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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines offenporigen,
enzymatisch resorbierbaren Substrats sowie seine Verwendung zur
Kultivierung von Gewebezellen, insbesondere von dermalen Fibroblasten.
Die Erfindung betrifft ferner ein nach dem Verfahren hergestelltes
Substrat, ein Produkt umfassend mindestens ein solches Substrat
sowie eine organotypische Hybridstruktur umfassend mindestens ein
polymeres Substrat und darauf kultivierte Gewebezellen.
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Die
Therapie von chronischen Gewebedefekten, insbesondere diabetischen,
venösen
oder druckinduzierten Ulzerationen, sowie großflächiger Verbrennungswunden stellt
ein beträchtliches
medizinisches und wirtschaftliches Problem dar. So leiden – bei steigender
Inzidenz – etwa
2 % der Weltbevölkerung
an schwer heilenden Wunden bei erheblichen durchschnittlichen Behandlungskosten.
Die Behandlung von chronischen Gewebedefekten und Wunden durch Tissue
Engineering (TE), das heißt
mit künstlich
kultivierten Gewebestrukturen, zeigt erste klinische Erfolge. Ein
weiterer wichtiger Anwendungsbereich in vitro kultivierter Hautsubstitute
stellt ihre Verwendung für dermatologische
Testungen dar. Als Alternativen zu teuren klinischen Studien oder
Tierversuchen können
in durch Tissue Engineering erzeugten organotypischen Testmodellen
Wundheilung, Alterung oder Hautirritationen, verursacht durch physikalische
oder chemische Einflüsse,
untersucht werden.
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Während die
in vitro Kultivierung der Epidermis bereits gut gelingt, ist bis
heute kein befriedigender Ersatz der darunter liegenden Dermis verfügbar. Als
rein biologische Hautersatzprodukte sind Xenotransplantate, Leichenhaut
und allogene vitale Spenderhaut bekannt. Diese erlauben nur eine
temporäre Abdeckung
der Wunde und sollen die Neubildung einer dermalen Struktur durch
Induktion eines Granulationsgewebes stimulieren. Jedoch besteht
stets ein Infektionsrisiko und die Spenderhaupt wird nach einiger
Zeit wegen immunologischer Unverträglichkeit abgestoßen bzw.
muss vor der Transplantation von Spalthaut (das heißt autologer
Spenderhaut) entfernt werden. Es besteht daher ein Bedarf an dermalen Substituten,
die etwa bei Verbrennungen zweiten bis vierten Grades eine Rekonstruktion
der dermalen Hautstruktur erlauben, um anschließend eine Transplantation von
Keratinozyten zur Regenerierung der Epidermis zu ermöglichen.
Die Entwicklung dermaler Substitute konzentriert sich auf die Entwicklung
geeigneter Gerüststrukturen,
die in einer akzeptablen Zeit von Hautfibroblasten besiedelt und
in vivo rasch revaskularisiert werden.
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Bei
dem kommerziell erhältlichen
Transplantat "Alloderm" (Fa. Life Cell Science)
handelt es sich um chemisch prozessierte dezellularisierte Leichenhaut.
Das nach Entfernung aller lebenden Zellen zurückbleibende Netzwerk enthält viele
strukturelle Komponenten der Dermis, die eine Besiedelung erlauben.
Daneben sind künstliche
Hautersatzprodukte bekannt, die eine biologisch abgeleitete Komponente und
ein synthetisches, stabiles Material enthalten, welches dem Verschluss
und der Abdeckung der Wunde dient. Aus
US 5,460,939 A ist beispielsweise eine
dreidimensionale Trägerstruktur
aus einem resorbierbaren oder nicht resorbierbaren Material zur Besiedelung
mit Zellen auf einer semipermeablen Membran bekannt. Auf der Trägerstruktur
werden Fibroblasten über
mehrere Wochen in vitro kultiviert, um ein dreidimensionales Gewebenetzwerk
zu erhalten. Hierunter fällt
das Produkt "Biobrane" (Fa. Dow Hickam/Bertek
Pharmaceuticals), das aus einem mit Schweinekollagen I beschichteten
Nylongewebe besteht, welches an einer Silikonmembran gebunden ist.
Zu den zur Wundabdeckung großflächiger Verbrennungen
eingesetzten kombinierten Produkten, die sowohl eine Dermis- als
auch eine Epidermiskomponente umfassen, zählen die Produkte "Integra" (Fa. Integra LifeScience
Corp.,
US 5,489,304
A ) und "TransCyte" (früher "Dermagraft TC", Fa. Advanced Tissue
Science Inc.). "Integra" basiert auf einer Entwicklung
von Burke und Yannas (Burke J. F., Yannas I.V. et al., Ann.Surg.
194(4), 1981, 413-428; Yannas I.V., Burke J. F., et al., Science
215(4529), 1982, 174-176) und besteht aus einem porenförmigen Netzwerk aus
Rinderkollagen und Glykosaminoglukan und einer der Abdeckung des
Wundbettes dienenden Silikonmembran als epidermale Struktur, die Schutz
vor Infektionen sowie zu starkem Wasserverlust bietet. Das poröse Netzwerk
soll das fibrovaskuläre
Einwachsen bei langsam erfolgender Biodegradation des Materials
und somit die Regeneration dermaler Strukturen fördern. Bei "TransCyte" handelt es sich um ein Tissue Engineering-Produkt
bestehend aus einem Nylonnetz mit daran immobilisierten neonatalen
allogenen Fibroblasten, die während
einer in vitro Kultivierung von mehr als zwei Wochen wachsen und
dabei extrazelluläre
Matrixkomponenten produzieren. Die Zellen werden durch Kryokonservierung
abgetötet,
so dass nur noch die extrazelluläre Matrix
verbleibt. Diese wird nach Transplantation von Fibroblasten besiedelt
und soll die Epithelisierung der Wunde beschleunigen. Ferner ist
ein zweischichtiges allogenes Produkt bekannt ("Apligraf", Fa. Organogenesis Inc.), das aus einem
Gel aus Typ I Rinderkollagen mit lebenden neonatalen Fibroblasten mit
einer darüber
liegenden epidermalen Schicht neonataler Keratinozyten besteht.
Dieses komplexe und teure Hautersatzprodukt wird vor allem zur Behandlung
schwer heilender Ulcera eingesetzt und soll deren Heilung fördern. Dabei
werden die allogenen Spenderzellen nach einiger Zeit infolge von
Abstoßungsreaktionen
beseitigt und durch autologe einwandernde Zellen ersetzt (Falanga
V. et al., Arch. Dermatol. 134(3), 1998, 293-300). Ein weiteres
Produkt ("Dermagraft", Fa. Advanced Tissue
Science Inc.) umfasst eine kryokonservierte dermale Struktur, die aus
neonatalen allogenen Fibroblasten besteht, die auf einem resorbierbaren
Polymergerüst
aus Polyglycogen kultiviert werden. Die Fibroblasten wachsen in
vitro bis zur Konfluenz, wobei sie Wachstumsfaktoren und extrazelluläre Matrixkomponenten
sezernieren und damit eine vitale Struktur ausbilden, die transplantiert
werden kann (Hansbrough J.F. et al., Surgery 111(4), 1992, 438-446).
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Insgesamt
kann festgestellt werden, dass die derzeit verfügbaren Produkte aufgrund ihrer
aufwändigen
Herstellung verhältnismäßig teuer
sind. So ist aus
US 5,755,814 ein
Verfahren zur Herstellung eines porösen Kollagensubstrats zur Kultivierung
von Fibroblasten bekannt, bei dem eine wässrige Dispersion unlöslichen
Kollagens in eine Form gegossen wird und anschließend durch
Einfrier- und Lyophilisierungsschritte in eine dreidimensionale
poröse Struktur überführt wird.
Das Verfahren eignet sich nicht oder nur unter erheblichem Kostenaufwand
für die
großtechnische
Produktion größerer Transplantate.
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Ein
weiteres Problem bekannter TE-Transplantate stellt die etablierte
Verwendung insbesondere allogener Zellen als zelluläres Material
dar, die einen wesentlichen Grund für Abstoßungsreaktionen darstellen.
Sofern resorbierbare synthetische Produkte eingesetzt werden, realisiert
sich ihr Abbau hauptsächlich über hydrolytische
Prozesse, was bedeutet, dass diese Materialien nicht autoklavierbar sind.
Andererseits ist die Herstellung hydrolysestabiler, enzymatisch
abbaubarer Materialien, beispielsweise von Polyamiden, so aufwändig und
teuer, dass diese Materialien nicht in ausreichenden Mengen für die klinische
Anwendung zur Verfügung
stehen.
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Dementsprechend
liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren
zur Herstellung eines porösen
Substrats zur in vitro oder in vivo Kultivierung von Zellen, insbesondere
von dermalen Fibroblasten, zur Verfügung zu stellen, das bei moderaten
Kosten großtechnisch
durchführbar
ist und leicht verfügbare,
biokompatible Ausgangsmaterialien verwendet. Das so hergestellte
Material soll insbesondere für
die Behandlung von großflächigen Wunden
zur in vivo Ausbildung einer dermalen Struktur dienen.
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Diese
Aufgabe wird durch ein Verfahren zur Herstellung eines im Wesentlichen
offenporigen, enzymatisch resorbierbaren Substrats zur Kultivierung von
Gewebezellen, insbesondere von Hautzellen, nach Anspruch 1 gelöst. Das
Verfahren umfasst die Schritte:
- – Herstellung
einer Formmasse, umfassend mindestens ein Polypeptid und/oder eine
davon abgeleitete Komponente, mindestens einen Vernetzer, mindestens
ein Tensid, mindestens eine eindispergierte gasförmige Komponente sowie optional
eine oder mehrere strukturstabilisierende Zusatzkomponenten,
- – Formierung
der Formmasse in eine gewünschte Form
und
- – Vernetzung
des mindestens einen Polypeptids und/oder der davon abgeleiteten
Komponente und – sofern
vorhanden – der
Zusatzkomponente/n.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren,
das im Wesentlichen auf mechanische Kaltverschäumung (und Kaltvernetzung)
der Protein- und gegebenenfalls der Zusatzkomponente beruht, kommt
ohne energetisch und technisch anspruchsvolle Gefrier- und Lyophilisierungsschritte
aus und ist daher auch für die
technische Produktion großer
Mengen geeignet. Dabei erfolgt die Verschäumung, das heißt das Eindispergieren
der Gaskomponente/n in die Formmasse, bei Temperaturen von maximal
95°C, vorzugsweise
deutlich darunter, und die Vernetzung bei einer zumindest anfänglichen
Temperatur von höchstens 40°C, vorzugsweise
bei Raumtemperatur. Somit sind alle an die Herstellung der mechanisch
aufgeschäumten
Formmasse anschließenden
Schritte letztlich ohne Heiz- oder Kühlleistungen durchführbar.
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Das
Verfahren verwendet ausschließlich leicht
verfügbare
und bioverträgliche
Ausgangsstoffe. So kommen für
die Proteinkomponente (das heißt das
Polypeptid) beziehungsweise der davon abgeleiteten Komponente, aber
auch für
die Zusatzkomponente grundsätzlich
alle vernetzbaren Substanzen, das heißt Substanzen mit drei oder
mehr Reaktivgruppen in Frage. Vorzugsweise wird erstere gewählt aus
der Gruppe der Skleroproteine (Strukturproteine), insbesondere umfassend
Kollagen, Gelatine, Keratin, Elastin, Laminin und Fibronectin. Besonders bevorzugt
kommt hier Kollagen (z. B. aus Rindern oder Schweinen) und/oder
durch Hydrolyse aus Kollagen gewonnene Gelatine zum Einsatz.
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Die
optionale Zusatzkomponent dient einerseits der mechanischen Stabilität der herzustellenden
Schaumstruktur und kann andererseits die Konditionierung des Substrats
für verschiedene
Zelltypen unterstützen,
mit denen das Substrat besiedelt werden soll. Die Zusatzkomponente
wird bevorzugt aus der Gruppe der Kohlenhydrate gewählt, insbesondere
aus Polysacchariden (z. B. Stärke,
Chitosan, Carboxymethylcellulosen, Agar-Agar, Alginate, Dextrane)
und/oder Sacchariden (z. B. Glukose, Fruktose, Saccharose). Sie
kann aber auch aus anderen vernetzbaren Substanzen bestehen, beispielsweise
Polyolen, insbesondere Polyvinylalkoholen; Mehrfachalkoholen, insbesondere
Glycerin oder Pentaerythrit; Polyaminen, insbesondere Polyethyleniminen;
Mehrfachaminen, insbesondere 2,4,5,6-Tetraaminopyrimidin oder 2,4,6-Triamino-1,3,5-triazin; natürliche Polyamiden;
Polysäuren,
insbesondere Polyacrylsäure;
und/oder Mehrfachcarbonsäuren,
insbesondere 1,2,4-Tricarboxybenzol oder 1,2,4,5-Tetracarboxybenzol.
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Ein
aus diesen Ausgangsmaterialien, insbesondere aus Gelatine oder Kollagen
und einer Kohlenhydratkomponente, hergestelltes Substrat ist biologisch
abbaubar, autoklavierbar, nicht zytotoxisch, stark porös, flexibel
und in großen
Mengen herstellbar.
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Der
Massenanteil des Polypeptids beträgt im Allgemeinen 5 bis 50
%, insbesondere 7 bis 40 %, vorzugsweise 10 bis 30 % bezogen auf
die Gesamtmasse der Formmasse bzw. der Lösung. Die optionale(n) Zusatzkomponente(n)
weisen einen Massenanteil im Bereich von 0 bis 50 % auf, insbesondere
von 1 bis 15 %, vorzugsweise von 3 bis 6 %, bezogen auf die Gesamtmasse.
Insbesondere entspricht das Massenverhältnis von Polypeptid zu Zusatzkomponente
etwa 1:0 bis etwa 1:1.
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Das
nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
hergestellte Substrat kann zur in vivo oder in vitro Kultivierung
von Zellen, insbesondere von Gewebezellen, speziell von Hautfibroblasten
verwendet werden. Grundsätzlich
ist auch eine Besiedelung mit anderen Zellen denkbar. Vorzugsweise
dient das Material als Transplantat für Hautwunden, wo seine Poren allmählich durch
körpereigene
Fibroblasten besiedelt werden und unter Entstehung einer neodermalen Hautstruktur
das Material allmählich
enzymatisch abgebaut wird. Weitere Verwendungsmöglichkeiten betreffen die temporäre Wundabdeckung
oder den Einsatz als Drug-Release-System zur allmählichen
Abgabe eines pharmakologischen Wirkstoffes.
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Ein
weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Produkt, das mindestens
ein nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
hergestelltes Substrat umfasst. Nach einer besonderen Ausgestaltung
enthält
das Produkt außer
dem Substrat eine an diesem anschließende Trennschicht, insbesondere
eine semipermeable Membran.
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Dieses
Produkt kann simultan zur Immobilisierung unterschiedlicher Zelltypen
eingesetzt werden. So begünstigt
das offenporige, grobstrukturierte und saugfähige Schaumsubstrat etwa die
Besiedelung mit dermalen Fibroblasten zum Aufbau einer Dermis und
die glatte oder (z. B. mäanderförmig) oberflächenfeinstrukturierte
Trennschicht auf der gegenüberliegenden
Seite die Besiedelung mit Keratinozyten zur Synthese einer Epidermis.
Die semipermeable Membran trennt einerseits die Zelltypen und schützt die
Wunde vor Infektionen und ermöglicht
ferner den Austausch von Signalstoffen, Nährstoffen, Stimulanzien etc.
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Noch
ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft eine organotypische Hybridstruktur
(im Sinne eines Tissue Engineering-Produktes), das mindestens ein
nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
hergestelltes Substrat umfasst sowie in vitro darauf kultivierte
(allogene oder autologe) Zellen oder Gewebestrukturen.
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Weitere
vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den
in den Unteransprüchen
genannten Merkmalen.
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Die
Erfindung wird nachfolgend in Ausführungsbeispielen anhand der
zugehörigen
Zeichnungen näher
erläutert.
Es zeigen:
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1 REM-Aufnahmen von Oberflächenstrukturen
von nach unterschiedlichen Verfahren formierten Schaumsubstraten;
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2 REM-Aufnahmen von Querschnitten von
mit unterschiedlichen Tensiden hergestellten Schaumsubstraten;
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3 Ergebnisse
eines LDH-Assays zur Untersuchung der Toxizität verschiedener Tenside auf 3T3-Fibroblasten;
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4 Ergebnisse
eines LDH-Assays zur Untersuchung der Biokompatibilität erfindungsgemäßer Schwammsubstrate
für 3T3-Fibroblasten;
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5 Laser-scanning-mikroskopische
Aufnahmen von FDA-gefärbten
Fibroblasten auf einem erfindungsgemäßen Schwammsubstrat nach in
vitro Kultivierung.
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Beispiel 1: Herstellung
eines offenporigen Substrats durch Kaltverschäumung
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Zunächst wird
eine wässrige
Formmasse aus einem Polypeptid (Protein) und/oder einer davon abgeleiteten
Komponente, insbesondere Gelatine, sowie gegebenenfalls einer insbesondere
kohlenhydratischen Zusatzkomponente hergestellt. Der Massenanteil
des Polypeptids (Gelatine) beträgt
5 bis 50 Gew.-%, vorzugsweise 10 bis 30 Gew.-% und der optionalen
Zusatzkomponente 0 bis 50 Gew.-%, vorzugsweise 3 bis 6 Gew.-% jeweils
bezogen auf die Gesamtmasse der Formmasse. Dabei wird – in Abhängigkeit
von der Löslichkeit
bzw. Mischbarkeit der individuellen Komponenten – unter Formmasse eine Lösung, eine
Suspension oder eine Dispersion der Komponenten in Wasser oder in
einer wässrigen
Lösung
verstanden, der anorganische Substanzen, insbesondere Salze, oder
organische Substanzen, insbesondere wassermischbare Lösungsmittel,
wie Aceton, N,N'-Dimethylformamid
oder N-Methylpyrrolidon, oder organische Salze, wie Tetrabutylammoniumbromid,
zugesetzt werden können.
Zur Verbesserung der Löslichkeit
oder Mischbarkeit der Einzelkomponenten kann die Formmasse zudem
Lösungs- oder
Phasenvermittler enthalten, welche die Komponenten in Lösung halten
beziehungsweise ihre Dispergierung stabilisieren. Die Formmasse
kann auch aus den Einzellösungen
der einzelnen Komponenten hergestellt werden. Der Gesamtfeststoffgehalt
dieser beiden Komponenten wird von den Einzelsubstanzen und angestrebten
Eigenschaften der zu erzeugenden Gerüststruktur, wie Porosität, mechanische
Festigkeit, Quellbarkeit, bestimmt. Im Allgemeinen beträgt der Gesamtfeststoffgehalt
(Massenanteil) 1 bis 95 Gew.-% (Masse des Feststoffs/Gesamtmasse
der Lösung × 100 %),
insbesondere 5 bis 40 Gew.-%.
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Zu
dieser Masse wird ein Tensid (oberflächenaktive Substanz) zur Stabilisierung
des Schaums zugemischt, wobei auch eine Mischung mehrerer Tenside
denkbar ist. Es kommen ionische Tenside, beispielsweise Cetylpyridiniumchlorid (CPM)
oder Tetradecyltrimethylammoniumbromid (TDAB), in Frage ebenso wie
nichtioni sche Tenside, wie Glycintensid (GT, =Disodium Cocoamphodiacetat),
Quillaia Saponin (QS) oder Polysorbate ("Tween"). Der Massenanteil der Tenside kann
von 0,1 bis 15 Gew.-% reichen, vorzugsweise von 0,5 bis 3 Gew.-%
bezogen auf die Gesamtmasse.
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In
diese Formmasse wird ein Gas, beispielsweise ein Inertgas (z. B.
Stickstoff), ein Edelgas (z. B. Helium oder Argon), Kohlendioxid
oder ein Gemisch von diesen eindispergiert. Dies erfolgt durch Einleiten des
Gases mittels eines Gasrohres oder einer Gasfritte oder durch Schaffung
einer entsprechenden Gasatmosphäre über der
Lösung
und in jedem Fall unter intensivem Rühren. Durch Art und Menge des Tensids
kann die Stabilität
und Größe der Gasblasen beeinflusst
werden. Weitere Möglichkeiten,
die Blasenanzahl und -größe zu bestimmen,
ergeben sich durch Variation der Verschäumungsparameter, insbesondere
der Verschäumungstemperatur,
der Rührgeschwindigkeit,
der Form des Dispergierwerkzeuges und der Verschäumungsdauer. Insbesondere wird
bei einer Temperatur von 5 bis 95°C,
vorzugsweise 20 bis 50°C,
bei einer Rührgeschwindigkeit von
100 bis 20.000 U/min für
1 bis 100 min, vorzugsweise für
5 bis 30 min verschäumt.
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Anschließend wird
der geschäumten
Lösung ein
Vernetzer, das heißt
eine Substanz mit mindestes zwei reaktiven Gruppen, beispielsweise
Isocyanat-, Epoxid- oder
Aldehydgruppen, zugemischt. Als besonders geeignet hat sich hier
der Vernetzer Methylen-bis-(4-cy clohexylisocyanat) (HMDI) erwiesen.
In Abhängigkeit
von dem gewünschten
Vernetzungsgrad wird ein Massenanteil des Vernetzers von 0,2 bis
20 Gew.-%, insbesondere von 1 bis 10 Gew.-%, vorzugsweise etwa 5
Gew.-% bezogen auf die Gesamtmasse zugegeben und unter Berücksichtigung der
Reaktivität
des Vernetzers und der Temperatur des Mischreaktors intensiv mit
der geschäumten Masse
vermischt.
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Nachfolgend
erfolgt die Formgebung der Schaummasse, in eine ausgedehnte flächige Gestalt oder
in einen komplexen dreidimensionalen Formkörper. Da die Vernetzung oft
sehr schnell abläuft
und unmittelbar mit dem Zusatz des Vernetzers einsetzt, muss an
dieser Stelle zügig
gearbeitet werden. Die Formierung kann beispielsweise durch Eingießen oder
Einspritzen in einen flachen, nach oben offenen Rahmen oder in komplexe
dreidimensionale Formen erfolgen. Alternativ kann die auf eine Unterlage
ausgegossene Form mittels einer Rakel oder einer Lackhantel auf
die gewünschte
Materialdicke ausgezogen werden oder gleich mittels eines Gießkastens
in der gewünschten
Dicke ausgezogen werden. Möglich
ist auch das Ausgießen
mit einer Breitschlitzdüse.
Diese Formgebungstechniken werden nachfolgend näher erläutert.
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Die
Stabilisierung der Schaumstruktur erfolgt durch Vernetzung durch
den zugegebenen Vernetzer. Die Kaltvernetzung wird bei höchstens
40°C, insbesondere
bei 15 bis 35°C
durchgeführt.
Bevorzugt erfolgt die Vernetzung bei 20 bis 25°C, das heißt bei Raumtempera tur. Dies
bedeutet, dass ohne äußere Temperierung
die Vernetzungsreaktion spontan einsetzt. Normalerweise ist abhängig von
der Reaktivität des
Vernetzers die Vernetzung bei Raumtemperatur nach 5 bis 4320 min
abgeschlossen, insbesondere wird für etwa 1000 bis 2000 min abgewartet.
Nach Beendigung der Vernetzung kann eine Aus- oder Nachhärtung bei
erhöhten
Temperaturen zwischen 40 und 150°C
erfolgen. Insbesondere erfolgt die Nachhärtung bei 40 bis 80°C für 5 bis
1440 min, vorzugsweise bei 60 bis 80°C für etwa 120 min. Die Nachhärtung dient
der Vervollständigung
der Vernetzung. Würde
die Vernetzung von Beginn an bei der erhöhten Nachhärtungstemperatur durchgeführt, bestünde die
Gefahr des Zerfließens
der noch nicht genügend
stabilisierten Bläschen.
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Nachfolgend
wird das Material mehrmals in Wasser, organischen Lösungsmitteln
oder Mischungen von diesen bei 20 bis 100°C, insbesondere bei 70 bis 95°C gewaschen,
um es von nicht reagierten Vernetzergruppen oder Hilfsstoffen, insbesondere den
Tensiden, zu befreien. Jeder Waschschritt dauert etwa 5 bis 60 min,
vorzugsweise 10 bis 20 min. Der Waschprozess wird bevorzugt in einer
etwa durch Rühren,
Schütteln
oder Ultraschall bewegten Waschlösung
durchgeführt,
um das Waschergebnis zu verbessern und die Waschzeiten zu verkürzen.
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Das
so hergestellte Schaumsubstrat kann je nach Anforderung im trockenen
Zustand oder unter einer entsprechenden Lösung (z. B. Ethanol/Wasser = 70/30
Vol%) aufbewahrt werden. Das Material kann auch autoklaviert werden,
beispielsweise bei 123°C für 20 min.
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Beispiel 2: Charakterisierung
der Oberflächenstruktur
von mit unterschiedlichen Techniken formierten Schäumen
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Es
wurden Schaumsubstrate nach dem allgemeinen Verfahren gemäß Beispiel
1 hergestellt. Im Einzelnen wurde Rindergelatine und Glukose mit Massenanteilen
in der Gesamtlösung
von 16,1 bzw. 5,3 Gew.-% in wässriger
Lösung
vernetzt. Als Tensid wurde in einem Ansatz Saponin und in einem
anderen Ansatz Glycintensid mit jeweils 0,7 Gew.-% eingesetzt. Die
Vernetzung erfolgte mit HMDI als Vernetzer (5,4 Gew.-%) für 1440 min
bei RT. Es wurden verschiedene Formierungstechniken angewendet.
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1A und 1B zeigen
REM-Aufnahmen von Oberflächen
der so hergestellten Schäume, wobei
auf der linken Seite jeweils das mit Saponin (QS) und rechts das
mit Glycintensid (GT) hergestellte Produkt gezeigt ist. Die Messbalken
entsprechen jeweils 200 μm.
Im oberen Teil der 1A ist ferner das Ausziehen
der geschäumten
Formmasse 10 auf einer Unterlage 12 mittels eines
Gießkastens 14 schematisch
dargestellt. Der Gießkasten 14 weist
auf seiner rechten Seite einen Gießschlitz auf, durch den die
Materialstärke
bestimmt wird. Es kann entweder der Gießkasten 14 über die
nicht bewegte Unterlage 12 in Pfeilrichtung bewegt werden
oder die Unterlage 12 bei stationärem Gießkasten 14 kontinuierlich
gefahren werden. Anstelle des Gießkastens kann die Masse 10 auch
durch eine Rakel oder eine Lackhantel mit vorgegebenem Abstand über der
Unterlage 12 ausgezogen werden. Demgegenüber ist
im oberen Bildteil der 1B die Formierung der geschäumten Masse 10 durch
Eingießen
in einen flachen Gießrahmen 16 dargestellt.
In diesem Beispiel wurde nach dem Eingießen die noch nicht vernetzte
geschäumte Formmasse 10 mit
einer flachen saugfähigen
Abdeckung 18 aus Vlies bedeckt, so dass das Vlies 18 mit der
Oberfläche
der Masse 10 in Kontakt stand. Das Material der Unterlage 12 kann
so gewählt
werden, dass ein dauerhaftes Anhaften des Schaums daran resultiert
oder dass ein leichtes Ablösen
möglich
ist. Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung ist die Unterlage eine
Membran, insbesondere eine semipermeable Ultrafiltrationsmembran,
die dauerhaft am Schaum verbleibt und der Besiedlung durch Keratinozyten
dient.
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Die
REM-Oberflächenaufnahmen
der nach beiden Techniken geformten Schaumsubstrate zeigen deutlich,
dass bei offener Materialaushärtung eine
nahezu geschlossene Porenschicht auf der Materialoberfläche entsteht
(1A). Währenddessen führt die
Abdeckung des Schaums während
der Vernetzung zu einer offenporigen Oberflächenstruktur (1B).
Es sollte erwähnt
werden, dass die unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten fast ausschließlich auf
die Verwendung oder Nichtverwendung des Vlieses 18 zurückzuführen sind.
Sämtliche untersuchten
Formierungstechniken haben sich als geeignet erwiesen, um auch großflächige Schaumsubstrate
herzustellen. Eine geschlossene Oberflächenstruktur gemäß 1A kann
insbesondere dann von Vorteil sein, wenn eine spätere Besiedelung dieser Oberfläche, beispielsweise
durch Keratinozyten, vorgesehen ist, um eine Epithelschicht zu erzeugen.
Im Allgemeinen eignet sich eine offenporige Oberflächenstruktur
gemäß 1B zur
Besiedelung mit dermalen Hautzellen, wie Fibroblasten.
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Beispiel 3: Charakterisierung
von mit verschiedenen Tensiden hergestellten Schaumsubstraten
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Es
wurden Schaumsubstrate gemäß Beispiel
1 und 2 hergestellt, wobei vier verschiedene Tenside mit jeweils
0,7 Gew.-% eingesetzt wurden, nämlich
Glycintensid (GT), Cetylpyridiniumchlorid (CPM), Quillaia Saponin
(QS) und Tetradecyltrimethylammoniumbromid (TDAB). Die Proben wurden anschließend zur
Charakterisierung nach der so genannten Kritisch-Punkt-Trocknung
getrocknet und mit einer 4 nm-Schicht aus Au/Pd im Magnetron leitfähig beschichtet. 2A-B
zeigt REM-Aufnahmen von Querschnitten dieser Proben durch die gesamte Materialstärke. Die
dargestellten Messbalken entsprechen jeweils 200 μm. Es ist
erkennbar, dass das verwendete Tensid einen großen Einfluss auf die Homogenität und die
Größen der
Poren hat. So werden mit TDAB beispielsweise relativ große und inhomogene
Porendurchmesser erhalten.
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Beispiel 4: Zytotoxizität der Tenside
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Maßgeblich
für die
Auswahl eines geeigneten Tensids für das erfindungsgemäße Kaltschäumungsverfahren
ist seine Zytotoxizität.
Um die Zytotoxizität
der hier verwendeten Tenside zu untersuchen, wurden 3T3-Fibroblasten
in einem Standardmedium (DMEM) mit Konzentrationen der Tenside von
jeweils 0 % (Kontrolle), 0,1, 0,01 und 0,001 % für 24 h im Brutschrank inkubiert.
Anschließend
wurde mit einem Enzymaktivitätstest
(Lactatdehydrogenase LDH) die Vitalität der Zellen bestimmt. Die
Ergebnisse sind in 3 in Form der bei 492 nm gemessenen optischen
Dichte (O.D.) dargestellt, wobei ein hoher Wert der O.D. einer hohen
Zellvitalität
entspricht. Glycintensid (GT) zeigt selbst bei einer relativ hohen Konzentration
von 0,01 % praktisch keine und damit die geringste Toxizität, während TDAB
und CPM die Zellvitalität
selbst in geringen Konzentrationen von 0,001 % nach 24 h Inkubationsdauer
bereits stark beeinträchtigen.
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Beispiel 5: Zytotoxizität der Schwammsubstrate
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Entscheidend
für die
Biokompatibilität
der erfindungsgemäßen Substrate
ist die Gesamtheit der zytotoxischen Substanzen, welche nach Anwendung eines standardisierten
Wasch- und Sterilisationsprotokolls in Lösung gelangen. Um dies zu testen,
wurden Schaumsubstrate gemäß Beispiel
1 und 2 unter Verwendung der Tenside Glycintensid (Schaum-GT) beziehungsweise
Quillaia Saponin (Schaum-QS) hergestellt. Von diesen wurden definierte
Proben für 1,
3 und 7 Tage in Standardmedium (DMEM) extrahiert. In den Extrakten
wurden anschließend
3T3-Fibroblasten für
24 h inkubiert. Als Positivkontrolle wurde reines Medium und als
Negativkontrolle zytotoxisches Messing verwendet. Anschließend wurde
mit dem LDH-Enzymaktivitätstest
die Vitalität
der Zellen bestimmt. Die Ergebnisse sind in
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4 in
Form der optischen Dichte (O.D.) dargestellt. Es ist deutlich, dass
auch nach einer Extraktionsdauer von 7 Tagen aus den Schwammproben
keine toxischen Substanzen in Lösung
gehen.
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Beispiel 6: Biokompatibilität der Schaumsubstrate
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Die
Eignung der erfindungsgemäßen Schwammstrukturen
als Substrat zur Besiedelung mit Zellen hängt von ihrer Bioverträglichkeit
ab. Eine Grundvoraussetzung ist, dass das Substrat keine toxische
Wirkung auf die angesiedelten Zellen, das sich daraus entwickelnde
Gewebe oder nach seiner Implantation auf das umgebende Patientengewebe hat.
Daneben können
schon geringfügige
Unterschiede in der molekularen sowie der räumlichen Struktur des Materials
das Wachstum und die Differenzierung der Zellen stark beeinflussen.
Zur Testung der Bioverträglichkeit
wurden humane Fibroblasten auf das Material gemäß Beispiel 1 und 2 (Schaum-QS)
ausgesät
und im Brutschrank in Medium inkubiert. Nach 7 beziehungsweise 14
Tagen wurden Materialproben entnommen, die darauf gewachsenen Zellen
mit Fluoresceinacetat (FDA) gefärbt und
am Laser-Scanning-Mikroskop visualisiert. Die in 5 gezeigten
Ergebnisse (Messbalken entsprechen jeweils 100 μm) beweisen, dass Fibroblasten
an den erfindungsgemäßen Schwammsubstraten
adhärieren,
sich vermehren und die Kavitäten
der Schwammsubstrate besiedeln. Nach 14 Tagen (rechte Seite) sind
die Schwammporen bereits dicht mit Fibroblasten besiedelt. Dies
weist auf die gute Biokompatibilität der erfindungsgemäßen Materialien
hin.