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Die Erfindung betrifft einen Gurtaufroller nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, einen Fahrzeugsitz mit einem solchen Gurtaufroller nach Anspruch 8 sowie ein Kraftfahrzeug mit einem solchen Fahrzeugsitz nach Anspruch 9.
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Sicherheitsgurtsysteme sind die ältesten passiven Sicherheitseinrichtungen im Kraftfahrzeugbau und gehören nach wie vor zum Kern des Sicherheitssystems eines jeden Kraftfahrzeuges. Ein solches Sicherheitsgurtsystem weist stets einen Gurtaufroller mit einer in einem Rahmen drehbar gelagerten Gurtwelle auf, auf welcher ein Gurt teilweise aufgerollt ist. Der Gurt trägt eine Gurtzunge, welche in ein Gurtschloss einsteckbar ist. In den meisten Fällen ist der Gurtaufroller direkt oder indirekt mit der Fahrzeugkarosserie verbunden, das heißt, dass seine Position relativ zur Fahrzeugkarosserie unveränderlich ist. Es ist jedoch auch bekannt, den Gurtaufroller innerhalb der Rückenlehne eines Fahrzeugsitzes anzuordnen.
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Viele moderne Gurtaufroller weisen eine einen Elektromotor aufweisende Straffeinrichtung auf, mittels der die Gurtwelle in Aufrollrichtung antreibbar ist, um nach Detektion eines möglicherweise bevorstehenden Aufpralls oder auch nach einer detektierten Bewegung des Fahrzeuginsassen eine etwaige Gurtlose zu eliminieren.
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Ein entscheidendes Merkmal eines jeden Gurtaufrollers ist, dass er wenigstens eine Blockiereinrichtung hat, welche bewirkt, dass im Bedarfsfall (d.h. wenn sich ein Unfall ereignet) die Gurtwelle im Rahmen blockiert ist, so dass sich der Gurt dann nicht mehr - oder gegebenenfalls nur gegen die Kraft eines Gurtkraftbegrenzers - ausziehen lässt. In der Regel sind zwei voneinander unabhängige Blockiereinrichtungen vorgesehen (was in den meisten Ländern auch gesetzlich vorgeschrieben ist). Diese beiden Blockiereinrichtungen sind die sogenannte gurtsensitive Blockiereinrichtung und die sogenannte fahrzeugsensitive Blockiereinrichtung. Die gurtsensitive Blockiereinrichtung blockiert die Gurtwelle gegen den Rahmen dann, wenn die Drehgeschwindigkeit der Gurtwelle einen vorbestimmten Wert übersteigt (d.h. wenn der Gurt zu schnell ausgezogen wird). Die in der Regel wichtigere Blockiereinrichtung ist die sogenannte fahrzeugsensitive Blockiereinrichtung, welche die Gurtwelle dann gegen den Rahmen blockiert, wenn sie eine einen Grenzwert überschreitende Beschleunigung oder eine einen Grenzwert überschreitende Verkippung des Fahrzeuges detektiert. Die fahrzeugsensitive Blockiereinrichtung weist stets einen Sensor und ein von diesem Sensor direkt oder indirekt gesteuertes Sperrelement einer zwischen Rahmen und Gurtwelle wirkenden Sperreinrichtung auf.
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Auch heutzutage arbeiten die meisten Sensoren einer solchen fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung noch rein mechanisch, wobei das Wirkprinzip die trägheitsbedingte bzw. gravitationsbedingte Auslenkung eines Masseelementes ist. Dieses Wirkprinzip wird nun anhand eines häufig angewandten Konstruktionsprinzips kurz beschrieben: Am tiefsten Punkt einer Schale liegt eine Massekugel. Diese Schale ist mit dem Fahrzeug verbunden. Wird das Fahrzeug (und hiermit die Schale) stark beschleunigt oder abgebremst, so verändert die Kugel ihre Position relativ zur Schale, wobei Sie bei einer definierten Auslenkung einen Hebel bewegt, welcher die Blockierung auslöst. Dasselbe geschieht, wenn das Fahrzeug kippt - auch in diesem Fall verändert sich die Lage der Kugel in Bezug auf die Schale, was zu einer Betätigung eines Hebels durch die Kugel führt. Dasselbe Wirkprinzip kann auch in Form einer sogenannten „standing man“ Konstruktion ausgeführt sein. Ob die Verlagerung der Kugel (oder eines anderen Masselelements) in Bezug auf die Schale von einer Beschleunigung/Verzögerung oder von einer Verkippung des Kraftfahrzeugs herrührt, kann dieser Sensor nicht „sehen“ da die Reaktion (die Position der Kugel relativ zur Schale verändert sich) dieselbe ist. Diese Ununterscheidbarkeit ergibt sich physikalisch aus der Äquivalenz von schwerer und träger Masse. Somit detektiert dieser Sensor in idealer Weise die zwei Zustände, in welcher er eine Blockierung des Gurtes bewirken soll.
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Solche mechanischen fahrzeugsensitiven Sensoren funktionieren sehr gut und haben den Vorteil, dass sie - und damit auch die mit ihnen ausgestatteten Gurtaufroller - vollständig autark funktionieren. Dieses autarke Funktionieren ist wesentlich, da an die Zuverlässigkeit der fahrzeugsensitiven Verriegelung der Gurtwelle höchste Anforderungen gestellt werden. Solche mechanisch arbeitenden fahrzeugsensitiven Sensoren sind insbesondere für Gurtaufroller geeignet, welche unmittelbar mit der Fahrzeugkarosserie verbunden sind, da hierdurch ihre Einbaulage relativ zum Kraftfahrzeug genau bekannt ist und sich auch nicht verändert. Es sind jedoch auch Systeme bekannt geworden, bei denen Gurtaufroller mit mechanisch arbeitenden fahrzeugsensitiven Sensoren in der Lehne eine Kraftfahrzeugsitz untergebracht sind. Allerdings ist in diesem Fall eine mechanisch aufwendige Nachjustier-Einrichtung notwendig, damit eine Verstellung des Winkels der Rückenlehne ausgeglichen werden kann.
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Beispielsweise aus der
DE 103 51 403 B4 ist ein Gurtaufroller mit einer fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung bekannt, bei der der mechanische Sensor vom Rahmen des Gurtaufrollers beabstandet sein kann, wobei die Signalübertragung zwischen mechanischem Sensor und Sperreinrichtung elektrisch erfolgt. Die Sperreinrichtung weist einen Elektromagneten auf, mittels dessen das Sperrelement der Sperreinrichtung bewegbar ist.
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Aus der
DE 199 57 814 A1 ist es bekannt, die Daten des CAN-systems des Fahrzeugs zur Ansteuerung des Elektromotors der Straffeinrichtung eines Gurtaufrollers zu nutzen. Ähnliches beschreibt auch die
DE 100 44 426 A1 .
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Die
DE 10 2007 017 669 A1 schlägt vor, die Blockiereinrichtung eines Gurtaufrollers mittels eines aus dem Bremsdruck-Gradienten abgeleiteten Signals anzusteuern.
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Aus der
DE 10 2015 007 555 A1 ist eine Vorrichtung zur Bestimmung des Drehwinkels einer Gurtspule bekannt.
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Hiervon ausgehend stellt sich die vorliegende Erfindung die Aufgabe einen Gurtaufroller zum Einbau in ein Kraftfahrzeug, insbesondere zum Einbau in die Rückenlehne eines Sitzes eines Kraftfahrzeugs, zur Verfügung zu stellen, welche mit geringem Aufwand herstellbar ist und welcher eine hohe Betriebssicherheit bietet.
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Diese Aufgabe wird durch einen Gurtaufroller mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Ein Fahrzeugsitz mit einem solchen Gurtaufroller ist in Anspruch 8, ein Kraftfahrzeug mit einem solchen Fahrzeugsitz ist in Anspruch 9 angegeben.
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Wie dies bereits erwähnt wurde, weisen heutzutage viele Gurtaufroller eine Straffeinrichtung mit einem Elektromotor auf. Für diesen Elektromotor ist eine elektronische Steuerungseinrichtung vorhanden, welche auch Teil des Gurtaufrollers selbst ist. Dieses bedeutet, dass der Gurtaufroller einen Rahmen, eine drehbar im Rahmen gelagerte Gurtwelle, einen mit dem Rahmen verbundenen Elektromotor, welcher direkt oder über ein Getriebe mit der Gurtwelle verbunden ist, eine am Rahmen befestigte elektronische Steuerungseinheit für diesen Elektromotor und eine Blockiereinrichtung zum fahrzeugsensitiven Blockieren der Gurtwelle aufweist. Hierbei weist die Blockiereinrichtung stets einen Sensor und eine vom Sensor gesteuerte Sperreinrichtung, welche ein bewegliches Sperrelement hat, auf.
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Der Grundgedanke der Erfindung besteht nun darin, die ohnehin vorhandene elektronische Steuereinheit mit einem zusätzlichen elektronischen Sensor auszuführen, welcher als Sensor der fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung dient. Ein solcher Sensor kann als separates Bauteil ausgebildet oder in einem integrierten Schaltkreis (IC) integriert sein. Derartige Sensoren sind in heutigen elektronischen Geräten, wie beispielsweise Mobiltelefonen und Tabletts, weit verbreitet und detektieren in der Regel sowohl Beschleunigungswerte als auch eine Verkippung des Sensors gegenüber einer Soll-Lage. Somit tun solche Sensoren, sofern sie zweidimensional arbeiten, genau das, was ein mechanischer Sensor einer fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung tut. Also können sie einen solchen ersetzten. Für den Fall, dass eine Blockiereinrichtung mit einem solchen zweidimensional arbeitenden Sensor karosseriefest eingebaut wäre, würde sie keine weiteren Informationen (wie ein oben beschriebener mechanischer Sensor auch) benötigen, könnte also vollständig autark arbeiten. Erfindungsgemäß ist eine solche Blockiereinrichtung jedoch in der Rückenlehne eines Fahrzeugsitzes verbaut, und deshalb benötigt sie Zusatzinformationen (nämlich aus dem CAN-System des Fahrzeugs), um eine Verschwenkung der Rückenlehne rechnerisch auszugleichen. Es handelt sich in diesem Fall um ein teilautonomes System, die eigentliche Information „Blockieren“ wird jedoch im Gurtaufroller autonom erzeugt und ist somit hinreichend schnell und sicher.
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Es gibt jedoch auch dreidimensional arbeitende Sensoren, deren zusätzliche Sensorachse (Z-Achse) genutzt werden kann, wodurch sich eine vollständig autarke fahrzeugsensitive Blockiereinrichtung ausbilden lässt.
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Das Verwenden eines elektronischen Sensors (IC-Sensor) hat jedoch noch weitere Vorteile. Mechanische Sensoren haben genau einen Schaltpunkt. IC-Sensoren liefern kontinuierlich Daten. Daraus entsteht die Option, Verriegelungsszenarien zu adaptieren. Beispielsweise kann das Verriegeln aufgrund von Beschleunigungsprofilen, nicht aufgrund eines fixen Schwellenwertes erfolgen, wodurch sich z.B. bei Geländefahrt, schneller Kurvenfahrt und Roll-Over-Szenarien ein optimiertes Verriegelungsverhalten ergibt.
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Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Die Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen mit Bezug auf die Figuren näher erläutert. Hierbei zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung eines Fahrzeugsitzes mit einem Gurtaufroller,
- 2 den Fahrzeugsitz der 1, wobei die Rückenlehne des Fahrzeugsitzes gegenüber dem Zustand der 1 verschwenkt ist,
- 3 den in den 1 und 2 gezeigten Gurtaufroller in einer vergrößerten und ebenfalls stark schematischen Ansicht,
- 4 einen Beschleunigungssensor, welcher Teil der elektronischen Steuerungseinheit des Gurtaufrollers der 3 ist,
- 5 ein Blockschema der Funktionsweise der Blockiereinrichtung des Gurtaufrollers der 3,
- 6 eine alternative Ausführungsform eines Gurtaufrollers in einer der 3 entsprechenden Darstellung,
- 7 den Beschleunigungssensor des Gurtaufrollers der 6 und
- 8 ein Blockdiagramm der Funktionsweise des Gurtaufrollers der 6.
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Die 1 und 2 zeigen in schematischer Darstellung einen Fahrzeugsitz 10. Es kann sich hierbei um jeden Einzelsitz eines Fahrzeuges, also insbesondere um den Fahrersitz oder den Beifahrersitz, aber ebenso um einen Einzelsitz im Fond eines Fahrzeuges handeln. Bei einem solchen Fahrzeugsitz kann die Rückenlehne 14 gegenüber der Sitzfläche 12 verschwenkt werden. Zumeist erfolgt die Verstellung elektrisch, sie kann jedoch auch manuell erfolgen. In der Rückenlehne 14 ist ein Gurtaufroller 20 angeordnet, welcher nachfolgend mit Bezug auf die 3 näher beschrieben wird.
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Es ist vorauszuschicken, dass die 3 sehr schematisch ist und der konkrete mechanische Aufbau eines solchen Gurtaufrollers von dieser schematischen Darstellung stark abweichen kann. Für die vorliegende Erfindung kommt es jedoch auch nicht auf den konkreten mechanischen Aufbau, sondern auf das Zusammenwirken der einzelnen Elemente an.
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Der Gurtaufroller 20 weist einen Rahmen 22 aus einem starren Material, wie insbesondere Stahlblech auf. Dieser Rahmen 22 trägt alle nachfolgend beschriebenen Elemente: Drehbar am Rahmen 22 ist eine Gurtwelle 24 gehalten, auf welcher ein Gurt 26 teilweise aufgewickelt ist. Es ist eine zwischen Rahmen 22 und Gurtwelle 24 wirkende gurtsensitive Blockiereinrichtung vorgesehen, diese ist jedoch nicht dargestellt. Der Gurtaufroller hat weiterhin eine reversible Straffeinrichtung mit einem Elektromotor 28. Dieser ist direkt oder, wie darstellt, über ein Getriebe 30 mit der Gurtwelle 24 verbunden. Zur Ansteuerung dieses Motors 28 dient eine elektronische Steuerungseinheit, welche ebenfalls am Rahmen befestigt ist. Schematisch gezeigt ist in 3 die Leiterplatte 40 dieser elektronischen Steuerungseinheit (sowie ebenfalls sehr schematisch) verschiedene elektronische Bauelemente, welche auf dieser Leiterplatte 40 angeordnet sind. Die elektronische Steuereinheit ist an das Stromnetz des Fahrzeugs angeschlossen; dies ist durch den Pfeil mit dem Bezugszeichen 50 angedeutet.
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Wie dies bereits erwähnt wurde, ist eine Aufgabe der elektronischen Steuerungseinheit, den Elektromotor 28 der Straffeinrichtung anzutreiben, wozu eine Versorgungsleitung 52 dient. Es könnte auch eine Datenleitung vorgesehen sein, über welche der Elektromotor 28 Zustandsdaten an die Steuerungseinheit zurückmeldet (nicht dargestellt).
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Erfindungsgemäß hat die elektronische Steuerungseinheit jedoch noch eine zweite Aufgabe, sie ist nämlich Teil der fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung, sie trägt nämlich deren Sensor 42. Dieser Sensor kann ein separates Bauelements sein oder er kann Teil eines integrierten Schallkreises (IC) sein. Der andere Teil der fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung ist die mechanische Sperreinrichtung, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass sie einen von der elektronischen Steuerungseinheit angesteuerten Aktuator, im gezeigten Ausführungsbeispiel einen Elektromagneten 32, aufweist. Die Ansteuerung des Elektromagneten 32 durch die elektronische Steuerungseinheit erfolgt über die Versorgungsleitung 54. Der Aktuator (hier der Elektromagnet) wirkt mit einem mechanischen Sperrelement zusammen. Die Einwirkung des Elektromagneten kann (wie dargestellt) entweder direkt, oder auch indirekt (beispielsweise durch Betätigung eines Hebel) erfolgen. Insofern ist die Darstellung in 6 nur als schematisch und beispielshaft zu verstehen. Im gezeigten Ausführungsbeispiel wirkt zwischen dem Sperrelement 34 und dem Rahmen 22 eine Feder 36. Ist der Elektromagnet 32 angeschaltet d.h., dass Strom durch die Versorgungsleitung 52 fließt, so zieht der Elektromagnet 32 das Sperrelement von einem Verriegelungskopf 24a der Gurtwelle 24 weg und die Gurtwelle kann sich im Rahmen 22 drehen. Fließt kein Strom durch die Versorgungsleitung 54 fährt das Sperrelement aufgrund der Kraft der Feder in den Verriegelungskopf ein und die Gurtwelle 24 ist gegen den Rahmen 22 blockiert. Fällt also im Falle eines Unfalls der Strom komplett aus, so tritt automatisch der Verriegelungszustand ein (fail safe).
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Im ersten Ausführungsbeispiel ist der Sensor 42 ein Dreiachssensor, d.h. er registriert eine Drehung und eine Beschleunigung in allen drei Achsen X (Fahrzeuglängsachse), Y (Fahrzeugquerachse) und Z (Vertikalachse) - siehe 4. Hierdurch kann das System grundsätzlich vollständig autark (bis auf die Stromzufuhr) arbeiten, wie nachfolgend (teilweise mit Bezug auf die 5) näher beschrieben wird.
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Die Aufgabe der fahrzeugsensitiven Blockiereinrichtung ist, die Gurtwelle gegen den Rahmen dann zu blockieren, wenn die Beschleunigungswerte (positive oder negative Beschleunigungswerte) des Kraftfahrzeugs - insbesondere in X-Richtung) einen vorbestimmten Wert übersteigen, oder wenn die Verkippung des Kraftfahrzeugs um die X- oder die Y-Achse einen vorbestimmten Wert überstreitet. Bei allen anderen Zustandsänderungen, insbesondere bei Befahren einer Steigung, Verstellen der Rückenlehne oder „normalem“ Beschleunigen und Bremsen, darf keine Blockierung der Gurtwelle erfolgen. Die erfindungsgemäße Blockiervorrichtung löst diese Aufgabe wie folgt:
- Werkseitig ist die Lage des Sensors 42 in Bezug auf das Kraftfahrzeug bekannt. Dies kann insbesondere dadurch geschehen, dass die Einbaulage des Sensors in Bezug auf die Rückenlehne bekannt ist und dass die Ausgangsposition der Rückenlehne (d.h. ihre Ausgangsneigung in Bezug auf das Kraftfahrzeug) bekannt ist. Somit kennt die elektronische Steuerungseinheit die echte X-Achse, die echte Y- Achse und die echte Z-Achse. Hiervon ausgehend werden die Änderungen der Messwerte in X-, Y- und Z-Richtung fortlaufend überprüft und hiervon ausgehend entschieden, ob ein Zustand vorliegt, in welchen die Gurtwelle blockiert wird. Dies erfolgt beispielsweise nach folgendem Schema: Wird die Rückenlehne verstellt (d.h. sie wird um eine Achse verschwenkt, welche parallel zur Y-Achse ist), so ändern sich die Messwerte sowohl in X- als auch in Z-Richtung und dies aufgrund der Langsamkeit der Verstellung auch nur relativ langsam. Dasselbe passiert, wenn das Fahrzeug eine Steigung oder ein Gefälle befährt. In diesem Fall erkennt die elektronische Steuerungseinheit diese Änderung und berechnet dann durch eine Koordinatentransformation die Referenz (d.h. die X-Y-Ebene) neu. Es erfolgt dann keine Blockierung der Gurtwelle und das System legt die neu berechnete Referenzebene zugrunde. Somit ist die „echte“ X-Y-Ebene fortlaufend bekannt. Unter „echter“ X-Y-Ebene wird hierbei die X-Y-Ebene verstanden, welche parallel zur gravitativen Horizontalebene ist. Beschleunigt ober bremst das Fahrzeug jedoch, so ändert sich der Messwert nur in X-Richtung, nicht in Z-Richtung. Die elektronische Steuerungseinheit kann somit (dies kann ein mechanischer Sensor nicht) zwischen Rückenlehnenverstellung und Beschleunigung (positiver oder negativer) unterscheiden und führt somit bei detektierter Beschleunigung keine Anpassung der X-Y-Ebene durch.
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Wird das Kraftfahrzeug hingegen in X-Richtung sehr stark beschleunigt (Heckaufprall) oder abgebremst (Frontalaufprall) so ändert sich der Messwert in X-Richtung in kurzer Zeit sehr stark. Hierdurch kann die Steuerungseinheit eindeutig den Zustand „Unfall“ errechnen, so dass eine Blockierung erfolgt. Kippt das Auto zur Seite, so ändern sich die Messwerte in Y- und Z-Richtung über einen vorbestimmten Grenzwert, was ebenfalls als Unfall interpretiert wird und zu einer Verriegelung der Gurtwelle führt. Ebenso kann eine Rotation um die Y-Achse (Änderung der Messwerte in X- und Z-Richtung), welche einen gewissen Grenzwert überschreitet, als Unfall interpretiert werden. Man sieht also, dass das System vollständig autark arbeiten kann. Es benötigt keine Informationen von außerhalb des Gurtaufrollers, wodurch sich auch die notwendige Reaktionsgeschwindigkeit erzielen lässt. Die zusätzlich generierten Informationen können über einen Datenausgang 62 an das Fahrzeug CAN-System abgegeben werden.
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Im zweiten Ausführungsbeispiel (6 bis 8) ist der Sensor 42 lediglich ein 2-Achs-Sensor. Gegenüber dem ersten Ausführungsbeispiel fehlt eine Messung in Z-Richtung. Dies wird dadurch ausgeglichen, dass die Steuerungseinheit einen Dateneingang (Bezugszeichen 60 in 6) zum Anschluss an das CAN-System des Kraftfahrzeugs aufweist. Unter Zuhilfenahme dieser Daten kann die echte X-Y-Ebene ständig durch die Steuerungseinheit berechnet werden, insbesondere bei einer Verstellung der Rückenlehne. Hierfür ist die relativ geringe Geschwindigkeit des CAN-Systems ausreichend. Bei abrupten Änderungen der X- oder Y-Werte agiert der Gurtaufroller jedoch wieder autonom und blockiert die Gurtwelle. Ist ein solcher Gurtaufroller starr mit der Karosserie verbunden (also nicht in einer Rückenlehne montiert), so kann er auch dann vollständig autonom arbeiten, wenn er lediglich einen 2-Achs-Sensor aufweist.
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Das Vorsehen eines Anschlusses an das CAN-System kann jedoch auch dann sinnvoll sein, wenn der Gurtaufroller einen 3-Achs-Sensor aufweist, da sich hieraus zahlreiche weitere Vorteile ergeben: Es ist ein redundanter Abgleich von Sensordaten möglich, was zu einer Erhöhung der funktionalen Sicherheit führt. Weiterhin kann die Wake-Up-Strategie des Fahrzeugs mitgenutzt werden, was das Powermanagement verbessert. Trotz des fail safe (Kein Strom - kein Gurt) kann eine Reibbremse entfallen, da moderne Fahrzeuge im Falle einer Panne z.B. in den Limp-Modus schalten. Die Diagnosefähigkeit und Zustandsabfrage der Verriegelungsfunktion wird verbessert, wodurch sich die funktionale Sicherheit erhöht. Die Sitzlage zur Fahrzeugneigung kann abgeglichen werden, um sich z.B. in einem am Berg geparkten Fahrzeug anschnallen zu können (Erhöhung des Komforts). Schließlich kann die Sitzlagenerkennung (das heißt die Detektion der Neigung der Rückenlehne) (HAD Modus) ans Fahrzeug zurückgemeldet werden (zur Auswahl der Active-Safety-Strategie).
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Wie in beiden Ausführungsbeispielen gezeigt, kann ein Gurtwellensensor 25 vorgesehen sein. Durch Einbindung dieser Daten in den Verriegelungsalgorithmus ergeben sich weitere Vorteile: Zum einen kann durch das Verwenden dieser Information das Vorstraffverhalten eleganter und feiner abgestimmt werden, was den Trage- und Verwendungskomfort weiter erhöht. Dies ist im Besonderen wichtig für jegliche HAD Modi, die neben dem teil/autonomen Fahren eben genau den Komfortaspekt benötigen. Weiterhin kann hierdurch ein Verriegeln, insbesondere auf einer Schüttelstrecke, vermieden werden, wenn kein Gurtbandauszug detektiert wird. Zusätzlich kann ein „versehentliches“ Verriegeln beim schnellen Anschnallen unterdrückt werden. Schließlich kann eine Kindersitz-Funktion ohne mechanische Umsetzung erzielt werden.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Fahrzeugsitz
- 12
- Sitzfläche
- 14
- Rückenlehne
- 16
- Kopfstütze
- 20
- Gurtaufroller
- 22
- Rahmen
- 24
- Gurtwelle
- 24a
- Verriegelungskopf
- 25
- Gurtwellensensor
- 26
- Gurt
- 28
- Elektromotor
- 30
- Getriebe
- 32
- Elektromagnet
- 34
- Sperrelement
- 36
- Feder
- 40
- Leiterplatte
- 42
- Beschleunigungssensor
- 50
- Stromversorgung
- 52
- Versorgungsleitung des Elektromotors
- 54
- Versorgungsleitung des Elektromagneten
- 60
- Dateneingang
- 62
- Datenausgang