Verfahren und Vorrichtung zur Steuerung der Bremsanlage eines Fahrzeugs
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Steuerung der Bremsanlage eines Fahrzeugs gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Patentansprüche.
In der DE-A-195 24 939 wird ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Steuerung der Bremsanlage eines Fahrzeugs vorgeschlagen, bei welchem bei Überschreiten eines Schwellwertes durch die Vordruckänderungsrate ein automatischer Bremsvorgang eingeleitet wird, wobei der Schwellwert mit zunehmendem Gefahrenpotential kleiner wird.
Die DE-A-197 12 859 beschreibt eine Bremsregelungsanlage für Kraftfahrzeuge. Bei dieser Bremsregelungsanlage ist ein Drucksensor zur Erfassung des Vorsteuerdruckes und des Vorsteuerdruck-Gradienten vorgesehen. Wenn der Vorsteuerdruck eine erste Schwelle und der Vorsteuerdruck-Gradient eine zweite Schwelle überschritten haben, schaltet ein Steuergerät auf einen Hilfsbetrieb um. In diesem Hilfsbetrieb wird ein schneller Druckaufbau in den Radbremszylindern und damit die maximal mögliche Verzögerung und ein kleinstmöglicher Anhalteweg erreicht.
Bei den genannten Verfahren erfolgt abhängig vom Überschreiten bestimmter Schwellwerte eine Bremsunterstützung. Dies bedeutet, daß eine klare Grenze für das Einleiten der Bremsunterstützung vorgesehen ist. Unterhalb dieser Grenze wird keine Bremsunterstützung geleistet, oberhalb dieser Grenze erfolgt eine volle Bremsunterstützung in Notbremssituationen. Der Übergang von der normalen Bremsphase in die Unterstützungsphase erfolgt hierbei schlagartig. Es ist hierbei schwierig, eine geeignete Grenze einzustellen bzw. festzulegen. Ein zu niedrig angesetzter Schwellwert führt dazu, daß auch in unkritischen Situationen eine vom Fahrer nicht gewünschte Notbremsung erfolgen kann. Ein zu hoch angesetzter Schwellwert wiederum ist dann wirkungslos, wenn beispielsweise ungeübte Fahrer in kritischen Situationen (bzw. scheinbar unkritischen Situationen) zu zaghaft bremsen
und dadurch den Schwellwert nicht erreichen und eine Notbremsung zu spät oder gar nicht eingeleitet wird.
Demgegenüber liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren und eine verbesserte Vorrichtung zur Steuerung der Bremsanlage eines Fahrzeugs bereit zu stellen. Diese Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 12 gelöst.
Die Erfindung geht von dem Grundgedanken aus, eine Bereitschaftsphase für die Bremsunterstützung vorzusehen. Diese Bereitschaftsphase wird eingeleitet, sobald der Vorsteuerdruck einen Schwellwert S1 und die Vorsteuerdruck-Änderungsrate einen dritten Schwellwert SB überschreitet. Der dritte Schwellwert SB ist kleiner als ein zweiter Schwellwert S2, bei dessen Überschreiten der Bremsvorgang unmittelbar in eine Voilbremsunterstützung übergeleitet wird. Durch diese Überschreitung des dritten Schwellwertes SB bzw. durch diesen Eintritt in die Bereitschaftsphase wird die Bremsunterstützung aktiviert bzw. geht in Bereitschaft, es erfolgt jedoch noch keine Auslösung einer Vollbremsunterstützung. Während der Bereitschaftsphase wird das Bremsverhalten des Fahrers weiter überwacht. Wenn der Fahrer im weiteren Verlauf der Bremsung den Druck auf das Bremspedal, d.h. den Vorsteuerdruck zunächst hält oder ihn sogar etwas steigert (d.h. Vorsteuerdruck-Änderungsrate etwa 0 oder positiv), dann erst wird nach Überschreiten eines vierten Schwellwertes SA für die Vorsteuerdruck-Änderungsrate von der Bereitschaftsphase in die Voilbremsunterstützung übergeleitet. In anderen Worten, sobald der Fahrer bei einem bereits aufgebauten Vorsteuerdruck erneut das Bremspedal weiter betätigt und somit zu erkennen gibt, daß eine stärkere Bremsung erforderlich erscheint, wird eine Notbremsung ausgelöst. Wird jedoch während der Bereitschaftsphase festgestellt, daß der Fahrer den Druck auf das Bremspedal nicht weiter steigert, sondern reduziert (fallende Tendenz), so wird die Notbremsung nicht ausgelöst und die Bremsanlage verbleibt in einem Normalbrems-Zustand.
Der Aufbau des Vorsteuerdruckes erfolgt systembedingt bei schnellen Bremsbetätigungen mit einer Überschwingung, d.h. der Vorsteuerdruck nimmt zu Beginn des Bremsvorgaπges stärker zu als der Raddruck. Wenn nach dem Abklingen der Überschwingung und dem Angleichen an den Raddruck der Fahrer das
Bremspedal weiter betätigt "gibt er wie beschrieben zu erkennen, daß eine stärkere Bremsung notwendig ist.
In einer alternativen Ausführungsform findet eine Tiefpaßfilterung des Vorsteuerdruck- Signals statt. Dadurch kann beispielsweise das Überschwingen im Vorsteuerdruck- Signal zu Beginn des Bremsvorganges herausgefiltert werden. Der Übergang von der Bereitschaftsphase in die Auslösephase erfolgt in dieser Ausführungsform dann, wenn - im zeitlichen Verlauf - das ungefilterte Vorsteuerdruck-Signal das gefilterte Vorsteuerdruck-Signal trifft und der Fahrer den Vordruck weiter steigert.
In einer weiteren alternativen Ausführungsform wird nach Abklingen der Überschwingung des ungefilterten Vorsteuerdruck-Signals ein oberer Schwellwert S0 vorgegeben. Der Übergang von der Bereitschaftsphase in die Auslösephase erfolgt dann, wenn dieser obere Schwellwert S0 im weiteren zeitlichen Verlauf überschritten wird. Vorzugsweise ist zusätzlich ein unterer Schwellwert Su vorgegeben. Bei
Unterschreiten dieser unteren Schwelle wird die Bereitschaftsphase abgeschlossen. In einer bevorzugten Ausführungsform wird der obere Schwellwert bzw. das Druckstreuband bestehend aus oberem und unterem Schwellwert bereitgestellt, wenn beim Abklingen der Überschwingung des ungefilterten Vorsteuerdruck-Signals ein bestimmter Gradient unterschritten wird.
Gemäß einer vierten erfindungsgemäßen Ausführungsform i j fwird in der Bereitschaftsphase der Bremsunterstützung nach einem vorbestimmten Zeitintervall die Vorsteuerdruck-Änderungsrate mit einem vierten Schwellwert SA verglichen und abhängig vom Überschreiten dieses vierten Schwellwertes SA eine Vollbremsunterstützung eingeleitet.
Bei der erfindungsgemäßen Steuerung der Bremsanlage können der erste Schwellwert S1 und/oder der dritte Schwellwert SB für die Auslösung der Bereit- Schaftsphase relativ sensibel, d.h. relativ niedrig angesetzt werden. Dies hat zur Folge, daß bereits bei vermeintlich unkritischen Situationen die Bremsanlage sich bereits in einer Bereitschaftsphase befindet und dafür sensibilisiert ist, im Falle eines späteren weiteren Anstiegs des Bremsdruckes in eine Notbremsung überzuleiten, ohne jedoch dem Fahrer die Möglichkeit zu nehmen, während der Bereitschaftsphase die
Bremsung bzw. Verzögerung noch zu beeinflussen. Der zweite Schwellwert S2 für die sofortige Auslösung der Notbremsunterstützung kann dann erfindungsgemäß höher angesetzt werden.
Vorzugsweise wird der vierte Schwellwert SA für den Übergang aus der Bereitschaftsphase in die Auslösephase abhängig von der Drucktendenz bzw. dem Bremsverhalten mehrerer vorangegangener Rechenzyklen festgelegt. Vorzugsweise findet alle 20 ms ein Rechenzyklus statt.
Vorzugsweise erfolgt die Steigerung des Druckes an den Radbremsen dann, wenn während der Bereitschaftsphase die Notwendigkeit zur weiteren Druckerhöhung abgeleitet wird zunächst in einer Aufbauphase. „Aufbauphase" bedeutet, daß mit einer (wieder) zunehmenden Vorsteuerdruck-Anderungsrate der Raddruck an den Bremsen bis hin in den ABS-Regelbereich gesteigert wird.
Nach Rücknahme des Vordruckes um einen bestimmten Wert während der Aufbauphase wird in die Dosierphase geschaltet, in der der Raddruck proportional zur Vordruckänderung verläuft. Auf diesem Wege wird dem Fahrer während der Dosierphase eine zusätzliche hydraulische Verstärkung bereit gestellt, die er durch sein Bremsverhalten direkt beeinflussen kann.
Alternativ zur Drucksteigerung an den Radbremsen bis in den ABS-Regelbereich kann auch der Vorsteuerdruck durch die Hydraulik um einen Verstärkungsfaktor erhöht an die Radbremsen weitergegeben werden. Der Verstärkungsfaktor kann konstant oder abhängig vom Vorsteuerdruckniveau bei Auslösung variabel sein.
Die erfindungsgemäße Bremsunterstützung hat den Vorteil, daß dem Fahrer ein Übergangsbereich bereit gestellt wird, in dem er entscheiden kann, ob er eine noch weiter gehende Bremsunterstützung benötigt oder ob das erreichte Bremsniveau und die damit verbundene Verzögerung ausreicht.
Nachstehend wird die Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen näher erläutert.
Es zeigen:
Fig. 1 ein Flußdiagramm der erfindungsgemäßen Bremsanlagensteuerung;
Fig. 2 unterschiedliche Bremsdruckverläufe zur Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Bremsanlagensteuerung; Fig. 3 den zeitlichen Verlauf des Vorsteuerdruckes und des Raddruckes gemäß der ersten erfindungsgemäßen Ausführungsform;
Fig. 4. den zeitlichen Verlauf des Vorsteuerdruckes und des Raddruckes gemäß der dritten erfindungsgemäßen Ausführungsform;
Fig. 5 den zeitlichen Verlauf des Vorsteuerdruckes, wenn keine Auslösung der Vollbremsunterstützung erfolgt; und
Fig. 6 eine Druckfaktorkurve für die erfindungsgemäße Bremsanlagensteuerung.
Fig. 1 veranschaulicht die erfindungsgemäße Bremsanlagensteuerung. Sobald vom Fahrer ein Bremsvorgang eingeleitet wird, findet ein Vergleich des Vorsteuerdrucks pvor rriit einem ersten Schwellwert S1 statt. Wenn dieser Schwellwert S1 von dem vom Fahrer vorgegebenen Vorsteuerdruck nicht überschritten wird, erfolgt eine Normalbremsung (vgl. gepunktete Kurve in Fig. 2; rechter Zweig in Fig. 1). Andererseits findet bei Überschreiten des Schwellwertes S1 durch den Vorsteuerdruck eine weitere Abfrage statt. Diese weitere Abfrage wird von einer zweiten Vergleichseinrichtung ausgeführt, die die Vorsteuerdruck-Anderungsrate dpvor m't dem zweiten Schwellwert S2 vergleicht. Wenn die Vorsteuerdruck-Änderungsrate den Schwellwert S2 überschreitet, so erkennt die erfindungsgemäße Bremsanlagensteuerung, daß vom Fahrer eine Notbremsung durchgeführt wird, und die Vollbremsunteπstützung wird aktiviert (vgl. gestrichelte Kurve in Fig. 2; linker Zweig in Fig. 1). Überschreitet die Vorsteuerdruck-Änderungsrate dpvor den zweiten
Schwellwert S2 nicht, so wird in einer dritten Vergleichseinrichtung überprüft, ob die Vorsteuerdruck-Änderungsrate bereits einen dritten Schwellwert SB überschreitet. Der dritte Schwellwert SB ist niedriger als der Schwellwert S2. Falls diese Bedingung ebenfalls nicht erfüllt ist, d.h. die Vorsteuerdruck-Änderungsrate so gering ist, daß selbst der dritte Schwellwert SB nicht überschritten wird, so wird eine Normalbremsung durchgeführt. Andererseits wird bei Überschreiten des dritten Schwellwertes SB die Bereitschaftsphase eingeleitet (vgl. durchgezogene Kurve in Fig. 2). Dieser1 Bremsverlauf zeichnet sich typischerweise dadurch aus, daß systembedingt bei schnellen Bremsbetätigungen zunächst eine Überschwingung des Vorsteuerdruckes
erfolgt und sich im weiteren Verlauf Vorsteuerdruck und Raddruck angleichen. Überschreitet anschließend die Vorsteuerdruck-Änderungsrate dpa^ue|| den vierten Schwellwert SA, so wird die Vollbremsunterstützung aktiviert und die Aufbauphase der verschärften Bremsung eingeleitet, da dieses Überschreiten des vierten Schwellwertes SA der Bremsanlagensteuerung anzeigt, daß der Fahrer das Bremspedal nun doch weiter durchtritt und stärker bremsen möchte (vgl. Fig. 3). Nimmt andererseits die Vorsteuerdruck-Änderungsrate dpaktue|| weiter ab, (fallende Tendenz), so bleibt die
Normalbremsung erhalten und die Bereitschaftsphase kann beendet werden.
Fig. 3 veranschaulicht wie beim Übergang in die Auslösephase zunächst in der Aufbauphase der verschärften Bremsung der Raddruck an den Bremsen bis hin in den ABS-Regelbereich gesteigert wird. Nimmt dann der Fahrer den Vorsteuerdruck wieder zurück, so erfolgt nach einer Rücknahme des Vorsteuerdruckes um einen bestimmten Wert der Übergang in die Dosierphase. In der Dosierphase verläuft der Raddruck proportional zur Änderung des Vorsteuerdruckes.
Fig. 4 veranschaulicht die dritte erfindungsgemäße Ausführungsform. In dem in Fig. 4 dargestellten Beispiel ist ein Druckstreuband mit oberem Schwellwert S0 und unterem
Schwellwert Su vorgegeben. Der Übergang von der Bereitschaftsphase in die Auslösephase bzw. Aufbauphase erfolgt wie in Fig. 4 gezeigt bei Überschreiten des oberen Schwellwertes S0 durch den Vorsteuerdruck.
Sofern der obere Schwellwert S0 während der Bereitschaftsphase nicht überschritten wird, erfolgt bei Unterschreiten des unteren Schwellwertes Su durch den
Vorsteuerdruck ein Abschalten der Bereitschaftsphase. Ferner wird die Bereitschaftsphase beendet, wenn innerhalb eines vorbestimmten Zeitintervalls keine Auslösung der Vollbremsunterstützung erfolgt (vgl. Fig. 5).
Die Schwellwerte für die Vorsteuerdruck-Änderungsrate werden beispielsweise über einen Druckfaktor kp mit dem absoluten Vorsteuerdruck korreliert. Dazu dient beispielsweise die in Fig. 6 angegebene Druckfaktorkurve. Anhand der gezeigten Druckfaktorkurve werden beispielsweise die Schwellwerte S2 und SB wie folgt berechnet.:
S2neu = S2standard • kp SBneu = ^Standard • ^p
Die mit dem Index „Standard" gekennzeichneten Werte sind dabei die für den unbetätigten Zustand vorgegebenen Basiswerte.
Der Schwellwert SA ist vorzugsweise fest vorgegeben. Alternativ ist SA abhängig von der jeweiligen Bremssituation (z.B. aktueller Vorsteuerdruck).