-
Die Erfindung bezieht sich auf die bilderzeugende Massenspektrometrie von histologischen Gewebedünnschnitten.
-
Stand der Technik
-
Definition: Unter einem „massenspektrometrischen Bild” eines Gewebedünnschnittes, das durch die bilderzeugende Massenspektrometrie (mass spectrometry imaging, MSI) gewonnen wird, wird hier ein Bild verstanden, das zu jedem Bildpunkt ein Massenspektrum mit molekularer Information enthält. Das „massenspektrometrische Bild” entspricht damit sinngemäß genau einem „farbigen Bild”, das zu jedem Bildpunkt ein Farbspektrum enthält. Das Farbspektrum trägt die vollständige Farbinformation des sichtbaren Lichtspektrums, auch wenn unser Auge das Farbspektrum zu einem Farbeindruck zusammenfasst. Und so, wie man aus einem Farbbild Bilder ausgewählter Farben erzeugen kann, beispielsweise rote, gelbe und blaue Bilder für einen Farbdruck, kann man aus einem massenspektrometrischen Bild „massenselektive Bilder” erzeugen, die jeweils die Konzentration eines Molekülions in seiner räumlichen Verteilung über den Gewebedünnschnitt anzeigen. Interessant sind auch Bilder, die aus mehreren selektiven Bildern abgeleitet werden und mit denen man Gewebezustände räumlich charakterisieren kann.
-
Die Histologie ist die Lehre von den menschlichen, tierischen und pflanzlichen Geweben, insbesondere deren Struktur und Funktion. Eine histologische Klassifizierung wird in der Regel an einem wenige Mikrometer dicken gefärbten Gewebeschnitt durchgeführt und betrifft die vorkommenden Gewebearten, Differenzierungen des Gewebes, bakterielle und parasitäre Krankheitserreger im Gewebe, Krankheitszustände des Gewebes und Verteilungen von Pharmaka oder deren Metaboliten. Die Klassifizierung kann auf ein oder mehrere Teilgebiete eines Gewebeschnittes eingeschränkt werden oder sich sogar nur auf eine oder mehrere einzelne Zellen oder Organellen beziehen. Die Krankheitszustände von menschlichem Gewebe betreffen entzündliche Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und den Nachweis von Tumoren, insbesondere die Differenzierung zwischen gut- und bösartige Tumorformen oder die Prognose von Therapieerfolg und Überlebenserwartung eines Patienten.
-
Die Herstellung eines histologischen Gewebeschnittes für eine lichtoptische Untersuchung erfolgt in folgenden Schritten:
- – Gewebestabilisierung durch eine chemische Fixierung oder durch Gefrieren
- – Herstellung eines etwa 10 Mikrometer dicken Dünnschnittes mit einem Mikrotom
- – Fixieren und Anfärben des Gewebeschnittes.
-
Die Gewebestrukturen, die Zellen des Gewebes selber und sogar intrazelluläre Strukturen (Organellen wie Zellkern, endoplamatisches Retikulum, Mitochondrien) bleiben aufgrund der Gewebestabilisierung im Gewebeschnitt erhalten. Die Strukturen des Gewebeschnittes werden im histologischen Routinebetrieb mit Hilfe von lichtoptischen Mikroskopen oder mit einem „slide scanner” abgebildet. Ein derart aufgenommenes optisches Bild des Gewebeschnittes kann eine Ortsauflösung von etwa 250 Nanometer aufweisen.
-
Der Zustand eines Gewebes in Bezug auf Krankheitszustände oder Befall mit Krankheitserregern kann sich gegenüber einer gesunden Gewebeprobe durch eine charakteristische Substanzzusammensetzung bemerkbar machen. Der Gewebezustand kann also durch Konzentrationsmuster von Substanzen und damit molekularen Informationen charakterisiert werden. Sind die Konzentrationen der Substanzen hinreichend hoch, so können die Konzentrationsmuster durch eine massenspektrometrische Analyse nachgewiesen werden. Die Substanzen können alle Arten von biologischen Substanzen sein, z. B. Proteine, Nukleinsäuren, Lipide oder Glycane. Ein ungewöhnliches Muster kann sich dadurch ergeben, dass bestimmte biologische Substanzen verändert, unter- oder überexprimiert sind. Insbesondere Proteine können in charakteristischer Weise modifiziert vorliegen, beispielsweise durch posttranslationale Modifikationen (PTM) oder kontrollierten Abbau der Proteinkette.
-
Die Massenspektrometrie mit einer Ionisierung der Proben durch matrixunterstützte Laserdesorption (MALDI) wird seit vielen Jahren erfolgreich zur Bestimmung von Molekülmassen, zur Identifizierung und zur strukturellen Charakterisierung von biologischen Substanzen, insbesondere von Proteinen oder Peptiden, eingesetzt. Diese Art der Analytik kann auch mit einigem Erfolg für komplexe Gemische eingesetzt werden. Beispielsweise kann für eine Gewebeprobemittel mathematisch-statistischer Verfahren der Gewebezustand massenspektrometrisch festgestellt werden, wobei vor dem Einsatz der Verfahren eine Vielzahl von Gewebeproben verschiedener Klassifizierungen (so genannte „Kohorten”) bereitgestellt werden müssen, z. B. zur Anpassung oder Erlernen von Parametern. Die Probenformate können dabei Gewebeschnitte, Homogenisate oder Extrakte darstellen.
-
In der bilderzeugenden massenspektrometrischen Analyse, also der Aufnahme eines massenspektrometrischen Bildes, werden Gewebeschnitte massenspektrometrisch untersucht, in der Regel mit einer Ionisierung durch matrixunterstützte Laserdesorption (MALDI). Ein Dünnschnitt des Gewebes wird dazu auf einen elektrisch leitenden Probenträger aufgelegt. Auf den Gewebeschnitt wird dann mit einem geeigneten Verfahren, das praktisch keine laterale Vermischung der Gewebebestandteile erzeugt, eine dünne Schicht einer Matrixsubstanz so aufgebracht, dass sie die löslichen Pepetide (und auch einige andere Substanzen) in extrahierter Form enthält. Der Probenträger wird in ein Massenspektrometer eingebracht, und es werden die Massenspektren der einzelnen Bildpunkte aufgenommen.
-
Für die bilderzeugende massenspektrometrische Analyse wird überwiegend das Rasterscan-Verfahren nach Caprioli (
US 5,808,300 A ) verwendet; es kann jedoch auch eine stigmatische Abbildung eines Bereichs der Gewebeprobe (
Luxembourg et al., Analytical Chemistry, 76(18), 2004, 5339–5344: „High-Spatial Resolution Mass Spectrometric Imaging of Peptide and Protein Distributions on a Surface") aufgenommen werden.
-
In beiden Fällen ergibt sich ein „massenspektrometrisches Bild” des Gewebeschnittes, wobei für jeden Bildpunkt die molekulare Information in Form eines Massenspektrums vorliegt. Jedes Massenspektrum wird, wie für MALDI üblich, aus einer Vielzahl von Einzelspektren addiert und überstreicht einen geeigneten Massenbereich, der von etwa 100 bis 60000 atomaren Masseneinheiten reichen kann. Der Bereich unter 800 atomaren Masseneinheiten wird für die Bestimmung der Lipidverteilung und der Verteilung von Pharmaka und ihren Metaboliten vermessen. Der Bereich von 2000 bis 60000 atomaren Masseneinheiten wird zur Bestimmung der Verteilung von schwereren Peptiden und Proteinen vermessen, während typischerweise der Bereich von 800–4000 atomaren Masseneinheiten für die Vermessung von Peptiden aus enzymatischem Verdau gewählt wird.
-
Aus den Patentschriften
DE 10 2006 019 530 B4 und
DE 10 2006 059 695 B3 (M. Schürenberg et al.; 2006) sind verschiedene Verfahren zur Präparation von Gewebeschnitten für die bildgebende massenspektrometrische Analyse bekannt. Die Matrixlösung kann beispielsweise durch pneumatisches Sprühen, durch vibratives Vernebeln oder durch Nanospotting von Tröpfchen auf den Gewebeschnitt aufgebracht werden. Das Aufbringen der Matrixlösung ist nicht trivial, da erstens eine laterale Verschmierung der biologischen Substanzen zu vermeiden ist, zweitens die biologischen Substanzen möglichst vollständig aus dem Gewebeschnitt extrahiert und in die Kristalle der Matrixschicht eingebaut werden müssen, und drittens ein günstiges Verhältnis von biologisch relevanten Substanzen zu Verunreinigungen zu erzielen ist. Einige Verunreinigungen setzen die Ionisierungsausbeute stark herab. Durch das Aufbringen der Matrixsubstanz auf den Gewebedünnschnitt, durch die Beschränkungen der Laserfokussierung, aber auch durch den Substanzmengenbedarf der Laserdesorption sind derzeit massenspektrometische Bilder von Gewebeschnitten auf eine Ortsauflösung von etwa 20 Mikrometer begrenzt.
-
Werden die massenspektrometrischen Bilder mit einem relativ groben Raster von 50 Mikrometern aufgenommen, ergeben sich bei einer relativ kleinen Fläche eines Dünnschnitts von nur 20 mal 30 Millimetern bereits 240 000 Massenspektren. Jedes Massenspektrum kann wiederum aus etwa 30 000 Ionenstrommesswerten oder mehr bestehen. Für jedes Massenspektrum werden, wie bei MALDI üblich, hundert oder mehr Einzelspektren aufgenommen und addiert. Selbst in modernen Massenspektrometern mit hoher Laserschussrate dauert die Aufnahme eines massenspektrometrischen Bildes je nach Größe des Dünnschnitts und gewähltem Raster viele Stunden oder sogar Tage.
-
Es ist einer der Vorteile der Ionisierung durch matrixunterstützte Laserdesorption, dass praktisch nur einfach geladene Ionen der Analytsubstanzen erzeugt werden. Die Massenspektren sind daher relativ einfach zu interpretieren. Die Massenspektren der einzelnen Bildpunkte zeigen jeweils die Massensignale von 20 bis 400 löslichen endogenen Peptiden im Massenbereich zwischen 800 und 4000 atomaren Masseneinheiten. Die Signale der Peptide heben sich aus einem breiten chemischen Untergrund heraus. Leichtere Proteine mit weniger als etwa 5000 atomaren Masseneinheiten werden in der Regel Peptide genannt. Proteolytische Peptide (800 bis 4000 atomare Masseneinheiten) sind dabei Peptide, die durch enzymatischen Abbau der Proteinkette entstehen, so z. B. durch Verdau mit der Protease Trypsin.
-
Bei Verwendung von MALDI-Flugzeitmassenspektrometern kann für die Bilderzeugung in den Massenspektren eine Massengenauigkeit von etwa 50 Millionsteln der Masse (50 ppm) erreicht werden, was ausreichend ist, die monoisotopische Masse eines Peptids genau zu bestimmen. Wird MALDI mit anderen Massenspektrometern eingesetzt, beispielsweise mit Ionenzyklotronresonanz-Massenspektrometern oder mit Flugzeitmassenspektrometern mit orthogonalem Ioneneinschuss, so lassen sich noch bessere Massengenauigkeiten erzielen.
-
Die „monoisotopischen Ionen” sind diejenigen Ionen aus einer Isotopengruppe, die nur aus 1H, 12C, 14N, 16O, 31P und 32S zusammengesetzt sind und keine anderen Isotope dieser Elemente enthalten. Die monoisotopischen Ionen sind immer die leichtesten Ionen der Isotopengruppe, die auch die Ionen mit Beimischungen der anderen Isotope wie 2H, 13C, 15N, 17O, 18O und 34S enthält.
-
Werden Peptide im Molekulargewichtsbereich 1000 bis 4000 atomarer Masseneinheiten für die Bildgebung bei entsprechend hoher Massenauflösung herangezogen, so erscheint für jedes Peptid in den Massenspektren des Dünnschnittbildes gut aufgelöst eine Isotopengruppe aus mehreren Einzelmassensignalen. Einzelmassensignale einer Isotopengruppe können, wie in der Massenspektrometrie üblich, durch bekannte Verfahren sofort in der monoisotoposchen Masse zusammengefasst und in einer Tabelle, die einem reduzierten Massenspektrum entspricht, eingeschrieben werden. Dabei kann wahlweise die monoisotopische Molekularmasse oder die monoisotopische Ionenmasse verwendet werden, die sich bei Ionisierungen durch MALDI um die Masse eines Protons unterscheiden. Ein bevorzugtes Verfahren ist in der Schrift
DE 198 03 309 C1 (C. Köster,
GB 2 333 893 B ;
US 6,188,064 B1 , 1998) detailliert wiedergegeben und unter dem Begriff „SNAP” weithin bekannt geworden. Dabei werden auch Überlappungen von Isotopengruppen mehrerer Peptide, die sich um eine oder mehrere Massenzahlen unterscheiden, erkannt.
-
Wenn im Weiteren der Begriff der „monoisotopischen Masse” verwendet wird, so kann es sich wahlweise um die Molekularmasse, also die Masse des neutralen Moleküls, oder die Ionenmasse, also um die Masse des protonierten Moleküls handeln.
-
Unter einem „massenselektiven Bild” versteht man ein Bild des Dünnschnitts, das nur die Intensitätsverteilung der Ionen dieser monoisotopischen Masse eines Peptids zeigt. Diese Bilder ausgewählter Massen erscheinen naturgemäß sehr verrauscht. Durch glättende Verfahren besonderer Art (siehe beispielsweise die Patentanmeldung
DE 10 2010 009 853 ) können daraus rauscharme Bilder erhalten werden, die sehr eindrucksvoll und aussagekräftig sind.
-
Für eine Klassifizierung von Gewebeausschnitten nach Gewebezuständen, beispielsweise tumorartigen Entgleisungen, und die optische Darstellung der Gewebezustände ist die bildgebende Massenspektrometrie schon heute hervorragend geeignet, siehe dazu die Schrift
DE 10 2004 037512 A1 (D. Suckau et al.;
GB 2 418 773 B ;
US 2006/0063145 A1 ; 2004). Auch für die Messung der Verteilung von Pharmaka genügender molekularer Größe und deren Metabolite im Gewebe sind diese Bilder gut zu verwenden, weil die Molekulargewichte der Pharmaka und deren Metabolite bekannt sind und diese daher leicht erkannt werden können.
-
Bisher ist es aber nur in Ausnahmefällen und nur in langwierigen Verfahren gelungen, aus solchen Massenspektren einzelner Bildpunkte von Dünnschnitten einige der beteiligten Peptide und Proteine zu identifizieren und insbesondere die Verteilung dieser Peptide im Dünnschnitt aufzuzeigen (siehe beispielsweise L. H. Cazares: „Imaging Mass Spectrometry of a Specific Fragment of Mitogen-Activated Protein Kinase/Extracellular Signal-Regulated Kinase Kinase Kinase 2 Discriminates", Clin Cancer Res (17), 15; 2009). Die Identifizierung ist besonders für die Suche nach Biomarkern für bestimmte Gewebezustände wie beispielsweise Krebstumoren interessant.
-
In der bildgebenden Massenspektrometrie ist bisher eine direkte Identifizierung von Peptiden und Proteinen aus dem Dünnschnitt nur in seltenen Fällen möglich; es müssen daher für eine Identifizierung zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Diese Maßnahmen bestehen üblicherweise in einer Fragmentierung der Proteine oder ihrer Ionen zur Erhöhung des Informationsgehaltes, seien es Fragmentierungen der Proteinmoleküle durch enzymatischen Verdau, seien es Fragmentierungen ausgesuchter Elternionen zur Erzeugung von Tochterionen, oder sogar Kombinationen aus beiden. Aus Tochterionenmassenspektren können weite Teile der Sequenz der Aminosäuren abgelesen werden; damit wäre eine Identifizierung dieser Proteine möglich. Die Verfahren zur Aufnahmen von Tochterionenmassenspektren haben aber einen erheblichen Substanzverbrauch, der durch den Substanzvorrat eines Bildpunktes kaum gedeckt wird. Bisherige Versuche zur Erzeugung von Tochterionenspektren haben gezeigt, dass aus ein oder gelegentlich zwei intensiven Peptiden eines Bildpunktes Tochterionenspektren mäßiger Qualität gewonnen werden können (siehe beispielsweise D. Debois et al, „MALDI-In Source Decay Applied to Mass Spectrometry Imaging: A New Tool for Protein Identification", Analytical Chemistry, Vol. 82, 4036–45; 2009), was aber zu einer Substanzidentifizierung in größerem Maßstab bei weitem nicht ausreicht.
-
Es ist für die MALDI-Massenspektrometrie an Einzelproben bekannt, dass die Identifizierung von Proteinen besonders gut über einen enzymatischen, beispielsweise tryptischen Verdau der Proteine in Verbindung mit einer präzisen Massenbestimmung der Verdaupeptide möglich ist. Über die präzisen Massen der Verdaupeptide können aus großen Proteindatenbanken solche Proteine durch Computerprogramme herausgesucht werden, die bei einem bekannten Verdauschema zu diesen Verdaupeptiden führen würden. Die Proteindatenbanken enthalten in der Regel dabei die Sequenzen der Aminosäuren; es ist aber auch möglich, DNA-Informationen für die Identifizierung der Proteine zu verwenden („open reading frames”). Dieses übliche Verfahren zur Proteinidentifizierung kann durch die Aufnahme von Tochterionenspektren der Verdaupeptide ergänzt werden und arbeitet auch dann noch zufriedenstellend, wenn es sich um ein nicht zu komplexes Gemisch von Proteinen handelt. Typischerweise werden daher komplexe Peptidgemische chromatographisch getrennt, sodass das Gemisch zum Zeitpunkt der Elution von der Säule jeweils nur noch moderat komplex und für die Proteinidentifizierung über Tochterionenspektren geeignet ist.
-
Es wurde daher schon in verschiedenen Arbeitsgruppen versucht, die Proteine eines Dünnschnitts in situ enzymatisch zu verdauen, um anhand der Verdaupeptide zu einem Ansatzpunkt für die Identifizierung einzelner Proteine zu gelangen. Dieser Verdau führt aber im Allgemeinen zu einer starken lateralen Diffusion oder Verschmieren der Verdaupeptide und damit zu einem weit weniger gut räumlich aufgelösten Bild. Außerdem tritt durch die Diffusion meist eine starke Verdünnung ein, die viele Verdaupeptide unter die Nachweisgrenze bringt.
-
Gelänge ein ortsfester Verdau, so wäre man aber noch nicht am Ziel. Da es sich in den Gewebedünnschnitten um komplexe Gemische von Proteinen handelt, wäre für eine Identifizierung eine extrem hohe Massengenauigkeit notwendig. Eine kurze Betrachtung möge das erläutern: Für eine Spezies, deren Dünnschnitt untersucht wird, können sich leicht 50 000 bekannte Proteine in der Datenbank befinden, aus denen sich durch Verdau Millionen von Verdaupeptiden ergäben. Würden davon nur etwa die Hälfte, sagen wir eine halbe Million Verdaupeptide in den günstigsten Massenbereich von 800 bis 4000 atomaren Masseneinheiten fallen, so könnte es sich bei einem Verdaupeptid einer bestimmten monoisotopischen Massenzahl um eines von im Durchschnitt etwa 150 Verdaupeptiden handeln, die im Massenbereich zwischen 800 und 4000 atomaren Masseneinheiten pro atomarer Masseneinheit auftreten könnten. Die Massen dieser 150 Verdaupeptide sind dazu noch relativ dicht aneinander gedrängt; sie weisen jeweils eine etwa gaußförmige Verteilung mit einer Halbwertsbreite von etwa 0,25 atomaren Masseneinheiten auf. Die Verdaupeptide des Dünnschnitts könnten in so hohen Anzahlen selbst bei höchster Massenauflösung und höchster Massengenauigkeit nur selten voneinander unterschieden werden. Eine Identifizierung durch Tochterionenspektren direkt von dem Gewebedünnschnitt ist ebenfalls nur selten erfolgreich gewesen, da die Ionensuppression nur selten einen ausreichend hohen Ionenstrom für ausgewählte Peptide zulässt.
-
Aufgabe der Erfindung
-
Es ist die Aufgabe der Erfindung, möglichst viele der in einem Gewebedünnschnitt enthaltenen Proteine zu identifizieren und ihre Ortsverteilung zu zeigen.
-
Kurze Beschreibung der Erfindung
-
Die Erfindung stellt ein Verfahren zur Identifizierung und Lokalisierung von Proteinen eines histologischen Gewebedünnschnittes bereit, das die folgenden Schritte umfasst:
- a) die Proteine des Gewebedünnschnittes werden enzymatisch verdaut und es wird das massenspektrometrische Bild der Verdaupeptide im Gewebedünnschnitt aufgenommen,
- b) eine zweite Probe des Gewebes wird mit dem gleichen Enzym verdaut, Verdaupeptide werden durch ein Separationsverfahren aufgetrennt einem Massenspektrometer zugeführt, welches Massenspektren und Tochterionenmassenspektren der Verdaupeptide aufnimmt, oder Extraktion und Separation der Proteine aus der zweiten Gewebeprobe, enzymatischer Verdau der Proteine mit dem gleichen Enzym, und Aufnahme von Massenspektren und Tochterionenmassenspektren der Verdaupeptide mit einem Massenspektrometer,
- c) anhand der Massenspektren und Tochterionenmassenspektren der Verdaupeptide und unter Zuhilfenahme von Proteindatenbanken oder Spektrenbibliotheken wird eine Liste von identifizierten Proteine des Gewebes erstellt, und
- d) die Proteine der Liste werden anhand der gemessenen oder berechneten Massen ihrer Verdaupeptide denjenigen Verdaupeptiden in den Massenspektren des massenspektrometrischen Bildes des Gewebedünnschnittes zugeordnet, die gleiche Massen besitzen.
-
Die beiden massenspektrometrischen Aufnahmevorgänge der Schritte a) und b) dauern je nach Größe des Dünnschnittes, Feinheit des Rasters, Dauer der chromatographischen Trennung und Anzahl der chromatographischen Fraktionen jeweils Stunden oder sogar Tage. Sie ergeben Datenmengen in der Größenordnung von Giga- bis Terabytes. Aus den Daten der Messungen aus Schritt b) können unter Verwendung von Proteindatenbanken oder Spektrenbibliotheken in an sich bekannter Weise die zugrunde liegenden Proteine ermittelt werden. Für einen Gewebedünnschnitt werden typischerweise etwa 200 bis 1000 verschiedene Proteine mit einigen Tausend Verdaupeptiden identifiziert.
-
Die Proteine dieser Liste können nun direkt oder nach intelligenter Filterung dem massenspektrometrischen Bild des Dünnschnitts zugeordnet werden. Da in den Massenspektren des Bildes jedes Verdaupeptid vorzugsweise mit seiner monoisotopischen Masse charakterisiert ist, werden hier einfach alle Proteine zugeordnet, die ein Verdaupeptid – innerhalb einer Messfehlerbreite oder einer vorgegebenen Toleranzbreite – gleicher monoisotopischer Masse besitzen. Die Mehrdeutigkeiten, die sich dabei ergeben, können durch geeignete Filter und durch visuelle oder rechnerische Korrelationen der massenselektiven Verdaubilder eines Proteins vermindert oder sogar ausgemerzt werden.
-
Abschließend können die massenselektiven Bilder aller Verdaupeptide eines Proteins, die gut miteinander korrelieren, jeweils zu einem Bild der Proteinverteilung zusammengefasst werden. Diese Bilder der Proteinverteilungen können noch weiter bearbeitet werden, beispielsweise ist es möglich, sie mit einem Kanten erhaltenden Glättungsverfahren zu glätten. Es steht dann letztendlich eine Bibliothek der proteinspezifischen Bilder (Bilder mit Verteilungen der einzelnen Proteine) in diesem Dünnschnitt zur Verfügung, die tiefe Einblicke in den molekularen Aufbau und die Funktion des Gewebes erlaubt.
-
Kurze Beschreibung der Abbildungen
-
Die stellt ein Massenchromatogramm der Verdaupeptide dar, die durch Trypsinverdau eines Gewebedünnschnitts eines Rattenhirns gewonnen und mit dem LC-MALDI-Verfahren aufgenommen wurden. Die Retentionszeit der Peptide wird gegen ihr Molekulargewicht in atomaren Masseneinheiten dargestellt. Intensive Signale in den Spektren der einzelnen Zeitfraktionen sind dabei schwarz, weniger intensive grau dargestellt. Für die überwiegende Anzahl der Verdaupeptide können Tochterionenmassenspektren aufgenommen werden. Mittels Tochterionenanalyse können aus solchen Datensätzen etwa 2000 bis 20 000 Verdaupeptide identifiziert werden.
-
gibt einen kleinen Ausschnitt aus einem Massenspektrum wieder, das dem Massenchromatogramm aus zugrunde liegt.
-
zeigt ein mikroskopisch gewonnenes Abbild eines Dünnschnitts eines Rattenhirns. Dieser Dünnschnitt wurde anschließend links abgedeckt, und rechts durch Benebelung mit Trypsin verdaut. Der gesamte Dünnschnitt wurde sodann mit Matrix beschichtet; anschließend wurde im Rasterverfahren Bildpunkt für Bildpunkt ein massenspektrometrisches Bild aufgenommen.
-
zeigt die Verteilung einzelner monoisotopischer Massen ausgewählter tryptischer Verdaupeptide im Rattenhirn der . Die Verdaupeptide konnten erfindungsgemäß folgenden Proteinen zugeordnet werden: A) Myelin Basic Protein, B) Vimentin, C) und D) Synapsin-1. Die beiden Verdaupeptide von Synapsin-1 korrelieren dabei ersichtlich in ihrer Verteilung, während sich die Verteilungen der drei Proteine im Rattengehirn stark unterscheiden.
-
Bevorzugte Ausführungsformen
-
Die Identifizierung der örtlich verteilten Proteine in Gewebedünnschnitten besteht erfindungsgemäß aus mehreren Schritten a) bis d), die jedoch nicht alle in dieser Reihenfolge abgearbeitet werden müssen. Im Schritt a) ist ein zunächst ein ortsfester enzymatischer Verdau der Proteine des Dünnschnittes zu erreichen und es ist sodann ein gut ortsaufgelöstes massenspektrometrisches Bild der Verdaupeptide aufzunehmen. Im Schritt b) sind die Verdaupeptide, die aus einem gleichartigen Gewebe nach gleichartigem Verdau ohne Ortsauflösung herausgelöst werden können, nach chromatographischer oder kapillarelektrophoretischer Auftrennung einem hochauflösenden Tandem-Massenspektrometer zuzuführen und es sind dort die Tochterionenspektren möglichst aller Verdaupeptide aufzunehmen. Daraus kann mit üblichen Verfahren in einem Schritt c) mit Hilfe von Proteindatenbanken oder Spektrenbibliotheken eine Liste von einigen Hundert Proteinen erstellt werden, die im Gewebe vorhanden sind. Diese Liste enthält auch die Verdaupeptide mit den gemessenen oder besser noch theoretisch berechneten monoisotopischen Massen, die jeweils einem Protein zugeordnet werden können. Die Proteine aus dieser Liste können dann im Schritt d) anhand der monoisotopischen Massen ihrer Verdaupeptide mit intelligenten Verfahren den Verdaupeptiden mit gleichen monoisotopischen Massen in den Massenspektren des Bildes der ortsaufgelösten Verdaupeptide weitgehend eindeutig zugeordnet werden.
-
Mit der Zuordnung kann die Verteilung der zugehörigen Proteine visualisiert werden.
-
Für den enzymatischen Verdau der Proteine des Gewebedünnschnittes schlägt die Erfindung vor, ihn ortsfest durchzuführen, indem das Enzym, beispielsweise Trypsin, durch mehrmaliges Versprühen einer Enzymlösung – vorzugsweise in sehr dünner Schicht fast trocken – auf den trocken vorliegenden Gewebedünnschnitt aufgebracht wird. Die Tröpfchen des Sprühnebels sollten in jedem Sprühstoß nur in solcher Menge aufgebracht werden, dass sie sich auf dem Gewebedünnschnitt nicht überlappen. Zwischen den Sprühstößen wird der Dünnschnitt jeweils getrocknet. Ist die Oberfläche des Dünnschnitts praktisch ganz mit einer dünnen Schicht des Enzyms überdeckt, so wird das Besprühen abgebrochen. Der getrocknete Gewebedünnschnitt wird jetzt bei nahezu 100-prozentiger Luftfeuchtigkeit für einige Zeit (Minuten bis Stunden) mit der optimalen Verdautemperatur inkubiert, typischerweise bei 20 bis 37°C. Der Gewebedünnschnitt nimmt in der Luftfeuchtigkeit genügend Wasser auf, um in der leicht aufgequollenen Dünnschicht eine schwache Diffusion des Enzyms und einen Verdau der Proteine zu ermöglichen. Ein weitgehender Verdau wird in der Regel in einigen Stunden erreicht. Enzym und Peptide können dabei etwa zehn bis zwanzig Mikrometer weit diffundieren, also genügend weit, um das Enzym den Gewebedünnschnitt durchdringen zu lassen, aber nicht genügend weit, um die Ortsauflösung zu stören.
-
Für gewöhnlich wird für den Verdau das Enzym Trypsin eingesetzt, das es in mehreren, leicht voneinander verschiedenen Formen gibt. Da es die Kette der Aminosäuren in den Proteinen an zwei verschiedenen Stellen schneidet, jeweils nach den Aminosäuren Lysin und Arginin, ergeben sich bei vollständigem Verdau Verdaupeptide mit einer mittleren Länge von zehn Aminosäuren, allerdings mit einer breiten Poisson-Verteilung. Da der Verdau an einigen Stellen strukturabhängig gehemmt verläuft, zeigt die Verteilung der Verdaupeptide ein Maximum bei etwa 1500 atomaren Masseneinheiten (statt 1200 atomaren Masseneinheiten bei vollständigem Verdau). Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, die endogenen Peptide des Gewebedünnschnitts vor dem Verdau auszuwaschen, damit anschließend nur Verdaupeptide für das massenspektrometrische Bild gemessen werden. Die Aufnahme des massenspektrometrischen Bildes der Verdaupeptide erfolgt wie bekannt nach Aufbringen einer die Peptide extrahierenden Matrixschicht. Die Schicht der Matrixsubstanz kann vorzugsweise in der gleichen Sprühapparatur aufgebracht werden, mit der auch die Enzymlösungströpfchen aufgebracht wurden. Die Aufnahmetechnik mit Ionisierung durch matrixunterstützte Laserdesorption in MALDI-Flugzeitmassenspektrometern, aber auch in anderen Arten von Massenspektrometern ist bekannt. Es kann damit ein nach Orten und Massen gut aufgelöstes Massenbild der Verdaupeptide erhalten werden.
-
Der Dünnschnitt des Rattenhirns aus wurde in dieser Weise behandelt. Dabei wurde er während der Benebelung mit Trypsin links abgedeckt, um zu Vergleichszwecken nur die rechte Seite zu verdauen. Nach Verdau und Aufbringen der Matrixschicht wurde im Rasterverfahren Bildpunkt für Bildpunkt ein massenspektrometrisches Bild aufgenommen, von dem in die Verteilung einzelner monoisotopischer Massen gezeigt werden.
-
Die zweite Gewebeprobe, deren Verdaupeptide in Schritt b) vermessen werden sollen, soll ein möglichst vergleichbares Gewebe mit gleichen Anteilen aller Gewebearten umfassen. Vorteilhaft, aber nicht zwingend erforderlich, kann das zweite Gewebe ebenfalls ein Dünnschnitt sein, nach Möglichkeit sogar ein benachbarter Dünnschnitt, dessen enzymatischer Verdau in gleicher Weise wie der des ersten Gewebedünnschnitts erfolgt. So können beispielsweise die gemeinsamen Schnittflächen zweier benachbarter Gewebedünnschnitte Seite an Seite den gleichen Sprüh- und Inkubationsprozessen ausgesetzt werden, um möglichst gleiche Verteilungen der Verdaupeptide zu erzeugen. Nach dem Verdauprozess werden alle Verdaupeptide dieser zweiten Gewebeprobe gemeinsam herausgelöst, mit Flüssigkeitschromatographie oder Kapillarelektrophorese aufgetrennt und zur Aufnahme der Massenspektren und Tochterionenmassenspektren einem Tandem-Massenspektrometer zugeführt, in dem die Fragmentierung der jeweils ausgewählten Elternionen beispielsweise durch den Zerfall metastabiler Ionen, durch Stöße mit Stoßgasmolekülen oder durch Elektronentransfer durch negative Reaktantionen erfolgt. Es werden möglichst von allen Verdaupeptiden Tochterionenmassenspektren aufgenommen. Es können dabei viele Arten von Massenspektrometern wie auch von Ionisierungs- und Fragmentierungsverfahren eingesetzt werden, wobei jedoch vorzugsweise die MALDI-Ionisierung verwendet wird, um eine hohe Vergleichbarkeit der Peptidionisierung in den Massenspektren des Dünnschnittbildes mit der Peptidionisierung der extrahierten Verdaupeptide zu erreichen.
-
Ein besonders elegantes Verfahren für diese Messungen in Schritt b) besteht darin, die Auftrennung der aus der zweiten Gewebeprobe herausgelösten Verdaupeptide durch Flüssigkeitschromatographie vorzunehmen, und getrennte Fraktionen des Eluates zusammen mit Matrixsubstanz als einzelne Proben auf einem oder mehreren MALDI-Probenträgerplatten aufzubringen. Typischerweise werden dabei zwischen 384 und 1536 Proben erzeugt. Für diese Aufgabe sind kommerziell hergestellte Pipettierautomaten erhältlich, die mit Flüssigkeitschromatographen gekoppelt werden und die Probenträgerplatte automatisch belegen. Es können dann die Massenspektren der Verdaupeptide und deren Tochterionenmassenspektren aus den Proben auf dem Probenträger in einem MALDI-Flugzeitmassenspektrometer mit einer Einrichtung zur Messung von Tochterionenspektren mit entsprechenden Steuerungsprogrammen automatisch gemessen werden. Für die Messung der Proben, die jeweils mehrere verschiedene Verdaupeptide enthalten können, steht dann im Prinzip jeweils unbeschränkte Zeit (bis zum restlosen Verbrauch der Probe) zur Verfügung. Das Verfahren ist in der Schrift
DE 101 58 860 B4 (D. Suckau et al.;
GB 2 387 653 B ;
US 7,070,949 B2 ; 2001) detailliert beschrieben und unter der Kurzbezeichnung „LC-MALDI” bekannt geworden.
-
Die zeigt ein so genanntes „Massenchromatogramm”, das mit diesem LC-MALDI-Verfahren aufgenommen wurde. Es zeigt für jede Retentionszeit ein Massenspektrum an, wobei die Intensitäten der Signale in den Massenspektren in einer Grautonskala wiedergegeben werden. Jedem grau-schwarzen Punkt in diesem Massenchromatogramm entspricht ein Verdaupeptid. Für jedes Verdaupeptid wird während dieses Verfahrens ein Tochterionenmassenspektrum aufgenommen, mit deren Hilfe dann die Verdaupeptide identifiziert werden.
-
Die beiden massenspektrometrischen Aufnahmevorgänge der Schritte a) und b) dauern je nach Größe des Dünnschnittes, Feinheit des Rasters, Dauer der chromatographischen Trennung und Anzahl der chromatographischen Fraktionen Stunden oder sogar Tage. Sie laufen in kommerziell hergestellten Massenspektrometern weitgehend automatisch ab und ergeben jeweils Datenmengen in der Größenordnung von Giga- bis Terabytes. Aus den Daten der LC-MALDI-Messung in Schritt b) können, wie ebenfalls aus der zitierten Schrift
DE 101 58 860 B4 zu entnehmen ist, unter Verwendung von Spektrenbibliotheken oder Proteindatenbanken, die meist im Internet zugänglich sind, die beteiligten Proteine ermittelt werden. Dabei wird man die Datenbank so filtern, dass nur Proteine der entsprechenden Spezies (gegebenenfalls Gattung oder Familie) betrachtet werden, von der der Dünnschnitt stammt. Für einen Gewebedünnschnitt werden je nach Differenzierung des Gewebes zwischen 200 und 1000 Proteine, typischerweise etwa 500 verschiedene Proteine, mit einigen Tausend Verdaupeptiden identifiziert.
-
Die Proteine dieser Liste können nun dem massenspektrometrischen Bild zugeordnet werden. Da in den Massenspektren des Bildes jedes Verdaupeptid nur mit seiner monoisotopischen Masse charakterisiert ist und nicht durch zusätzliche Tochterionenspektren, werden hier in einer ersten Annäherung einfach alle Proteine zugeordnet, die innerhalb der Messfehlerbreite ein Verdaupeptid gleicher monoisotopischer Masse besitzen. Die Erfahrung zeigt nun, dass die Liste der Verdaupeptide für identifizierte Proteine der Größenordnung nach etwa ebenso viele Verdaupeptide enthält wie die Massenspektren des Dünnschnittbildes. Dadurch ergeben sich statistisch bei der Zuordnung viele eindeutige Zuordnungen; allerdings müssen einem Verdaupeptid des Massenbildes auch häufig zwei, drei oder sogar noch mehr Proteine zugeordnet werden. Es ergeben sich neben vielen eindeutigen Zuordnungen also auch relativ viele Mehrdeutigkeiten, die aber, wie unten erläutert wird, einerseits durch intelligente Filterung und andererseits durch visuelle oder rechnerische Korrelationen der massenselektiven Bilder vermindert oder sogar ausgemerzt werden können.
-
Um die Anzahl der Mehrdeutigkeiten zu verringern, kann bereits die Liste der Proteine mit ihren Verdaupeptiden, die in Schritt c) erstellt wurde, reduziert werden, bevor die Zuordnungen vorgenommen werden. Dabei können beispielsweise aus der Liste alle Verdaupeptide entfernt werden, deren monoisotopische Massen in der Gesamtheit aller Massenspektren des massenspektrometrischen Bildes mit einem zu geringen Prozentsatz zu finden sind. Diese Signale sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nur Rauschen, zumindest, wenn sie nicht zwei- oder dreidimensional zusammenhängende Gebiete bilden. Eine gute Schwelle liegt erfahrungsgemäß bei etwa einem Prozent. Des Weiteren können alle Verdaupeptide entfernt werden, die in den Massenspektren des Dünnschnittbildes herausfallende Häufigkeitsverhältnisse in Bezug auf die anderen Verdaupeptide des Proteins besitzen. Eine herausfallende relative Häufigkeit liegt dann vor, wenn die relativen Häufigkeiten der Verdaupeptide in den Massenspektren der Dünnschnittbilder, die zu einem Protein gehören können, im Wesentlichen nicht mit denen der LC-MALDI-Messungen übereinstimmen. Auch können Verdaupeptide zu geringer Häufigkeit gestrichen werden, wenn sie nicht deutlich über dem Untergrundrauschen liegen. Des Weiteren können diejenigen Verdaupeptide entfernt werden, deren monoisotopische Masse innerhalb der Messfehlerbreite in zu vielen Proteinen der Liste gleichzeitig vorkommen, beispielsweise mehr als zehnmal, da dann eine richtige Zuordnung zu einem unwahrscheinlichen Zufall wird. Erst nach der Reduzierung der Liste werden die Proteine dieser reduzierten Liste den Verdaupeptiden in den Massenspektren des massenspektrometrischen Bildes des Gewebedünnschnittes zugeordnet, wodurch ein großer Teil der Mehrdeutigkeiten entfällt.
-
Für die Mehrdeutigkeit der Zuordnung hat auch die Messgenauigkeit für die Massenbestimmung der Verdaupeptide im Bild eine große Bedeutung. Je genauer die Massen bestimmbar sind, desto geringer wird die Anzahl der alternativen Peptide und Proteine, die für eine monoisotopische Masse im Massenspektrum eines Bildpunktes des Dünnschnitts innerhalb der Messfehlerbreite in Betracht kommen. Jede Steigerung der Massengenauigkeit bei der Aufnahme des massenspektrometrischen Bildes des Dünnschnitts ist dabei vorteilhaft, ob sie durch interne Rekalibrierung der Massenspektren erzielt werden oder durch Massenspektrometer mit genauer arbeitenden Analysatoren wie beispielsweise orthogonale Flugzeitmassenspektrometer oder Fourier-Transform-Massenspektrometer. Die monoisotopischen Massen der Verdaupeptide der Proteine, die in den Schritten b) und c) über LC-MALDI bestimmt wurden, können dagegen aus den bekannten Bruttoformeln exakt berechnet werden.
-
Für das weitere Vorgehen ist es zweckmäßig, eine zweite Art von Liste anzulegen: eine Liste der Zuordnungen, die für jedes Protein, das einem Verdaupeptid eines Massenspektrums des Bildes zugeordnet ist, alle Peptide mit ihren monoisotopischen Massen aufführt. Diese Zuordnungsliste kann zu jedem Verdaupeptid auch weitere Merkmale mitführen, wie beispielsweise die relative Intensität aus den LC-MALDI-Messungen und die Multiplizität der Zuordnung, die angibt, wie viele Proteine jeweils ein Verdaupeptid dieser monoisotopischen Massen haben. Diese Zuordnungsliste kann nach verschiedenen Gesichtspunkten geordnet werden.
-
Schaut man sich nach der Zuordnung nacheinander oder nebeneinander für ein ausgewähltes Protein die massenselektiven Bilder aller seiner zugeordneten Verdaupeptide an, so findet man, dass die meisten Verteilungsbilder sehr gut miteinander korrelieren, dass sie also eine gleiche, oft sehr charakteristische Verteilung der Verdaupeptide zeigen. Es kommt aber auch vor, dass ein oder zwei Verdaupeptide dieses Proteins Verteilungen zeigen, die überhaupt nicht mit denen der anderen Verdaupeptide übereinstimmen. Sind diese Zuordnungen mehrdeutig, sind hier also mehrere Proteine zugeordnet, so gehören diese Verdaupeptide höchstwahrscheinlich nicht zu dem betrachteten Protein; diese Zuordnung sollte daher gestrichen werden. Ist dagegen die Zuordnung eindeutig, d. h., gibt es nur ein Protein, das hier zugeordnet werden kann, so kann es sich um eine spezielle Form des Proteins, um eine posttranslationale Modifikation (PTM), ein Abbauprodukt oder dergleichen mit einer andersartigen örtlichen Verteilung handeln.
-
Die Erfindung schlägt daher des Weiteren vor, die massenselektiven Bilder der Verdaupeptide jeweils eines Proteins visuell oder rechnerisch miteinander zu korrelieren und Verdaupeptide nicht-korrelierender Verteilungen aus der Liste zu entfernen oder sie separat für eine genauere Untersuchung kenntlich zu machen. Die Verdaupeptide nicht-korrelierender selektiver Massenbilder können mit den Verdaubildern anderer Proteine korrelieren und sind dann dort bleibend zuzuordnen.
-
Die Korrelation der massenselektiven Bilder zweier Verdaupeptide eines Proteins kann visuell oder auch rechnerisch durchgeführt werden. Die visuelle Korrelation wurde bereits beschrieben. Die rechnerische Korrelation ist im Prinzip recht einfach. Es wird der Prozentsatz der Bildpunkte ermittelt, bei denen entweder in beiden Bildern keine Signale dieser Verdaupeptide oder in beiden Bildern positive Signale der Verdaupeptide vorkommen. Ist dieser Prozentsatz übereinstimmenden Vorkommens hoch, liegt eine positive Korrelation vor. Dabei kann aber das örtliche Rauschen die Korrelation stark stören. Für die Bestimmung der Korrelation ist es daher günstig, das örtliche Rauschen in den massenselektiven Bildern zu berücksichtigen, beispielsweise dadurch, dass jedes massenselektive Bild vor der Korrelation einem Kanten erhaltenden Glättungsverfahren unterworfen wird. Selbstredend können hier auch andere Korrelationsverfahren angewendet werden, beispielsweise solche, die auch die Intensitäten der Signale berücksichtigen, oder solche, die nicht einfach Bildpunkt für Bildpunkt korrelieren, sondern benachbarte Bildpunkte einbeziehen, um das Bildrauschen zu berücksichtigen. Es gibt hier eine Vielzahl mathematischer Korrelationsverfahren, darunter auch solche, die bereits in digitaler Bildverarbeitung angewendet werden.
-
Nach der Zuordnung aller Proteine zu den Massen der Verdaupeptide des Dünnschnittbildes können Verdaupeptide mit auffälligen örtlichen Verteilungen zurückbleiben, denen aber kein Protein zugeordnet wurde. Da es außerordentlich unwahrscheinlich ist, dass im Dünnschnittbild Verdaupeptide von Proteinen gefunden werden, die nicht im LC-MALDI-Vefahren gefunden wurden, kann man über eine Korrelationsanalyse Proteine suchen, die eine gleiche Verteilung aufweisen. Findet man solche Proteine, so könnte es sich auch hier um Abkömmlinge mit posttranslationalen Modifikationen oder anderen Änderungen handeln, beispielsweise solchen Modifikationen, die nicht in den Proteindatenbanken zu finden sind. Die Modifikationen liegen mit großer Wahrscheinlichkeit an den Stellen dieser Verdaupeptide vor. Auch diese Verdaupeptide können in besonderer Weise markiert werden, um sie weiteren Untersuchungen zuführen zu können. Solche weitergehenden Untersuchungen könnten beispielsweise Aufnahmen von Tochterionenspektren der betreffenden Verdaupeptide an betroffenen Bildpunkten sein.
-
Auch bei sonstigen zweifelhaften Zuordnungen können zur Bestätigung oder Falsifizierung solche Tochterionenspektren einzelner Bildpunkte vorgenommen werden, wobei es sogar möglich ist, den Vorrat an Substanz für diese Tochterionenspektren durch Vergrößerung der Laserspots auf dem Dünnschnitt oder durch leichte Wanderungen des Laserspots in einem umliegenden Areal zu vergrößern.
-
Abschließend können die massenselektiven Bilder aller Verdaupeptide eines Proteins, die gut miteinander korrelieren, jeweils zu einem Bild des Proteins zusammengefasst werden. Diese Bilder der Proteine können noch weiter bearbeitet werden, beispielsweise ist es möglich, sie mit einem Kanten erhaltenden Glättungsverfahren zu glätten. Es entsteht dann letztendlich eine Bibliothek der proteinspezifischen Bilder dieses Dünnschnitts, die jeweils sehr gut die Verteilung der einzelnen Proteine zeigen. Diese Bibliothek kann die Grundlage für weitere Untersuchungen bilden, beispielsweise um herauszufinden, welche Proteine stets gemeinsam vorkommen und daher als Interaktionspartner in Frage kommen, oder welche Proteine niemals gemeinsam auftreten. Auch das gemeinsame Auftreten von Proteinen und Pharmaka ist möglicherweise interessant. Besonders interessant sind solche Proteine, die es gestatten, kranke Gewebeteile zu detektieren oder voneinander zu unterscheiden; sie können als Biomarker betrachtet werden.
-
Da die Messungen der Verdaupeptide eines Gewebes in Schritt b) und die Erstellungen der Listen mit Proteinen und Verdaupeptiden in Schritt c) sehr langwierig sind, ist es eine günstige Vorgehensweise, diese Schritte für bestimmte Arten von Geweben nur einmalig durchzuführen und die Proteinlisten für die Zuordnung zu den Massenspektren mehrerer Dünnschnittbilder zu verwenden. Es kann auf diese Weise eine Bibliothek solcher Proteinlisten für verschiedene Gewebearten erstellt werden, deren Proteinlisten immer wieder für verschiedenartige massenspektrometrische Dünnschnittbilder verwendet werden können. Im Allgemeinen enthalten diese Proteinlisten weit mehr Proteine, als den Massenspektren der Dünnschnittbilder zugeordnet werden können, zumal, wenn hier von größeren Mengen des Gewebes ausgegangen und sehr empfindlich gemessen wird.
-
Das Gesamtverfahren kann abschnittsweise automatisch ablaufen. Dabei enthalten alle vier Schritte a) bis d) jeweils gut automatisierbare Verfahren, von den Sprühverfahren für Enzyme oder Matrixsubstanzen, den Präparationsverfahren für LC-MALDI bis zu den massenspektrometrischen Aufnahme- und Datenauswertungsverfahren. Programme zur Steuerung dieser Verfahren werden kommerziell mit den Massenspektrometern und den anderen benötigten Gerätschaften mitgeliefert. Als solche Gerätschaften kommen Sprüh- und Inkubationsgeräte für Protease- und Matrixlösungen, und Flüssigkeitschromatographen mit Pipettiereinrichtungen für die Belegung von MALDI-Probenträgerplatten in Betracht.
-
Für einen mittelgroßen Dünnschnitt von ein bis zwei Quadratzentimetern Größe mit Wahl eines mittelfeinen Bildrasters von 50 Mikrometer Rasterweite kann eine Bibliothek mit einigen Hundert Proteinbildern eines Dünnschnitts mit gegenwärtig kommerziell erhältlichen Massenspektrometern durch diese Erfindung mit nur relativ geringem manuellen Aufwand in einem Tag, maximal in wenigen Tagen, vorliegen.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- US 5808300 A [0009]
- DE 102006019530 B4 [0011]
- DE 102006059695 B3 [0011]
- DE 19803309 C1 [0016]
- GB 2333893 B [0016]
- US 6188064 B1 [0016]
- DE 102010009853 [0018]
- DE 102004037512 A1 [0019]
- GB 2418773 B [0019]
- US 2006/0063145 A1 [0019]
- DE 10158860 B4 [0040, 0042]
- GB 2387653 B [0040]
- US 7070949 B2 [0040]
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- Luxembourg et al., Analytical Chemistry, 76(18), 2004, 5339–5344: „High-Spatial Resolution Mass Spectrometric Imaging of Peptide and Protein Distributions on a Surface” [0009]
- L. H. Cazares: „Imaging Mass Spectrometry of a Specific Fragment of Mitogen-Activated Protein Kinase/Extracellular Signal-Regulated Kinase Kinase Kinase 2 Discriminates”, Clin Cancer Res (17), 15; 2009 [0020]
- D. Debois et al, „MALDI-In Source Decay Applied to Mass Spectrometry Imaging: A New Tool for Protein Identification”, Analytical Chemistry, Vol. 82, 4036–45; 2009 [0021]