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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung bzw. ein Verfahren zur Ansteuerung von Personenschutzmitteln nach der Gattung der unabhängigen Patentansprüche.
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In den letzten Jahren sind die so genannten Halswirbelsäulenverletzungen bzw. Distorsion oder auch Whiplash-Verletzungen infolge eines Heckaufpralls in den hochmotorisierten Ländern für die Versicherungswirtschaft eine der teuersten Verletzungen. Beim Heckaufprall, dem mit 54 % häufigsten Kollisionstyp bei Unfällen zwischen Personenwagen drohen schwere Verletzungen der Halswirbelsäule. Diese Art der Verletzungen nehmen dabei rund 80 % aller Gesamtverletzungen ein und verursachen bei den Versicherungen ebenfalls rund 75 % aller Verletzungskosten.
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Damit erlangt die Verletzungsart, auch wenn hierdurch keine schwersten oder gar tödlichen Verletzungen verursacht werden, eine hohe Priorität, da der volkswirtschaftliche Schaden durch die Folgekosten sehr groß ist.
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Aufgrund der doppelten Belastung des Körpers kommt es zu derartigen Verletzungen: zunächst wird der Kopf nach hinten gegen die Stütze gepresst und danach mit einer Geschwindigkeit von bis zu 4 m/sec. nach vorne geschleudert. Je größer der Abstand des Kopfs zur Kopfstütze, desto höher ist das Risiko für Whiplash-Verletzungen.
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Hinsichtlich der Aktuatorik sind einige Autohersteller dazu übergegangen, mittels konstruktiver Maßnahmen am Sitzdesign der Whiplash-Verletzung entgegen zu wirken. Dem Automobilhersteller Volvo führte im Jahr 2001 ein so genanntes WhIP-System (Whiplash Injury Prevention) ein. Dabei handelt es sich um eine energieabsorbierende kraftbegrenzende Rückenlehne. Seitdem sind ebenfalls aktive Systeme auf dem Markt erhältlich. Die Fa. Saab führte eine Kopfstütze ein, welche beim Aufprall automatisch nach vorne geschoben wird, basierend auf entsprechender Sitzlehnenkinematik.
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Andere Systeme der Sitzhersteller Lear (ProTech-System) sowie Keiper (crashaktive Kopfstütze) sind vorrangig mechanische oder elektrische Lösungen, welche durch den Druck der Insassen auf die Rückenlehne aktiviert werden oder aber durch ein Relais, welches eine vorgespannte Feder freigibt, sodass die Kopfstütze nach vorne bewegt wird. Die Aktivierungszeiten bei derartigen Unfällen liegen im Bereich von 50 - 100 msec. je nach Sitzstruktur und Lehnenneigung. Die Gesamtdauer für einen derartigen Vorgang liegen im Bereich von 200 - 250 msec, bei denen der Insasse wieder nach vorne beschleunigt wird.
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Gemäß der
DE 103 17 637 A1 wird ein Verfahren offenbart, welches eine aktive Kopfstütze bei einem Heckcrash auf Basis von Ultraschall und/oder Radar und/oder Beschleunigungssensoren auslöst. Auch eine Kombination dieser Sensorsignale ist möglich. Die Aktivierung erfolgt durch Absenkung von vordefinierten Schwellen, welche in Abhängigkeit der ermittelten Relativgeschwindigkeit eingestellt werden.
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Aus
DE 101 40 119 C1 ist es bekannt, bei einer Aufprallerkennung sowohl einen Pre-Crash-Sensor als auch einen Aufprallsensor zu verwenden, wobei bei einem erkannten Aufprall die Rauschschwelle für den Aufprallsensor gesenkt wird, um dann in Abhängigkeit von den Signalen des Pre-Crash- und des Aufprallsensors die Auslösezeit zu bestimmen. Dabei werden von den Signalen des Aufprallsensors verschiedene Merkmale extrahiert, die dann mit kontinuierlichen Schwellenfunktionen verglichen werden, um einen Auslösefall zu erkennen. Als Merkmale können die Verzögerung und/oder die Geschwindigkeit und/oder die Vorverlagerung verwendet werden.
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Aus
EP 1 355 805 B1 ist es bekannt, ein so genanntes Single-Point-Sensing-System mit einer Pre-Crash-Sensorik zu kombinieren. Mit Hilfe der Pre-Crash-Sensorik lassen sich die Aufprallgeschwindigkeit und der Aufprallzeitpunkt, d. h. die Zeitdifferenz bis zum Aufprall auf das Objekt ermitteln. Umfasst die Pre-Crash-Sensorik mindestens zwei in geeigneter angeordnete Pre-Crash-Sensoren, so lässt sich mittels eines Pre-Angulierungsverfahrens zusätzlich auch der Offset, d. h. die Aufprallstelle und der Aufprallwinkel bestimmen. Im Rahmen der Pre-Crash-Sensierung können beispielsweise Radarmessungen, Infrarotmessungen oder auch optische Messverfahren zum Einsatz kommen. Des Weiteren ist es bekannt worden, dass sich die in Betracht kommenden Aufprallsituationen in sinnvoller Weise anhand der Aufprallgeschwindigkeit klassifizieren lassen, da die Aufprallgeschwindigkeit alleine bereits Aussagen über die Crashschwere zulässt, obwohl die optimale Auslösezeit und die maximal benötigten Rückhaltemittel von weiteren Parametern abhängen, wie der Art des Aufpralls, dem Massenverhältnis der Kollisionspartner und dem Verhältnis der Steifigkeiten der Kollisionspartner.
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Aus
DE 101 32 681 C1 ist es bekannt, ein Hindernis anhand von Pre-Crash-SensorSignalen zu klassifizieren. Dabei wird aus der Hindernisgeschwindigkeit, die mit den Pre-Crash-Sensor-Signalen ermittelt wird, eine Beschleunigung und eine Beschleunigungsänderung bestimmt und anhand dieser Parameter das Hindernis klassifiziert. In Abhängigkeit von dieser Klassifizierung wird der Auslösealgorithmus verschärft, gegebenenfalls werden Rückhaltemittel frühzeitig ausgelöst, ein automatischer Brems- oder Lenkungseingriff vorgenommen.
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Aus der
DE 197 24 101 A1 ist bekannt, dass bei einem Verfahren zur bedarfsgerechten Steuerung von Insassen-Sicherheitseinrichtungen unter Berücksichtigung der zu erwartenden Bewegung des Fahrgastes relativ zum Fahrzeug die zu erwartende Bewegung des Fahrgastes aufgrund des zu erwartenden Beschleunigungsverhaltens des Fahrzeugs während des Unfalls und aufgrund der aktuellen fahrgasindividuellen Parameter bestimmt wird. Das zu erwartende Beschleunigungsverhalten des Fahrzeugs wird auf der Basis des bis zum jeweiligen Zeitpunkt erfolgten Beschleunigungsverhaltens extrapoliert.
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Offenbarung der Erfindung
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung bzw. das erfindungsgemäße Verfahren zur Ansteuerung von Personenschutzmitteln mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche haben dem gegenüber den Vorteil, dass das Verfahren auf einem physikalischen Prinzip beruht, welches als generelles Auslöseverfahren eingesetzt werden kann, d. h. sowohl für die Front- als auch für die Heck- und für die Seitenaufprallsituationen. Ein weiterer Vorteil ist der Mehrnutzen der Umfeldsensorik, welche hierfür eingesetzt werden kann. Besitzt ein Fahrzeug eine etwas aufwendigere Sensorik, kann das Verfahren und die Vorrichtung in Bezug auf die Unfallszenarien beliebig erweitert werden, sodass ein modulares Algorithmuskonzept eingesetzt werden kann. Dadurch werden unnötige Varianten und Entwicklungskosten vermieden.
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Grundgedanke der Erfindung ist es, Umfeldinformationen von einer Umfeldsensorik wie einer Ultraschall-, Radar- und/oder Video- oder Lidarsensorik zur Abschätzung eine für einen Unfall möglichen auftretenden Beschleunigung sowie den Geschwindigkeitsauf- bzw. -abbau. Vorzugsweise wird dafür ein Impulserhaltungssatz in modifizierter Form verwendet. Die abgeschätzte Beschleunigung wird für eine Auslösung von Rückhaltemittel reversibler und irreversibler Art bzw. von Personenschutzmitteln wie Airbags, Gurtstraffern, aktiven Kopfstützen und Sitzen usw. verwendet. Darüberhinaus ist eine Ansteuerung von Fahrwerkskomponenten mittels der Auslöseentscheidung möglich, wie Vorbefüllung und Ansteuerung der Bremsanlage. Die Auslöseentscheidung kann hierbei als einfacher Schwellwert realisiert sein oder aber eine Kombination aus anderen Größen, welche durch entsprechende logische Kombinationen verknüpft sein kann.
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Der Begriff Umfeldsignal kann im Folgenden umfassend alle Daten, die von der Umfeldsensorik kommen, eventuell auch vor verarbeitete Daten bezeichnen. Auch kann der Begriff Aufprallsignal Signale von verschiedenen Aufprallsensoren oder daraus abgeleitete Signale bezeichnen. Auch eine Mehrzahl von solchen Daten kann unter dem Begriff Aufprallsignal zusammengefasst werden. Entscheidend für das Verständnis der Erfindung ist, dass aus der Umfeldinformation der Fahrzeugweg, die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Beschleunigung nach dem Aufprall bestimmt bzw. abgeschätzt wird. Mittels dieser Vorausschätzung kann es dann beispielsweise gelingen, Schwellwerte für die Aufprallsignale so einzustellen, dass eine situationsgerechtere Auslösung der Personenschutzmittel ermöglicht wird.
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Durch die in den abhängigen Ansprüchen aufgeführten Maßnahmen und Weiterbildungen sind vorteilhafte Verbesserungen der in den unabhängigen Patentansprüchen angegebenen Vorrichtung bzw. Verfahren zur Ansteuerung von Personenschutzmitteln möglich.
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Besonders vorteilhaft ist, dass Schwellwertentscheider vorgesehen sind, mit denen das Aufprallsignal verglichen wird, wobei die Schwellwerte in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder der Beschleunigung nach dem Aufprall bestimmt wurden, die selber aus der Umfeldinformation erzeugt wurden. Damit kann situationsgerechter auf die Kollision reagiert werden.
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Es ist weiterhin vorteilhaft, dass als das Aufprallsignal einer Aufprallbeschleunigung in einer oder mehreren Raumrichtungen und/oder eine integrierte Aufprallbeschleunigung verwendet werden. Zur integrierten Aufprallbeschleunigung gehören die rechentechnisch mögliche Integration und auch Verfahren, die die Integration verwenden, wie beispielsweise eine Mittelwertbildung. Darüber hinaus gehört zur integrierten Aufprallbeschleunigung auch die zweimal integrierte Aufprallbeschleunigung, also die Vorverlagerung. Dabei ist es nun erfindungsgemäß vorgesehen, dass die integrierte Aufprallbeschleunigung mit einem Schwellwert verglichen wird, der in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit nach dem Aufprall bestimmt wird. Die Aufprallbeschleunigung wird in Abhängigkeit von dem Schwellwert verglichen, der in Abhängigkeit von der Beschleunigung gebildet wird, wobei die Beschleunigung aus der Umfeldinformation abgeschätzt wurde.
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Des Weiteren ist es von Vorteil, dass anhand des Umfeldsignals eine Crashsituation bestimmt wird und in Abhängigkeit von der Crashsituation die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Beschleunigung nach dem Aufprall bestimmt werden. Das heißt, die Crashsituation, wie beispielsweise der Crashtyp oder die Crashart oder welchen Offset die Kollisionspartner aufweisen, werden hier berücksichtigt. Auch dies führt zu einer verbesserten Auslösung der Personenschutzmittel.
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Zur weiteren Verbesserung der Auslösung der Personenschutzmittel kann zusätzlich auch noch das Signal eines Gierratensensors, also das Gierratensignal hinzugenommen werden, um die Fahrzeuggeschwindigkeit zu schätzen.
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Figurenliste
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung dargestellt und werden in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine Kollisionssituation mit verschiedenen Parametern, die erfindungsgemäß verwendet werden,
- 2 ein erstes Blockschaltbild,
- 3 ein zweites Blockschaltbild,
- 4 ein drittes Blockschaltbild,
- 5 eine Kennlinie für den Restitutionswert in Abhängigkeit von der Aufprallgeschwindigkeit und
- 6 ein viertes Blockschaltbild.
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Beschreibung
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird im Wesentlichen anhand eines Heckaufpralls erläutert. Das erfindungsgemäße Verfahren ist jedoch nicht auf den Heckaufprall beschränkt. Auch ein Seitenaufprall und ein Frontaufprall können durch das erfindungsgemäße Verfahren bzw. die erfindungsgemäße Vorrichtung behandelt werden.
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Die Erfindung geht davon aus, dass eine Umfeldsensorik im Fahrzeug eingebaut ist, vorzugsweise sind hier Ultraschallsensoren eingesetzt. Alternativ ist es möglich, dass zusätzlich oder anstatt Radarsensoren, Videosensoren oder Lidar-Sensoren eingesetzt werden. Des Weiteren sind die entsprechenden Personenschutzmittel im Fahrzeug verfügbar, z. B. eine crashaktive Kopfstütze, reversible bzw. irreversible Gurtstraffer, Front-, Seiten- sowie Curtainairbags oder auch andere Airbagsysteme. Sollte eine Innenraumsensierung verfügbar sein, kann diese intelligent mit in die Auslösestrategie eingebaut sein, z. B. eine Sitzbelegungserkennung, die zur Deaktivierung der Systeme verwendet wird. Als Sitzbelegungserkennung kann insbesondere Kraftmesssensoren, Sitzmatten, Ultraschall-, Radar- oder Videosensoren verwendet werden. Das erfindungsgemäße Verfahren kann, wie gesagt, auch für den Frontbereich eingesetzt werden und neben anderen Algorithmen z. B. einen zentral basierten Beschleunigungsalgorithmus im Steuergerät zentral als auch dezentral gerechnet werden. Für die dezentrale Berechnung sind Steuergeräte möglich, die die Umfeldinformation vorzugsweise die Relativgeschwindigkeit berechnen bzw. schätzen.
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Eine Ausgangsbasis für die Erfindung ist das dritte Newtonsche Axiom, also der Impulserhaltungssatz. Es gilt hierbei:
wobei hier m
1, m
2 die Massen der beiden Fahrzeuge sind, die die Kollisionspartner beim Aufprall sein werden und v
1 und v
2 die Geschwindigkeiten der beiden Fahrzeuge vor dem Unfall,
und
die Geschwindigkeiten der beiden Fahrzeuge nach dem Unfall. Die Geschwindigkeitsänderung des getroffenen Fahrzeugs lässt sich relativ einfach berechnen. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei einem Unfall um einen teilelastischen Stoß handelt, bei dem Energie durch Reibung sowie Umsetzung in Wärme verloren geht, ergibt sich aufgrund des empirischen Gesetzes, dass es sich bei derartigen Kollisionen um teilelastische Stöße handelt:
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Dabei bezeichnet ε den so genannten Stoßfaktor oder auch Restitutionszahl. Diese besagt folgendes:
ε=1 | Elastischer Stoß |
0<ε<1 | Teilelastischer Stoß |
ε = 0 | Plastischer Stoß |
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Der Stoßfaktor ist ein Maß für die Elastizität eines Stoßes. Er kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Der Stoßfaktor von 1 entspricht einem vollkommenen elastischen Stoß. Ein Beispiel dafür ist der Zusammenstoß zweier Billardkugeln. Eine 0 bedeutet einen vollkommenen plastischen Stoß, z. B. einen Pistolenschuss in einen Sandsack. Prinzipiell gilt, je höher der Stoßfaktor, desto größer ist bei gleicher Anstoßgeschwindigkeit die Geschwindigkeitsänderung des gestoßenen Körpers.
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Kollisionen zwischen Fahrzeugen können ebenfalls differenziert betrachtet werden. Wenn es zu größeren Deformationen kommt, liegt ein Stoßfaktor im Bereich von 0,1 bzw. 0,2 vor. Bei leichteren Stößen, z. B. einem Heckaufprall spielen die elastischen Bestandteile, wie der Stoßfänger der Fahrzeuge doch eine größere Rolle. Der Stoßfaktor kann dann im Bereich von 0,4 und größer angesiedelt sein. Des weiteren ist der Stoßfaktor von der Überdeckung zwischen den Fahrzeugen der Bauart des heckseitig angestoßenen Fahrzeugs - ist es beispielsweise ein Kombi oder eine Limousine, der Anstoßhöhe, also wie liegen die Stoßfänger zueinander, sind sie unter- oder überfahrend - abhängig. Liefert eine Umfeldsensorik zusätzliche Informationen über einen möglichen Offset, kann dieser Offset entsprechend mit berücksichtigt werden. Zusätzliche Einflussgrößen sind beispielsweise auch Anhängerkupplungen oder andere Aufbauten, gegebenenfalls kann diese Information ebenfalls im Auslösepfad berücksichtigt werden.
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Über den obigen Zusammenhang lassen sich durch Umformungen und Trennungen in unterschiedlichen Richtungen, in X- und Y-Richtung als zweidimensionales Problem folgende Geschwindigkeit bzw. Geschwindigkeitsänderung für das getroffene Fahrzeug bestimmen. Dies soll anhand von
1 erläutert werden. Es wird angenommen, dass zwei Fahrzeuge mit den Massen m
1 und m
2 und den Geschwindigkeit v
1 und v
2 vorliegen. Des Weiteren wird angenommen, dass ein zentraler Heckaufprall ohne Reibung vorliegt. Der Impuls wird übertragen vom ersten auf das zweite Fahrzeug. Für die Geschwindigkeiten werden folgende Gleichungen verwendet:
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Durch die Verwendung des Impulserhaltungssatzes gemäß Gleichung (I) mit dem Newtonschen empirischen Gesetz
erhält man für das Fahrzeug
2 als Fahrzeug mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung in X-also Fahrzeuglängsrichtung folgende Gleichungen
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Handelt es sich um ein stehendes Fahrzeug, erhält man eine Schätzung für die Fahrzeuggeschwindigkeit nach dem Aufprall für das Fahrzeug
2 folgende Gleichung:
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Damit ergibt sich für ein Fahrzeug, das im Heckbereich getroffen wird, folgende Endgeschwindigkeit nach einem Stoß:
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Gemäß 1 sind auch Winkel Θ und Φ eingetragen, die hier Berücksichtigung finden.
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Die Formel erfasst jedoch kein Drehimpuls, also die Rotation des Fahrzeugs, wenn es im Heckbereich getroffen wird. Die Rotation kann zusätzlich noch über einen Gierratensensor erfasst werden und/oder über lineare räumlich verteilte Beschleunigungssensoren abgeschätzt werden. Wie aus Formel (8) zu ersehen ist, ist der Winkel, bei dem das Fahrzeug getroffen wird, gegeben durch den Kosinus von Θ
1. Geht man, wie in diesem Fall von einem stehende Fahrzeug aus, welches getroffen wird, so ergibt sich die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t
0 zu 0 und damit reduziert sich die obige Formel zu der vereinfachten Form:
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Besitzt der Umfeldsensor die Möglichkeit den Offset des treffenden Fahrzeugs zu ermitteln, so kann der Annäherungswinkel grob abgeschätzt werden aus der Beziehung:
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Dabei bezeichnet der Offest_Sensor einen Wert, der als Maßzahl interpretiert werden kann und als Abschätzung für den Schwerpunkt des Gegnerfahrzeugs, der eigene Abstand des Schwerpunkts zum Heck verdoppelt angenommen wird. Sollte der Winkel über andere Sensoren, z. B. bildgebende Verfahren zur Verfügung stehen, kann dieser entsprechend verwendet werden.
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Da in erster Näherung der Kosinus vorliegend eingeht, kann dieser auch bei kleinem Winkel zur 1 gesetzt werden. Aufgrund der Crashstatistik sind im Bereich der Heckunfälle unter 80 % der Unfälle mit einer Überdeckung zwischen 40 und 100%. Dadurch reduziert sich die obige Formel zu der vereinfachten Form:
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Geht man davon aus, dass das Fahrzeug steht, liefert der Umfeldsensor die Absolutgeschwindigkeit des treffenden Fahrzeugs. Ist das eigene Fahrzeug in Bewegung, kann die treffende Geschwindigkeit über die Korrektur mit der Eigengeschwindigkeit ermittelt werden, sodass für den obigen Zusammenhang die so genannte closing velocity als Maß für die Geschwindigkeit verwendet werden kann. Da nun die eigene Masse m
2 des Fahrzeugs bekannt ist, kann diese gegebenenfalls über einen Parametersatz oder als variablem Code zur Verfügung stehen. Eine andere Möglichkeit ist, dies über das angegebene Massenverhältnis abzuschätzen. Geht man von sehr vielen PKW - PKW Unfällen aus, so kann über eine entsprechende Verteilung ein unteres sowie ein oberes Massenverhältnis angenommen werden. Aus entsprechenden Datenbanken können dann Mittelwert und Standardabweichung berechnet werden und als Verteilung mit in die Berechnung eingefügt werden:
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Damit ergeben sich unter Berücksichtigung der Verteilungsfunktion folgende zwei Geschwindigkeitsgrenzen unter Berücksichtigung einer 6-Sigma Grenze:
für die untere Geschwindigkeit und für die obere Geschwindigkeit:
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Zusätzlich kann hierzu ein weiterer Faktor, der als Parameter ausgebildet ist, multiplikativ verwendet werden. Beispielsweise weiß man vor einer Applikation wie schwer das Fahrzeug ist und somit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhältnis hier > 1 ist, analog verhält es sich, wenn man weiß, dass das Fahrzeug sehr leicht sein wird, sodass dann das Verhältnis tendenziell <1 ist. Dies ist aber eine optionale Möglichkeit und vorzugsweise zu berücksichtigen.
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Für den Stoßfaktor muss ebenfalls etwas angenommen werden. Hierzu gibt es einen zusätzlichen funktionalen Zusammenhang, der in erster Näherung als konstanter Faktor eingesetzt werden kann oder aber eine andere Funktion verwendet wird. Hier wird vorzugsweise ein geschwindigkeitsabhängiger Stoßfaktor berechnet. Wie oben bereits beschrieben, sind noch andere Einflussfaktoren auf den Stoßfaktor gegeben. Sind über Zusatzsensoriken, wie der Umfeldsensorik oder eine bildgebende Sensorik Informationen über die Höhe des Aufpralls bekannt, kann dieser entsprechend berücksichtigt werden. Ebenso spezielle Materialeigenschaften können als Modifikator eingehen. Ein funktionaler Zusammenhang kann über folgende Funktion gegeben sein:
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5 zeigt einen funktionalen Zusammenhang zwischen Stoßfaktor und Kollisionsgeschwindigkeit. Dieser ist, wie hier dargestellt, als Polynom zweiter Ordnung gegeben, andere Funktionen sind ebenfalls möglich.
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Fügt man diese Größen ein, so kann die Geschwindigkeit nunmehr berechnet werden. Um jedoch für eine Auslöseentscheidung für Rückhaltemittel ein Kriterium zu erhalten, wird die Geschwindigkeit ermittelt, die das Fahrzeug nach dem Stoßvorgang erreicht. Der Stoßvorgang an sich dauert typischer Weise im Bereich des Heckcrashes rund 100 - 150 msec. Berücksichtigt man hier auch unterschiedliche Gegner, kann von einem feststehenden Wert ausgegangen werden, der bei rund 120 msec. liegt. Damit weiß man also vor dem Stoß, dass das Fahrzeug unter den obigen Annahmen nach 120 msec. die Geschwindigkeit
erreicht hat. Andere Zeitangaben lassen sich ebenfalls als Maß hierfür einsetzen. Weiterhin kann eine parallele Berechnung mit unterschiedlichen Zeitangaben vorgesehen werden. Damit lässt sich über die einfache Beziehung:
bzw. für die untere Grenze:
die Beschleunigung ermitteln. Damit hat man nun mehrere Möglichkeiten, einen Algorithmus aufzubauen, der eine Auslöseentscheidung zu adaptiven Schwellwerten, die von der relativen bzw. Absolutgeschwindigkeit abhängen, zu realisieren.
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Andere Kombinationen sind ebenfalls denkbar.
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Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass Parameter, wie Geschwindigkeit, Fahrzeugmasse oder andere fahrzeugspezifische Grössen vor dem Aufprall über Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation ausgetauscht werden können. Dabei kann die übermittelte Masse direkt in obige Formel eingesetzt werden, so dass eine genauere Abschätzung der Beschleunigung und damit der Geschwindigkeit durchgeführt wird.
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2 erläutert in einem Blockschaltbild eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens. Ein Umfeldsignal 20 wird dazu verwendet, um mit den oben angegebenen Gleichungen die Geschwindigkeit ν' 21 nach dem Aufprall und auch die Beschleunigung a' 22 nach dem Aufprall abzuschätzen. Die Beschleunigung a' 22 wird dazu verwendet, den Schwellwert 23 zu verändern. Dieser Schwellwert wird für die Beschleunigung 24 ax oder auch ay oder az verwendet und ist hier als Rauschschwelle angegeben. Es liegt also eine adaptive Rauschschwelle vor. Das Beschleunigungssignal 24 wird dann im Block 25 integriert und dann mit dem Schwellwertentscheider 26 und dort mit einem Schwellwert verglichen. Dieser Schwellwert wird in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit ν' 21 verändert. Liegt die integrierte Beschleunigung über dem Schwellwert 26, dann kommt es im Block 27 zur Erzeugung eines Auslösesignals. Der Abschnitt 28, hier durch den gestrichelten Kasten gekennzeichnet, also die Blöcke 22 und 23 sind eine Option und können hier weg gelassen werden.
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3 zeigt in einem Blockschaltbild eine Ausführungsform der erfindungsgemäßen Vorrichtung. Eine Umfeldsensorik 30, eine Beschleunigungssensorik acc, eine Seitenaufpralldrucksensorik PPS. Dreh ratensensoren ωx, ωy, ωz sind jeweils an einen Mikrocontroller µC als Auswerteschaltung angeschlossen. In Abhängigkeit von diesen Signalen erzeugt der Mikrocontroller µC eine Auslösesignal, das er an eine Zündkreisansteuerung FLIC überträgt, die dann Personenschutzmittel RHS auslöst.
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Die Umfeldsensorik 30 kann wie oben angegeben sein, eine Ultraschallsensorik oder eine Radarsensorik oder eine optische oder eine Videosensorik sein oder Kombinationen davon. Insbesondere können schon vorverarbeitete Daten an den Mikrocontroller µC, der vorzugsweise im Steuergerät zur Ansteuerung von Insassenschutzmitteln angeordnet ist, vorhanden sein. Die Beschleunigungssensorik acc kann sich im Steuergerät befinden und/oder extern angeordnet sein, beispielsweise durch Seitenaufprallsensoren, Upfrontsensoren oder eine zentrale Sensorbox. Die Beschleunigungssensoren sind in den Raumrichtungen orientiert, sie können jedoch auch winklig zur Fahrzeuglängs- oder Fahrzeugquerachse angeordnet sein. Die Drucksensorik PPS ist in Seitenteilen eines Fahrzeugs angeordnet und wird zur Seitenaufprallsensorik verwendet. Diese kann auch durch Beschleunigungssensoren oder Umfeldsensoren ersetzt sein. Auch ein Temperatursensor ist hier möglich. Ebenfalls ist ein Körperschallsensor vorliegend möglich. Der Gierratensensor ωz, der auch wie oben angegeben durch Beschleunigungssensoren ersetzt werden kann, erfasst Schleuderbewegungen des Fahrzeugs und kann wie oben angegeben, berücksichtigt werden. Auch der Wankratensensor ωx und der Nickratensensor ωy können zusätzlich berücksichtigt werden, sie sind jedoch Optionen und können auch weg gelassen werden. Das Gehäuse des Steuergeräts und auch andere notwendige Komponenten des Steuergeräts sind hier der Einfachheit halber weg gelassen worden, da sie für das Verständnis der Erfindung nicht notwendig sind. Insbesondere sind hier Plausibilitätsprüfungen für den Mikrocontroller µC weg gelassen worden.
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4 zeigt ein weiteres Blockschaltbild der erfindungsgemäßen Vorrichtung. Aus dem Umfeldsignal 40 kann der Offset bei der Kollision 41 und auch die Crashart oder der Crashtyp 42 bestimmt werden. Liegt beispielsweise also ein Heckaufprall vor oder ein Seitenaufprall oder ein winkliger Aufprall. Auch Aufbauten am Fahrzeug, eine Anhängerkupplung 43 können berücksichtigt werden, um im Block 44 die Fahrzeuggeschwindigkeit nach dem Aufprall abzuschätzen.
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6 zeigt ein weiteres Ausführungsbeispiel als Blockdiagramm der erfindungsgemäßen Vorrichtung bzw. des erfindungsgemäßen Verfahrens. In ein Modul 613 zur Behandlung eines Heckaufpralls gehen als Daten Umfelddaten
600 und Beschleunigungsdaten
601 ein. Als Umfelddaten können beispielsweise die zeit bis zum Aufprall (TTI) und die Aufprallgeschwindigkeit (v
cv) geliefert werden. Daraus kann im Block
602, wie oben angegeben die Restitutionszahl ε bestimmt werden. Mit der Restitutionszahl und der Aufprallgeschwindigkeit kann dann im Block
603 die Fahrzeuggeschwindigkeit nach dem Aufprall, also
bestimmt werden. Wie oben erwähnt, kann die Geschwindigkeit
bei unterschiedlichen Zeiten berechnet werden. In Block
603 wird dies für unterschiedliche Zeiten durchgeführt. Mit
bei 5 msec kann im Block
605 ein Schwellwert für die integrierte Beschleunigung in Fahrzeuglängsrichtung eingestellt werden. Mit einem Mittelwert für
bei 110msec und in der oberen und unteren Grenze für
bei 110ms kann im Block
604 die Beschleunigung nach dem Aufprall bestimmt werden. Aus dieser Beschleunigungsschätzung kann eine mittlere Beschleunigung
verwendet werden, um im Block
606 einen Schwellwert für den gleitenden Durchschnitt der Beschleunigung in Fahrzeuglängsrichtung bestimmt werden. Aus einer unteren Grenze der Beschleunigung nach dem Aufprall
kann im Block 608 ein Schwellwert für die Längsbeschleunigung ax
ccu bestimmt werden. Im Block 614 wird der kleine Durchschnitt über vier Zyklen, die 2 msec. der Fahrzeuglängsbeschleunigung bestimmt und dann im Block
606 mit dem oben bezeichneten Schwellwert verglichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs im Block
606 wird einem ersten Eingang eines UND-Gatters
610 zugeführt. Die Beschleunigung, die im Steuergerät
601 bestimmt wird und in Fahrzeuglängsrichtung sensiert, wird im Block
608 mit dem oben bezeichneten Schwellwert verglichen und das Ergebnis dieses Vergleichs wird einem UND-Gatter
609 zugeführt. Das Ergebnis des Vergleichs in 605 benötigt die integrierte Beschleunigung, die im Block
607 erzeugt wird. Das Ergebnis des Vergleichs aus 605 wird dem UND-Gatter
609 am zweiten Eingang zugeführt. Das Ergebnis des UND-Vergleichs im Block
609 wird dem anderen UND-Gatter
610 an den zweiten Eingang zugeführt, sodass das Ergebnis des UND-Gatters
610 das Auslösesignal liefert, das jedoch über die Fahrzeuglängsbeschleunigung und Fahrzeugquerbeschleunigung im Block
611 plausibilisiert wird. Stimmt auch die Plausibilisierung, dann wird im Block 612 die Feuerentscheidung erzeugt.
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In entsprechender Weise können für den Front- und Seitenaufprall die Daten erzeugt werden und die Schwellwertvergleiche durchgeführt werden.