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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf das Gebiet der Sprengstoffe und betrifft insbesondere Sprengstoffpartikel und ein Verfahren zu deren Herstellung.
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Sprengstoffpartikel, wie z. B. Nitramine (RDX, HMX ...) oder CL20, weisen bekanntermaßen eine variable Stoßempfindlichkeit auf. Bei Sprengstoffmischungen aus herkömmlichen Nitraminen (RDX, HMX) wird die geringste Stoßempfindlichkeit bekanntlich mit einer sehr kleinen Partikelgröße von typischerweise 0 bis 10 μm erzielt. In gegossenen Mischungen sind diese sehr kleinen Partikel aufgrund der hohen Mischungsviskosität jedoch schwierig einzusetzen.
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Daher wird für diese Mischungen eine Partikelgröße von über 100 μm bevorzugt, um die Mischungsviskosität zu reduzieren, wobei jedoch die Explosionsgefahr zunimmt, da die Stoßempfindlichkeit mit der Partikelgröße ansteigt.
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Im Patent
US 4065529 A wird bekanntermaßen ein Verfahren zur Reduzierung der Viskosität der Partikel beschrieben, bei dem sie mittels Durchmischung und Teilauflösung kugelförmig werden, was jedoch nur auf eine Partikelgröße von über 70 μm anwendbar ist.
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In der
DE 36 05 634 A1 geht es ebenfalls um ein Verfahren zur Abrundung von Sprengstoffpartikeln.
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Aus der
DE 101 49 814 A1 ist ein Verfahren zur Herstellung von Explosivstoffen in kristalliner Form bekannt. Dieses Verfahren erzeugt weitestgehend fehlstellenfreie Kristalle. Eine mit einem Stoff zur Bildung von kristallinen Sprengstoffpartikeln gesättigte Lösung wird von 95°C auf 75°C abgekühlt. Auf die Kühlrate wird nicht eingegangen. Dann wird Wasser zugegeben, um die Keimbildung zu initiieren. Anschließend wird in einer Kristallwachstumsphase die Kristallisationslösung mit einer konstanten Kühlrate von 15°C/min in einer Couette-Strömung auf 5°C abgekühlt.
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Die
DE 32 46 494 A1 zeigt ein Verfahren zur Kristallisation einer Substanz aus einer homogenen, gesättigten Lösung. Vorgestellt wird ein besonderer Abkühlungsverlauf.
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Außerdem sind Verfahren zur Reduzierung der Stoßempfindlichkeit der Nitramine bekannt. So wird im Patent
US 6603018 A die Herstellung einer Nitraminverbindung mit einer oder mehreren N-Heterocyclomethyl-Funktionen beschrieben, wodurch deren Partikel hochenergetisch und gleichzeitig weniger stoßempfindlich als unbehandelte Nitramine werden.
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Im Patent
US 6194571 A wird, ebenfalls zu dieser Thematik, die Herstellung der Alpha-HMX-Struktur vorgestellt, die weniger stoßempfindlich als die Beta-, Delta- und Gamma-HMX-Kristallstruktur ist.
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Zudem wird im Patent
US 6428724 A vorgeschlagen, die elementaren Nitraminpartikel zu beschichten und granulatförmig anzuhäufen, um insbesondere längliche Partikel einfacher in Sprengstoffmischungen einzusetzen. Durch Beschichten der Partikel wird die Stoßempfindlichkeit der Sprengstoffmischungen auf herkömmliche Weise reduziert, jedoch die Eigenempfindlichkeit der elementaren Partikel nicht gemindert.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, Sprengstoffpartikel herzustellen, die eine niedrige Stoßempfindlichkeit aufweisen und einfach in gegossenen Sprengstoffmischungen eingesetzt werden können oder, mit anderen Worten, deren Stoßempfindlichkeit nicht partikelgrößenabhängig ist und die nicht in einer Zwischenphase granuliert oder beschichtet werden müssen.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruches 1 gelöst. Die erhaltenen Sprengstoffpartikel in kristalliner Form sind derart, dass die meisten davon keine inneren Strukturfehler aufweisen und abgerundet sind. Durch Kombination dieser beiden Eigenschaften kann die Stoßempfindlichkeit, insbesondere für Partikel zwischen 50 und 1000 μm, unabhängig von der Partikelgröße betrachtet werden.
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Das Verfahren weist eine Phase zur Herstellung von Kristallpartikeln überwiegend ohne innere Strukturfehler und eine Phase zur Abrundung dieser Partikel auf.
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Die Phase zur Herstellung von Kristallpartikeln umfasst eine erste Keimbildungsphase (Nukleation) durch kontrollierte Abkühlung einer mit einem Stoff zur Bildung von kristallinen Sprengstoffpartikeln gesättigten Lösung und eine zweite Kristallwachstumsphase durch kontrollierte Abkühlung mit Aufrechterhaltung einer Übersättigung dieses Stoffes.
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In der ersten Phase kann durch Kontrolle der Abkühlungsgeschwindigkeit die Endgröße der Partikel beeinflusst werden. In dieser Phase sollen Keime gebildet werden, die das spätere Kristallwachstum unterstützen. Es werden keine externen Kristallkeime eingeimpft, um das Auftreten von inneren Strukturfehlern bei der Wiederaufnahme des Kristallwachstums an diesen externen Keimen zu vermeiden.
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Während der zweiten Kristallwachstumsphase wachsen die in der ersten Phase gebildeten Keime, wobei die inneren Strukturfehler der Kristalle, wie z. B. Lösungsmitteleinschlüsse, auf ein Minimum reduziert werden. Dies wird durch Aufrechterhaltung einer konstanten und schwachen Übersättigung während des gesamten Prozesses erreicht. Die Kontrolle der Übersättigung in der zweiten Phase erfolgt durch eine Abkühlung, wobei die Abkühlungstemperatur T einen ungefähren Verlauf in Abhängigkeit von der Zeit t in Sekunden laut folgender Gleichung aufweist: T = T0 – T1(t/3600)3, wobei T0 die Ausgangstemperatur ist und T1 dem Temperaturunterschied zwischen T0 und der Endtemperatur entspricht. Diese beiden Werte können beispielsweise im Falle einer Aceton-Hexogen-Lösung jeweils 44 bzw. 24 betragen.
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Gemäß einer zusätzlichen Ausführungsform beträgt, bei Einsatz einer mit Hexogen gesättigten Acetonlösung, die Abkühlungsgeschwindigkeit – vorzugsweise von einer Temperatur von ca. 50°C auf eine Temperatur von ca. 44°C – in der ersten Phase ca. 1°C/min.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform umfasst die Phase zur Herstellung von Kristallpartikeln eine dritte Phase zur Filtrierung der hergestellten kristallinen Sprengstoffpartikel.
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Gemäß einer anderen Ausführungsform umfasst die Phase zur Abrundung der Kristallpartikel eine mechanische Erosion in Verbindung mit einer Teilauflösung der Partikel.
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Gemäß einer zusätzlichen Ausführungsform erfolgt die Teilauflösung bei Einsatz von kristallinen Hexogenpartikeln in Cyclohexanon.
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Weitere Vorteile und Eigenschaften der Erfindung gehen aus der Beschreibung einer besonderen Ausführungsform der Erfindung sowie den beigefügten Abbildungen hervor, wobei:
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in eine Lichtmikroskop-Aufnahme von handelsüblichen Hexogenpartikeln mit einer Kontrastminderung im Bereich der Partikel dargestellt wird;
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in eine Lichtmikroskop-Aufnahme von kristallinen Hexogenpartikeln nach dem Kristallwachstum ohne innere Strukturfehler und vor der Abrundungsphase mit einer Kontrastminderung im Bereich der Partikel dargestellt wird;
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in eine Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme dieser Hexogenpartikel ohne innere Strukturfehler und vor der Abrundungsphase dargestellt wird;
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in eine Lichtmikroskop-Aufnahme von erfindungsgemäßen Hexogenpartikeln mit einer Kontrastvariation im Bereich der Partikel dargestellt wird;
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in eine Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von erfindungsgemäßen Hexogenpartikeln dargestellt wird;
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in ein Beispiel einer Kurve der kontrollierten Abkühlung einer Lösung zur Bildung von Hexogenpartikeln mittels Kristallwachstum dargestellt wird;
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in der Detonationsgrenzdruck verschiedener Lose von Hexogenpartikeln angegeben wird.
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Ein Verfahren zur Herstellung von erfindungsgemäßen Sprengstoffpartikeln umfasst eine Kristallisationsphase zwecks Reduzierung der Anzahl von inneren Strukturfehlern der Partikel sowie eine anschließende Phase zur Formänderung zwecks Erzielung von abgerundeten Partikeln.
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In der Kristallisationsphase zur Reduzierung der Anzahl von inneren Strukturfehlern der Partikel erfolgt eine kontrollierte Abkühlung einer gesättigten Lösung ohne Einimpfen. Eine schnelle Abkühlung gewährleistet eine große Keimbildung, wodurch die Partikelgrößenverteilung kontrolliert wird. Anschließend an diese erste Phase erfolgt eine kontrollierte Abkühlung für ein Kristallwachstum ohne innere Strukturfehler. Der Temperaturverlauf während des Kristallwachstums wird zur Aufrechterhaltung einer konstanten Übersättigung kontrolliert. Die Form der hergestellten Partikel entspricht typischerweise dem Kristallhabitus des Stoffes. Die Partikel weisen sehr ausgeprägte Kristallflächen und -ecken mit sehr wenigen inneren Strukturfehlern auf. Die Qualität der Kristalle kann unter einem Lichtmikroskop überprüft werden, wobei die Partikel in eine Flüssigkeit mit hohem Brechungsindex, typischerweise ca. 1,6 für Hexogenpartikel, getaucht werden. Bei dieser Prüfung werden die inneren Strukturfehler als dunklere Flecken innerhalb der Partikel sichtbar.
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In der Formänderungsphase der Kristalle erfolgt eine mechanische Erosion und eine Teilauflösung in einem untersättigten Lösungsmittel. In dieser letzten Herstellungsphase wird die Anzahl der inneren Strukturfehler der Partikel nicht verändert. Die Partikelform kann auf Lichtmikroskop- oder Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen überprüft werden.
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Die erzielten Sprengstoffpartikel mit einer allgemeinen Partikelgröße von 50 bis 1000 μm besitzen außergewöhnliche Leistungen. Ausschließlich sehr kleine Partikel weisen eine derartige äußerst geringe Stoßempfindlichkeit wie diese Sprengstoffpartikel auf. Zudem ist diese sehr geringe Empfindlichkeit der nach einem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Sprengstoffpartikel nicht von der Partikelgröße abhängig. Aufgrund dieser erstaunlichen Trennung zwischen Stoßempfindlichkeit und Größe der Sprengstoffpartikel kann die Partikelgrößenverteilung für einen einfacheren Einsatz ungeachtet der Stoßempfindlichkeit optimiert werden. Eine sicherere Nutzung, ein leichterer Einsatz und eine geringe Stoßempfindlichkeit sind große Vorteile für Industrieanwendungen.
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Als Beispiel einer Umsetzung der Erfindung wird im Folgenden ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Herstellung von kristallinen Hexogenpartikeln beschrieben.
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Eine mit Hexogen gesättigte Acetonlösung wird bei 50°C angesetzt. Sie wird in ein zylindrisches doppelwandiges Gefäß zur Temperaturkontrolle der Lösung abgefüllt. Ein Innenrohr in diesem zylindrischen Gefäß dient zum homogenen Abfließen der Lösung. Die Lösung wird auf herkömmliche Weise mit einem zentralen Rührwerk durchmischt. Eine solche Vorrichtung wird üblicherweise für Kristallisationsvorgänge von Losen eingesetzt und gewährleistet die thermische und hydrodynamische Homogenität der Lösung. Aufgrund der schnellen Abkühlung der gesättigten Lösung von 50°C auf 44°C bei einer Geschwindigkeit von 1°C/min ist die Keimbildung möglich. Anschließend erfolgt das Hexogen-Kristallwachstum durch kontrollierte Abkühlung von 44°C auf 20°C. Der Temperaturverlauf ist durch folgende Gleichung gegeben: T = 44 – 24(t/3600)3, wobei T die Temperatur in Grad Celsius und t die Zeit in Sekunden ist. Dieser Temperaturverlauf wird in dargestellt. Die Temperaturkontrolle dient zur Aufrechterhaltung einer konstanten Übersättigung während der Abkühlung.
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Anschließend wird die Mischung durch einen Filter geleitet, um die Partikel aufzufangen.
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Wie in auf einer Lichtmikroskop-Aufnahme mit Kontrastminderung von handelsüblichen Hexogenpartikeln in einer Flüssigkeit mit einem Brechungsindex von 1,6 dargestellt, besitzen fast alle handelsüblichen Partikel 1 kleine dunkle Flecken 2, die auf innere Strukturfehler hinweisen.
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Im Vergleich dazu wird in eine Lichtmikroskop-Aufnahme mit Kontrastminderung von mit dem oben beschriebenen Verfahren hergestellten kristallinen Hexogenpartikeln dargestellt. Die somit erhaltenen Partikel 3 sind kantig und besitzen sehr ausgeprägte Kristallflächen 4 und Kristallecken oder -kanten 5. Zudem ist festzustellen, dass unter denselben Beobachtungsbedingungen wie in die meisten dieser Partikel keine inneren Strukturfehler 2 aufweisen. Die kantige Form der Partikel ist auf der Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme in noch deutlicher sichtbar.
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Um den mit dem oben beschriebenen Kristallisationsverfahren hergestellten Hexogenpartikeln aus und anschließend eine abgerundete Form zu geben, werden sie mittels mechanischer Erosion und Teilauflösung in Cyclohexanon behandelt. Dazu wird eine mit Hexogen gesättigte Cyclohexanon-Lösung (RDX) bei 20°C angesetzt. Die Hexogenpartikel, deren Form geändert werden soll, werden der gesättigten Lösung beigemengt, so dass eine homogene Suspension entsteht. Diese Mischung wird zur Temperaturkontrolle in ein doppelwandiges Gefäß abgefüllt. Ein Propellerrührer für ein kräftiges Durchmischen wird in diesem Gefäß angeordnet. Zwei zusätzliche Flügel werden eingesetzt, damit sich die Partikel nicht bewegen und erodiert werden können. Die Temperatur der Versuchsanordnung wird anschließend auf 39°C erhöht und 4 Stunden lang beibehalten, um die Partikel teilweise aufzulösen und somit ihre Form zu ändern. Abschließend wird die Temperatur während einer Stunde auf 59°C erhöht, um die sehr feinen Partikel, die bei der mechanischen Erosion der Ausgangspartikel entstanden sind, vollständig aufzulösen. Die Cyclohexanon-Partikel-Mischung wird anschließend durch einen Filter geleitet, um die Hexogenpartikel aufzufangen.
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Wie in dargestellt, wird in dieser letzten Herstellungsphase die Anzahl der inneren Strukturfehler der Partikel nicht verändert.
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In wird eine Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Hexogenpartikeln 6 nach einer mechanischen Erosion mit Teilauflösung dargestellt.
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Festzustellen ist, dass alle Partikel abgerundet ohne Kanten oder Flächen und entweder kugelförmig 7, rollenförmig 8 oder kapselförmig 9 sind. Durch diese Behandlung wurden alle Kanten entfernt.
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Zur Bewertung der Empfindlichkeit von Hexogenpartikeln wird die Stoßempfindlichkeit der gegossenen Mischungen gemessen, die aus 70% Hexogenmasse und 30% Wachs bestehen. Ein solches Verhältnis gewährleistet die Herstellung von Mischungen ohne Restporositäten im Wachs oder an den Hexogen-Wachs-Übergangsstellen.
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Die Stoßempfindlichkeit der Mischungen wird durch Messung des erforderlichen Mindeststoßdruckes für die vollständige Detonation der Probe ermittelt, wobei der auslösende Stoß während der Detonationsdauer konstant bleibt.
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In der Grafik von wird der Detonationsgrenzdruck, d. h. die Stoßempfindlichkeit, für vier verschiedene Lose von Hexogenpartikeln angegeben. Das erste handelsübliche Los 10 ist ein Standardlos mit Partikeln einer Größe von über 100 μm. Das zweite handelsübliche Los 11 entspricht in etwa dem ersten Los, gewährleistet jedoch die Herstellung von Mischungen mit verringerter Empfindlichkeit. Damit können die bestmöglichen Leistungen bei handelsüblichen Losen mit großen Partikeln erzielt werden. Das dritte handelsübliche Los 12 umfasst Partikel einer Größe von 0 bis 20 μm. Damit können die bestmöglichen Leistungen bei handelsüblichen Hexogenlosen erzielt werden. Das Los 13 besteht aus erfindungsgemäßen Partikeln einer Größe von 100 bis 630 μm.
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Festzustellen ist, dass die Detonation des Loses aus erfindungsgemäßen Partikeln bei einem Druck von ca. 6,7 Gpa ausgelöst wird, während dieser Druck bestenfalls 5,6 Gpa für Partikel vergleichbarer Größe der Lose 10 und 11 beträgt. Die erfindungsgemäßen Partikel 6 sind viel stoßunempfindlicher als die handelsüblichen Partikel derselben Größe.
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Zudem ist festzustellen, dass die erfindungsgemäßen Partikel und die kleinen Partikel des Loses 12 einer Größe von unter 20 μm praktisch denselben Detonationsgrenzdruck aufweisen, wodurch die Vorteile der Erfindung deutlich werden, da die erfindungsgemäßen Partikel nicht nur eine geringere Stoßempfindlichkeit aufweisen, sondern aufgrund ihrer Größe und abgerundeten Form leicht gießbar sind.
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Das beschriebene Ausführungsbeispiel kann auf unterschiedliche Art und Weise modifiziert werden, ohne den Rahmen der Erfindung zu sprengen. Somit kann die Formänderung der Sprengstoffpartikel durch mechanische Bearbeitung, chemische Behandlung oder eine Kombination beider Verfahren erreicht werden.