a6-INTEGRIN BINDENDES DNA-APTAMER
Die Erfindung betrifft ein DNA-Aptamer, das a6-Integrin spezifisch bindet. Integrine bilden eine Familie von Zelladhäsionsrezeptoren, die in Zellmembranen tierischer Zellen vorkommen und die Bindung von Zellen untereinander sowie mit der extrazellulären Matrix (ECM) vermitteln, und auch eine Rolle bei der Signalübermittlung zwischen Zellen und deren Umgebung spielen (s. z.B. Takada et al, Genome Biology 2007, 8:215, doi:10.1186/gb- 2007-8-5-215). Es handelt sich um transmembranäre heterodimere Glykoproteine aus einer Alpha- und einer Beta-Untereinheit, wobei beispielsweise beim Menschen verschiedene Alpha- und Beta-Untereinheiten bekannt sind, aus denen sich unterschiedliche Integrine
zusammensetzen. Die extrazelluläre Proteindomäne von Integrinen weist eine Bindungsstelle für Proteine mit oder auch ohne RGD-Erkennungsmotiv auf. Das a6ß4-Integrin gehört zur Gruppe der Laminin-bindenden Integrine. Dabei führt die
Bindung des Integrins an Laminin zur Ausbildung von Hemidesmosomen und somit zu einer festen Bindung der Zelle an seine Umgebung. Krebszellen, die das a6ß4-Integrin ebenfalls präsentieren, nutzen durch Lamininbindung ausgelöste Signalwege, die sonst z.B. in der Wundheilung eine Rolle spielen, zur Förderung des Tumorzellwachstums und zur
Metastasierung. Dabei führt eine höhere Präsentation des Integrins auf Krebszellen oft zu einer schlechteren Prognose des Patienten (s. Tagliabue El, Ghirelli C, Squicciarini P, Aiello P, Colnaghi MI, Menard S. (1998), Prognostic value of alpha 6 beta 4 integrin expression in breast carcinomas is affected by laminin production from tumor cells, Clin Cancer Res. 4:407-10; Stewart RL, O'Connor KL (2015), Clinical significance of the integrin a6ß4 in human malignancies, Lab Invest. 95:976-86, doi: 10.1038/labinvest.2015.82. Epub 2015 Jun 29).
Deshalb ist die Inhibition der Interaktion zwischen Laminin und dem a6ß4-Integrin von hohem therapeutischem Interesse.
Die US 2007/0104716 AI beschreibt Verfahren zur Verringerung der Menge an aktivem a6ß4- Integrin in Gewebe. Hierzu sollen beispielsweise Antikörper, Laminin-5 -Analoga oder kleine a6ß4-Integrin-bindende Moleküle dienen.
Die WO 2014/03733 AI beschreibt Inhibitoren gegen einen a6-Integrin/E-Cadherin-Komplex.
Aptamere sind kurze synthetische einzelsträngige DNA- oder RNA-Oligonukleotide mit der Fähigkeit zur hochaffinen spezifischen Bindung an Zielmoleküle, beispielsweise Proteine. Ihre antikörperähnlichen Bindungseigenschaften machen Aptamere für den Einsatz als potenzielle Arzneimittel attraktiv (s. z.B. Osborne et al. (1997), Curr. Opin. Chem. Biol. 1, 5-9; Meyer, C, et al. 201 1, Journal of Nucleic Acids, doi: 10.4061/2011/904750; Keefe, A.D., et al. 2010, Nat Rev Drug Discov. 9: 537-50, doi: 10.1038/nrd3141 ; Kanwar et al. 2011, Crit Rev Biochem Mol Biol. 46: 459-477, doi: 10.3109/10409238.2011.614592). Gegenüber Antikörpern weisen Aptamere bei hoher Spezifität und Affinität sowie chemischer Stabilität eine niedrige
Immunogenität auf. Aptamere können zum Beispiel mit Hilfe eines Verfahrens selektiert werden, das als SELEX (systematic evolution of ligands by exponential enrichment) bezeichnet wird (Ellington und Szostak (1990), Nature 346, 818-822; Gopinath (2007), Anal. Bioanal. Chem. 387, 171-182; WO 91/19813). Aptamere, die a6-Integrine spezifisch binden, sind im Stand der Technik bislang nicht bekannt.
Nach wie vor besteht ein Bedarf an Mitteln, mit deren Hilfe insbesondere eine Krebserkrankung vorteilhaft behandelt, insbesondere das Tumorzellwachstum und/oder die Metastasierung vermindert werden kann. Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein solches Mittel bereitzustellen.
Gelöst wird die Aufgabe durch die Gegenstände des Anspruchs 1 und der weiteren
nebengeordneten Ansprüche. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den
Unteransprüchen angegeben.
In einem ersten Aspekt stellt die Erfindung ein DNA-Aptamer bereit, das ein a6-Integrin spezifisch bindet und
a) eine Sequenz mit den Nukleotiden 22-57 gemäß SEQ ID NO: 1, oder
b) eine Sequenz mit mindestens 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35 oder 36 aufeinander folgenden Nukleotiden der
Nukleotide 22-57 gemäß SEQ ID NO: 1, oder
c) eine Sequenz mit mindestens 75%, 80%, 85%, 90%, 95%, 96%, 97%, 98%, 99% oder 99,5%o Identität zu einer Sequenz mit den Nukleotiden 22-57 gemäß SEQ ID NO: 1, oder d) eine Sequenz gemäß a), b) oder c) mit mindestens einem modifizierten Nukleotid umfasst.
Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer ist affin und spezifisch für a6-Integrin(e), und kann bei Erkrankungen eingesetzt werden, bei denen eine Hemmung oder Behinderung der Interaktion zwischen Laminin und a6-Integrin vorteilhaft sein kann. Beispielsweise kann das
erfindungsgemäße Aptamer bei Krebserkrankungen eingesetzt werden, um das
Tumorwachstum und/oder die Metastasierung zu hemmen oder zu vermindern. Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer ist darüber hinaus einfach und kostengünstig herzustellen, gut haltbar und lagerungsfähig.
Die Sequenz gemäß SEQ ID NO: 1 umfasst 77 Nukleotide, wobei die Nukleotide 22-57 hier auch als„randomisierter Bereich",„randomisierter Teil" oder„randomisierter
Sequenzabschnitt" bezeichnet werden. Teilsequenzen von 21 Nukleotiden am 5 '-Ende (nt 1- 21) und von 20 Nukleotiden (nt 58-77) am 3'-Ende der Sequenz gemäß SEQ ID NO: 1 sind konstant (invariabel) und flankieren auch bei aus dem Stand der Technik bekannten Aptameren (s. EP 2876163 AI) einen randomisierten Sequenzabschnitt.
Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer kann beispielsweise auch verwendet werden, um a6- Integrin(e) oder Zellen oder Exosomen (s. Hoshino et al, 2015, Tumour exosome integrins determine Organotropie metastasis, Nature 527, 329-335, doi: 10.1038/naturel5756), die a6- Integrin(e) präsentieren, darzustellen, nachzuweisen und/oder zu isolieren. Hierzu kann das DNA-Aptamer beispielsweise mittels bekannter Techniken immobilisiert und in dieser immobilisierten Form als Bindemittel, beispielsweise für eine Säulenchromatographie, verwendet werden. Beispielsweise kann das erfindungsgemäße Aptamer mittels eines dem Fachmann bekannten Kopplungssystems, z.B. des Avidin-Biotin- oder Biotin- Streptavidin- Systems, multimerisiert und gegebenenfalls an Nanopartikel, z.B. so genannte Quantenpunkte („Quantum Dots", QD), gebunden werden. Mittels geeigneter Fluoreszenzmarkierung oder anderer dem Fachmann bekannter Techniken kann das erfindungsgemäße DNA-Aptamer auch zu Bildgebungszwecken eingesetzt werden.
Unter einem„DNA-Aptamer" wird hier eine isolierte oder synthetische Einzelstrang-DNA (ssDNA) verstanden, die ein Zielmolekül, z.B. ein Protein, spezifisch bindet. Insbesondere werden unter dem Begriff„DNA-Aptamer" ssDNA-Oligonukleotide (Einzelstrang- Oligonukleotide) mit höchstens 150, vorzugsweise höchstens 130, höchstens 110, höchstens 100, höchstens 90, höchstens 80, höchstens 70, höchstens 60, höchstens 50, höchstens 40, höchstens 30, höchstens 20, höchstens 15 oder höchstens 10 Nukleotiden verstanden.
Insbesondere werden unter dem Begriff ssDNA-Oligonukleotide mit 15-100 Nukleotiden verstanden.
Unter einem„Nukleotid" werden hier insbesondere die Grundbausteine von Nukleinsäuren, d.h. organische Moleküle verstanden, die aus einem Zuckerrest, in der Regel einer Pentose, z.B. Desoxyribose oder Ribose, einer organischen Base (Nukleobase) und Phosphorsäure bestehen. Die Phosphorsäure ist mit dem Zucker regelmäßig über eine Esterbindung, der Zucker mit der Nukleobase über eine N-glykosidische Bindung verbunden. In Desoxyribonukleinsäure (DNA) kommen regelmäßig die Nukleobasen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) vor, während in Ribonukleinsäure (RNA) anstelle des Thymins die Base Uracil (U) vertreten ist. Die Phosphorsäure liegt in RNA und DNA in der Regel als Monophosphat vor. Die
Verknüpfung von Nukleotiden untereinander erfolgt meistens über eine Phosphordiester- bindung zwischen dem 5'-C-Atom einer Pentose und dem 3'-C-Atom einer benachbarten
Pentose. Phosphorthioat- oder Phosphorselenoat-Nukleotide sind aber auch von dem Begriff „Nukleotid" umfasst, d.h. Nukleotide, bei denen die Phosphorsäure durch z.B. Phosphorthioat, Phosphordithioat oder Phosphorselenoat ersetzt ist. Unter einem„modifizierten Nukleotid" wird hier ein Nukleotid verstanden, das chemisch gegenüber dem ursprünglichen Nukleotid modifiziert ist. Beispiele für modifizierte Nukleotide sind 2'-Desoxy-, 2'-Halogenid- (z.B. 2'-F-), 2'-Amino-, 2'-0-Methyl-Nukleotide oder 2'- Methoxyethyl-Nukleotide, d.h. Nukleotide, die am 2'-C-Atom der Zuckerkomponente anstelle einer OH-Gruppe Wasserstoff, ein Halogenid (z.B. Fluor), eine Amino-, O-Methyl- oder Methoxyethyl-Gruppe aufweisen. Der Begriff umfasst aber auch Nukleotide, die an der
Basenkomponente modifiziert sind.
Das Merkmal, wonach das DNA-Aptamer„eine Sequenz gemäß a), b) oder c) mit mindestens einem modifizierten Nukleotid" umfasst, bedeutet, dass das DNA-Aptamer eine Sequenz umfasst, die ursprünglich einer der in den Merkmalen a), b) oder c) genannten Sequenzen entspricht, wobei jedoch mindestens eines der Nukleotide in modifizierter Form vorliegt, z.B. in Form eines 2'-F-Nukleotids. Die Formulierung, dass„mindestens ein Nukleotid" modifiziert wurde bzw. in modifizierter Form vorliegt, schließt Modifikationen an einem oder mehreren Nukleotiden ein, wobei es sich nicht jeweils um dieselbe Modifikation handeln muss, sondern unterschiedliche Modifikationen vorliegen können, beispielsweise eine 2'-F-Modifikation an einem Nukleotid, eine 2'-Desoxy-Modifikation an einem zweiten Nukleotid und eine 2'-0- Methyl- Modifikation an einem dritten Nukleotid.
Die Angabe einer Identität von Nukleotid- oder Aminosäuresequenzen in Zusammenhang mit einer Prozentangabe, z.B.„x% Identität", bezieht sich auf einen Vergleich zweier Sequenzen, wobei jeweils eine Position in der einen Sequenz mit der entsprechenden Position in der anderen Sequenz verglichen wird, und bedeutet eine Identität der Nukleotide oder Aminosäuren der beiden verglichenen Sequenzen in x% der verglichenen Positionen. Dabei kann es gegebenenfalls erforderlich sein, Sequenzlücken zu berücksichtigen, um eine möglichst gute Alinierung der Vergleichssequenzen herzustellen. Identität heißt demnach, dass beim Vergleich zweier Sequenzen an äquivalenten Stellen jeweils dasselbe Nukleotid bzw. dieselbe
Aminosäure steht. Der Grad der Ähnlichkeit oder Identität zweier Sequenzen kann
beispielsweise mit Hilfe des Computerprogramms BLAST (S.F. Altschul et al. (1990), Basic Local Alignment search tool, J.Mol. Biol. 215: 403-410; s. z.B.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/BLAST/) unter Verwendung von Standardparametern ermittelt werden, wobei dem Fachmann geläufig ist, welches Programm für die jeweilige Sequenz geeignet ist (z.B. BLASTn für Nukleotid-, BLASTp für Aminosäuresequenzen).
Die Formulierung„Sequenz mit mindestens x% Identität zu einer Sequenz mit den Nukleotiden y-z" bedeutet hier, dass beim Sequenzvergleich eine Sequenz eingesetzt wird, die aus den Nukleotiden von Position y bis Position z der in Bezug genommenen Sequenz besteht, z.B. aus den Nukleotiden der Positionen 22-57.
Der Begriff„a6-Integrin" hat hier die im Stand der Technik bekannte Bedeutung und bezieht sich auf ein vorzugsweise humanes Integrin, das eine a6-Untereinheit (auch als„CD49 ' bezeichnet) als Bestandteil des αβ-Heterodimers aufweist. Ein„a6-Integrin" weist somit die Struktur αββη auf, wobei n beispielsweise 1 oder 4 sein kann. Beispiele für bekannte a6- Integrine sind a6ßl und a6ß4. Für Sequenzinformationen zur a6-Untereinheit s. z.B. GenBank- Zugriffsnummer für das humane Präprotein: Isoform a NP 001073286.1 , Isoform b
NP 000201.2. S. auch SwissProt P23229. Humanes Integrin-a6 wird vom Gen ITGA6 kodiert.
Unter einem„a6ß4-Integrin" wird ein a6-Integrin verstanden, dessen alpha-Untereinheit eine Integrin-a6-Untereinheit und dessen beta-Untereinheit eine Integrin- ß4-Untereinheit ist. Die Integrin-ß4-Untereinheit wird vom Gen ITGB4 kodiert. Sequenzinformationen zu humanem Integrin-ß4 s. z.B. SwissProt P16144 und GenBank-Zugriffsnummer CAB61345.1.
Der Begriff„E-Selektin" hat hier die im Stand der Technik bekannte Bedeutung und bezieht sich auf ein Zelladhäsionsmolekül, das auch als SELE, CD62E, ELAM, ELAM1 , ESEL oder LECAM2 bezeichnet wird (GenBank-Zugriffsnummer für den humanen E-Selektin-Präkursor: NM 000450 (mRNA) und NP_000441 (Protein)).
Der Begriff„P-Selektin" hat die im Stand der Technik bekannte Bedeutung und bezieht sich auf ein Zelladhäsionsmolekül, das auch als, SELP, CD62, CD62P, FLJ45155, GMP140, GRMP, PADGEM oder PSEL bezeichnet wird (GenBank-Zugriffsnummer für den menschlichen P- Selektin-Präkursor: NM 003005 (mRNA) and NP_002996 (Protein)).
Unter einem a6-Integrin spezifisch bindenden DNA-Aptamer oder einem Fragment davon wird hier ein DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer-Fragment verstanden, das mit einem (vorzugsweise humanem) a6-Integrin, vorzugsweise a6ß4-Integrin, eine Dissoziationskonstante (Kd) von maximal 7·10 6 M (mol/1), bevorzugt maximal 5 · 10 6 M, bevorzugt maximal 3 · 10 6 M, bevorzugt maximal 2·10 6 M, bevorzugt maximal 10 6 M, maximal 8·10 7 M, maximal 5 · 10 7 M, maximal 3 · 10 7 M, maximal 10 7 M, maximal 8· 10 8 M, maximal 5 · 10 8 M oder maximal 3·10"8 M aufweist. Insbesondere wird unter einem (humanes) a6-Integrin spezifisch bindenden DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer-Fragment ein DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer- Fragment verstanden, das eine Dissoziationskonstante von maximal 1000 nM (nmol/1),
vorzugsweise maximal 500 nM, weiter bevorzugt maximal 250 nM, maximal 200 nM und besonders bevorzugt maximal 150 nM aufweist. Kd- Werte können beispielsweise mit Hilfe von radioaktiven Filterbindungsstudien unter Verwendung eines„One site - specific-binding"- Modells und unter Zuhilfenahme des Programms GraphPad® Prism (GraphPad Software Inc., La Jolla, CA 92037 USA) ermittelt werden (s. z. B. Meyer, C, Eydeler, K., Magbanua, E., Zivkovic, T., Piganeau, N., Lorenzen, I., Grötzinger, J., Mayer, G., Rose- John, S. & Hahn, U. (2012) Interleukin-6 receptor specific RNA aptamers for cargo delivery into target cells. RNA Biology 9, 67-80, doi: 10.4161/rna.9.1.18062). Die obigen Angaben zu Kj- Werten beziehen sich auf Mittelwerte. Unter einem Fragment eines (humanes) a6-Integrin spezifisch bindenden DNA- Aptamers wird hier nur ein ebenfalls (humanes) a6-Integrin, vorzugsweise a6ß4-Integrin, spezifisch bindendes Fragment eines DNA- Aptamers verstanden. Vorzugsweise stammt das Fragment ausschließlich aus dem randomisierten Sequenzabschnitt des DNA- Aptamers.
Unter einem humanes E-Selektin oder P-Selektin spezifisch bindenden DNA-Aptamer oder einem Fragment davon wird hier ein DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer-Fragment verstanden, das mit humanem E-Selektin oder P-Selektin eine Dissoziationskonstante (Kd) von maximal 7·10 6 M (mol/1), bevorzugt maximal 5 · 10 6 M, bevorzugt maximal 3 · 10 6 M, bevorzugt maximal 2·10 6 M, bevorzugt maximal 10 6 M, maximal 8·10 7 M, maximal 5 · 10 7 M, maximal 3 · 10 7 M, maximal 10"7 M, maximal 8· 10 8 M, maximal 5 · 10 8 M oder maximal 3·10"8 M aufweist. Insbesondere wird unter einem humanes E-Selektin oder P-Selektin spezifisch bindenden DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer-Fragment ein DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer-Fragment verstanden, das eine Dissoziationskonstante von maximal 1000 nM (nmol/1), vorzugsweise maximal 500 nM, weiter bevorzugt maximal 250 nM, maximal 200 nM, maximal 150 nM, maximal 120 nM, maximal 110 nM und besonders bevorzugt maximal 100 nM aufweist. Kj- Werte können beispielsweise mit Hilfe von radioaktiven Filterbindungsstudien unter Verwendung eines„One site - specific-binding"-Modells und unter Zuhilfenahme des Programms GraphPad® Prism (GraphPad Software Inc., La Jolla, CA 92037 USA) ermittelt werden (s. z. B. Meyer, C, Eydeler, K., Magbanua, E., Zivkovic, T., Piganeau, N., Lorenzen, I., Grötzinger, J., Mayer, G., Rose- John, S. & Hahn, U. (2012) Interleukin-6 receptor specific RNA aptamers for cargo delivery into target cells. RNA Biology 9, 67-80, doi:
10.4161/rna.9.1.18062). Die obigen Angaben zu Kj- Werten beziehen sich auf Mittelwerte. Unter einem Fragment eines humanes E-Selektin oder P-Selektin spezifisch bindenden DNA-
Aptamers wird hier nur ein ebenfalls humanes E-Selektin oder P-Selektin spezifisch bindendes Fragment eines DNA-Aptamers verstanden. Vorzugsweise stammt das Fragment ausschließlich aus dem randomisierten Teil des DNA-Aptamers. In einer bevorzugten Ausführungsform bindet das DNA-Aptamer spezifisch a6ß4-Integrin, besonders bevorzugt humanes a6ß4-Integrin.
In einer bevorzugten Ausführungsform hat oder umfasst das erfindungsgemäße DNA-Aptamer eine Sequenz gemäß SEQ ID NO: 1. Die Formulierung, dass das DNA-Aptamer eine Sequenz „hat", bedeutet, dass das DNA-Aptamer aus der Sequenz besteht, d.h. am 3'- und 5 '-Ende keine weiteren Nukleotide vorhanden sind.
Eine oder mehrere, gegebenenfalls auch alle Basen der Nukleotide des DNA-Aptamers oder des DNA-Aptamer-Fragments können modifiziert sein. Dies kann vorteilhaft sein, um
beispielsweise die Empfindlichkeit gegenüber Nukleasen in vivo zu verringern, die Aufnahme in die Zelle zu verbessern oder eine schnelle renale Resorption zu verhindern. Die Vornahme entsprechender Modifikationen liegt im Bereich des Fachkönnens des Durchschnittsfachmanns.
Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer kann auch mit anderen Verbindungen, z.B. Cholesterol oder Polyethylenglykol (PEG), gekoppelt oder auch multimerisiert werden, um beispielsweise die Bioverfügbarkeit oder die Affinität zu erhöhen, den Abbau oder die Ausscheidung zu vermindern. Zum Schutz vor dem Angriff von Exonukleasen kann beispielsweise am 3 '-Ende eine 3'-3 '-dT-Kappe (dT = Desoxythymidin) vorgesehen sein. In einer bevorzugten Ausführungsform ist das DNA-Aptamer PEGyliert.„PEGyliert" bedeutet, dass das DNA-Aptamer mit einem Polyethylenglycol(PEG)-Polymer chemisch verbunden (konjugiert) ist, beispielsweise am 5'-Ende (s. z.B. US 7803931 Bl) oder am 3'-Ende. Es kann sich beispielsweise um ein lineares PEG-Polymer von 10 kDa, 20 kDa, 30 kDa oder 40 kDa handeln. Auch verzweigte PEG-Polymere können eingesetzt werden. PEGylierungsverfahren und geeignete PEG-Polymere sind dem Fachmann bekannt (s. z.B. WO 2005084412 A2, US 7803931 Bl).
Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer kann auch in Kombination mit einem oder mehreren humanes E-Selektin und/oder P-Selektin spezifisch bindenden DNA-Aptamer oder einem Fragment davon eingesetzt werden. Bevorzugt ist der Einsatz zusammen mit den in der EP 2876163 AI (Anmeldetag 21.11.2014) beschriebenen E-Selektin und/oder P-Selektin bindenden DNA-Aptameren, besonders bevorzugt der Einsatz zusammen mit den dort beschriebenen DNA-Aptameren SDA1 und SDA2, deren Sequenzen hier in den SEQ ID NO: 2 und 3 wiedergegeben sind, oder humanes E-Selektin und/oder P-Selektin spezifisch bindenden Fragmenten davon. Die Sequenzen gemäß SEQ ID NO: 2 und 3 umfassen jeweils 91
Nukleotide, wobei jeweils identische (invariable) Teilsequenzen von 21 Nukleotiden am 5'- Ende (nt 1-21) und von 20 Nukleotiden am 3 '-Ende (72-91) einen randomisierten
Sequenzabschnitt von 50 nt (nt 22-71, unterstrichen) flankieren:
SDA1 (SEQ ID NO: 2):
GCCTGTTGTGAGCCTCCTAACCGCGAATTCGTGTCACTAAACACCGATAGTTTCGAT TGTCTTTGGTTCATCATGCTTATTCTTGTCTCCC
SDA2 (SEQ ID NO: 3):
GCCTGTTGTGAGCCTCCTAACGATTTGGATTTGGGGTGGAGGGTATGGTTTGTGCTG
GCGTTCTCATTTCCCATGCTTATTCTTGTCTCCC
In einem weiteren Aspekt stellt die Erfindung auch eine isolierte oder synthetische
Nukleinsäure bereit, umfassend oder bestehend aus einem Oligomer eines erfindungsgemäßen DNA-Aptamers. Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer kann somit auch oligomerisiert, d.h. als Oligomer des erfindungsgemäßen DNA-Aptamers, vorliegen. Unter einem Oligomer eines DNA-Aptamers (DNA-Aptamer-Oligomer) wird hier eine Nukleinsäure verstanden, die aus mindestens zwei wiederholt auftretenden DNA-Aptamer-Einheiten (Wiederholungseinheiten, Monomeren) zusammengesetzt ist. Bei dem Monomer kann es sich um das vollständige Aptamer einschließlich eines oder beider invariabler Randbereiche, um den vollständigen randomisierten Teil des Aptamers oder um a6-Integrin, vorzugsweise a6ß4-Integrin, bindende Fragmente des Aptamers, vorzugsweise Fragmente des randomisierten Teils, handeln. Die
Nukleinsäure kann auch ein Mischoligomer sein, d.h. aus zwei oder mehreren nicht identischen Wiederholungseinheiten zusammengesetzt sein, beispielsweise verschiedenen Fragmenten des
erfindungsgemäßen Aptamers oder mindestens einem in SEQ ID NO: l angegebenen DNA- Aptamer und einem Fragment davon. Die Wiederholungseinheiten müssen nicht unmittelbar aufeinander folgen, sondern können auch durch ein oder mehrere Nukleotide voneinander getrennt sein. Vorzugsweise ist das DNA- Aptamer-Oligomer aus zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun oder zehn Wiederholungseinheiten zusammengesetzt. Ein solches DNA-
Aptamer-Oligomer kann vorteilhaft beispielsweise auf Humanserumalbumin immobilisiert sein.
Ein erfindungsgemäßes DNA-Aptamer-Mischoligomer kann neben einem oder mehreren Monomeren des erfindungsgemäßen a6-Integrin bindenden DNA- Aptamers oder DNA- Aptamer-Fragments auch ein oder mehrere Monomere eines E- und/oder P-Selektin-bindenden DNA- Aptamers oder DNA-Aptamerfragments umfassen, wobei es sich vorzugsweise um eines der in der EP 2876163 AI beschriebenen E-Selektin und/oder P-Selektin bindenden DNA- Aptamere SDA1 (s. SEQ ID NO: 2) oder SDA2 (s. SEQ ID NO: 3), oder E-Selektin und/oder P-Selektin bindende Fragmente davon, besonders bevorzugt um deren randomisierten Teil, oder einem E-Selektin und/oder P-Selektin bindenden Fragment davon, handelt. Das mindestens eine Monomere eines E- und/oder P-Selektin-bindenden DNA- Aptamers kann auch eine Sequenz mit 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 30, 40, 45 oder 50 aufeinander folgenden Nukleotiden der Nukleotide 22-71 gemäß SEQ ID NO: 2 oder SEQ ID NO: 3, oder eine Sequenz mit mindestens 75%, 80%, 85%, 90%, 95%, 96%, 97%, 98%, 99% oder 99,5% Identität zu einer Sequenz mit den Nukleotiden 22-71 gemäß SEQ ID NO: 2 oder SEQ ID NO: 3 umfassen. Die Sequenz kann auch ein oder mehrere modifizierte Nukleotide umfassen.
Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer oder DNA- Aptamer-Oligomer kann vorteilhaft als Arzneimittel, vorzugsweise gegen Entzündungen und/oder Krebs und/oder zur Förderung regenerativer Prozesse wie der Geweberegeneration, verwendet werden. Hierzu kann das DNA- Aptamer oder DNA- Aptamer-Oligomer in für den Fachmann bekannter Weise in einer
Zusammensetzung enthalten sein, die in einer geeigneten Verabreichungsform formuliert wird. Das DNA-Aptamer oder DNA- Aptamer-Oligomer wird dabei in einer pharmazeutisch wirksamen Menge verwendet, d.h. einer Menge, die eine nachweisbare Wirkung auf den behandelten Zustand ausübt.
In einem weiteren Aspekt stellt die vorliegende Erfindung ein Arzneimittel bereit, das ein erfindungsgemäßes DNA-Aptamer oder DNA-Aptamer-Oligomer umfasst. Das Aptamer oder Aptamer-Oligomer ist dabei in einer pharmazeutisch wirksamen Menge in dem Arzneimittel enthalten. Das Arzneimittel umfasst darüber hinaus bevorzugt geeignetes Trägermaterial, Exzipientien und dergleichen. Gegebenenfalls kann das Arzneimittel auch einen oder mehrere weitere Wirkstoffe enthalten. Die Wirkstoffe können dabei auch an das DNA-Aptamer oder Aptamer-Oligomer gekoppelt, d.h. kovalent oder nicht-kovalent gebunden sein. Geeignete Formulierungen und Darreichungsformen sind dem Fachmann bekannt oder können auf routinemäßige Weise gemäß dem Stand der Technik hergestellt werden. Die
erfindungsgemäßen Aptamere oder Aptamer-Oligomere können beispielsweise auch an Nanopartikel gebunden werden, die mit anderen Wirkstoffen beladen sind, wodurch eine gezielte Zufuhr der Wirkstoffe ermöglicht wird.
Die Erfindung wird im Folgenden anhand von Ausführungsbeispielen rein zu
Veranschaulichungszwecken näher erläutert.
Beispiele
Das erfindungsgemäße DNA-Aptamer, im Folgenden IDA (abgekürzt für a6-Integrin inhibierendes DNA-Aptamer) genannt, weist folgende Sequenz auf:
IDA (SEQ ID NO: 1):
GCCTGTTGTGAGCCTCCTAACCGTGCGTATTCGTACTGGAACTGATATCGATGTCCC CATGCTTATTCTTGTCTCCC
Der 36 Nukleotide (nt 22-57) umfassende randomisierte Sequenzbereich ist durch
Unterstreichung gekennzeichnet.
Das Aptamer weist eine Dissoziationskonstante an PC-3 -Zellen (humane Prostata-Karzinom- Zellen, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) von 137 ± 22 nM auf und inhibiert die
Interaktion zwischen a6ß4 Integrin tragenden PC-3-Zellen und Laminin-332 mit einem IC-50- Wert von 149 nM, d.h. mit einer mittleren inhibitorischen Konzentration von 149 nM. Die
Spezifität des Aptamers konnte durch eine reduzierte Bindung an PC-3-Integrin-ß4- knockdown-Zellen (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) verifiziert werden. Des
Weiteren zeigte ein Electrophoretic Mobility Shift Assay (EMSA) die Bindung des Aptamers an die humanen Integrine ra6ß4 (rekombinantes Human-Integrin a6ß4, Xl-Isoform, R&D Systems GmbH, 65205 Wiesbaden-Nordenstadt, Deutschland, Katalog-Nummer: 5497-A6, Rev. 10/12/2015) und ra6ßl (rekombinantes Human-Integrin a6ßl, R&D Systems GmbH, 65205 Wiesbaden-Nordenstadt, Deutschland, Katalog-Nummer: 7809-A6, Rev. 10/12/2015) sowie an das murine ra6ß4 Integrin (rekombinantes Maus-Integrin a6ß4, R&D Systems GmbH, 65205 Wiesbaden-Nordenstadt, Deutschland, Katalog-Nummer: 8067-A6, Rev. 10/12/2015). Es konnte keine Bindung an das entsprechende ra4ßl Integrin festgestellt werden. Somit bindet das erfindungsgemäße Aptamer sowohl an humane als auch an murine a6-Integrine. Zudem konnte mittels konfokaler Laser Scanning Mikroskopie gezeigt werden, dass das Aptamer in die Zellen internalisiert wird. Sequenzprotokoll - freier Text und Übersetzung englischer Ausdrücke
Artificial Sequence = Künstliche Sequenz
DNA aptamer = DNA- Aptamer