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Die Erfindung bezieht sich auf ein Moderatormaterial zur Energieverringerung von Neutronen zumindest mit Wasserstoff und einer den Wasserstoff umgebenden Barriere und auf eine Anwendung davon.
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Die Moderation von Neutronen im Sinne einer Energieverringerung ist ein wichtiger Aspekt bei der Neutronenerzeugung. In Neutronenquellen werden hochenergetische Neutronen mit einer Energie im Bereich von keV bis MeV durch nukleare Reaktionen, beispielsweise Fission oder Spallation, erzeugt. Für die meisten Anwendungen von Neutronen muss deren Energie bedeutsam verringert werden. Dies wird durch eine Wechselwirkung der Neutronen (Neutronenstreuung) mit den Atomen und Molekülen des Moderatormaterials in einem Moderator erreicht. Dabei hängt die Effizienz der Moderation vom Streuquerschnitt als Maß für die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Wechselwirkung zwischen dem Neutron und einem Target und damit von der Zustandsdichte (DOS Anzahl verschiedener Atomzustände in Abhängigkeit vom Energiebereich) sowie von der Atomdichte des Neutronenmaterials ab. Die Neutronen verlassen den Moderator mit einem der Temperatur des Moderatormaterials entsprechenden Maxwellschen Energiespektrum. Effiziente kalte Moderatoren (< 50 K) sind insbesondere für aktuelle Spallations-Projekte von besonderer Bedeutung. Dabei werden bisher in der Hauptsache flüssiger, gasförmiger Wasserstoff oder festes Methan als Moderatormaterial eingesetzt.
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Wasserstoff ist ein Material mit einem großen Streuquerschnitt und an allen herkömmlichen Moderatormaterialien für Neutronen beispielsweise in Form von Wasser, flüssigem Wasserstoff oder festem Methan beteiligt. Unter normalen Bedingungen ist molekularer Wasserstoff (H2) ein farb- und geruchsloses Gas (Wasserstoffgas) aus einem Gemisch zweier Molekülzustände, die sich durch die Richtung ihrer Kernspins unterscheiden und mit Ortho-Wasserstoff und Para-Wasserstoff bezeichnet werden. Bei Ortho-Wasserstoff haben die Kernspins die gleiche (parallele) Richtung, beim Para-Wasserstoff entgegengesetzte (antiparallele) Richtung. Ortho-Wasserstoff ist die energiereichere Form und besitzt damit einen wesentlich höheren Streuquerschnitt als Para-Wasserstoff. Die beiden Molekülzustände hängen über eine temperaturabhängige Gleichgewichtsbeziehung zusammen. Bei 0 K liegt ausschließlich Para-Wasserstoff vor. Unter Standardbedingungen liegen 25% des Wasserstoffs in Para-Form und 75% in Ortho-Form vor. Weil Para-Wasserstoff den niedrigsten Energiezustand von molekularem Wasserstoff aufweist, konvertiert Ortho-Wasserstoff bei niedrigen Temperaturen mit der Zeit in Para-Wasserstoff, der gegenüber Ortho-Wasserstoff aber den wesentlich geringeren Streuquerschnitt aufweist und damit weniger effizient bei der Moderation ist. Da der Konvertierungsprozess einen Spinaustausch zwischen mehreren Molekülen erfordert, erfolgt er schneller, je höher die Dichte an verschiedenen Zuständen im Wasserstoffgas ist. Der Übergang von Ortho-Wasserstoff zu Para-Wasserstoff hat aber einen negativen Einfluss auf die Moderatoreigenschaften von Wasserstoff, weil sich der Anteil der moderierten Neutronen mit dem veränderlichen Anteil von Ortho-Wasserstoff verändert.
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Festes Methan hat gegenüber Para-Wasserstoff den Vorteil, dass es eine höhere Zustandsdichte bei niedrigen Energien und damit eine bessere Moderatoreffizienz aufweist. Nachteilig ist jedoch, dass es bei niedrigen Temperaturen unter dem Neutroneneinfluss nicht stabil ist und somit regelmäßig erneuert werden muss. Aus diesem Grund wird festes Methan nur in niederenergetischen Spallations-Quellen eingesetzt.
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STAND DER TECHNIK
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Um den kontinuierlichen Übergang von Ortho-Wasserstoff zu Para-Wasserstoff zu verhindern, ist es aus der VERÖFFENTLICHUNG I („Coupled hydrogen moderator optimization with ortho/para hydrogen ratio", T. Kai et al. Nucl. Instruments and Methods, Section A, 523 (2004) pp 398–414) bekannt, Katalysatoren einzusetzen, die eine schnelle Wandlung zu 100% Para-Wasserstoff katalysieren. Weiterhin ist die Nutzung von festem Methan, Mesitylen, Tetrahydrofuran (THF)- oder Methan (CH4)-Clathrat-Hydraten (Eis-Clathrat) aus den VERÖFFENTLICHUNGEN II („Experimental study of spontaneous release of accumulated energy in irradiated ices", E. Shabalin et al., Radiation Physics and Chemistry, 67 (2003) pp 315–319) und III (Abstract „Inelastic scattering and spectral measurements of advanced cold moderator media", H. Conrad et al., Phys. B Condensed Matter, vol. 350, issue 1–3, suppl. 1 (2004) pp E647–E650)) bekannt. Clathrate sind nur in fester Phase vorkommende physikalische Verbindungen zweier Stoffe, von denen einer (zumeist Wasser) ein Gitter mit Hohlräumen oder Käfigen bildet, in die andere, im betreffenden Temperaturbereich oft gasförmige Stoffe, physikalisch, d. h. ohne chemische Bindung eingelagert werden (Physisorption). Clathrate werden daher auch als Einschlussverbindung, Einlagerungsverbindung oder Gashydrat bezeichnet. Bei Clathraten mit Wasser beträgt das Stoffmengenverhältnis Gas/Wasser meist 8/48, bei großen einzulagernden Gasteilchen auch 6/48.
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Mit einer Kombination von festem Methan und Eis-Methan-Hydrat als Moderatormaterial beschäftigt sich die VERÖFFENTLICHUNG IV („Neutron experiments with cryogenic methane hydrate and mesitylene moderators", K. Nüninghoff et al., Eur. Phys. J. A 38 (2008), pp 115–123). Es wird beschrieben, dass Methanmoleküle in einer käfigartigen Struktur aus sechs gefrorenen Wassermolekülen eingeschlossen sind. Es wird angenommen, dass durch diese Kombination ein sehr hoher Neutronenfluss über einen breiteren Energiebereich erreicht werden kann als bei einzelnen Materialien.
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Eisbasierte Clathrate werden auch im Zusammenhang mit der Speicherfähigkeit von Wasserstoff untersucht. Aus der VERÖFFENTLICHUNG V („Quantum confinement of hydrogen in ice based clathrates", M. Russina et al., J. of Physics, Conf. Series 177 (2009) 012 013) wurde mit Hilfe von Neutronenstreuung herausgefunden, dass sich das dynamische Verhalten von eingeschlossenem Wasserstoff gegenüber einer großen Menge Wasserstoff (bulk) verändert, es wurde – neben der Rotationsbewegung – eine zusätzliche Transiationsbewegung der Wasserstoffmoleküle innerhalb der Clathratkäfige festgestellt. In diesem Zusammenhang wurde angenommen, dass dadurch die beobachtete Vergrößerung der Zustandsdichte für in kleinen Käfigen eingeschlossenen Wasserstoff bedingt ist. Andererseits wird aber durch die kleinen Käfige die gesamte kinetische Energie des eingeschlossenen molekularen Wasserstoffgases verringert, sodass sich eine bessere „Anbindung” des Wasserstoffs an das Clathrat und damit eine verbesserte Temperatur-Druck-Stabilität ergibt. Die VERÖFFENTLICHUNG VI („Stable Occupancy of Hydrogen Molecules in H2 Clathrate Hydrates and H2 + TFH Clathrate Hydrates Determined by Ab Inition Calculations", P. Yediapalli et al. J. of Thermodynamics, Vol. 2010 (2010), Article ID 651819, 6 pages) beschäftigt sich mit theoretischen Anzahlberechnungen für eine stabile Porenbesetzung durch Wasserstoff, ebenfalls im Zusammenhang mit der Speicheroption.
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Die Desorption von Wasserstoff in verschiedenen metall-organischen Gerüststrukturen (MOF Metal Organic Framework) wird in der VERÖFFENTLICHUNG VII (Abstract „Untersuchungen der Desorption von Wasserstoff in metall-organischen Gerüsten", B. Panella et al., Angewandte Chemie, Vol. 120, Issue 11, pp 2169–2173) zur Wasserstoffspeicherung untersucht. Es werden verschiedene MOF-Materialien angegeben und bezüglich ihrer Speicherfähigkeit untersucht.
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Weiterhin ist es aus der
US 2003/0178573 A1 bekannt, durch Messung von Neutronenstreuung den eingeschlossenen Wasserstoffgehalt in Materialien zu detektieren.
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Der der Erfindung nächstliegende Stand der Technik wird in der
DE 32 09 605 A1 offenbart. Es wird ein festes Moderatormaterial zur Energieverringerung von Neutronen zumindest mit Wasserstoff und einer den Wasserstoff umgebenden Barriere offenbart. Es werden stark wasserstoffhaltige Materialien beispielsweise in Granulatform mit einem Material als Diffusionsbarriere für Wasserstoff beschichtet oder umhüllt. Dabei werden bevorzugt Metall-Hydride eingesetzt und von einem Oxid oder Emaille als Diffusionsbarriere umgeben. Das Moderatormaterial soll der Abschirmung von Neutronen bei Behältern zur Lagerung von abgebrannten Kernstoffen dienen. Der positive abbremsende Effekt von Wasserstoff wird ausgenutzt. Da aber Wasserstoff die Eigenschaft hat, über die Zeit aus dem Moderatormaterial zu diffundieren, sodass sich der Abschirmungseffekt verschlechtert, wird eine entsprechende Diffusionsbarriere vorgesehen.
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AUFGABENSTELLUNG
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Die AUFGABE für die vorliegende Erfindung ist darin zu sehen, das beschriebene gattungsgemäße Moderatormaterial mit Wasserstoff und einer den Wasserstoff umgebenden Barriere so weiterzubilden, dass eine hohe Moderatoreffizienz mit einer hohen Langzeitstabilität erreicht wird. Die erfindungsgemäße LÖSUNG für diese Aufgabe ist dem Hauptanspruch zu entnehmen, vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung werden in den Unteransprüchen aufgezeigt und im Folgenden im Zusammenhang mit der Erfindung näher erläutert.
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Das erfindungsgemäße Moderatormaterial ist durch ein poröses Matrixmaterial mit geschlossenen Poren mit Abmessungen im Mikro- oder Nanometerbereich und in den Poren eingeschlossenes Wasserstoffgas mit einem größeren Anteil an molekularem Ortho-Wasserstoff als molekularem Para-Wasserstoff gekennzeichnet. Dabei sollen im Sinne der Erfindung unter Poren auch Käfige und Kavitäten oder andere geschlossene Erscheinungsformen, die in der Lage sind, eine Gastspezies ohne Bindung sondern nur durch Physisorption (nur geringe Energien für Adsorption und Desorption erforderlich) aufzunehmen, verstanden werden. Die Poren wirken bei der Erfindung als Wechselwirkungsbarrieren. Die Eigenschaften von eingeschlossenem Wasserstoff unterscheiden sich wesentlich von den Eigenschaften von freiem Wasserstoff in größerer Zusammenballung (bulk). Durch den Einschluss des molekularen Wasserstoffgases in das feste (fest und gasförmig, also zweiphasig) poröse Matrixmaterial wird eine verbesserte Zustandsdichte bei niedrigen Energien erreicht, die zu einem größeren Streuquerschnitt im niedrigen Energiebereich bis zu 150 meV führt und den Umwandlungsprozess von Ortho-Wasserstoff in Para-Wasserstoff im molekularen Wasserstoffgas entweder vollständig unterdrückt oder zumindest wesentlich verlangsamt, sodass sich eine sehr gute und dauerhafte Moderatorwirkung des erfindungsgemäßen Moderatormaterials ergibt. Im Gegensatz zum Stand der Technik, bei dem die Barriere eine reine Diffusionsbarriere ist, stellen die Poren bei der Erfindung sowohl Diffusions- als auch Wechselwirkungsbarrieren dar. In benachbarten Poren eingeschlossene Wasserstoffmoleküle können nicht mit einem Spinaustausch miteinander Wechselwirken. Weiterhin ist durch das Einschließen des Wasserstoffgases bei der Erfindung die Dichte der Wasserstoffmoleküle wesentlich höher als die Dichte von bis jetzt bekannten Moderatormaterialien, wie flüssiger Wasserstoff oder Methan. Damit wird die Effizienz der Moderation ebenfalls positiv beeinflusst.
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Das erfindungsgemäße Moderatormaterial mit eingeschlossenem Wasserstoff ist besonders bedeutsam für kalte und thermische Neutronen-Anwendungen. Bislang wurde im Stand der Technik an keiner Stelle poröses Matrixmaterial mit sehr kleinen Poren und darin eingeschlossenen kleinsten Wasserstoffgasmengen als Moderatormaterial für Neutronen verwendet.
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In der VERÖFFENTLICHUNG IV wird Methan in gefrorenen Wasserkäfigen als Moderatormaterial verwendet, Methan weist aber ein fundamental anderes Spektrum als Wasserstoff auf. Durch den Einschluss in Poren werden die Eigenschaften von molekularem Wasserstoff in einer grundsätzlich anderen Weise verändert als die Eigenschaften von Methan. Der im Methan-Clathrat vorkommende Wasserstoff befindet sich im atomaren und nicht molekularen Zustand und ändert folglich seine Eigenschaften nicht. Außerdem ist der Streuquerschnitt von atomarem Wasserstoff gleich dem Streuquerschnitt vom Para-Wasserstoff und damit wesentlich geringer als der Streuquerschnitt von Ortho-Wasserstoff. Insbesondere können bei der Erfindung die Eigenschaften des eingeschlossenen Wasserstoffs durch die Menge an Wasserstoffgas, das Verhältnis von Ortho- zu Para-Wasserstoff in den Poren und durch die Größe und Struktur der Poren an den jeweiligen Anwendungsfall optimal angepasst werden. Auch die VERÖFFENTLICHUNG V hat nur die Eignung des Materials zur Wasserstoffspeicherung untersucht. Es wurde eine Verringerung der kinetischen Energie von eingeschlossenem Wasserstoffgas festgestellt, die eine bessere Temperatur-Druck-Stabilität bei der Wasserstoffspeicherung über einen langen Zeitraum gewährleistet. Bislang ist aber insbesondere der Effekt der Unterdrückung des Spinaustauschs zwischen molekularem Ortho- und Para-Wasserstoff zur Erhaltung eines möglichst großen Anteils von molekularem Ortho-Wasserstoff im Moderatormaterial von in kleinen Poren eingeschlossenen kleinsten Mengen („Quantum”) molekulares Wasserstoffgas nicht erkannt und damit auch nicht in besonders vorteilhafter Weise für die Neutronenmoderation genutzt worden.
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Die Materialgruppe Clathrate eignet sich bevorzugt besonders gut als poröses Matrixmaterial für das Moderatormaterial nach der Erfindung. Dabei kann es sich bevorzugt um ein hydrogenisiertes Clathrat-Hydrat (H2-(H2O)2) in gefrorenem Zustand (hydrogenisiertes Eis-Clathrat) handeln. Weiterhin eignen sich ein poröser Feststoff, beispielsweise ein Schaum oder Tuffgestein, oder ein Kompositsystem, beispielsweise ein hydrogenisiertes Komposit-Clathrat-Hydrat (H2-THF-H2O) in gefrorenem Zustand oder komposites (H2)4-CH4 als poröses Matrixmaterial. Tetrahydrofuran THF ist ein organisches Lösungsmittel und gehört zur Stoffklasse der cyclischen Esther. Kohlenstoff-Modifikationen, wie Fullerene oder Nanotubes, sind als poröses Matrixmaterial ebenfalls geeignet. Besonders bevorzugt kann es sich auch um ein metall-organisches Gerüst als poröses Matrixmaterial handeln. Verschiedene geeignete MOF, beispielsweise Cu-BTC mit BTC = 1,3,5-Benzentricarboxylat oder IRMOF auf Zinkoxidbasis, werden in der VERÖFFENTLICHUNG VI genannt. Besonders effizient bei der Moderation sind aluminiumhaltige MOFs, die bei der Erfindung bevorzugt vorteilhaft eingesetzt werden können. Dabei kann es sich beispielsweise bevorzugt um Al(OH)(1,4-Benzendicarboxyl) bzw. Al(OH)BDC (Kurzbezeichnung MIL53(Al)) handeln.
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Eine besonders gute Verringerung der Umwandlung von Ortho- in Parawasserstoff ergibt sich, wenn die Poren Abmessungen in einem Bereich zwischen 0,4 nm und 15 nm aufweisen. Neben der Unterdrückung des Spinaustauschs zwischen benachbarten Poren ist auch die Spinaustausch in jeder einzelnen Pore aufgrund der äußerst geringen Menge an eingeschlossenem molekularem Wasserstoff und aufgrund der Eigenschaftsänderung des molekularen Wasserstoffs äußerst gering bzw. völlig unterbunden. Damit weist der in Poren dieser Abmessungen eingelagerte eingeschlossene Wasserstoff eine besonders zeitstabile hohe Effizienz bei der Neutronenmoderation auf. Die ergibt sich zudem bevorzugt bei einem einen Anteil von Ortho-Wasserstoff in einem Bereich von zumindest 75% im Wasserstoffgas. Bevorzugt liegt eine Dichte des molekularen Wasserstoffgases in den Poren des Matrixmaterials in einem Bereich von 100 g/l vor. Im Einzelfall können nur ein Wasserstoffmolekül (in kleinen Poren oder Käfigen) oder zwei bis vier Moleküle (in mittleren und großen Poren oder Käfigen) eingeschlossen sein. Wenn nur Ortho-Wasserstoffmoleküle eingeschlossen sind, ist auch der Spinaustausch innerhalb einer Pore unterdrückt und der Ortho-Wasserstoff hat eine besonders lange Lebenszeit. Durch die geringe Menge ist aber – trotz des erhöhten Streuquerschnitts des Ortho-Wasserstoffs – die Wechselwirkung mit den Neutronen verringert. Bei Poren mit Abmessungen im μm-Bereich mit einer größeren Menge an eingeschlossenen Wasserstoffmolekülen ist der Spinaustausch zwischen Ortho- und Para-Wasserstoff innerhalb einer Pore zwar mehr begünstigt, wird aber durch die beengten Verhältnisse und damit veränderten kinetischen Bedingungen innerhalb der Pore zumindest stark verlangsamt. Es gilt, durch die Wahl der richtigen Porengröße und Menge an eingeschlossenem molekularem Wasserstoff – einen guten Kompromiss zwischen Spinaustauschunterdrückung und Wechselwirkung zu finden. Zusätzlich können die Eigenschaften des Moderatormaterials noch verbessert werden, wenn vorteilhaft zusätzlicher atomarer Wasserstoff im Matrixmaterial, d. h. außerhalb der Poren, vorgesehen ist. Die guten Moderatoreigenschaften von atomarem Wasserstoff wurden bereits weiter oben erwähnt.
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Aufgrund der besonders guten und langzeitstabilen Moderatoreigenschaften des Moderatormaterials nach der Erfindung mit in einem porösen Matrixmaterial eingeschlossenen geringsten Mengen von molekularem Wasserstoffgas ist das Moderatormaterial besonders geeignet zur Energieverringerung von kalten oder thermischen Neutronen auf einen geringe Energie von unter 150 meV. Insbesondere können besonders gut kalte oder thermische Neutronen in einem Energieniveau von unter 30 meV moderiert werden. Damit ist das Moderatormaterial nach der Erfindung insbesondere zur Moderierung auf minimale Energien, beispielsweise in einer niederenergetischen Spallationsquelle, besonders geeignet.
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Zusammenfassend weist das Moderatormaterial nach der Erfindung gegenüber bekannten Moderatormaterialien eine wesentlich verbesserte Moderatoreffizienz im Niederenergiebereich bis 150 meV bei gleichzeitig hoher zeitlicher Stabilität auf, da durch den erfindungsgemäßen Einschluss von molekularem Wasserstoff mit einem hohem Anteil an Ortho-Wasserstoff in einem porösen Matrixmaterial ein großer Streuquerschnitt aufgrund der Unterdrückung oder Verlangsamung des Ortho-Para-Wasserstoff-Konversionsprozesses und damit ein hoher und stabiler Anteil an Ortho-Wasserstoff sowie eine hohe Dichte der Wasserstoffmoleküle und damit eine hohe Zustandsdichte erreicht werden. Weitere Eigenschaften des Moderatormaterials nach der Erfindung werden näher im nachfolgenden speziellen Beschreibungsteil erläutert.
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AUSFÜHRUNGSBEISPIELE
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Ausbildungsformen des Moderatormaterials nach der Erfindung werden nachfolgend zum weiteren Verständnis der Erfindung näher erläutert. Dabei zeigt:
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1 aus dem Stand der Technik ein Diagramm zum Streuquerschnitt von bulk-Wasserstoff,
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2 ein Diagramm zum Streuquerschnitt von eingeschlossenem molekularem Wasserstoffgas in einem hydrogenisiertem Clathrat-Hydrat,
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3 ein Diagramm zum Streuquerschnitt von eingeschlossenem molekularem Wasserstoffgas in einem MOF,
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4 eine schematische Darstellung des Moderatormaterials in Form von hydrogenisiertem Clathrat-Hydrat,
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5 eine schematische Darstellung von unbeladenem Clathrat-Hydrat aus dem Stand der Technik und
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6 eine schematische Darstellung des Moderatormaterials in Form von hydrogenisiertem MOF-5,
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Die 1 zeigt aus dem Stand der Technik ein Diagramm des gemessenen Streuquerschnitts S (in beliebiger Einheit) über der Energie (in meV) für nicht eingeschlossenen bulk-Wasserstoff in fester und flüssiger Phase (Temperatur T als Parameter zwischen 2 und 28 K). In allen Aggregatzuständen des bulk-Wasserstoffs zeigt sich ein Maximum des Streuquerschnitts bei 14,7 meV, der Energie des Ortho-Para-Übergangs.
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Die 2 zeigt ein Diagramm des gemessenen Streuquerschnitts S(Q,ω) (a. u. in beliebiger Einheit) über der Energie (in meV) für ein Eis-Clathrat als poröses Matrixmaterial mit eingeschlossenem molekularem Wasserstoffgas (hydrogeniertes Clathrat-Hydrat) in einem niedrigeren Energiegebiet unterhalb von 14 meV. Deutlich zu erkennen sind mehrere und gegenüber 1 bedeutsam höhere lokale Maxima (bei 14,6 meV und bei 9 meV) für den Streuquerschnitt. Die beiden anderen Kurven zeigen gemessene Streuquerschnitte für hydrogenisiertes Wasser und Eis-Clathrat an sich.
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Die 3 zeigt ein Diagramm des gemessenen Streuquerschnitts S(Q,ω) (a. u. in beliebiger Einheit) über der Energie (in meV) für ein MOF (Cu-BTC) als poröses Matrixmaterial mit eingeschlossenem molekularem Wasserstoffgas (hydrogeniertes Clathrat-Hydrat) in einem niedrigeren Energiegebiet unterhalb von 14 meV. Aufgrund des an unterschiedlichen Stellen eingeschlossenen molekularen Wasserstoffs zeigen sich mehrere Peaks im niedrigen Energiebereich.
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Ein Materialbeispiel für das Moderatormaterial nach der Erfindung stellt wasserstoff-beladenes (hydrogenisiertes) Clathrat-Hydrat im gefrorenen Zustand („Eis-Clathrat”) als poröses Matrixmaterial dar. Eis-Clathrate sind Einschlussverbindungen, die aus einem Netzwerk von wasserstoffgebundenen Wassermolekülen geformt werden, das durch die Anwesenheit von Gastmolekülen stabilisiert wird. Wasserstoffmoleküle können als Gastmoleküle im Eis-Clathrat als poröses Matrixmaterial eingeschlossen und gespeichert werden. Die hydrophoben (Wasser abstoßenden) Wechselwirkungen zwischen dem Matrix-Netzwerk und den Gastmolekülen veranlassen das Eis dazu, seine Struktur zu verändern und Poren (Käfige) mit unterschiedlichen Formen und Abmessungen zu formen, um sich an die Gastmoleküle anzupassen. Die Topologie der Eis-Poren (Käfige) hängt von der Größe und der Form der Gastmoleküle ab. Typische Dimensionen der Poren liegen zwischen 0,4 und 15 nm. Obwohl die Clathrate bei hohen Drücken erzeugt werden, kann der Druck im Betrieb verringert werden. Die Eis-Clathrate sind bei Umgebungsdruck (normaler Luftdruck) bei einer Temperatur von 160–230 K stabil. Die Dichte der Wasserstoffatome im Eis-Clathrat liegt bei ungefähr 100 g/l und ist damit höher als die Dichte von flüssigem Wasserstoff mit 70 g/l.
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Im Wasserstoff-beladenen Eis-Clathrat können die Wasserstoffmoleküle in den Poren (Käfige) nicht miteinander Wechselwirken. Die Poren schirmen die eingeschlossenen Wasserstoffmoleküle ab und vermeiden so sowohl Diffusion als auch Spinaustausch. Dadurch wird der Orhto-Para-Konversionsprozess völlig unterdrückt oder zumindest erheblich verlangsamt. In einer Pore gemeinsam angeordnete und damit benachbarte Wasserstoffatome können nach wie vor mit einem Spinaustausch miteinander Wechselwirken. Diese Wechselwirkung wird aber durch die hohe Dichte (und damit durch die Beeinflussung der kinetischen Verhältnisse) und den hohen Ortho-Wasserstoff-Anteil in jeder Pore ebenfalls verlangsamt. Es ergibt sich somit ein konstanter Anteil an Ortho-Wasserstoff über einen langen Zeitraum.
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Die Zustandsdichte für Wasserstoff, der in Poren (Käfigen) von zwei unterschiedlichen Abmessungen eingeschlossen ist, wurde untersucht. Es wurden große Poren (Käfige) mit einer Hexakaidecahedron-Form (51264) und 0,574 nm mittleren Durchmesser und kleine Poren (Käfige) mit einer Dodecahedron-Form (512) und 0,395 nm mittleren Durchmesser in Abhängigkeit von der Zeit untersucht. Die Isolation der Wasserstoffmoleküle in den Poren (Käfigen) reduziert die Möglichkeiten für den Spinaustausch-Prozess, der am Konversionsprozess von Ortho-Wasserstoff zu Para-Wasserstoff beteiligt ist. Dadurch wird das Ortho-Para-Verhältnis für einen langen Zeitraum stabilisiert. Es konnten stabile Ortho-Para-Verhältnisse bei 70 K über mehrere Wochen für große Poren (Käfige) und mehrere Monate für kleine Poren (Käfige) beobachtet.
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Ein weiterer Vorteil der hydrogenierten Eis-Clathrate liegt in der substanziellen Vergrößerung der Streuquerschnittes von Wasserstoff in einem Energiebereich bis 30 meV. Zusätzlich zu dem ersten Rotationsübergang zeigt die Zustandsdichte des eingeschlossenen Wasserstoffs aufgrund der translatorischen Bewegung im abgeschlossenen Raum noch starke Eigenschaften in den breiten Energiebereich von 3 bis 13 meV (vergleiche 3). Die Zustandsdichte der Eis-Clathrate zeigt starke dynamische Eigenschaften in einem Energiegebiet zwischen 8 und 11 meV, was sich als zusätzlicher Vorteil bei der Neutronenmoderation erweist.
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Die 4 zeigt eine schematische Darstellung von eingeschlossenem molekularem Wasserstoffgas in eine Pore (Käfig) in einem Eis-Clathrat. Die 5 zeigt die Anordnung der eingefrorenen Wassermoleküle zu solch einer Pore bzw. Käfig. Dargestellt ist molekularer Ortho-Wasserstoff mit parallelen Spins (beide Pfeile zeigen in eine Richtung) und molekularer Para-Wasserstoff mit antiparallelen Spins (die Pfeile zeigen in entgegengesetzte Richtung). Insgesamt befinden sich vier Wasserstoffmoleküle im Clathrat-Käfig, drei Ortho-Wasserstoffmoleküle und ein Para-Wasserstoffmolekül. Damit befinden sich 75% der eingeschlossenen Wasserstoffmoleküle im Ortho-Zustand. Ein Spinaustausch zu benachbarten Clathrat-Käfigen ist durch die Käfigwirkung unterdrückt. Auch der Spinaustausch im einzelnen Clathrat-Käfig ist aufgrund der Überzahl an Ortho-Wasserstoff und der beengten Verhältnisse mit einer veränderten Kinetik erheblich verlangsamt.
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Ein anderes bei der Erfindung gut anwendbares Matrixmaterial ist so genanntes metallorganisches Gerüstmaterial (Metal Organic Framework MOF), das mit Wasserstoff beladen wird. MOFs bilden sehr variable Strukturen mit unterschiedlich strukturierten Mikro- oder Nanokäfigen, in denen Wasserstoff mehrere Positionen besetzen kann. Die Wechselwirkung zwischen dem eingeschlossenen Wasserstoff und der MOF-Struktur variiert in Abhängigkeit von der Besetzungsstelle und der Ortho-Para-Übergang verschiebt sich zu niedrigeren Energien. Daher hat der Streuquerschnitt des eingeschlossenen Wasserstoffs höhere Werte bei niedrigeren Energien als bei uneingeschlossenern (bulk-)Wasserstoff, was effizienter für die Neutronen-Moderation ist.
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Das bekannteste und bisher meist untersuchte MOF ist MOF-5, dessen Formel Zn4O(BDC)3 ist. Die Elementarzelle besteht aus einem Zn4O-Tetraeder. An jede Kante des Tetraeders bindet ein organischer Ligand (1,4-Benzendicarboxyl, kurz BDC), somit befinden sich sechs BDC-Moleküle an jedem Zn4O-Cluster. Mit den anderen Enden binden die BDC-Moleküle an andere Zn4O-Cluster. Dadurch kommt ein regelmäßiges, kubisches Gitter zustande, bei dem die Zn4O-Cluster die Eckpunkte der Würfel und die BDC-Moleküle die Kanten bilden. In den Hohlräumen im Inneren der Würfel bleiben Moleküle des Lösungsmittels, das zur Synthese verwendet wird, zurück. Das Lösungsmittel wird durch Erhitzen entfernt.
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Die 6 zeigt ein MOF (MOF-5) mit eingeschlossenem molekularem Wasserstoffgas analog zu 4. Die von der Gerüststruktur gebildete abgeschlossene Pore ist durch eine Kugel angedeutet.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2003/0178573 A1 [0009]
- DE 3209605 A1 [0010]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- „Coupled hydrogen moderator optimization with ortho/para hydrogen ratio”, T. Kai et al. Nucl. Instruments and Methods, Section A, 523 (2004) pp 398–414 [0005]
- „Experimental study of spontaneous release of accumulated energy in irradiated ices”, E. Shabalin et al., Radiation Physics and Chemistry, 67 (2003) pp 315–319 [0005]
- Abstract „Inelastic scattering and spectral measurements of advanced cold moderator media”, H. Conrad et al., Phys. B Condensed Matter, vol. 350, issue 1–3, suppl. 1 (2004) pp E647–E650 [0005]
- „Neutron experiments with cryogenic methane hydrate and mesitylene moderators”, K. Nüninghoff et al., Eur. Phys. J. A 38 (2008), pp 115–123 [0006]
- „Quantum confinement of hydrogen in ice based clathrates”, M. Russina et al., J. of Physics, Conf. Series 177 (2009) 012 013 [0007]
- „Stable Occupancy of Hydrogen Molecules in H2 Clathrate Hydrates and H2 + TFH Clathrate Hydrates Determined by Ab Inition Calculations”, P. Yediapalli et al. J. of Thermodynamics, Vol. 2010 (2010), Article ID 651819, 6 pages [0007]
- „Untersuchungen der Desorption von Wasserstoff in metall-organischen Gerüsten”, B. Panella et al., Angewandte Chemie, Vol. 120, Issue 11, pp 2169–2173 [0008]