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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Bremse in einem Fahrzeug gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Die Erfindung betrifft des Weiteren ein dazugehöriges Bremssystem gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 9 und ein Fahrzeug mit einem solchen Bremssystem.
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Es ist ein stetes Bestreben der Kraftfahrzeugindustrie, Kraftfahrzeuge nicht nur leistungsfähiger, sondern auch immer sicherer zu konzipieren. Moderne Kraftfahrzeuge weisen somit eine steigende Anzahl an Sicherheitseinrichtungen auf, die Gefahrenquellen rechtzeitig erkennen sollen, um die Unfallwahrscheinlichkeit zu reduzieren. Für den Fall, dass ein Unfall wahrscheinlich oder gar unausweichlich erscheint, werden zudem Maßnahmen getroffen, um die Unfallschwere abzumildern.
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Bei einer Abmilderung der Unfallschwere muss sowohl die Unversehrtheit der Fahrzeuginsassen des betreffenden Fahrzeugs als auch möglicherweise anderer am Unfall beteiligter Personen berücksichtigt werden. So richten sich die Sicherheitsmaßnahmen gleichwohl auf die Vorbereitung der Fahrgastzelle für einen Aufprall als auch auf eine optimale Steuerung des Fahrzeugs in den Sekunden vor dem Aufprall, um Schaden anderer Verkehrteilnehmer abwenden oder zumindest in Grenzen halten zu können.
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Die
DE 199 23 708 A1 beschreibt ein Kraftfahrzeug, bei dem beim Aufprall auf ein Hindernis die Karosserie auf der Aufprallseite höhenverstellbar ist, damit die passiven Sicherheitseinrichtungen optimal wirken können. Die Karosserie kann dabei angehoben werden, sodass beim Aufprall der Motor nicht in den Fahrgastraum eindringen kann, sondern teilweise darunter geschoben werden kann.
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Die
DE 103 32 935 A1 beschreibt ein Kraftfahrzeug, bei dem bei einem zu erwartenden Unfall, insbesondere im Seitenbereich, ein der Kraftwirkung des Kollisionsobjekts entgegenwirkendes Moment erzeugt wird.
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Die
DE 198 03 370 A1 beschreibt ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs, bei dem in einer extremen Fahrsituation, insbesondere bei einem Unfall, Federungs- und/oder Dämpfungsvorrichtungen für wenigstens ein Rad verhärtet oder gesperrt werden können, um das Fahrzeug zu stabilisieren.
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Die
DE 36 40 107 A1 beschreibt eine Anordnung zur Gewichtsverteilung eines Fahrzeugs in Längsrichtung. Durch Anheben der Frontpartie des Fahrzeugs gegenüber der Heckpartie des Fahrzeugs kann somit ein Ausbrechen des Fahrzeugs in verschiedenen Bremssituationen vermindert werden. Des Weiteren kann beim Aufprall auf ein Hindernis ein größerer Widerstand gebildet werden.
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Die
US 6 993 422 B2 beschreibt eine Vorrichtung zum Anpassen der Höhe eines ersten Fahrzeugs kurz vorm Aufprall auf ein zweites Fahrzeug.
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Die
DE 101 47 586 A1 beschreibt eine durch eine elektrische Betätigung auslösbare Fahrzeugbremse. Dabei wird in Abhängigkeit der Dauer der Betätigung der Bremse mit zunehmender Zeit ein die Bremskraft erhöhendes Stellsignal erzeugt.
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Die
EP 143 16 28 B1 beschreibt ein Bremssystem für ein Fahrzeug, bei dem die Hydraulik zum Betätigen des Bremszylinders in einer Normalsituation progressiv geregelt und in einer Notbremssituation abrupt ausgelöst werden kann.
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In den beiden letztgenannten Druckschriften erfolgt die Abbremsung des Fahrzeugs über die Räder. Um eine zusätzliche Abbremsung des Fahrzeugs zu bewirken, ist ein sogenannter „Braking-Bag“ vorgeschlagen worden, bei dem durch sehr schnelles Aufblasen eines Luftsacks unter der Fahrzeugkarosserie eine Platte auf den Untergrund gedrückt wird, sodass die Fahrzeugverzögerung kurzzeitig auf über 20 m/s2 erhöht werden kann. Dadurch wird über die Möglichkeiten einer Radbremse hinaus zusätzliche kinetische Energie des Fahrzeugs abgebaut und so die Unfallschwere verringert. Weitere Nebeneffekte sind dabei, dass durch das Aufblasen des Luftsacks nach unten das Fahrzeug leicht angehoben wird. Dies verhindert ein Eintauchen der Fahrzeugfront und bewirkt zusätzlich, dass die Gurte leicht vorgespannt werden.
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Aus der
DE 10 2008 037 801 A1 ist ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 bekannt. Sobald eine erwartende Kollision erfasst wird, erfolgt eine Erhöhung der nach unten auf die Fahrbahn gerichtete Normalkraft über die Karosserie auf ein Vorderrad. Zusätzlich dazu wird die Bremskraft auf das Vorderrad erhöht. Auch aus der
DE 10 2004 054 544 B3 ist ein ähnliches Verfahren bekannt. Die Normalkrafterhöhung wirkt hierbei direkt auf die Vorderachse.
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Es ist die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren der eingangs genannten Art bereitzustellen, welche eine Notbremsung des Fahrzeugs verbessert und insbesondere die kinetische Energie des Fahrzeugs beim Aufprall auf ein identifiziertes Kollisionsobjekt reduziert, sowie eine einfach gestaltete Vorrichtung für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 9 gelöst. Vorteilhafte Aus- und Weiterbildungen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zum Betreiben einer Bremse in einem Fahrzeug geht davon aus, dass die nach unten zur Fahrbahn gerichtete Normalkraft auf wenigstens ein Vorderrad des Fahrzeugs für ein erstes Zeitintervall, welches vor dem Zeitpunkt der zu erwartenden Kollision beginnt, erhöht wird und bei Vorliegen erhöhter Normalkraft die auf das wenigstens eine Vorderrad ausgeübte Bremskraft wenigstens für ein zweites Zeitintervall erhöht wird. Das gleichzeitige Erhöhen beider Kräfte, der Normalkraft und der Bremskraft auf das betreffende Vorderrad bewirkt, dass eine erhöhte Verzögerung des rollenden Vorderrades ermöglicht wird. Die Erhöhung der Normalkraft auf das wenigstens eine Vorderrad ist überhaupt erst die Vorraussetzung dafür, dass eine Erhöhung der Bremskraft auf dieses Vorderrad überhaupt zweckdienlich ist, da dieses ohne Erhöhung der Normalkraft blockieren würde und die Bremseigenschaften sich damit verschlechtern würden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass die Normalkrafterhöhung in Form eines kurzen, stoßartigen Impulses erfolgt, der von der Karosserie auf das wenigstens eine Vorderrad übertragen wird, und dass der Beginn des ersten und zweiten Zeitintervalls so gewählt wird, dass die Zeitintervalle bis zum Zeitpunkt der Kollision andauern.
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Unter der auf das Vorderrad ausgeübten Bremskraft ist im Sinne der Erfindung die Kraft der Bremskraftmittel des Fahrzeugs zu verstehen. Diese werden beispielsweise durch die Bremsbeläge, die beim Bremsvorgang durch Andrücken eine Reibungskraft auf dem Rad verursachen, übertragen, wobei auch andere Bremstechnologien, z.B. elektromagnetisch wirkende Wirbelstrombremsen, nicht ausgeschlossen sind.
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Außerdem ist es für das erfindungsgemäße Verfahren unerheblich, wie die zu erwartende Kollision erfasst wurde und ob die Bremse von einer Person betätigt oder systemseitig automatisch ausgelöst wurde. Es kann sich um eine elektronisch geregelte Bremse handeln, die die mechanische Bremswirkung auf das Rad derart regelt, dass ein Blockieren der Räder verhindert wird. Es kann sich auch um eine elektrisch betätigbare Bremse handeln, bei der der mechanische Andruck auf das Bremspedal nicht unbedingt mit der Stärke des ausgelösten Bremssignals korreliert.
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Die Transversalgeschwindigkeit des rollenden Rades und damit des Fahrzeugs wird dann gemäß den zugrundeliegenden physikalischen Zusammenhängen verzögert, die sich vereinfacht aus der Formel FR = µ FN ergibt, mit der Reibungskraft FR, der Normalkraft FN und dem Reibungskoeffizienten µ. Die maximale Reibungskraft FR hängt somit linear von der Normalkraft FN ab, welche auf einer ebenen Strecke der Gewichtskraft entspricht. Heutzutage werden bei einer Vollbremsung Bremsverzögerungen von ungefähr 10 m/s2 erreicht. Dies entspricht einem Wert von ungefähr µ = 1, d.h. die Bremsverzögerung entspricht betragsmäßig ungefähr der Erdbeschleunigung g. Durch die erfindungsgemäße Erhöhung der Normalkraft erhält das Fahrzeug eine virtuell höhere Gewichtskraft und es wird somit - zumindest kurzfristig - eine größere Verzögerung des Fahrzeugs ermöglicht.
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Durch eine solche erhöhte Normalkraft wird das Fahrzeug wenigstens an dem betreffenden Rad nach oben beschleunigt. Als Reaktionskraft wird die auf die Straße wirkende Kraft auf das betreffende Rad kurzfristig deutlich erhöht. Daher kann die Erhöhung der Normalkraft nur für einen kurzen Zeitraum aufrechterhalten werden, da sonst das Fahrzeug abheben würde. Wenn das erste Zeitintervall mit der erhöhten Normalkraft beendet wird, kommt es zum gegenteiligen Effekt, dass das Fahrzeug wieder in Richtung der vorherigen vertikalen Ruhelage zurückkehrt. Durch eine geeignete Wahl des ersten Zeitintervalls kann sichergestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Kollision bereits stattgefunden hat, sodass durch das Aufeinanderprallen der Körper ohnehin eine durch die Deformation bestimmte wesentlich höhere transversale Verzögerung stattfindet.
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Eine solche erfindungsgemäße Bremsung über das Vorderrad oder die Vorderräder hat dabei gegenüber den anderen Rädern des Fahrzeugs mehrere Vorteile. Erstens wird das Fahrzeug durch die zusätzliche Normalbeschleunigung am betreffenden Vorderrad angehoben. Ein Anheben der Hinterräder alleine wäre bei einer Notbremsung aber eher nachteilig, weil dies das Eintauchen der Fahrzeugfront verstärken würde. Zweitens ist bei einer Vollbremsung die Lastverteilung zugunsten der Vorderräder verschoben, sodass über die Vorderräder eine wirksamere Bremsung erzielt werden kann.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann bereits angewendet werden, wenn das Fahrzeug ein Zweirad, z.B. ein Motorrad ist, oder nur ein einziges Vorderrad aufweist. Auch für Fahrzeuge mit zwei oder ggf. mehreren Vorderrädern kann es sinnvoll sein, nur für eines der Vorderräder die Normalkraft und Bremskraft zu erhöhen, z.B. wenn das Fahrzeug bereits seitlich ausgeschert ist, oder wenn aktive elektronische Bremsregelsysteme kurzfristig für einzelne Räder nur eine verminderte Bremskraft vorsehen. Im Normalfall ist es aber vorteilhaft, wenn für ein Kraftfahrzeug mit zwei Vorderrädern das erfindungsgemäße Verfahren auch für beide Vorderräder gleichzeitig eingesetzt wird.
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Vorteilhafterweise beginnen und/oder enden das erste und zweite Zeitintervall gleichzeitig. Durch diese Synchronisierung kann die kurzfristige Erhöhung der Normalkraft optimal für eine erhöhte Bremswirkung ausgenutzt werden.
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In einer Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Erhöhung der Normalkraft durch einen dem wenigstens einen Vorderrad zugeordneten Schwingungsdämpfer oder ein Federungselement übertragen wird. Dies erlaubt einen einfachen mechanischen Aufbau und es kann auf bestehende Fahrzeugteile zurückgegriffen werden. Alternativ dazu kann auch ein eigens dafür bestimmtes Bauteil vorgesehen werden, das auf eine Anwendung für eine Notbremsung optimiert ist. Es kann somit ein neuer Lastpfad für den Fall einer Notbremsung bereitgestellt werden, der unabhängig von den bestehenden Fahrzeugteilen entworfen und dimensioniert werden kann.
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Die erhöhte Normalkraft auf das wenigstens eine Vorderrad kann insbesondere durch hydraulische Mittel, pyrotechnische Mittel und/oder Druckluft erzeugt werden. Falls ein hydraulisch arbeitender Schwingungsdämpfer für die Übertragung der zusätzlichen Normalkräfte vorgesehen ist, kann hier das dazugehörige hydraulische System mitbenutzt werden. Im Falle einer Luftfederung des Fahrzeugs kann auch der Druck in den Luftfedern abrupt erhöht werden. Ferner kann bei Verwendung pyrotechnischer Komponenten gegebenenfalls auf am Markt existierende Bauteile zurückgegriffen werden oder für andere Sicherungssysteme des Fahrzeugs bereits verbaute pyrotechnische Komponenten für eine Erhöhung der Normalkraft sorgen.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass der Beginn des ersten und/oder zweiten Zeitintervalls in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit, dem Abstand zum Kollisionsobjekt, der maximalen Längenänderung des Schwingungsdämpfers und/oder der vorab berechneten Längenänderung des Schwingungsdämpfers während der Übertragung der Normalkraft gewählt wird. Hierdurch kann die Initiierung der erhöhten Bremswirkung auf die jeweilige Situation angepasst werden und somit die Reduzierung der kinetischen Energie des Fahrzeugs bis zum Aufprall optimiert werden.
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Insbesondere wird aus der Fahrzeuggeschwindigkeit und dem Abstand zum Kollisionsobjekt ein Kollisionszeitpunkt errechnet. Dieser kann ab dem Zeitpunkt des Erkennen der zu erwartenden Kollision kontinuierlich überwacht und gegebenenfalls neu berechnet werden. Dies ist gegebenenfalls notwendig, weil im Verlauf der Zeit bis zur Kollision das Fahrzeug abgebremst wird, wobei der Bremsweg von externen Bedingungen wie der Fahrbahnbeschaffenheit abhängig sein kann.
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Es wird ferner berechnet, z.B. aus dem maximalen Hubweg der Schwingungsdämpfer oder der Luftfedern, wie lange welche Normalbeschleunigung auf das betreffende Rad ausgeübt werden kann, das heißt, wie lang das erste Zeitintervall maximal gewählt werden kann. Der Zeitpunkt des Beginns des ersten und zweiten Zeitintervalls wird dann aus der Fahrzeuggeschwindigkeit so berechnet, dass die erhöhte Normalbeschleunigung möglichst genau bis zur erwartenden Kollision aufrecht erhalten werden kann.
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Um den Hubweg für die durch die erhöhte Normalkraft bewirkte Beschleunigung der Fahrzeugkarosserie nach oben möglichst groß zu machen, kann vorgesehen sein, dass vor Beginn des ersten Zeitintervalls das Fahrzeug relativ zu dem wenigstens einen Vorderrad abgesenkt wird. Dieses Absenken erfolgt dann ohne Ausüben einer zusätzlichen Normalkraft, indem das Fahrzeug relativ langsam unter seinem Eigengewicht tiefer sinkt. Die Fahrzeugkarosserie kann beispielsweise sofort bei Erkennen der Kollisionsgefahr schon bis zu einigen Sekunden vor dem Aufprall langsam relativ zu den Schwingungsdämpfern tiefer gelegt werden.
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Es kann dabei zusätzlich vorgesehen sein, dass nach dem Absenken des Fahrzeugs relativ zu dem wenigstens einen Vorderrad auf ein Anheben des Fahrzeugs relativ zu dem wenigstens einen Vorderrad umgeschaltet wird und dass das erste und/oder zweite Zeitintervall am Umschaltzeitpunkt beginnt. Hierbei kann die Krafterhöhung der Normalkraft während der Bewegungsumkehr vom Absenken zum Anheben zusätzlich genutzt werden.
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Die auf das wenigstens eine Vorderrad gerichtete Normalkraft im ersten Zeitintervall ist typischerweise erheblich größer als die auf dieses Vorderrad ausgeübte Gewichtskraft, vorzugsweise größer als 200%. Die auf das wenigstens eine Vorderrad ausgeübte Bremskraft im zweiten Zeitintervall ist typischerweise derart erhöht, dass die Fahrzeugverzögerung für den Überlappungsbereich des ersten und zweiten Zeitintervalls betragsmäßig erheblich größer als die Erdbeschleunigung ist. Dadurch, dass das erste und zweite Zeitintervall relativ kurz sind, typischerweise im Bereich eines Bruchteils einer Sekunde, ist eine kurzfristige Überbeanspruchung der beteiligten Fahrzeugkomponenten, z.B. der Schwingungsdämpfer, unkritisch. Die Fahrzeugkomponenten können so ausgelegt sein, dass sie einer solch kurzfristigen Überlast gut standhalten.
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Das erfindungsgemäße Bremssystem in einem Fahrzeug umfasst Kollisionserfassungsmittel zum Erfassen einer zu erwartenden Kollision, Bremskraftmittel zum Abbremsen der Räder des Fahrzeugs und einen Normalkraftverstärker zum Beaufschlagen einer nach unten zur Fahrbahn gerichtete Normalkraft auf wenigstens ein Vorderrad des Fahrzeugs. Es umfasst des Weiteren eine Steuereinheit, die mit den Kollisionserfassungsmitteln, den Bremskraftmitteln und dem Normalkraftverstärker verbunden ist. Mittels der Steuereinheit ist der Normalkraftverstärker derart steuerbar, dass die nach unten zur Fahrbahn gerichtete Normalkraft auf wenigstens ein Vorderrad des Fahrzeug für ein erstes Zeitintervall, welches vor dem Zeitpunkt der zu erwartenden Kollision beginnt, erhöhbar ist und bei Vorliegen erhöhter Normalkraft mittels der Steuereinheit die Bremskraftmittel derart steuerbar sind, dass die auf das Vorderrad ausgeübte Bremskraft wenigstens für ein zweites Zeitintervall erhöhbar ist. Das erfindungsgemäße Bremssystem ist dadurch gekennzeichnet, dass die Normalkraft durch den Normalkraftverstärker in Form eines kurzen, stoßartigen Impulses erhöhbar ist, der von der Karosserie auf das wenigstens eine Vorderrad übertragen wird. Der Beginn der ersten und zweiten Zeitintervalls ist so gewählt, dass die Zeitintervalle bis zum Zeitpunkt der Kollision andauern. Das erfindungsgemäße Bremssystem ist insbesondere zum Durchführen des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Betreiben einer Bremse geeignet. Es weist somit auch die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens auf.
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Erfindungsgemäß ist des Weiteren ein Fahrzeug mit einem solchen Bremssystem ausgestattet.
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Die Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen mit Bezug zu den Figuren näher erläutert.
- 1 zeigt ein Fahrzeug, in welchem ein erfindungsgemäßes Bremssystem angeordnet ist,
- 2 zeigt schematisch den Aufbau eines Bremssystems gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung,
- 3 zeigt schematisch den Ablauf des Verfahrens zum Betreiben einer Bremse gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung und
- 4 zeigt schematisch die Höhenlage der Frontpartie des Fahrzeugs, während die Bremse gemäß dem Ausführungsbeispiel mit Bezug zu der 3 betrieben wird.
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In der 1 ist ein Fahrzeug 1 dargestellt, in welchem ein erfindungsgemäßes Bremssystem angeordnet ist. Das Fahrzeug 1 umfasst zwei Vorderräder 2 mit jeweils einer Radbremse 5 und einem Schwingungsdämpfer 3. Alternativ oder auch zusätzlich sind jedem Vorderrad ein Federungsmechanismus, z.B. hydraulische oder pneumatische Federungssysteme, zugeordnet, über welche das Fahrzeug vertikale Schwingungen auffangen kann oder umgekehrt mechanische Impulse vom Fahrzeug auf die Vorderräder 2 übertragen werden können. In der Frontpartie des Fahrzeugs 1 sind ferner mehrere Abstandssensoren 9 angeordnet, über die die vorausliegende Wegstrecke auf potentielle Hindernisse abgesucht werden kann.
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Der schematische Aufbau eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Bremssystems ist in der 2 dargestellt. Wenigstens die Vorderräder 2 weisen jeweils eine Radbremse 5 auf, die über eine Regelung 6 separat angesteuert werden können. Die Regelung 6 kann beispielsweise Funktionen eines elektronisches Stabilitätsprogramms umfassen, mithilfe dessen die Bremswirkung auf jedes einzelne Rad so geregelt werden kann, dass die Räder nicht blockieren und die optimale Bremswirkung auf den Untergrund bringen können. Ferner wird hierüber sichergestellt, dass das Fahrzeug 1 bei einer Betätigung der Bremse in der Spur bleibt und nicht ausbricht. Die Radbremsen 5 sind von an sich bekannter Bauart. Es sind beispielsweise Trommel-, Scheiben- oder Wirbelstrombremsen, die derart ausgelegt sind und über die Regelung 6 derart stark betätigbar sind, dass über das jeweilige Vorderrad 2 ein Mehrfaches des Eigengewichts des Fahrzeugs 1 abbremsbar ist.
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Den Vorderrädern 2 sind jeweils Schwingungsdämpfer 3 an sich bekannter Bauart zugeordnet, die im Normalbetrieb des Fahrzeugs 1 vertikale mechanische Impulse von den Vorderrädern 2 auf die Karosserie des Fahrzeugs dämpfen. Außerdem kann über die Steuerung 4 eine Normalkraft N in Form eines kurzen, stoßartigen mechanischen Impulses von der Karosserie auf das jeweilige Vorderrad 2 übertragen werden.
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Alternativ oder auch zusätzlich kann, wenn das Fahrzeug 1 über eine Luftfederung verfügt, die zusätzliche Normalkraft N auch durch Druckluft in den Luftfedern aufgebaut werden. Dazu kann beispielsweise ein zusätzlicher Gas- oder Luftspeicher vorgesehen sein, der im Bedarfsfall durch einen kurzen Luftstoß einen Überdruck in der Luftfeder aufbaut, sodass diese expandiert und die Karosserie gegenüber dem wenigsten einen Vorderrad 2 anhebt. Ferner kann die zusätzliche Normalkraft N durch pyrotechnische Mittel aufgebracht werden.
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Die Steuerung 4 für die Schwingungsdämpfer 3 und die Regelung 6 für die Radbremsen 5 sind mit einer Notbremssteuerung 7 verbunden. Die Notbremssteuerung 7 ist des Weiteren mit einer Unfallerfassungseinrichtung 8 verbunden, die über die Abstandssensoren 9 Daten über potentielle Hindernisse in der vorausliegenden Wegstrecke des Fahrzeugs 1 empfängt. Die empfangenen Daten werden kontinuierlich ausgewertet und verschiedenen Verkehrssituationen zugeordnet. Es kann z.B. eine Kolonnenfahrt mit einem vorausfahrenden Fahrzeug mit ungefähr konstantem Abstand erkannt werden. Für den Fall, dass aus den empfangenen Daten eine bevorstehende Kollision mit einem anderen Objekt abgeleitet wird, z.B. eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug, einem Gegenstand oder einer Person, so wird dies an die Notbremssteuerung 7 übermittelt. Diese steuert dann in einer Notbremsung die Schwingungsdämpfer 3 und die Radbremsen 5 über die entsprechende Steuerung 4 bzw. Regelung 6 an, wie dies im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Verfahren noch näher erläutert wird.
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Die Steuerung 4, und die Regelung 6 sowie die Notbremssteuerung 7 können auch in einer gemeinsamen Steuereinheit integriert sein und sie können an beliebig geeigneter Position im Fahrzeug angeordnet sein.
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Die Unfallerfassungseinrichtung 8 kann neben den Abstandssensoren 9 auch über eine Vielzahl anderer Einrichtungen weitere Daten zum Beobachten des Fahrzeugsumfelds empfangen. Sie kann z.B. mit einem Kamerasystem oder einem Schallortungssystem mit nachgeschalteter Bilderkennung verbunden sein, über die eine bevorstehende Kollision erfasst werden kann.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zum Betreiben einer Bremse wird nun anhand eines Ausführungsbeispiels mit Bezug zu den 3 und 4 beschrieben. Dazu kann das mit Bezug zu der 2 beschriebene Bremssystem verwendet werden, auf das im Folgenden Bezug genommen wird.
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In der 3 ist schematisch der Ablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens dargestellt. Der grobe Ablauf ist dabei wie folgt: Nach dem Zeitpunkt 10 der Erkennung der zu erwartenden Kollision wird im weiteren Verlauf in der Phase 11 eine Vorberechnung der nun abzulaufenden Notbremsung durchgeführt. In der Phase 12 kann durch eine Niveauregulierung der Fahrzeugkarosserie gegenüber den Vorderrädern 2 eine noch bessere Ausgangsbasis für die Notbremsung erreicht werden. Im Zeitintervall 13 wird die nach unten zur Fahrbahn gerichtete Normalkraft N auf wenigstens ein Vorderrad 2 erhöht und im dazu überlappenden Zeitintervall 14 wird die auf das wenigstens eine Vorderrad 2 ausgeübte Bremskraft erhöht. Der Beginn der Zeitintervalle 13, 14 ist dabei so gewählt, dass sie mindestens bis zu dem Zeitpunkt 15 der Kollision andauern.
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Zunächst wird also zum Zeitpunkt 10 eine zu erwartende Kollision mit einem Objekt erfasst. Es ist dabei unerheblich, ob das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt 10 schon abgebremst wird oder die Bremsung erst danach vom Fahrer oder systemseitig eingeleitet wird. Beispielsweise wird das Fahrzeug 1 zum Zeitpunkt 10 der automatischen Kollisionserkennung systemseitig automatisch abgebremst. Der Fahrer des Fahrzeugs 1 kann aber beispielsweise bereits vorher selber eine Vollbremsung eingeleitet haben und die unausweichliche Kollision mit dem Vorderfahrzeug wird erst zum Zeitpunkt 10 erkannt, weil das Vorderfahrzeug z.B. erst zu diesem Zeitpunkt 10 auf das seinerseits vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren ist.
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In der Phase 11 werden dann mittels der Notbremssteuerung 7 relevante Parameter des Fahrtzustands ermittelt, die für die Abstimmung des Bremsverfahrens im weiteren Verlauf wesentlich sind. Insbesondere werden die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Distanz zum Kollisionsobjekt ermittelt, um die voraussichtlich verbleibende Zeitspanne bis zur Kollision zu berechnen. Ferner wird die maximale Längenänderung des Schwingungsdämpfers 3, z.B. ein vorher festgesetzter erlaubter Hub des Schwingungsdämpfers 3, und die vorab berechnete Längenänderung des Schwingungsdämpfers 3, die während der Übertragung der Normalkraft N auf die Vorderräder 2 erfolgen wird, bestimmt. Je nachdem, wie viel Zeit bis zur Kollision noch verbleibt, kann die Längenänderung des Schwingungsdämpfers 3 unterschiedlich sein, weil gegebenenfalls noch ein leichtes Absenken des Niveaus der Fahrzeugkarosserie gegenüber den Rädern des Fahrzeugs (Phase 12) und somit ein größerer Hub der Schwingungsdämpfer 3 möglich ist. Diese so bestimmten Parameter des Fahrtzustands werden bei der Berechnung berücksichtigt, bei der bestimmt wird, wann das Zeitintervall 13 der erhöhten Normalkraft N und wann das Zeitintervall 14 der erhöhten Bremskraft begonnen werden soll.
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Zum berechneten Zeitpunkt wird schließlich das Zeitintervall 13 gestartet und die Schwingungsdämpfer 3 der Vorderräder 2 derart über die Notbremssteuerung 7 angesteuert, dass die nach unten zur Fahrbahn gerichtete Normalkraft N auf die Vorderräder 2 erhöht wird. Dadurch wird die Voraussetzung geschaffen, dass ein weiteres Erhöhen der Bremskraft der Radbremsen 5 auf die Vorderräder 2 nicht zum Blockieren führt, sondern eine stärkere Abbremsung des rollenden Rades und somit eine stärkere Reduzierung der Transversalgeschwindigkeit des Fahrzeugs 1 bewirkt.
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Daher wird gleichzeitig mit oder unmittelbar nach dem Starten des Zeitintervalls 13 das Zeitintervall 14 gestartet, wobei die Radbremsen 5 über die Notbremssteuerung 7 derart angesteuert werden, dass sie eine erhöhte Bremswirkung auf die Vorderräder 2 ausüben und somit zur Reduzierung der kinetischen Energie zum Zeitpunkt 15 der Kollision beitragen.
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In der 4 ist schematisch die Höhenlage der Frontpartie des Fahrzeugs 1 dargestellt, während die Bremse gemäß dem Ausführungsbeispiel in der 3 betrieben wird. In der gewöhnlichen Bremsphase 16 wird das Fahrzeug nach an sich bekannter Art abgebremst. Es kann dabei zu einem leichten Eintauchen der Frontpartie des Fahrzeugs 1 kommen, welches durch Gegenmaßnahmen kompensiert werden kann. Beispielsweise wird durch Druckluft auf die den Vorderrädern 2 zugeordneten Luftfedern die Frontpartie so angehoben, dass das Eintauchen ausgeglichen wird.
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In der Phase 17 wird das Niveau der Fahrzeugkarosserie wie beschrieben gegenüber den Rädern des Fahrzeugs 1 leicht abgesenkt. Dies erfolgt ohne zusätzliche Normalkräfte auf die Räder, damit sich das Absenken nicht nachteilig auf die Bremswirkung in dieser Phase auswirkt. Das Fahrzeug 1 kann relativ zu den Rädern z.B. durch sein Eigengewicht langsam etwas tiefer sinken.
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Direkt am Ende der Phase 17 wird dann abrupt die Relativbewegung der Frontpartie des Fahrzeugs 1 gegenüber den Vorderrädern 2 umgekehrt und wie beschrieben eine nach unten zur Fahrbahn gerichtete zusätzliche Normalkraft N auf die Vorderräder 2 ausgeübt. Diese Normalkraft N bewirkt, dass sich die Frontpartie des Fahrzeugs 1 beschleunigt nach oben bewegt, bis die Kollision zum Zeitpunkt 15 eintritt.
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Die durch die zusätzliche Bremskraft erzielbare Geschwindigkeitsreduktion liegt im Bereich einiger Meter pro Sekunde. Bei einer Niveauanhebung z = ½ a t2 ergibt sich in einem Zahlenbeispiel mit einer Zusatzbeschleunigung von a = 20 m/s2 (doppelte Erdbeschleunigung) über ein Zeitintervall 13, 14 von t = 100 ms eine Niveauanhebung z von 10 cm, wobei a die durch die zusätzliche Normalkraft N bewirkte Vertikalbeschleunigung der Frontpartie des Fahrzeugs ist. Die für dieses konkrete Zahlenbeispiel resultierende zusätzliche Geschwindigkeitsreduzierung beträgt maximal 2 m/s, vorausgesetzt dass die Bremswirkung im Zeitintervall 14 entsprechend angepasst wird und die Zeitintervalle 13, 14 entsprechend synchronisiert sind. Andere Zahlenbeispiele liefern andere, ggf. noch höhere Geschwindigkeitsreduzierungen.
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Je nach Abstimmung der Zeitintervalle 13, 14 (im Zeitintervall 13 wird die Frontpartie des Fahrzeugs 1 nach oben beschleunigt, welches nur in begrenztem Umfang gewünscht ist, im Zeitintervall 14 wird die vordergründig gewünschte, erhöhte Bremswirkung des Fahrzeugs 1 in Vorwärtsrichtung ermöglicht), je nach zu erzielender zusätzlicher Normalkraft N und je nach akzeptabler Niveauanhebung z der Frontpartie des Fahrzeugs 1 können andere Werte zur Geschwindigkeitsreduzierung erzielt werden. Bei der praktischen Umsetzung sind auch noch andere Faktoren zu berücksichtigen, nämlich wie die exakte Lastverteilung auf die einzelnen Räder ausfällt und wie schnell die Normalkraft und die Bremskraft erhöht werden können. In diesem Sinne kann gegebenenfalls ein etwas früheres Beginnen des Zeitintervalls 13 vorteilhaft sein, um zu vermeiden, dass durch ein zu frühes Erhöhen der Bremskraft die Vorderräder 2 kurzfristig blockieren. Das Blockieren der Räder kann in einem solchen Fall andererseits durch an sich bekannte elektronische Regelungsverfahren unterbunden werden.
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Durch die zeitliche Abstimmung der Zeitintervalle 13, 14 aufeinander, aber auch durch die Abstimmung des Endes der Phase 12 auf den Beginn der Zeitintervalle 13, 14 kann die Reduzierung der kinetischen Energie des Fahrzeugs 1 zum Zeitpunkt 15 der Kollision optimiert werden. Dadurch, dass je nach Situation die Kollision aber durchaus einige Sekunden im Voraus erkannt werden kann, die Zeitintervalle 13, 14 aber typischerweise Längen von circa 100 ms oder einigen 100 ms nicht überschreiten, ist eine Überwachung des Fahrtzustandes zwischen dem Zeitpunkt 10 der Kollisionserkennung und dem Zeitpunkt 15 der Kollision vorteilhaft oder sogar notwendig. Je nach Fahrbahnbelag und Witterungsverhältnissen kann nämlich die Verzögerung des Fahrzeugs 1 zwischen den Zeitpunkten 10, 15 falsch berechnet werden. Die Abweichung kann hier durchaus in der Größenordnung der Längen der Zeitintervalle 13, 14 liegen, sodass der zeitliche Ablauf der Notbremsung, insbesondere die Initiierung der Zeitintervalle 13, 14, gegebenenfalls nachjustiert werden müssen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeug
- 2
- Vorderrad
- 3
- Schwingungsdämpfer
- 4
- Steuerung für Schwingungsdämpfer
- 5
- Radbremse
- 6
- Regelung für Radbremse
- 7
- Notbremssteuerung
- 8
- Unfallerfassungseinrichtung
- 9
- Abstandssensoren
- 10
- Erkennung einer zu erwartenden Kollision
- 11
- Bestimmung des Fahrtzustandes
- 12
- Absenken des Niveaus des Fahrzeugvorderteils
- 13
- erstes Zeitintervall (erhöhte Normalkraft)
- 14
- zweites Zeitintervall (erhöhte Bremskraft)
- 15
- Kollisionszeitpunkt
- 16
- gewöhnliche Bremsphase
- 17
- Niveauabsenkungsphase
- 18
- Niveauanhebungsphase
- N
- Normalkraft