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Die Erfindung betrifft einen adaptiven Gurtkraftbegrenzer für ein Kraftfahrzeug mit dem eine Zugkraft in mindestens einem Gurt im Crashfall begrenzbar ist und ein Verfahren zum Begrenzen einer Kraft in einem Gurt eines Kraftfahrzeuges.
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Derzeit werden in Fahrzeugen Sicherheitsgurte als Rückhaltesystem für Fahrzeuginsassen eingesetzt. Sicherheitsgurte sind stabile, mit der Karosserie verbundene Gurtbänder, und dienen bei Bremsmanövern und bei einer Kollision (Crash) zum Halten und damit zum Schutz des Fahrzeuginsassen. Durch die Rückhaltewirkung des Sicherheitsgurtes (Gurtes) wird der Insasse bei starken Bremsungen oder einer Kollision frühzeitig an die Fahrzeugverzögerung angekoppelt. Der Gurt verhindert dadurch einen Kontakt des Insassen mit harten Teilen des Kraftfahrzeugs, wie beispielsweise dem Lenkrad, der Instrumententafel oder der Windschutzscheibe. Der Sicherheitsgurt übernimmt damit eine wichtige Funktion zum Schutz des Insassen vor Verletzungen.
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Verbreitet werden Sicherheitsgurte für normale Kraftfahrzeuge als Dreipunktgurtsystem ausgeführt, bei dem der Insasse über drei Punkte an die Fahrzeugkarosserie angebunden wird. Auf den Fahrersitz bezogen befindet sich der erste Punkt meist im unteren Bereich der B-Säule. Hier befindet sich der Endbeschlag oder seltener ein Endbeschlagstraffer. Zweiter Punkt ist das Gurtschloss manchmal auch in Kombination mit einem Schlossstraffer. Der Dreipunktgurt wird über eine Schlosszunge an das Schloss angebunden. Dieser zweite Befestigungspunkt befindet sich meist am Fahrzeugsitz. Dritter Anbindungspunkt ist der obere Teil der B-Säule. Hier befindet sich entweder eine Gurtaufrolleinheit mit integriertem Höhenversteller oder ein Umlenker. Die Gurtaufrolleinheit befindet sich im letzteren Fall meist im unteren Teil der B-Säule.
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Kommt es zu einer starken Bremsung oder einer leichten Kollision, wird mittels eines mechanischen Sperrmechanismus der Gurtauszug vollständig blockiert. Ein häufig hierfür verwendetes Prinzip ist die Blockierung beim Überschreiten einer bestimmten Entrollbeschleunigung.
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Verbreitet werden Gurtkraftbegrenzer, z.B. an der Gurtaufrolleinheit, vorgesehen, um zu große auf die Fahrzeuginsassen wirkende Gurtkräfte zu vermeiden. Ein Gurtauszug erfolgt dann nach dem Sperren bei Überschreiten eines Gurtkraftniveaus des Gurtkraftbegrenzers. Dieses Gurtkraftniveau liegt bei derzeitigen Serienfahrzeugen verbreitet bei ca. 4 kN und wird in der Regel durch eine starke Bremsung oder einen leichten Unfall (relative Aufprallgeschwindigkeit < 25 km/h) nicht erreicht. Deshalb überträgt der Gurt die Kräfte, die aus dem Abbremsen bei einer Kollision in dem genannten geringen Geschwindigkeitsbereich resultieren, ohne Gurtauszug und ohne Vorverlagerung. Auf einen Fahrzeuginsassen wird dabei ein nicht unerheblicher Energieeintrag übertragen, wodurch es zu erhöhten Haltekräften durch den Gurt kommt. Besonders für ältere Menschen können bereits Energieeinträge, die weit unter dem derzeitigen Gurtkraftniveau liegen, unangenehm und zu Druckstellen im Bereich des Brustkorbs führen.
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Es gibt generell Konzepte, bei denen das Gurtkraftniveau der Gurtaufrolleinheit von ca. 4 kN auf ca. 2 kN abgesenkt wird. Dies ist derzeit aber nur bei Überschreitung der Auslöseschwelle des Gurtstraffers, bzw. der des Airbags möglich. Dieses so genannte „runterschalten“ des Gurtkraftniveaus wird derzeit pyrotechnisch und somit irreversibel umgesetzt und ist für den Gurtauszug bei starken Bremsungen sowie Kollisionen mit geringer Geschwindigkeit weniger gut geeignet.
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Aus der
DE 10 2008 000 966 A1 ist eine Gurtaufrolleinheit mit mindestens einem Gurtband und mindestens einem korrespondierenden Aufrollmodul mit einer auf einer Achse drehbar gelagerten Spindel, auf der das Gurtband aufrollbar ist, bekannt. Eine im Crashfall in dem mindestens einen Gurtband wirkende Kraft ist durch eine Bremsanordnung begrenzbar. Die Bremsanordnung ist als Trommelbremse ausgeführt, die über einen einstellbaren Reibschluss mit der Spindel gekoppelt ist, wobei im Normalfall ein maximaler Reibschluss eingestellt ist. Es wird erwähnt, für zukünftige Systeme eine drohende Kollision zu erfassen und diese, je nach erwarteter Kollisionsschwere, zur Beurteilung und Ansteuerung von Rückhaltemitteln heranzuziehen. Ebenfalls können andere Fahrzeugsysteme, wie beispielsweise Fahrdynamikregelsysteme, oder auch Navigationsdaten zur Entscheidungsfindung verwendet werden.
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Die
DE 195 20 721 A1 beschreibt ein einem Fahrzeugsitz zugeordnetes Gurtstraffersystem eines passiven Rückhaltesystems für ein Kraftfahrzeug, das im Falle eines Unfalls einen Sicherheitsgurt zum Zurückhalten einer in dem betreffenden Fahrzeugsitz sitzenden Person strafft. Es ist ein Stellglied vorgesehen, das variable Kräfte in den Sicherheitsgurt einleiten kann in Abhängigkeit von Steuersignalen, die ihm von einer Auswerteelektronik in Verbindung mit einem Informationssystem zugeführt werden.
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Die Gurtkraftbegrenzer des Standes der Technik bieten kein differenziertes Gurtkraftbegrenzungsverhalten mit einer Begrenzung auf eine niedrige Gurtkraft im Fall einer geringen Crashschwere.
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Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung einen verbesserten Gurtkraftbegrenzer zur Verfügung zu stellen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch einen adaptiven Gurtkraftbegrenzer und ein Verfahren zum Begrenzen einer Kraft in einem Gurt eines Kraftfahrzeuges gemäß den unabhängigen Ansprüchen gelöst. In den Unteransprüchen finden sich vorteilhafte Ausgestaltungen und Verbesserungen der Erfindung.
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Gemäß einem Aspekt ist ein Gurtkraftbegrenzer für ein Kraftfahrzeug, mit dem eine Zugkraft in mindestens einem Gurtband im Crashfall begrenzbar ist, eingerichtet, wenigstens eine erste Betriebsart mit einer zugeordneten ersten Zugkraft für den Gurt und eine zweite Betriebsart mit einer zweiten zugeordneten Zugkraft für den Gurt auszuführen, wobei die erste Zugkraft kleiner als die zweite Zugkraft ist und die erste Betriebsart automatisiert einer ermittelten geringen Crashschwereprognose ausführbar zugeordnet ist.
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Im Gurt treten insbesondere bei einem Frontaufprall des Kraftfahrzeugs durch das Halten eines Fahrzeuginsassen gegen die massebedingte Trägheit Kräfte im Gurt in der Längserstreckungsrichtung des Gurtes auf, die nachfolgend als Zugkräfte bezeichnet werden. Diese Zugkräfte werden durch den adaptiven Gurtkraftbegrenzer bei Crashs, die als Low-Speed-Crash klassifiziert werden, so begrenzt, dass geringere Gurtkräfte zusammen mit einem Gurtnachgeben, z.B. durch einen Gurtauszug, bei einer Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen auftreten. Das Gurtnachgeben erfolgt reversibel, wodurch die zugkraftbegrenzende Funktion mehrfach ausführbar bzw. abrufbar ist. Der erfindungsgemäße adaptive Gurtkraftbegrenzer ermöglicht, dass das Gurtsystem den Gurt bereits bei sehr geringen Verzögerungen des Fahrzeugs und auftretenden Gurtkräften von um die 1-2 kN um ein Stück reversibel frei gibt. Dies kann vorteilhaft bei einem Crashfall mit geringer Geschwindigkeit und bei einer starken Bremsung ausgelöst werden. Durch diese Wirkung können insbesondere ältere Menschen bei leichteren Unfällen geschont werden. Ruckartige Energieeinträge über einen blockierenden Gurtauszug werden dabei sanft abgefedert. Die Gurtfreigabe erfolgt basierend auf einer Low Speed Unfallschwereprognose (LS USP), beispielsweise mittels einer vorausschauenden Sensorik oder auch in Kombination mit Navigationsdaten, Fahrzeuggeschwindigkeitsdaten und Insassenparametern. Kann eine Situation der Umgebung nicht eindeutig als Low-Speed-Crash-Situation klassifiziert werden, wird das Rückhaltesystem konventionell ausgelöst.
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Dabei beträgt die erste Zugkraft zwischen 1,0 und 2,0 kN. In diesem Kraftbereich ist bei einem Low-Speed-Crash noch ein ausreichend großer Vorverlagerungsweg gegeben. Der Fahrzeuginsasse wird gegenüber einem ungedämpften harten Halten durch den Gurt alleine weniger belastet und daher geschont. Weiterhin ist die zweite Zugkraft größer als 3,5 kN. Dies entspricht der gewünschten Begrenzung der Kraft im Gurt bei einem High-Speed-Crash.
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Beispielsweise kann mit Hilfe eines reversiblen, beispielsweise elektromotorischen, Gurtstraffers (RGS) im „Rückwärtslauf“ ein Gurtauszug mit einem definierten Kraftniveau betrieben werden. Kommt es zu einer starken Bremsung, oder einer leichten Kollision, wird nach einer ggf. serienmäßigen Straffung (zur Reduzierung der Gurtlose, d.h. zum Anlegen eines losen Gurtes an den Fahrzeuginsassen) der Gurt mit einem definierten Kraftniveau, beispielsweise kleiner als 2 kN abgewickelt. Somit wird ein hartes Ankoppeln des Fahrzeuginsassen im Gurt verhindert. Der Gurtauszug kann über den Elektromotor des RGS gesteuert werden. Dazu ist die Gurtverriegelung im RGS so gestaltet, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen nicht den Gurtauszug sperrt.
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Erfindungsgemäß ist der adaptive Gurtkraftbegrenzer an einer Gurtaufrolleinheit vorgesehen. Dies ermöglicht einen besonders einfachen Aufbau, da eine konventionelle Gurtkraftbegrenzung verbreitet an der Gurtaufrolleinheit vorgesehen ist und so eine funktionelle Integration der konventionellen und adaptiven Gurtkraftbegrenzung in einer Baugruppe und damit ein einfacher Aufbau ermöglicht wird.
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Dabei weist der adaptive Gurtkraftbegrenzer ein Dämpfungssystem mit einer Feder und/oder einem Dämpfer auf. Die Feder ist beispielsweise als Torsionsstab besonders platzsparend ausgeführt, kann aber ebenfalls als pneumatische Feder, als Elastomerfeder oder als Spiralfeder ausgeführt sein. Eine Feder-Dämpfer-Einheit ermöglicht eine elastische und zugleich gedämpfte Freigabe des Gurts. Über die Parameter des Dämpfers kann das Verhalten der Gurtfreigabe genau eingestellt werden. Beispielsweise ist ein progressives Kraft-über-den-Weg-Verhalten gut realisierbar, was ein weiches Abfedern des Fahrzeuginsassen mittels des haltenden Gurts bei einer Minimierung des Vorverlagerungswegs erlaubt. Beispielsweise ist es auch möglich, dass neben der Kraft im Gurt auch ein Vorverlagerungsweg des Insassen vom adaptiven Gurtkraftbegrenzer erfassbar ist und damit eine Regelung der Gurtkraftbegrenzung, beispielsweise hinsichtlich einer gewünschten Begrenzung der Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen, ermöglicht wird. Die Feder erlaubt ferner ein Rückstellen der Gurtaufrolleinheit in die Ausgangslage, ohne dass eine motorische Stellkraft erforderlich ist. Ein Vorteil der beschriebenen Gurtkraftbegrenzung besteht darin, dass sie reversibel erfolgt, sodass nach einer Bremsung oder einem leichten Parkrempler keine Bauteile ausgetauscht werden müssen.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform koppelt der adaptive Gurtkraftbegrenzer die Gurtaufrolleinheit mit einem Chassis des Fahrzeugs. Die Gurtaufrolleinheit ist beispielsweise linear verschiebbar gegenüber dem Fahrzeugchassis angeordnet und wird vom adaptivem Gurtkraftbegrenzer gehalten. Löst der adaptive Gurtkraftbegrenzer aus, wird die Gurtaufrolleinheit dahingehend freigegeben, dass beispielsweise ein elastisches Verschieben gegen den Widerstand des Gurtkraftbegrenzers freigegeben wird. Der Verschiebweg für den Gurtaufrolleinheit beträgt bevorzugt zwischen 30 und 100 mm. In diesem Bereich ist eine merkliche Abfederung des Stoßes durch den Gurt möglich, während die Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen auf einem vertretbaren Niveau bleibt. Damit kann eine konventionelle Gurtaufrolleinheit eingesetzt werden, die mittels des adaptiven Gurtkraftbegrenzers durch ihre besondere Anbringung und Kopplung mit dem Fahrzeugchassis über den adaptiven Gurtkraftbegrenzer funktionell erweitert wird.
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Gemäß einer Ausführungsform ist der Gurtkraftbegrenzer steuerungstechnisch mit einem Navigationssystem des Fahrzeugs vernetzt, um Navigationsdaten zur Ermittlung der Crashschwereprognose verwendbar zu machen. Als Navigationsdaten können beispielsweise die temporäre Position des Fahrzeugs und Daten über dessen aktuelle Umgebung verwendet werden. Befindet sich das Fahrzeug in einem Parkhaus, einer Garage oder dergleichen, ist eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Low-Speed-Crash-Situation gegeben. Dies kann beim Auslöseverhalten des adaptiven Gurtkraftbegrenzers berücksichtigt werden.
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Gemäß einem Aspekt weist ein Verfahren zum Begrenzen einer Kraft in einem Gurtband eines Kraftfahrzeuges auf eine einer ersten Betriebsart zugeordnete erste Grenzkraft oder eine einer zweiten Betriebsart zugeordnete zweite Zugkraft mittels eines reversiblen Gurtkraftbegrenzers, wobei die erste Zugkraft kleiner als die zweite Zugkraft ist, die folgenden Verfahrensschritte auf: Ermitteln einer Crashschwereprognose; Schalten des Gurtkraftbegrenzers in die erste Betriebsart bei einer ermittelten geringen Crashschwereprognose, ansonsten betreiben des Gurtkraftbegrenzers in der zweiten Betriebsart; Begrenzen der Gurtkraft im Crash mittels des Gurtkraftbegrenzers auf die erste Zugkraft oder die zweite Zugkraft abhängig von der geschalteten Betriebsart. Dabei wird in der ersten Betriebsart (A) bei einer ermittelten geringen Crashschwereprognose die Gurtkraft reversibel auf einen niedrigen Wert von 1-2 kN begrenzt, sodass bei einem High-Speed-Crash die Entriegelungseinheit nicht betätigt und die Gurtaufrolleinheit in ihrer Ausgangslage fixiert wird und keine adaptive Gurtkraftbegrenzung durch den adaptiven Gurtkraftbegrenzer erfolgt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform liegt eine geringe Crashschwereprognose bei einer Fahrzeuggeschwindigkeit, insbesondere Relativgeschwindigkeit, kleiner als 25 km/h und/oder sofern kein Airbag des Fahrzeugs ausgelöst und/oder kein Gurtstraffer des Fahrzeugs aktiviert ist, vor. Die Informationen über die Fahrzeuggeschwindigkeit, den Status der Airbags und Gurtstraffer stehen steuerungstechnisch im Fahrzeug zur Verfügung und sind daher abrufbar. Sie sind deswegen gut für eine Crashschwereprognose verwertbar. Die Verwendung der Informationen in Kombination erhöht die Prognosesicherheit.
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Gemäß einer Ausführungsform wird zum Ermitteln der Crashschwereprognose die Fahrzeugposition und/oder Umgebungsdaten und/oder die Position anderer Fahrzeuge herangezogen. Das Heranziehen der Fahrzeugposition kann wichtige Informationen zur Ermittlung der Crashschwereprognose liefern. So ist beispielsweise bei einem Aufenthalt des Fahrzeugs in einer Garage eher von einer geringen Fahrzeuggeschwindigkeit auszugehen und eine Low-Speed-Crash-Situation wahrscheinlich. Die Information über die Position des Fahrzeugs und Daten über die Umgebung, beispielsweise aus einem Navigationssystem, können für diese Lageklassifizierung verwendet werden. Sind Informationen auch über die Position bzw. relative Lage, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung anderer Fahrzeuge in der Nähe des Fahrzeugs verfügbar, können diese ebenfalls vorteilhaft berücksichtigt werden. So können beispielsweise Information über das entgegenkommende Auto bei einem Frontalcrash verwendet werden. Hierbei kann dann ermittelt werden, dass auch zwei Fahrzeuge mit geringerer Geschwindigkeit als 25 km/h im Frontalcrash nicht zu einer Low-Speed-Crash-Situation führen müssen.
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Gemäß einer Ausführungsform ist die erste Zugkraft und/oder die zweite Zugkraft abhängig von einem Gewicht und/oder der Größe und/oder einer Proportion und/oder des Alters eines Fahrzeuginsassen festlegbar. Dadurch kann eine Begrenzung der Belastung des Fahrzeuginsassen mittels des adaptiven Gurtkraftbegrenzers angepasst an dessen Eigenschaften realisiert werden.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand von Ausführungsbeispielen unter Bezugnahme auf die beiliegenden Figuren der Zeichnungen weiter erläutert. In den Figuren bezeichnen dieselben Bezugszeichen gleiche oder funktionsgleiche Komponenten, soweit nichts Gegenteiliges angegeben ist.
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Es zeigt schematisch:
- 1 ein Kraftfahrzeug mit konventionellem Gurtkraftbegrenzer in einer Crashsituation bei einem Crash ausgehend von kleiner 25 km/h Fahrzeugaufprallgeschwindigkeit;
- 2 ein Kraftfahrzeug mit adaptivem Gurtkraftbegrenzer gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel in einer Crashsituation bei einem Crash ausgehend von kleiner 25 km/h Fahrzeugaufprallgeschwindigkeit;
- 3 einen adaptiven Gurtkraftbegrenzer gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel in der Vorderansicht;
- 4 den adaptiven Gurtkraftbegrenzer gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel in der Seitenansicht in einer ausgelösten Stellung;
- 5 den adaptiven Gurtkraftbegrenzer gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel in der Seitenansicht in einer Ausgangsstellung; und
- 6 ein Ablaufdiagramm als Blockschaltbild der Auslöselogik einer Steuerung des adaptiven Gurtkraftbegrenzers.
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1 zeigt ein Kraftfahrzeug 1 mit einem konventionellen Gurtkraftbegrenzer 2 in einer Crashsituation bei einem Crash ausgehend von kleiner 25 km/h Fahrzeugaufprallgeschwindigkeit. Die Fahrtrichtung des Fahrzeugs 1 ist im Bild nach links auf ein Hindernis 6 zu. Der Fahrzeuginsasse 5 wird bei der Kollision mit dem Hindernis 6 von einem Gurt 7 gehalten, so dass er nicht weiter nach vorne, im Bild nach links, in Richtung auf das Armaturenbrett 9 des Fahrzeugs 1 zu verlagert werden kann. Bei diesem Crash mit geringer Aufprallgeschwindigkeit wird der Fahrzeuginsasse 5 wenig nach vorne verlagert, da der konventionelle Gurtkraftgebegrenzer 2 (Begrenzung auf ca. 4kN Gurtkraft) bei dieser Aufprallgeschwindigkeit keinen Gurt 7 freigibt und den Fahrzeuginsassen 5 relativ starr hält. Bei diesem Crash mit geringer Aufprallgeschwindigkeit kann sich der Fahrzeuginsasse 5 aufgrund des Sperrmechanismus in Kombination mit einem konventionellen Gurtkraftbegrenzers 2 daher nahezu gar nicht nach vorne verlagern. Der Fahrzeuginsasse 5 wird dabei durch den Ruck des ihn abbremsenden Gurtes 7, insbesondere im Thoraxbereich, stark belastet.
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2 zeigt ein Kraftfahrzeug 1 mit adaptivem Gurtkraftbegrenzer 3 gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel in einer Crashsituation bei einem Crash ausgehend von kleiner 25 km/h Fahrzeugaufprallgeschwindigkeit. Die Fahrtrichtung des Fahrzeugs 1 ist im Bild wie in 1 nach links. Der Fahrzeuginsasse 5 wird wieder von dem Gurt 7 gehalten, so dass er auf Abstand zu dem Armaturenbrett 9 des Fahrzeugs 1 positioniert bleibt. Der adaptive Gurtkraftbegrenzer 3 ermöglicht jedoch auch bei dem vorliegenden Crash mit geringer Aufprallgeschwindigkeit, dass der Fahrzeuginsasse 5 etwas nach vorne verlagert wird. Daher ist der Fahrzeuginsasse 5 in 2 weiter im Bild nach links, d.h. in Fahrtrichtung des Kraftfahrzeugs 1 nach vorne, gebeugt dargestellt. Der adaptive Gurtkraftgebegrenzer 3 gibt dazu etwas Gurt 7 frei. Der Fahrzeuginsasse 5 wird dadurch weniger stark durch den Ruck des ihn relativ zum Fahrzeug 1 gegen die Trägheitskräfte haltenden Gurtes 7 belastet. Gerade für ältere Fahrzeuginsassen 5 im Fahrzeug 1 hat dies große Vorteile. Da der Mechanismus zur Low-Speed-Gurtfreigabe reversibel erfolgt, können auch Reparaturkosten gering gehalten werden.
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3 zeigt den adaptiven Gurtkraftbegrenzer 3 gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel in der Vorderansicht. Der bandförmige Gurt 7 verläuft im Bild in diesem Ausschnitt parallel zur Papierebene und ist oben als schwarzes Rechteck dargestellt. Der Gurt 7 läuft in eine darunter dargestellten Gurtaufrolleinheit 11 hinein. Die Gurtaufrolleinheit 11 gibt den Gurt 7 bei langsamem Ausziehen elastisch leicht frei und rollt diesen ein, wenn keine Zugkraft am Gurt 7 anliegt. Bei einem schnellen Ziehen am Gurt 7 wird dieser von der Gurtaufrolleinheit 11 bei diesem Ausführungsbeispiel bis zu einer Zugkraft von 4 kN blockiert und dadurch am Freigeben gehindert. Die Gurtaufrolleinheit 11 ist bei diesem Ausführungsbeispiel des adaptiven Gurtkraftbegrenzers 3 um einen Vorverlagerungsweg 13 linear verlagerbar an einem Schienensystem 15 angeordnet. Der Vorverlagerungsweg 13 verläuft im Bild in vertikaler Richtung und ist als Doppelpfeil dargestellt. Dargestellt ist die Gurtaufrolleinheit in ihrer Endlage 25. Sie wurde dazu aus seiner Ausgangslage 27 um den Vorverlagerungsweg 13 im Bild nach oben verschoben. Die Gurtaufrolleinheit 11 wird durch ein Dämpfungssystem 17 elastisch gegen eine Verlagerung aus der Ausgangslage 27 gehalten. Das Dämpfungssystem 17 weist bei diesem Ausführungsbeispiel eine Feder 17 und einem Dämpfer 21 auf, die parallel geschaltet sind. Die Wirkweise des adaptiven Gurtkraftbegrenzers 3 wird im Folgenden anhand der 4 bis 6 weiter dargestellt.
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4 zeigt dazu den adaptiven Gurtkraftbegrenzer 3 gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel in der Seitenansicht in einer ausgelösten Stellung. Die Gurtaufrolleinheit 11 befindet sich daher, wie in 3 in ihrer oberen Endlage 25. In dieser Ansicht ist ferner eine Entriegelungseinheit 23 des adaptiven Gurtkraftbegrenzers 3 zu erkennen, die eingerichtet ist, die Gurtaufrolleinheit 11 in ihrer Ausgangslage 27 zu halten, sofern sie nicht ausgelöst ist. Die Entriegelungseinheit 23 ist hier elektromechanisch ausgeführt, so dass sie gut ansteuerbar ist. Ein Auslösen der Entriegelungseinheit 23 erfolgt dann mittels einem elektrischen Stellsignal, eine Rückstellung federelastisch, wodurch ein versehentliches Lösen verhindert wird. Befindet sich die Entriegelungseinheit 23 in einem entriegelten Zustand, ist die Gurtaufrolleinheit 11 entlang dem Schienensystem 15 gegen den Widerstand des Dämpfungssystems 17 frei verschiebbar angeordnet. So lange die Entriegelungseinheit 23 nicht betätigt wird und die Gurtaufrolleinheit 11 in ihrer Ausgangslage fixiert, erfolgt keine adaptive Gurtkraftbegrenzung durch den adaptiven Gurtkraftbegrenzer 3. Dies ist der Fall bei keinem Crash oder bei einem High-Speed-Crash. Die Entriegelungseinheit 23 wird betätigt, wenn die Bedingungen für eine Auslösung einer Gurtkraftbegrenzung für einen Low-Speed-Crash vorliegen. Bei einer adaptiven Gurtkraftbegrenzung mittels des adaptiven Gurtkraftbegrenzers 3 erlaubt dieser eine Verlagerung der Gurtaufrolleinheit gegen den Widerstand des Dämpfungssystems 17. Durch dieses Nachgeben der Gurtaufrolleinheit 11 kann die auftretende Kraft im Gurt 7 speziell bei einem Low-Speed-Crash abgesenkt werden. Das Weg-Kraft-Verhalten bei der Verlagerung der Gurtaufrolleinheit 11 wird dabei von dem Dämpfungssystem 17 bestimmt. Das Dämpfungssystem 17 kann beispielsweise elektronisch geregelt sein, so dass eine besonders angepasste variable Gurtfreigabe erfolgen kann.
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5 zeigt den adaptiven Gurtkraftbegrenzer 3 gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel in der Seitenansicht in seiner Ausgangsstellung. Die Gurtaufrolleinheit 11 befindet sich ganz unten in der Ausgangslage 27 und ist von der Entriegelungseinheit 23 fixiert. Die Freigabe des Gurtes 7 wird in dem Zustand bei nicht ausgelöster Entriegelungseinheit 23 durch die Gurtaufrolleinheit 11 und eventuell vorhandene weitere Systeme wie konventionelle Gurtkraftbegrenzer bestimmt.
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6 zeigt ein Ablaufdiagramm als Blockschaltbild der Auslöselogik einer Steuerung S des adaptiven Gurtkraftbegrenzers 3 gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel. Verschiedene Eingangsgrößen E1, E2, E3, E4 können in einem rechteckig dargestellten Steuerungsmodul K zur Berechnung einer Unfallschwereprognose verrechnet werden. Basierend auf der Berechnung der Unfallschwereprognose wird im Zustandsübergang LS? dann der adaptive Gurtkraftbegrenzer 3 bei geringer prognostizierter Unfallschwere mit dem Zustandsübergang POS in eine Betriebsart A gebracht. Der adaptive Gurtkraftbegrenzer ist dabei dahingehend aktiviert, dass er die Gurtkraft reversibel, bei diesem Ausführungsbeispiel auf einen niedrigen Wert von 1-2 kN, begrenzt. Sind die Bedingungen für eine geringe prognostizierte Unfallschwere nicht erfüllt, wird der adaptive Gurtkraftbegrenzer 3 mit dem Zustandsübergang NEG in die Betriebsart B gebracht, bei der eine konventionelle Gurtkraftbegrenzung, bei diesem Ausführungsbeispiel 4 kN erfolgt. Die erste Klasse von Eingangsgrößen E1 sind bei diesem Ausführungsbeispiel Sensordaten, beispielsweise Radar, Laser, PMD oder Kamerabilddaten. Als zweite Klasse von Eingangsgrößen E2 sind Geodaten, wie z.B. die Position des Fahrzeugs, die Art der Umgebung, wie z.B. Stadt, Parkhaus, Autobahn. So kann beispielsweise unter Umständen bei einer Position im Parkhaus automatisch von einer Low-Speed-Crash-Situation ausgegangen werden. Als dritte Klasse von Eingangsgrößen E3 ist die Fahrzeuggeschwindigkeit vorgesehen. Ist diese beispielsweise kleiner als 25 km/h kann regelbasiert bei einer Kollision mit einem festen Objekt ebenfalls von einer Low-Speed-Crash-Situation ausgegangen werden. Es ist ebenso möglich, hier auch eine verfügbare Geschwindigkeit, Position und Fahrtrichtung eines anderen Fahrzeuges zu berücksichtigen. Ist ein solcher Fahrzeugfahrtgeschwindigkeitsvektor eines Unfallgegners verfügbar, kann damit eine Aufprallsituation beider Fahrzeuge ermittelt werden. Dies kann auch auf Basis der sensorisch erfassten Umgebungsdaten, hier auch der Position und Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge, erfolgen. Ferner kann eine mögliche Sekundärkollision mit einem weiteren Fahrzeug erfasst und berücksichtigt werden. Gegebenenfalls ist dann auch bei einer eigenen Geschwindigkeit unter 25 km/h keine Low-Speed-Crash-Situation gegeben. Als vierte Klasse von Eingangsgrößen E4 kann eine Insassenklassifizierung, z.B. deren Größe, Gewicht, Alter, etwaige Krankheitsschäden bei der Auslösung einer Low-Speed-Crash-Situation berücksichtigt werden. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, bei Fahrzeuginsassen in einem hohen Alter, mit bestimmten Gebrechen oder bei Kindern immer eine Low-Speed-Crash-Situation auszulösen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kraftfahrzeug
- 2
- Gurtkraftbegrenzer
- 3
- Adaptiver Gurtkraftbegrenzer
- 5
- Fahrzeuginsasse
- 6
- Hindernis
- 7
- Gurt
- 9
- Armaturenbrett
- 11
- Gurtaufrolleinheit
- 13
- Vorverlagerungsweg
- 15
- Schienensystem
- 17
- Dämpfungssystem
- 19
- Feder
- 21
- Dämpfer
- 23
- Entriegelungseinheit
- 25
- Endlage
- 27
- Ausgangslage
- A
- erste Betriebsart
- B
- zweite Betriebsart
- E1
- Eingangsgröße 1
- E2
- Eingangsgröße 2
- E3
- Eingangsgröße 3
- E4
- Eingangsgröße 4
- K
- Berechnung
- LS?
- Zustandsübergang
- NEG
- Transition - kein Low Speed Crash
- POS
- Transition für Low Speed Crash
- S
- Steuerung