entspricht der ersten Szene aus der oberen Reihe. Während sich Fahrzeug und Fußgänger dem Fußgängerüberweg nähert, kann der Monitor die Verkehrssituation beobachten und bestimmen, ob die aktuelle oder prognostizierte Verkehrssituation außerhalb der für die bestimmten Zonen abgeleiteten möglichen Abläufe liegt. Beispielsweise kann eine Entfernung des erfassten Fußgängers zur Zone M bestimmt werden. Sinkt die Entfernung z.B. von der ersten Szene zur zweiten Szene unerwartet schnell, wird eine Abweichung von den erwarteten Verkehrssituationen erkannt. Als Gegenmaßnahme wird hier beispielsweise in der zweiten Szene eine neue Zone o1 um den Fußgänger herum hinzugefügt, welche bei der Ansteuerung des Fahrzeugs berücksichtigt wird. Entsprechend kann das Fahrzeug in der dritten Szene bereits ein sicheres Manöver eingeleitet haben und sicher vor dem Fußgängerüberweg halten, während der Fußgänger vor ihm die Fahrbahn betritt. Die gefährliche, unerwünschte Situation ist verhindert.
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13 zeigt eine beispielhafte Verkehrssituation mit zwei Fahrzeugen, welche sich auf unterschiedlichen Fahrbahnen in Gegenrichtung bewegen, einem Fußgänger und sowie einem Fußgängerüberweg. Die Zonen G, L, M, P, Q entsprechen den zu 12 beschriebenen Zonen: Die Fahrzone G des betrachteten Fahrzeugs auf der Fahrbahn, die Zonen P und Q neben der Fahrbahn direkt vor dem Fußgängerüberweg, in denen erwartet wird, das Fußgänger (kurz) warten, bevor sie die Straße betreten, sowie die Zonen L und M, die anzeigen, das sich darin befindliche Fußgänger noch den Fußgängerüberweg erreichen können, bevor das Fahrzeug ihn überquert hat. Wie zu 12 beschrieben wird die Größe der Zonen L und M unter anderem auf Basis von Modellen und Annahme über die möglichen Bewegungen (Beschleunigungen und Geschwindigkeiten) von Fußgängern und weiteren Verkehrsteilnehmern angepasst. Wenn sich ein Fußgänger nicht diesen Modellen und Annahmen entsprechend verhält, kann dies zu einer unerwarteten Situation führen.
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Abhängig von dem Zonengraph aus 13 kann nun eine morphologische Analyse des beabsichtigten oder gewünschten Verhaltens des Fahrzeugs erfolgen. In diesem einfachen Szenario können aus der Situation zwei mögliche Verhaltensweisen abgeleitet werden: „Überquere den Fußgängerüberweg!“ oder „Halte vor dem Fußgängerüberweg!“. Die Analyse erlaubt es, dass die möglichen Verhaltensweisen bzw. Abläufe vollständig und konsistent sind, allerdings nur, solange sich die Verkehrsteilnehmer innerhalb der zuvor festgesetzten Grenzen und Annahmen verhalten.
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14 zeigt einen beispielhaften Ablauf eines Verfahrens zum Ansteuern eines Fahrzeugs abhängig von Ausgaben eines Sicherheitsmonitors. Hierbei verfügt ein Fahrzeugsystem 1400 über einen Sicherheitsmonitor 1406, welcher über die Zonen bzw. Zonengraphen sowie die Ergebnisse einer morphologischen Analyse verfügt, mit welcher aus jeweiligen Zonengraphen mögliche Abläufe von Verkehrssituationen abgeleitet wurden. Diese können optional auch über Software-Updates aktualisiert werden.
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Zusätzlich kann der Monitor auf Modelle für das Fahrzeug zugreifen (z.B. bezüglich Beschleunigung, Verzögerung, Lenkmöglichkeiten etc.) sowie auf Verhaltensmodelle, welche das erwartete Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder andere Fahrzeuge beschreiben.
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Im Betrieb des Fahrzeugs erhält der Sicherheitsmonitor weitere Informationen aus verschiedenen Quellen 1401 bis 1405, beispielsweise über einen aktuellen Zustand des Fahrzeugs (z.B. Geschwindigkeit und aktuelle Position auf der digitalen Karte) sowie über die erfasste Fahrzeugumgebung inkl. weiterer Verkehrsteilnehmer. Diese Informationen können aus Sensordaten des Fahrzeugs abgeleitet sein oder von extern, insbesondere über eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation oder eine Infrastruktur-zu-Fahrzeug-Kommunikation empfangen werden.
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Der Sicherheitsmonitor kann über verschiedenartige Ausgaben an unterschiedliche Komponenten oder Einheiten die Ansteuerung des Fahrzeugs beeinflussen.
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In einer möglichen Realisierung gibt der Sicherheitsmonitor beispielsweise eine Information aus, dass ein vorgesehener Betriebsbereich verlassen wurde bzw. dass die Verkehrssituation nicht den vorliegenden möglichen Abläufen für den entsprechenden Zonengraphen entspricht, und das Fahrzeug wird abhängig hiervon angesteuert.
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In einer weiteren möglichen Realisierung gibt der Sicherheitsmonitor Bedingungen oder Grenzen für ein mögliches Sicherheitsmanöver aus. Diese Bedingungen oder Grenzen können beispielsweise bereitgestellt werden in Form neuer besetzter Zonen, einer blockierten Zone, eines Vorschlags für eine Ausweichtrajektorie, eines Liniensatzes oder von Polygonen oder als Gebiet, mit welchem Kosten einer Kostenfunktion verknüpft sind. Diese Bedingungen oder Grenzen können dann insbesondere an einen Verhaltens-, Trajektorien- oder Bewegungsplaner 1407 oder ähnlichen Modulen im Fahrzeug übermittelt werden, um ein sicheres Verhalten bzw. eine sichere Trajektorie für das Fahrzeug zu berechnen.
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In einer weiteren möglichen Realisierung berechnet der Sicherheitsmonitor direkt ein sicheres Manöver, möglicherweise inklusive der Berechnung einer Trajektorie. Das berechnete Manöver kann dann an eine Steuereinheit 1408 des Fahrzeugs übertragen werden, welche das Fahrzeug entsprechend ansteuert.
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Drei mögliche Beispiele für die vorgestellten Verfahren werden in den 15 bis 19 vorgestellt.
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15 zeigt eine weitere beispielhafte Verkehrssituation, in welcher sich ein Fußgänger außerhalb eines vorgesehenen Kontexts verhält. Dabei handelt es sich um eine vergleichbare Situation, wie sie zu 13 beschrieben wurde. Wiederum fahren zwei Fahrzeuge auf unterschiedlichen Fahrbahnen in entgegengesetzter Richtung auf einen Fußgängerüberweg zu und ein Fußgänger nähert sich dem Fußgängerüberweg von außerhalb der Fahrbahn. Die Zonen G, L, M, P, Q sind wieder entsprechend 13 bezeichnet.
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In diesem Beispiel wird ein Objekt detektiert, welches außerhalb der Annahmen über dessen Bewegungsmöglichkeiten verhält, was zu einer gefährlichen Situation führen kann. Die morphologische Verhaltensanalyse in Kombination mit dem Zonengraph bestimmt, dass das betrachtete Fahrzeug in der Zone G vor dem Fußgängerüberweg bremsen muss, wenn ein Fußgänger sich in einer der Zonen M, P, L, Q oder auf dem Fußgängerüberweg befindet. Die Größe der Zonen M und P wird wiederum auf Basis von Annahmen über die erwarteten Bewegungseigenschaften der beteiligten Verkehrsteilnehmer berechnet. Diese umfassen beispielsweise deren maximale Geschwindigkeit, maximale Beschleunigung, sowie deren Möglichkeit für einen Richtungswechsel.
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Der Sicherheitsmonitor überwacht nun Objekte bzw. Verkehrsteilnehmer außerhalb der Zonen und bestimmt, ob deren Verhalten mit den vorhandenen Modellannahmen übereinstimmt, und insbesondere, ob sie gerade aufgrund eines solchen unerwarteten Verhaltens zukünftig in eine der bestimmten Zonen kommen könnten. Liegt ein solcher Fall vor, kann es sich um eine Verkehrssituation außerhalb der Annahmen handeln, für welche das Fahrzeug getestet und freigegeben wurde. Solche Verkehrssituationen sollen erkannt werden, bevor sich daraus eine gefährliche Situation ergibt.
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16 zeigt eine beispielhafte Verkehrssituation, in welcher ein Fahrzeug in einer nicht für Fahrzeuge vorgesehenen Zone erfasst wird.
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Das betrachtete Fahrzeug bewegt sich auf einen Fußgängerüberweg zu. Die Zonen G, L, M, P, Q sind wieder entsprechend 13 bezeichnet.
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Der Sicherheitsmonitor hat Zugriff auf Informationen darüber, welche Objekte bzw. Verkehrsteilnehmer in welcher Zone zugelassen sind. Hierdurch ist er in der Lage zu erkennen, wenn Objekte bzw. Verkehrsteilnehmer sich in einer nicht für sie vorgesehenen Zone befinden. In einem Zonengraph mit einem Fußgängerüberweg wie in 16 gezeigt, kann beispielsweise vorgesehen sein, dass nur Fußgänger sich in den Zonen P, M, L und Q aufhalten dürfen. In 16 befindet sich nun ein zweites Fahrzeug in der Zone M, was somit eine Verletzung der getroffenen Annahmen darstellt. Der Sicherheitsmonitor kann diese entsprechend feststellen.
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17 zeigt eine beispielhafte Ersatzreaktion für eine Verkehrssituation entsprechend 16. Dabei ist in 17 die identische Verkehrssituation wie in 16 gezeigt, lediglich ergänzt um eine weitere Zone für das zweite Fahrzeug, das sich unerwartet in Zone M befindet. Eine solche Ergänzung kann durch den Sicherheitsmonitor als Maßnahme bzw. Ersatzreaktion vorgenommen werden, falls die Verkehrssituation keinem der möglichen bzw. vorgesehenen Abläufen entspricht. Das ist insbesondere möglich, wenn das erfasste Objekt, hier das zweite Fahrzeug in Zone M, zu einer bekannten Klasse an Objekten gehört und somit ein Modell für dessen Verhalten zur Verfügung steht. Dieses Modell kann dann dazu verwendet werden, eine neue Zone für das zweite Fahrzeug zu berechnen, welche das mögliche bzw. erwartete Bewegungsprofil des Fahrzeugs berücksichtigt.
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In einer alternativen Ausgestaltung könnte der Sicherheitsmonitor lediglich an eine weitere Instanz im Fahrzeug signalisieren, dass er eine unerwartete Verkehrssituation erkannt hat bzw. dass sich ein Objekt bzw. Verkehrsteilnehmer in einer unerwarteten Zone befindet. Eine solche weitere Instanz kann insbesondere auch eine Ausgabe an einen Fahrer per HMI veranlassen.
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18 zeigt eine beispielhafte Verkehrssituation, in welcher das Verhalten eines Fußgängers das Fahrzeug aus einem vorgesehenen Betriebsbereich herausbringt. In dieser Verkehrssituation bewegt sich wiederum ein Fahrzeug auf einen Fußgängerüberweg zu. Die Zonen G, L, M, P, Q sind wieder entsprechend 13 bezeichnet. Zusätzlich sind vier Ampeln gezeigt, zwei für auf der Fahrbahn befindliche Fahrzeuge vor dem Fußgängerüberweg sowie jeweils eine für Fußgänger auf jeder Seite des Fußgängerüberwegs. In beiden Szenen der Verkehrssituation zeigen die Ampeln für die Fahrzeuge grün und die Ampeln für die Fußgänger rot.
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In der ersten Szene bewegt sich das betrachtete Fahrzeug auf den Fußgängerüberweg zu und ein Fußgänger in Zone M nähert sich ebenfalls dem Fußgängerüberweg. In der zweiten Szene hat sich das Fahrzeug weiter dem Fußgängerüberweg genähert und der Fußgänger hat den Fußgängerüberweg aus der Zone M über die Zone P betreten.
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In diesem Fall ist das Auftreten des Fußgängers in Zone M sowie sein Bewegungsverhalten innerhalb der vorgesehenen Grenzen und Modellannahmen. Der Fußgänger hält sich in der ersten Szene in einer Zone auf, die für das Verhalten des Fahrzeugs relevant ist. Allerdings kann es nun im vorgesehenen Betriebsbereich (ODD) zusätzliche Beschränkungen zulässiger Verhaltensweisen von Verkehrsteilnehmern geben. Beispielsweise kann angenommen werden, dass sich andere Verkehrsteilnehmer an Verkehrsregeln halten. Entsprechend können dann Verletzungen von Verkehrsregeln als eine Verkehrssituation außerhalb des vorgesehenen Betriebsbereich (ODD) definiert werden, z.B. das Betreten des Fußgängerüberwegs durch den Fußgänger trotz einer roten Fußgängerampel. Somit handelt es sich hierbei um eine unerwartete und potentiell gefährliche Verkehrssituation.
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19 zeigt eine beispielhafte Ersatzreaktion für eine Verkehrssituation entsprechend 18 und zeigt eine der zweiten Szene von 18 entsprechende Situation.
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Durch eine entsprechende Erweiterung der morphologischen Verhaltensanalyse kann ein Ampelzustand als Eigenschaft für die betrachteten Abläufe aufgenommen werden. Wird nun die Annahme getroffen, dass sich die Verkehrsteilnehmer an Verkehrsregeln halten, wird für die Kombination aus „Fußgänger überquert die Straße am Fußgängerüberweg“ und „Ampel am Fußgängerüberweg ist rot“ festgelegt, dass sie einer Situation außerhalb des erwarteten Betriebsbereichs entspricht. Diese Information liegt dem Sicherheitsmonitor vor, der die vorliegende Verkehrssituation entsprechend als kritisch identifizieren und eine geeignete, sichere Gegenmaßnahme durch das Fahrzeug einleiten kann.
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Auch wenn die beschriebenen Beispiele anhand von Verkehrssituationen an Fußgängerüberwegen illustriert wurden, können die vorgestellten Verfahren, insbesondere unter Einsatz eines Sicherheitsmonitors, für alle Arten von Verkehrssituationen und verschiedene vorgesehene Betriebsbereiche, z.B. im Stadtverkehr, Autobahnverkehr oder in beschränkten Gebieten eingesetzt werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102017207257 A1 [0007]
- DE 102018214999 A1 [0007]
- DE 102017216801 A1 [0007]
- DE 102019209544 [0008]