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Die
vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung der 1,1-Dioxo-perhydro-1,2,4-thiadiazine
Taurolidin oder Taurultam zur topischen Behandlung von Neurodermitis
bzw. zur Herstellung von pharmazeutischen Zubereitungen, die gegen
Neurodermitis wirksam sind.
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Die
Bezeichnung Neurodermitis wurde ursprünglich als Sammelbegriff für stark
juckende Dermatosen, bei denen eine Beteiligung des Nervensystems
vermutet wurde, verwendet. Heute ist die Verwendung des Begriffs
im wesentlichen auf Neurodermitis constitutionalis (andere Namen:
atopisches Ekzem, atopische Dermatitits, endogenes Ekzem, Neurodermitis
atopica, Prurigo Besnier; besondere Erscheinungsformen bzw. Vorläuferformen:
Milchschorf, Säuglingsekzem)
beschränkt.
Die Erkrankung wird heute als für
die Betroffenen quälende
und auch psychisch belastende Zivilisationskrankheit angesehen,
und insbesondere ihre verbreiteten schweren, langdauernden Verlaufsformen
im Kleinkind- und Kindesalter bereiten Eltern und Kinderärzten erhebliche
Probleme.
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Als
mögliche
Ursachen werden die verschiedensten Faktoren diskutiert. So wird
die Beteiligung der Erbanlagen für
die Entstehung der Neurodermitis genauso diskutiert wie Einflüsse der
Umwelt. Als Umweltfaktoren, die krankheitsauslösend sein können, werden dabei insbesondere
diskutiert: Luftschadstoffe, ein verändertes Wohnverhalten (zentralbeheizte
Betonplatten-Bauten), vermehrte Allergen-Exposition (Haustiere, Hausstaubmilben)
und möglicherweise
Ernährungsgewohnheiten
und Rauchgewohnheiten. Eine in letzter Zeit vermehrt diskutierte
Erklärungsvariante
ist die Infektionshypothese: Möglicherweise
hat der Anstieg dieser atopischen Erkrankung auch damit zu tun,
dass in den Industriestaaten bestimmte virale (Masern, Hepatitis)
und bakterielle (Tbc) Infektionskrankheiten kaum mehr vorkommen.
Dadurch ist die Th-1 getriebene Immunantwort (durch Th1-Zellen)
unterfordert, und es entsteht ein relatives Übergewicht von Th2-Lymphozyten,
die für
den Ablauf dieser atopischen Erkrankungen kennzeichnend sind (siehe
Deutsche Apothekerzeitung, 139. Jahrgang, Nr. 40 vom 7.10.1999,
Seite 43-46). Nach aktuellen Erkenntnissen scheint beim aktiven
atopischen Ekzem außerdem
der grampositive Erreger Staphylococcus aureus eine besondere Rolle
zu spielen. So ist dieser Keim das mikrobiologische Agens einer
häufigen
Komplikation der Neurodermitis, des impetiginisierenden atopischen
Ekzems, das gekennzeichnet ist durch honiggelbe Krustenbildungen.
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Zur
Therapie der Neurodermitis kommen neben Versuchen, die Erkrankung
durch Umstellung von Lebensweise und Ernährung positiv zu beeinflussen,
cortisonhaltige Salben und Antibiotika zum Einsatz, wobei allerdings
bei letzteren wegen zunehmender Resistenzen von Staphylococcus aureus
gegen Penicillin und Erythromycin immer mehr auf teurere Antibiotika
ausgewichen werden muß.
Außerdem
werden juckreizlindernde Antihistaminika (Wirkstoff: Clemastin,
Promethazin, Hydroxyzin, Dimetinden, Doxylamin u. a.) eingesetzt.
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Die
Behandlungserfolge sind jedoch häufig
nur enttäuschend.
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Es
besteht daher ein dringender Bedarf nach einem neuen Mittel, das
in der Lage ist, bei seiner Verwendung eine wirksame, nachhaltige
Besserung von Neurodermitis-Erkrankungen bewirkt.
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Es
ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, diesen Bedarf zu stillen.
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Die
Aufgabe wird durch die Verwendung der Taurolidin oder Taurultam
zur topischen Behandlung von Neurodermitis bzw. zur Herstellung
von topisch anwendbaren Arzneimitteln zur Behandlung von Neurodermitis gelöst.
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1,1-Dioxo-perhydro-1,2,4-thiadiazine,
einschließlich
Taurolidin und Taurultam, sind aus der
CH 482 713 A bekannt, auf die ergänzend, auch
was die Herstellung derartiger Verbindungen ausgehend von Taurylamid
angeht, voll inhaltlich Bezug genommen wird.
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Taurolidin
ist eine seit über
30 Jahren bekannte Substanz (siehe
CH 482 713 A ), die die Formel (Ia) aufweist.
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Taurultam
ist die nahe verwandte Verbindung mit der Formel ( Ib).
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Zur
Herstellung der o.g. Verbindungen wird als Zwischenprodukt Taurinamid
(β-Aminoethansulfonsäureamid)
benötigt,
das nach den herkömmlichen
Verfahren in mehrstufigen Verfahren, die eine Reihe unerwünschter
Nebenprodukte liefer ten, hergestellt werden mußte. Durch die in den Patenten
DE 195 15 976 C1 sowie
insbesondere
DE 197
08 782 C1 beschriebenen Verfahren können Taurinamid und damit auch
Taurolidin selbst heute jedoch unter Einsatz kostengünstiger
Ausgangsprodukte in hoher Reinheit und ohne problematische Nebenprodukte
hergestellt werden.
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Für Taurolidin
wurden bereits verschiedene Anwendungen in der Humanmedizin vorgeschlagen.
Die
EP 0 139 534 B1 betrifft
Zusammensetzungen für
die prophylaktische Behandlung von Ostoeitis und Osteomyelitis.
Ferner beschreibt beispielsweise
EP
0 253 662 die Verwendung von Taurolidin in Form einer wäßrigen Lösung zur
parenteralen Verabreichung bei chirurgischen Eingriffen gegen Infektionen
durch Bakterien oder bakterielle Toxine. WO 92/00743 schlägt ein Verfahren
zur Behandlung oder Prophylaxe von Tumoren durch Verabreichung einer
effektiven Dosis von Taurolidin und/oder Taurultam vor. In der
DE 35 33 612 A wird
die Verwendung von Taurolidin als die Blutgerinnung hemmendes Mittel
beschrieben. WO 94/03174 beschreibt ferner ein Taurolidin enthaltendes
zahnmedizinisches Mittel zur Behandlung von beispielsweise Parodontitis. M.
Zimmermann und T. Ebanoidze befassen sich ebenfalls mit der Verwendung
von Taurolidin in der Zahnmedizin, und zwar bei der Behandlung des "Postextraction Syndrome" (Bulletin of the
Georgian Academy of Sciences, 157, Nr.3, 1998, S. 511-514).
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Es
wird davon ausgegangen, daß die
Wirkungsweise von Taurolidin auf der Übertragung von Methylolgruppen
auf die Hydroxyl- oder Aminogruppen von Bakterienzellwänden beruht.
Im Vergleich zu Antibiotika wurde allerdings für Taurolidin eine relativ hohe
minimale Hemmkonzentration gegen Staphylococcus aureus von 0.3-0.6
mg/ml ermittelt. Dieser Wert ließ es nicht erwarten, daß Taurolidin
in Fällen,
in denen bisher eine Behandlung mit Antibiotika angezeigt war, eine
vergleichbare oder sogar überlegene
therapeutische Wirksamkeit zeigt. Das galt auch für Fälle, bei
denen zur Behandlung der Neurodermitis auf Antibiotika zurückgegriffen wurde.
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Überraschender
Weise erwies sich Taurolidin, und zwar insbesondere in Zusammensetzungen
für topische
Anwendungen, die Taurolidin als einzige oder als im wesentlichen
einzige Wirksubstanz enthielten, als sehr wirksam. Insbesondere
wurden dabei auch keine bei anderen topisch anwendbaren Antiseptika
oder Chemotherapeutika häufig
beobachteten Hautirritationen oder Hautschuppungen beobachtete,
und es kam auch zu keinen beobachtbaren Resistenzen von Bakterien.
Eine Erklärung
für die
sehr gute Gewebeverträglichkeit
und sehr geringe Toxizität
des Taurolidins ist vermutlich sein Abbau letztendlich zur biogenen
Aminosäure
Taurin, die im Blutplasma in relativ hohen natürlichen Konzentrationen vorkommt
und für
die sogar Schutzfunktionen für
verschiedene Organe, z.B. Gefäße, nachgewiesen
wurden.
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Die
Konzentration der 1,1-Dioxo-perhydro-1,2,4-thiadiazine (I), einschließlich ihrer
evtl. Metaboliten, insbesondere des Taurolidins oder Taurultams,
betragen bei den erfindungemäßen Verwendungen
vorzugsweise 0.005 bis 10.00 Gew.-%, bevorzugt 0.01-5.0 Gew.-%,
jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht der topisch anzuwendenen Zubereitungen.
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Für die erfindungsgemäßen Verwendungen
kommen grundsätzlich
alle für
topische Anwendungen auf der Haut üblichen Arten pharmazeutischer
bzw. dermatologischer Zusammensetzungen in Frage, z.B. Gele, Salben,
Tinkturen, Lösungen,
Emulsionen, Sprays, Schäume
u.ä..
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Die
jeweils einzusetzenden Hilfsstoffe wie pharmazeutische Träger oder
Emulgatoren können
in Abhängigkeit
von der Art des jeweiligen Produktes vom Fachmann durch einfaches
Ausprobieren leicht ermittelt werden. Dabei sind in Falle der Verwendung
von Taurolidin insbesondere wäßrige Systeme
bevorzugt, in die der Wirkstoff einfach als Lösung eingearbeitet werden kann.
Die Zusammensetzungen enthalten außerdem vorzugsweise Taurolidin
als einzigen wichtigen Wirkstoff und insbesondere frei von zusätzlichen
Stoffen mit hautreizender Wirkung, z.B. Wirkstoffen, die zu einem
oxidativen Stress der Haut führen
können.
Es liegt jedoch im Bereich der vorliegenden Erfindung, zusätzliche
antiseptische, pflegende oder heilende Wirkstoffe und hautpflegende
Bestandteile, die die Regenerierung der durch die Neurodermitis,
insbesondere in ihrer impetiginiserenden Form, oder durch Kratzen
geschädigten
Haut zusätzlich
fördern.
Es ist jedoch ein besonderer Vorteil der vorliegenden Erfindung,
daß z.B.
Taurolidin auch allein in einem einfachen Träger wie z.B. einem Gel auf
der Basis eines Cellulosederivats eingesetzt werden kann, und daß es selbst
in dieser einfachen Form alle gewünschten Wirkungen zeigt.
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Die
vorliegende Erfindung wird nachfolgend anhand von Beispielen für gegenwärtig bevorzugte
Ausführungsformen
für die
beanspruchten Verwendungen, die die Erfindung illustrieren, jedoch
nicht einschränken,
näher erläutert.
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Beispiel 1: Taurolidin
- Gel (2%)
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2.0
g Taurolidin werden ad 100 ml in Wasser gelöst, und in die Lösung wurde
Hydroxethylcellulose (Natrosol, 2.0g) eingearbeitet. Das entstandene
Gel wird in Aluminium- oder Kunststofftuben abgefüllt und
ist direkt für
topische Anwendungen geeignet.
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Beispiel 2: Taurolidin
- W/O-Creme (2%)
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800
g Unguentum Cordes Salbengrundlage wird auf 60°C erhitzt. Anschließend werden
20.0 g Taurolidin in die Grundlage eingerührt, und es wird mit Wasser
ad 1000 ml aufgefüllt.
Die Salbe wird anschließend abgekühlt und
in Aluminium- oder Kunststofftuben oder andere geeignete Gefäße abgefüllt und ist
direkt für topische
Anwendungen geeignet.
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Fallstudie
zum Beleg der Wirksamkeit von Taurolidin bei der Behandlung von
impetiginisierender Neurodermitis
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Eine
43-jährige
Frau wurde mit der Diagnose impetiginisiertes atopisches Ekzem an
den Händen
und Füßen stationär in die
dermatologische Abteilung aufgenommen. Histologisch ergab sich kein
Anhalt für
Psoriasis. PUVA Therapie zeigte schlechte Verträglichkeit und wurde abgebrochen.
Gemäß Antibiogramm
wurde über
10 Tage Cefpodoxim gegeben, der Zustand besserte sich etwas. Nach
14 Tagen Pause wurde wegen massiver Impetiginisation eine erneute
Gabe von Cefpodoxim erforderlich. Nach der Entlassung erfolgte die Anschlußbehandlung
bei Bedarf mit Triclosan in Dermatop-Basiscreme. Pusteln wurden
mit Kristallviolett-lösung
behandelt.
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Die
Besserungstendenz aufgrund der genannten Behandlung war sehr zögerlich.
Daher wurde kurzfristig eine systemische Steroidtherapie eingeleitet,
zunächst
mit 100 mg Prednisolon in rasch ausschleichender Dosierung. Bei
der Entlassung lag die Prednisolon-Dosis bei 50 mg Prednisolon,
das atopische Ekzem war aber nicht komplett abgeheilt. Die weitere
Behandlung erfolgte mit Dermatop-Creme, Braunol-Lösung, Kristallviolett-Lösung und
Nystatin-Suspension. Eine allergologische Testung war geplant, der
Hautzustand der Patientin war allerdings zum damaligen Zeitpunkt
nicht testfähig.
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Da
keine Besserung der Beschwerden in Aussicht stand, wurde die Patientin
an den Händen
mit 2%-iger Taurolidin-Salbe (Darstellung gemäß Beispiel 2) 3 mal täglich behandelt.
Nach 2 Tagen trat eine erkennbare Besserung ein, nach einer Woche
Behandlungsdauer konnte ein normaler Hautzustand hergestellt werden.
Die Behandlung wurde noch 1 Woche bei reduzierter Anwendungshäufigkeit
(1 × täglich) fortgesetzt.